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Fernsprecher Nr. 29.
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89. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
Beklagen: Plauderstäbchen, Illustr. Sottotageblait und
Echwäb. Landwirt.
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Der Kaiser, der Kanzler und Herr v. Lindequist.
Aus Bundesratskreisen erfahren wir folgende Einzelheiten über den Rücktritt des Staatssekretärs Linde- quist: Als Lindequist im Laufe des Sommers die Absicht des Auswärtigen Amts erkannte, 'die Verhandlungen mit Frankreich ohne Heranziehung des Kolonialamts zum Abschlüsse zu bringen, überreichte er sein Abschiedsgesuch. Der Reichskanzler allerdings erblickte in dem Verlangen des Kolonialsekretärs eine Überschreitung seiner Befugnisse, da nach der Reichsoerfassung die Entscheidung über die Mitwirkung von Reichsämtern ausschließlich dem Reichskanzler zusieht, erklärte sich aber trotzdem bereit, dem Wunsche des Kolonialsekretärs zu entsprechen. Lindequist zog auf Grund dieser Zusicherung sein Abschiedsgesuch zurück, nachdem ihm die Grundzüge des beabsichtigten Abkommens milgeteilt wurden.
Nach eingehendem Studium des Entwurfs und Beratung mit seinen fachkundigen Herren versah ihn Lindequist mit einer großen Anzahl von Bemerkungen, die Forderungen enthielten, die der Staatssekretär vom Standpunkt seines Ressorts als unerläßlich bezeichnet. Herr v. Kiderlen- Wächter suchte im Lause der Verhandlungen die Wünsche seines Kollegen bei der französischen Regierung durchzudrücken, was ihm aber nur zum kleinsten Teil gelang. Zur Zeit, als Lindequist seine Znstimmung gab, die Gerüchte über seine Rücktrittsabsichten zu dementieren, war der Vertrag noch nicht perfekt, und es bestand noch immer die Aussicht, daß die französische Regierung bezüglich einiger von Lindequist als unumgänglich notwendig bezeichnet» Forderungen, Entgegenkommen zeigen werde. Diese Hoffnung erfüllte sich aber nicht, Lindequist wurde vor eine vollendete Tatsache gestellt und bestand auf seinem Rücktritt.
In Bundesratskreisen wird erzählt, daß der Kanzler die offiziöse Anrempelung des scheidenden Staatssekretärs entschieden mißbilligt. Uebrigens sind die Meinungen über Lindequists Verhalten im Bundesrat geteilt. Nur ein kleiner Teil des Bundesrats billigt Herrn Lindequists Vorgehen, der überwiegende Teil steht auf der Seit des Reichskanzlers und erblickt in dem Auftreten des scheidenden Staatsmannes eine ungerechtfertigte Ueberschätzung seiner früheren Stellung als Staatssekretär, die er anscheinend mit der Stellung eines verantwortlichen Ministers verwechselt hat. Auch der Kaiser mißbilligt das Verhalten des früheren Staatssekretärs, der nach seiner Auffassung durch sein unzeitgemäßes Ausscheiden der Reichspolitik einen sehr schlechten Dienst erwiesen, also sich gewissermaßen der „Fahnenflucht" schuldig gemacht hat.
Zu der Meldung eines süddeutschen Blattes, daß der Kaiser, als die Konfliktsgefahr ihren Höhepunkt erreicht hatte, vom Kciegsminister und Herrn von Tirpitz Auskunft über Deutschlands Schlagfertigkett verlangt habe, erfahren mir aus derselben Quelle folgende Richtigstellung: In dieser Mitteilung sind Wahrheit und Dichtung gemischt. Es ist richtig, daß die Frage der deutschen Kriegsbereitschaft im Bandesrat Gegenstand ernster Erwägungen gebildet hat. Außer dem Generalstab wurde auch der Admtralstab auf- gcfordert, zu erklären, ob wir aktionsbereit sind. Der Genera istab bejahte diese Frage ohne Einschränkung, dagegen erklärte der Admiralstab, daß uns, um gegen die vereinigte englisch-französische Flotte mit Aussicht auf Erfolg operieren zu können, 10 Dreadnoughts (oder 10 große Panzerkreuzer) stblen. Dieses Gutachten des Admiralstabs übte eine starke Wirkung nach der Richtung einer friedlichen Verständigung aus.
Im Bundesrat hat man schon die Möglichkeit erwogen, was zu geschehen habe, wenn die Mehrheilsparteien des Reichstags, gelegentlich der Interpellationsbesprechung über das Abkommen mit Frankreich, eine außerprogrammäßige Verstärkung unserer Flotte in der Richtung eines beschleunigten Ausbaus großer Panzerkreuzer und Unterseeboote verlangen. Es verlautet, daß die maßgebenden Stellen sich, wenn die Mehrheit des Reichstags diesen Wunsch zum Ausdruck bringt, nicht ablehnend verhalten werden. Allerdings müßte zu gleicher Zeit die Deckungsfrage gelöst werden. Man erwägt, zur Kostendeckung eventuell die Erträgnisse eines Petroleummonopols (?) heranzuziehen. (Nat.-Ztg.)
(Bon den Kieler Neuest. Nachr. wird die letztere Meldung als völlig aus der Lust gegriffen bezeichnet. Nach dem Kommentar der „National-Zeitung" scheint es fast, als ob es sich hier um einen „Ballon d'essay" und gleichzeitig eine Stimmungsmache für neue Flottenvorlagen handle.)
Donnerstag» den 9. November
Tages-Neuigketten.
L»8 Sticht urch Land.
Nagold, S. November 1011.
* Vom Rathaus. Verlesen wird ein Schreiben der Verwaltung der Rudolf-Sophienstistung in Stuttgart, wor- nach die Bestchtigungsreise zum Zweck der Auswahl eines geeigneten Bauplatzes für das Erholungsheim derselben abgeschlossen ist; drei passende Plätze seien in engere Wahl gestellt, die Stadt Nagold könne somit nicht mehr in Betracht kommen. Für das Angebot wird in dem Schreiben gedankt. — Das Stadtbauamt hat in der Zeit vom 23. bis 28. Oktbr. eine starke Abnahme des Wasserstandes im Reservoir festgestellt; bei einer am 1. Noo. vorgenommenen Untersuchung des Leitungsnetzes wurde kein Defekt gefunden; dagegen wurde in der Abwasserdohle der unteren Bahnhosstraße ein starker Zulauf reinen Wassers entdeckt. Es stellte sich heraus, daß dieser Zulauf von Gebäude Nr. 50 des Kaufmanns Walz herrührte. Dort fand sich, daß dessen Schwiegersohn, Elektrotechniker Herrgott, die Wasserleitung zu einem Motor benützt, behufs Erzeugung des elektrischen Lichts. Erwähnt wird, daß dieses Vorgehen ohne Anzeigeerstattung, unter die Bestimmung des Wasserstatuts gegen die Wasseroergeudung falle. Der Gemeinderat ist entrüstet über diese Wasserverschwendung, denn es leuchtet ohne weiteres ein, daß die Wasserleitung nicht dazu da ist, Motors zu treiben, besonders noch in einer Zeit, in welcher, wie jedes Kind weiß, der Wassersland sehr knapp ist; es wird daher beschlossen, den Höchstsatz der Konventionalstrafe von fünfundzwanzig Mark anzusetzen. Im Anschluß wird mitgeteilt, Kaufmann Walz habe seinerseits Anzeige gemacht, daß Gasthofbesitzer Knödel 16 Fässer L 4 Eimer mit Wasserleitungswasser verschwellt und vier Wochen lang jeden Tag gefüllt habe; Küfer Harr sei Zeuge. Die Vernehmung des letzteren hat ergeben, daß es sich nur um 8—10 Fässer L ca. 2 Eimer gehandelt hat und daß höchstens nur ein dreimaliges vollständiges Füllen derselben statlsand. Es wird vom Gemeinderat hiezu ausgesprochen, daß in Anbetracht des dem etc. Knödel angesetzten Wasserzinses von 42 ^ eine Wasserverschwendung nicht angenommen werden könne, zudem das Verschwellen von Fässern nicht als unzulässig zu bezeichnen sei, sofern es in ordnungsmäßiger Weise vorgenommen werde. Unter letzteres falle aber z. B. nicht, wenn man einfach das Wasser in dem Behälter weiter laufen lasse und wenn derselbe schon voll sei, so daß das Wasser überschieße und in die Kandcln etc. laufe. In der Besprechung kommt das Kollegium, da immer noch Wasserverschwendungen Vorkommen, zu dem Entschluß, die Wasserabnehmerliste einer Revision zu unterziehen und den Kreis der Wasserabnehmer, welche mit Wassermessern zu versehen sind, noch auszudehnen. — Beschlossen wird die Schasweideoerpachtung zur Bewerbung auszuschreiben. — Verlesen wird der Kassenbericht der Stadlpflege pro Monat Oktober.
* Silberne Hochzeit. Das Ehepaar Karl Lehre z. Rose begeht heute das Fest der silbernen Hochzeit; der Liederkranz feierte gestern abend gelegentlich seiner regelmäßigen Singstunde bei Freibier das Jubelpaar durch oen Bortrag passender Chöre und mit verschiedenen Ansprachen, aus welchen heraus die gegenseitigen herzlichen Beziehungen zwischen Herbergseltern und Sangesbrüdern zum Ausdruck kamen. Auch an dieser Stelle dem Jubelpaar herzliche Glückwünsche! — Ein ihm zugedachtes Ständchen hatte das Ehepaar in bescheidener Weise abgelehnt.
^bu. Selbsthilfe für de« kleinen Mittelstand. Die Invalidenversicherung wird von Gewerbetreibenden und Landwitten vorwiegend nur von der Seite betrachtet, daß sie eine schwere Last für den Arbeitgeber ist. Man übersieht dabei aber, daß es auch der Arbeitgeber in der Hand hat, sich gegen sehr mäßige Beitragszahlungen die Segnung der Invalidenversicherung zunutze zu machen. Wie bekannt, dehnte sich mit dem 1. Januar 1912 die Invalidenversicherung auch auf die Hinterbliebenenoersicherung-aus. Nun möchten wir unsere kleinen Gewerbetreibenden und kleinen Landwitte hieraus besonders aufmerksam machen. Mancher, der seine Familie versorgen will, dessen Mittel aber nicht ausreichen, um eine genügend große Lebensversicherung einzugehen, findet vielleicht bei der Invalidenversicherung das Hilfsmittel, nach dem er sucht, das seinen finanziellen Kräften entspricht. Es empfiehlt sich, Erkundigungen bei der zuständigen Ottspolizeibehörde einzuziehen.
r Schutz de« Vögel«. Bald naht der Winter und mit ihm die Futterklemme in Feld und Wald, auf der Gaste und im Hof. Es kommt eine böse Zeit für die Vögel, die nicht zur Südsee ziehen, sondern im Land bleiben und sich redlich nähren sollen. Da ist der Mensch Schuldner und
1911 s
hat zu zinsen der Feld- und Gartenpolizei, der Bogelwelt. H
Wieviel Insekten, wieviel Kerbtiere, wieviel Schnecken. Spin- ! ^
nen und Raupen haben nicht in den langen Sommern die ?
Kehlchenoögel, die Amseln und Drosseln, die Grasmücken, ^
die Zaunkönige, insbesondere die Meisen, die Lerchen, die f
Ammern und Stelzen, die Spechte, die Schwalben, die Staren, die Fliegen- und Mückenschnäpper vertilgt, wieviel ^
Mäuse nicht die Krähen und Raben getötet! Darum soll 's!
der Mensch, zu dessen Nutzen die gefiederten Feld-, Wald- Ä
und Gartenpolizisten gearbeitet haben, ben ständigen Schutz- h!
leuten, die auch den Winter über dableiben und ihr Amt ^
versehen, für auskömmliche Nahrung sorgen, er soll Futter- Plätze richten, Futterhäuschen ausstellen, Futtettrögchen füllen. ^
Es ist dies ein Akt der Dankbarkeit gegen die Vogelwelt, A den jeder schuldet. k!
r Gärtringen, 8. Noo. (Diebstahl). In einem A
hiesigen Bauernhause wurde eingebrochen und von der Bühne einige Säcke Frucht entwendet. Der Landjäger -l
verfolgte die Spur, fand die Säcke und verhaftete den Dieb in der Person des mehrfach vorbestraften Max Schanz.
Der Dieb hatte noch einen Mithelfer, der flüchtig ging, aber ' bekannt ist. >
p Stuttgart, 7. Noo. Zur Reichstagswahl im ^
14. Wahlkreis hat bekanntlich der Wahlkreisausschuß der ^
Volkspattei das Anerbieten der Nationalliberalen Partei '
abgelehnt, das dahin ging, daß die Kandidatur Dr. Vogel- ?!
sang von der Nationalliberalen Pattei unterstützt werde, !!
wenn die Nationalliberale Pattei dafür als Gegenleistung ^
die Unterstützung der Bolkspartei bei den Landtagswahlen in Ulm und Geklingen (eventuell für Geislingen auch Heiden- ! ^ heim) erhalte. Die Bolkspartei hat ihre Ablehnung in sol- ' gendes Gegenangebot gekleidet : Die Bolkspartei sagt ihre Unterstützung bei den Landtagswahlen in Ulm nur für die Person des Abg. Wieland und in Heidenheim nur für den Fall des Siegs des Kandidaten Dr. Vogelfang zu. Dieses >!
Gegenangebot mußte der Wahlkreisausschuß der National- ? s
liberalen Pattei selbstverständlich als unannehmbar ab- ^
lehnen.
p Stuttgart, 8. Nov. Der Ausschuß für das '
Reformationsdenkmal trat heute unter dem Vorsitz des Konsistorialpräsidenten a. D. Freiherr« o. Gemmingen zu- " sammen, um die Entwürfe für das Denkmal zu prüfen. i Es wurde beschlossen, mit dem Bildhauer Jakob Brüllmann in Verhandlungen einzutreten. ^
r Umschreibung der Eintragungen im Grund- >
bnchamt bei einem Eigentumswechfel. Das Justiz- § ' Ministerium hat folgende Verfügung erlassen: Nach § 83 vom 2. Sept. 1899 betr. das Grundbuchwesen, kann dann, ' >
wenn sämtliche Grundstücke eines Eigentümers, die in einem ^
Grundbuchheft gemäß dem Personalformular verzeichnet sind, 's auf einen neuen Erwerber übergehen, statt der in § 82 der Verfügung vorgeschriebenen Uebertragung in ein anderes ; , Grundbuchheft, das bisherige Grundbuchhest in der Weise '' beibehalten werden, daß auf dessen Titel der Name des !
bisherigen Eigentümers gelöscht und der neue Eigentümer eingetragen wird. Aehnltch gewährt § 84 der genannten s ! Verfügung beim Uebergang sämtlicher in einem Grundbuch-'
Heft oerzeichneten Grundstücke aus verschiedene neue Erwerber !, ? die Möglichkeit, das Grundbuchheft auf einen der Erwerber ^ umzuschreiben» wobei in diesem Falle die übrigen Grund- >! stücke zu löschen und zutreffendenfalls auf die Grundbuchhefte der Erwerber zu übernehmen oder für letztere neue Grundbuchhefte anzulegen sind. Im Interesse der Verein- ' sachung der Grundbuchführung und der Verminderung des Schreibwerks wird hiemit unter entsprechender Ergänzung der genannten Vorschriften gestattet, die geschilderte Behandlungsweise auch dann eintreten zu lassen, wenn nicht sämtliche Grundstücke eines Eigentümers, sondem nur der größere Teil derselben auf einen neuen Erwerber oder verschiedene neue Erwerber übergeht. Wird von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, so ist, neben der Umschreibung des Grundbuchhests auf den Erwerber oder einen der neuen Erwerber der dem bisherigen Eigentümer verbleibende Teil der Grundstücke in ein neues Grundbuchheft zu übertragen.
Dabei ist jedoch auch dieses Verfahren gleichwie das Verfahren in den Fällen der §§ 83 und 84, nur dann zulässig, wenn entweder für den Erwerber noch kein Grundbuchheft besieht oder beim Vorhandensein eines Grundbuch- Hefts die Umschreibung der dort oeczeichneten Grundstücke erheblich weniger Mühe verursacht als die Umschreibung der Grundstücke aus dem Grundbuchheft des Veräußerers und wenn weiterhin die Uebersichtlichkeit des Grundbuchs durch die Behandlungsweise nicht notleidet. Auch ist mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, daß bei der Umschreibung der dem bisherigen Eigentümer verbleibenden Gmnd-