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86. Jahrgang.
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Schwäb. Landwirt.
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Eine nationale Arbeiterpartei.
* 9 . In einem sehr lesenswerten Aufsatz in der „Deutschen Revue" November-Heft versucht Graf Albrecht zu Stol- berg-Wernigerode nachzuweisen, daß die Arbeiter mehr Einfluß auf die ganze Staatsmaschine erhalten müssen, soll der Staat nicht dem Verderben nahegebracht werden. Der Arbeiter habe recht, wenn er sage, er wolle eine Partei haben, die in erster Linie sein Interesse vertrete. Genau so wie andere Stände nur Zutrauen haben zu den Parteien, dis ihre Interessen in erster Linie vertreten, genau so könne der Arbeiter nur Zutrauen haben zu der Partei, die in erster Linie seine Interessen vertrete. In allen andern Parteien wird er sich nur geduldet fühlen. Er führt weiter aus:
Wir müssen die Arbeiter zur Mitarbeit heranziehen. Die Sozialdemokratie heranzuziehen, wäre ein erfolgloses Mühen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als einer nationalen Arbeiterpartei die Wege zu bahnen. Es muß düs eine ausgesprochene Arbeiterpartei sein, denn nur zu einer solchen hat der Arbeiter Zutrauen. Die Partei muß aus nationalem Boden stehen und neben den Interessen der Arbeiter die der Allgemeinheit vertreten. Die andern Parteien müßten gleich von Anfang an bestrebt sein, sie zur Mitarbeit zu gewinnen. Die andern Parteien würden freilich an Wählern verlieren; aber sie verlieren ja jetzt auch viele Wähler an die Sozialdemokratie und sie werden noch viel mehr verlieren je mehr sich der Kampf verschärft. Würde diese nationale Arbeiterpartei je stark werden können? Nach des Verfassers Meinung, ganz gewiß. Wenn wir die Arbeiter in drei Klassen teilen, solche, die heute der Sozialdemokratie, solche, die den bürgerlichen Parteien, und solche, die keiner Partei angehören, und fragen wir uns, ob es wahrscheinlich ist, daß von diesen drei Klassen die nationale Arbeiterpartei großen Zulauf haben wird. Nehmen wir zunächst die erste Klasse. Es steht fest, daß ein großer Teil der Arbeiter heute der Sozialdemokratie nur angehört, zum Teil, weil er sonst boykottiert werden würde, also widerwillig, zum Teil, weil er einer Wsgesprocheucn Arbeiterpartei angehören will, es aber eine andere weniger scharfe als die Sozialdemokratie nicht gibt, zum Teil, weil er der wirtschaftlichen Vorteile, die den Sozialdemokraten in den freien Gewerkschaften geboten werden, teihaftig sein will, und zum Teil auch, weil es nur in ganz wenigen Großstädten Arbeiterzeitungen gibt, die nicht auf sozialdemokratischem Boden stehen, also weil es ihm sonst an einer aus seinem Niveau stehenden Lektüre fehlt.
Ich meine, alle diese Kategorien würden mit Freuden der nationalen Arbeiterpartei beitretcn, besonders die durch Boykottandrohung unter die sozialdemokratische Fuchtel gezwungenen. Wie oft hört man sie nicht über den Druck, unter welchem sie stehen, Klagen.
Gehen wir zu der zweiten Klasse über, zu denen, die den bürgerlichen Parteien angehören. Auch aus ihren Reihen würde die neue Partei großen Zulauf haben und ebenso auch aus der dritten Klasse. Wie viele gibt es nicht, die abseits stehen. Unter die sozialdemokratische Gewaltherrschaft wollen sie sich nicht fügen, einer bürgerlichen Partei wollen sie sich nicht anschließen, weil diese ihre Spezialinte
ressen doch nicht genug vertreten würde. Auch deren also sind es viele.
Nun ist weiter meine Meinung die: Eine Partei kann sich auf die Dauer nicht halten, sie kann überhaupt nicht zu Macht kommen, wenn sie nicht ein wirtschaftliches oder sonst ein Gebilde hinter sich hat. Die Stärke, der Rückhalt der Konservativen ist der Bund der Landwirte, des Zentrums die katholische Kirche, der Sozialdemokratie die freien Gewerkschaften. Und die Schwäche des Liberalismus ist es, daß er kein solches Gebilde hinter sich hat, denn der Hansabund ist doch nur der Rückhalt für den linken Flügel des Liberalismus. Die Schwierigkeit für den Liberalismus ist es eben, daß in ihm so ganz entgegengesetzte wirtschaftliche Anschauungen vertreten sind, die die Bildung eines einheitlichen wirtschaftlichen Rückhalts nicht zulassen. Ja, das ist im Zentrum auch so, aber das hält auch kein wirtschaftliches, sondern ein religiöses Gebilde zusammen. Dies nur nebenbei. Also jede Partei, will sie eins Macht werden und bleiben, muß ein wirtschaftliches oder sonstiges Gebilde hinter sich haben, die Menschen, dis wirtschaftlich dieselben Ziele haben, haben sie auch politisch; erst kommt das Gefühl der wirtschaftlichen, dann erst das der politischen Zusammengehörigkeit.
Auch die nationale Arbeiterpartei muß also ein Gebilde hinter sich haben. Ein religiöses kann es nicht sein, denn es gibt evangelische, katholische und auch jüdische Arbeiter; es kann also nur ein wirtschaftliches sein. Die Sozialdemokratie hat die Masse sür ihre Anschauungen zu gewinnen versucht, indem sie freie Gewerkschaften schuf, in denen sie die Arbeiter wirtschaftlich einte, ihnen aber auch zugleich ihre politischen Ansichten beibrachte. Genau so muß bei der nationalen Arbeiterpartei vorgegangen werden. Nationale Gewerkschaften müssen gegründet werden. Das ist die Vorbedingung für ein Prosperieren der neuen Partei, nicht neue Gewerkschaften neben den bestehenden alten, sondern eine neue anstatt der vielen alten, das muß das Ziel sein. Heutzutage sind die Kräfte viel zu sehr zersplittert, darum haben sie leider auch viel weniger Kraft als die freien Gewerkschaften. Das ist die kolossale Macht der freien Gewerkschaften, daß sie eins sind, ein Ziel nur verfolgen, auf einem Wege nur vorgehen. Bei den nicht freien Gewerkschaften ist es leider umgekehrt, da gibt es Hirsch-Dunckersche, christliche Gewerkschaften, nationale Arbeitervereine und dergleichen mehr, sie alle gehen auf verschiedenen Wegen vor, haben verschiedene Ziele, ja bekämpfen sich sogar ab und zu. Zum großen Teil durch diese Uneinigkeit sind die freien Gewerkschaften so stark geworden. Wenn sich die nationale Arbeiterpartei auf diese zerstückelten Kräfte stützen sollte, so würde ihr die Sozialdemokratie, die ein einheitliches Gebilde hinter sich hat, immer überlegen sein. Die erste Aufgabe ist also die, die verschiedenen nicht freien Gewerkschaften und Vereine zu einem einzigen Gebilde zusammenzuschweißen. Auf diesem Grundstock kann sich dann die nationale Arbeiterpartei bilden, und je mehr der Grundstock wächst, um so mehr wird auch die Partei wachsen, und je mehr diese wächst, um so mehr wird sie die Sozialdemokratie überflügeln. Sie allein kann die Sozialdemokratie schwächen, alle Gewaltmittel werden immer versagen und nur den entgegengesetzten Erfolg haben. Und je mehr dann mit dem Wachsen der nationalen Arbeiterpartei staatserhaltende, staats
fördernde Gesinnung wieder in der Arbeiterschaft an Boden gewinnt, um so mehr wird man den Arbeiter zur Mitarbeit im Staate und in allen öffentlichen Einrichtungen überhaupt heranziehen können. Den Arbeiter mit einzuschalten in die Staatsmaschine, das ist ein dringendes Erfordernis, das dringendste, das wir augenblicklich in der inneren Politik haben. Beachten wir es nicht, wir gehen unfehlbar der Revolution entgegen.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 14. Nov.^
Ani Bundesratstisch Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.15 Uhr.
Aus der Tagesordnung steht zunächst die erste Lesung des Gesetzes über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und dem Schutzgebiete Kiautschou.
Staatssekretär o. Kiderlen-Wächter: Der vorliegende Gesetzentwurf hat den Reichstag schon einmal beschäftigt. Damals ist er leider abgelehnt worden. Dennoch glaubt die Regierung großen Wert auf seine Verabschiedung legen zu sollen, da sonst die deutschen Interessen in Ostasien erheblich geschädigt werden dürften. Eine deutsche Gesellschaft ist infolge Ablehnung der kleinen Aktien in eine englische umgewandelt worden, woraufhin die deutschen Interessenten in Ostasten an den Reichstag petitionierten, und diese Eingabe ist dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen worden. Wollen wir nicht weiter das Ansehen Deutschlands schädigen, so müssen wir für diesen Bezirk die kleinen Aktien zulassen. Für den Börsenverkehr werden besondere Kau- telen geschaffen werden.
Beizer (Z.): Für unsere tüchtigen Kaufleute in Ostasien brauchen wir die kleinen Aktien. Wir verlangen, daß die Zulassung jeder Aktie im Reichsgebiet der Genehmigung des Reichskanzlers unterliegt, da nur das Auswärtige Amt die Güte der betreffenden Unternehmen beurteilen kann. Wir beantragen Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission.
Rösick e (B. d. L.): Unsere gesetzlichen Bestimmungen, die sich sehr gut bewährt haben, dürfen wir nicht ändern, weil lokale Interessen in einer Kolonie dem entgegenstehn. Man würde sonst bald dazu kommen, daß die kleinen Aktien auf sämtliche Schutzgebiete ausgedehnt werden. Ich schließe mich dem Antrag auf Kommissionsberatung an.
Geck (Soz.): Wir brauchen keine kleinen Aktien, sondern Brot für das Volk und Schutz gegen Ausbeutung. (B.eif. b. d. Soz.)
Korvettenkapitän Brünninghaus: Die kleinen Aktien sind für unsere ostasiatischen Verhältnisse eine unbedingte Notwendigkeit. Die deutschen Gesellschaften können dort nicht aufkommen, außer wenn sie britische Untertanen werden, oder Engländer als Direktoren anstellen.
Dove (s. V.): Die Befürchtung, daß das System der kleinen Aktien auch nach Südwestasrika oder nach den anderen deutschen Kolonien übergretfen werde, ist hinfällig. Gegen den Antrag, die Zulassung der kleinen Aktien von der Zustimmung des Reichstages abhängig zu machen, haben wir ebensowenig etwas einzuwenden wie gegen den der Ueberweisung an eine Kommission.
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Freundschaft im alten Rom.
Von A. von Gleichen-Rußwurm.
(Schluß.)
Wer die Freundesbriefe von Staatsmännern durchsicht, von Cicero bis zu den Parteiführern des 19. Jahrhunderts, wird in jedem Parteileben die Sehnsucht nach Vertrauen, Treue und Opfermut erkennen, die als Zeichen echter Freundschaft von dieser unzertrennlich sind. Sie allein ermöglicht gedeihliches Zusammenwirken und schenkt jenes Selbstoer- traüen, das dem Erfolg unbedingt vorausgehen muß. Aus diesem tiefen Sinn heraus gibt Cicero an der Schwelle des politischen Zeitalters die Erklärung der Freundschaft: Sie ist die Uebereinstimmung in allem was uns zu Göttern und Menschen in Beziehungen setzt, von einem Gefühle des Wohlwollens und der Liebe begleitet.
Cicero gehörte im ersten und tatkräftigen Teil seines Lebens zu den Römern, die das politische Ideal des Vaterlandes im Herzen trugen und politische Freundschaft wie Ruhm sür die lebenswertestcn Güter hielten. Aber er war auch einer der größten Schriftsteller seines Zeitalters. Er wußte alles, was man damals wissen konnte, besnnders aber das, was die Griechen erdacht hatten und er gab es wieder mit wunderbarer Klarheit. Sein Verdienst, die Tore
Roms der Philosophie geöffnet und der neu sich bildenden Gesellschaft das Wesen der politischen Freundschaft theoretisch nahegebracht zu haben, überdauerte das politische Ideal, dem zuliebe er gestritten und gelitten.
Im Gespräch Vs kunioitru, das dem Freunde T. Pomponius Atticus gewidmet ist, legt er seine Meinung nieder, über die Freundschaft des Patrioten und des Weisen. An der Scheidewand zweier Zeitalter entstanden, als gegenseitiges Mißtrauen die alten politischen Freundschaftsverbände zerriß und das griechische Philosophenideal dem politischen Gemeinsamkeitsgedanken die Gemeinsamkeit der Weltanschauung als tröstlichen Vereinigungspunkt entgegenstellte, sollte der Dialog v« »mieitia jenen den Weg vorzeichnen, die das Glück des Weisen mit den Pflichten des Staatsmannes zu vereinen trachteten.
Im freundschaftlichen Leben der Römer war in den Zeiten der Bürgerkriege und des wachsenden Reichtums der Machthaber eine neue Erscheinung ausgetreten, der Parasit. Das Wort kam ans Griechenland und bezeichnete ursprünglich nur den, der an der Seite eines anderen speist. Sein Begriff, dem gesellschaftlichen Leben entnommen, wurde in Hellas zunächst auf die Priester und Priestergehilfcn, die der Staat öffentlich speiste, übertragen und erhielt dann den verächtlichen Sinn des falschen Freundes, der sich bei den Vornehmen gem ungeladen zur Tischzeit einstellte und sich für den Genuß der freien Mahlzeit meist erniedrigende Be
handlung und verletzende Spässe vom Hausherrn und seinen Gästen gefallen ließ. Der Parasit gab der neuen Komödie eine ständige Figur, so daß es Cicero leicht hatte, mit Bei- spielen aus den Stücken des Terenz die lächerliche und böse Rolle des falschen Freundes, des Parasiten zu geißeln, dessen Stellung in den Häusern der Neureichen erschreckende Wichtigkeit erhielt.
Die Figur des Schmarotzers diente dem Philosophen dazu, die reine Nützlichkeitstheorie zu verwerfen, die sich aus Grund des falsch erfaßten Epikurismus immer weiter verbreitete, und gab dem Staatsmann Gelegenheit, die Ansicht zu bekämpfen, die eine Quelle der Freundschaft in der Hilfsbedürftigkeit erblickt.
Denn der Schwache darf nicht freundschaftsfähiger als der Starke sein und Mitleid darf sich nicht in das Gefühl der Zusammengehörigkeit drängen, weil es die Gleichheitsmöglichkett ausschließt.
Die Figur des Parasiten oder bedürftigen, liebedienerischen Klienten ist bezeichnend für den Uebergang von der republikanischen zur monarchischen Staatsform. Der Freund wird zum Schmeichler, der Parteigenosse zum Gefolgsmann in den Tagen des Glücks.
Ein solcher Schmarotzer zieht das Wesen der Freundschaft in den Staub, weil er sich zu allem benutzen läßt, nicht nur zur Zielscheibe eines billigen Spottes, sondern auch
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