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Erscheint täglich ' mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich gier mit Träger t ihn 1.20 im Bezirks» und 10 Xm.»Berkehr 1.25 im übrigen Württemberg IL5 Monatsabonnements nach Verhältnis.

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Fcrufprecher Nr. 89.

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Amtliches.

Bekanntmachung.

Wegen Ausbruch der Maul- nud Klauenseuche sind die Mannschaften der Ortschaften Nagold und Emmingen von der Teilnahme an der Herbstkontroll- versammlung am 1«. November INI! vormitt. 8 /4 Uhr in Nagold befreit.

Die Mannschaften der Ortschaften Ebhansen, Jselshansen, Mindersbach, Pfrondorf und Rohr­dorf haben dagegen am IN. Nov. 1811 vormitt. 7.30 Uhr in Rohrdorf beim Rathaus zu erscheinen.

Calw, den 31. Okt. 1911.

_K. Bezirks Kommando.

Die Orisbehörden werden beauftrag-, Vorstendes in den Gemeinden wiederholt auf ortsübliche Weise kostenfrei bekannt zu geben.

K. Oberamt. Kommerehl.

Evangelische Freiheit.

(Zum Hteforrnatiousfest.)

Freiheit ist das Schlagwort, das den Menschen immer am meisten gefällt und von ihnen am meisten im Munde gesührt wird.Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" die drei großen Schlagworte einer Zeit, in der es bald mit der Brüderlichkeit recht übel und mit der Gleichheit sehr mißlich aussah. Man baute sie auf einer Freiheit auf, die nicht tief und echt war. Auch heute will man nichts schwerer ertragen als Zwang. Freiheit ist der Wahlspruch in allerlei Organi­sationen, ist eine Forderung selbst schon der eben schulent­lassenen Fungen. Allerdings sieht diese Freiheit oft mehr nach Knechtschaft aus. wenn sie auch der Betroffene nicht zu fühlen scheint.

Bon jeher hat die evangelische, durch Luther begründete Kirche als ein Hort wahrer Freiheit gegolten: freie Ueber- zeugung, freie Meinungsäußerung, Gewissensfreihei , das sind die hohen Güter, die sie gehütet hat. Und lauter denn je erschallt in der Kirche der Reformation der Ruf nach Freiheit heut. Freiheit vom Dogmenzwang, das ist heute ein Haupt­ruf! Da gilt es am Reformationstag zu prüfen, wie es mit der evangelischen Freiheit steht.

Am Anfang der Resormationszeit steht ein nach Luthers Ueberzeugung besonders wichtiges Buch:Von der Freiheit eines Lhristenmenschen". Darin der kühne Satz:Ein Christenmensch ist ein freier Herr aller Dinge und niemand untertan". Wie anders aber, als vielfach heut, meint dies Luther. Bon jener inneren Befreiung spricht er, nicht von einer solchen wie sie ein Sklave hat, der äußere Ketten bricht. Der ist ja garnicht frei! Nein, solche Freiheit wie Luther sie selbst zeigte, auf dem Reichstag zu Worms, in allen seinen Kämpfen: frei von Menschen- und Todesfurcht, frei von Papst und Konzil, frei von allem von Schuld und Sünden­last. Warum? Weil seine Seele gebunden war in Gottes Wort und durch Christus an Gott. Da nimmt sie etwas an von der Natur Gottes wie das Eisen im Feuer die Natur des Feuers.

Ob es wohl viel solche Menschen heut gibt? So kern­haft mutig und furchtlos treu wie Luther, weil ihre Seele in Gott ruht! Wer nach dieser Freiheit in Christus strebt, nach dieser inneren, sonnigen, herrlichenFreiheit der Kin­der Gottes", dem gelten alle Verheißungen wahrer Freiheit, der ist berufen zur Mitarbeit an der evangelischen Kirche. Es gibt ein Kennzeichen dieser wahren Freiheit. Moderne Freiheit ist selbstsüchtig, will für sich alleil stehen. Jene Freiheit sagt mit Luthers anderem Satz aus derFreiheit eines Christenmenschen":Ein Christenmensch ist ein dienst­barer Knecht aller Dinge und jedermann untertan". So ergibt sich die eigentümliche Tatsache, daß die höchste Frei­heit die höchste Gebundenheit ist: So lebt ein Christenmensch nicht sich selbst, sondernin Christo durch den Glauben", im Nächsten durch die Liebe".

Das ist wahre evangelische Freiheit!

Der Wetterwart.

Aslitische Nmschau.

p Wenn auch von keiner Seite noch eine definitive Entscheidung vorliegt, so darf man doch heute mit ziemlicher Sicherheit damit rechnen, daß nunmehr ein vollständiger Ausgleich der seither zwischen den beiden liberalen Lagern in Württemberg jnoch vorhandenen Differenzen sich vollzieht, und Nationalliberale und Bolkspartei die bevor­stehenden Wahlkämpfe sowohl zum Reichstag wie zum Land­tag gemeinsam miteinander ausfechten werden. Hiezu hat ganz unverkennbar die unerwartete Erledigung einiger Land-

86. Jahrgang.

Samstag, den 4. November

tagsmandate beigetragen und zwar gerade in Bezirken, in denen die beiden Parteien ziemlich enge aufeinander ange­wiesen sind. Nicht zu unterschätzen wird bei der Beurteil­ung des Ganzen auch der ganz außerordentliche Erfolg sein, der für den Liberalismus aus dem Zusammengehen in Kon­stanz erwachsen ist und dessen Wirkung sich bei den kom­menden Reichstagswahlen erst im ganzen Umfang erweisen wird. Die Tatsache, daß es möglich war, dem Zentrum einen zu mehr als 90 Prozent katholischen Wahlkreis zu entreißen, wird eine ganz ungewöhnliche Verschärfung der Wahlkämpfe zur Folge haben.

Die Hoffnung, daß es noch gelingen werde, die rechts­stehenden Parteien für die bevorstehenden Wahlen durch ein wirtschaftliches Programm, d. h. in erster Linie unter der Parole der künftigen Zolltarifverhandlungen zu sammeln, eine Auffassung, der sich auch der Reichskanzler hingegeben hatte, darf für endgültig abgetan gelten, und Versuche, wie sie im Reichstag seitens der Reichspartei als einem Mittelgebilde zwischen Konservativen und National­liberalen unternommen wurden, eine Aussöhnung dieser beiden Gegner unter nationalen Gesichtspunkten anzubahnen, haben fast im gleichen Moment dadurch einen schweren Stoß erlitten, daß die Nationalliberalen mit ihrem Antrag zur Marokkofrage von den Konservativen im Verein mit dem Zentrum im Stiche gelassen worden sind.

Gegenüber diesem Antrag, von der Regierung zum Abschluß des Marokkohandels die Zustimmung des Reichs­tags zu verlangen, mag das rein formelle Recht aus Seiten der Regierung sein, obwohl auch diese Frage noch um­stritten ist, iaber daß die Regierung weit mehr Sympathien beim Volk gehabt hätte, wenn sie zu dieser bedeutsamen Frage auch die Volksvertretung gehört hätte, darüber be­steht wohl gar kein Zweifel. Und die Frage, ob es klug von ihr war, so zu handeln, wie sie es tat, darf umso eher aufgeworfen werden, weil in den nächsten Tagen die An­gelegenheit auch vor dem französischen Parlament zur Ver­handlung kommt, das von feiner Regierung Rechenschaft fordern wird, während unsere Volksvertretung nichts als Ja und Amen zu sagen hat, ob sie nun die Interessen des Reiches gewahrt oder geschädigt glaubt. Wenn die Re­gierung ihre eigene schwere Verantwortlichkeit mit der Volks­vertretung geteilt hätte, so hätte dies innerhalb und außer­halb des Landes jedenfalls einen ganz andern Eindruck ge­macht als der starre Buchstabendogmatismus, durch dessen Hervorkehrung die Regierung das Ansehen des deutschen Volkes ganz gewiß nicht hebt. Bei all dem darf sich da­her die Regierung nicht verwundern, wenn bei den kommen­den Wahlkämpfen auch für sie manches abfällt von einer Seite, von der sie solches bisher nicht gewöhnt war. Die Heraushebung der Bolksrechte und des Bolksempfindens gegenüber einer verknöcherten Philosophenpolitik wird neben den anderen aktuellen Fragen, die das öffentliche Leben be­wegen, diesmal eine nicht gerade nebensächliche Rolle spielen.

. Sehen wir bei Beurteilung der Wahlen in Elsaß- Lothringen von jedem Parteistandpunkt ab, so können wir mit voller Befriedigung eines seststellen: das völlige Unterliegen des sogen. Nation albun des, d. h. derjenigen politischen Vereinigung, deren Anhänger sich noch nicht mit der Zeit und den Verhältnissen abgefunden haben, die nicht nur Franzosen geblieben sind, sondern mit ihren französt- sierenden Tendenzen auch öffentlich hervortreten. Bei den Nachwahlen sind zwar noch einige Anhänger dieser Sippe untergekommen, aber eine Bedeutung als parlamentarische Fraktion vermögen diese nicht zu erlangen, und diesen Fak­tor dürfen auch diejenigen Parteien mit Genugtuung buchen, die bei diesem ersten Wahlgang aus Grund der allgemeinen und direkten Wahlen nicht den Erfolg erreicht haben, den sie sich vielleicht versprochen hatten. Die Hauptsache bleibt, daß das Parlament der Reichslande als deutsches Parla­ment in die Erscheinung tritt; die fortschreitende Disziplin der Wähler und das Anwachsen der einwanderndeit rein deutschen Elemente, die erst eine gewisse, Zeit landesansässig sein müssen, um das Wahlrecht zu erlangen, werden mit der Zeit auch noch manche Verschiebung bringen und damit diejenigen Teile mehr in den Vordergrund treten lassen, die diesmal noch etwas zu kurz gekommen sind.

Uebersieht man die Lage auf dem italienisch-türk­ischen Kriegsschauplatz, so fällt zum Nachteil deritalien- ischen Herresleitung in die Augen, daß sie trotz ihrer großen Verantwortung die Gesamtsituation eigentlich weniger genau überschlagen hat als selbst Laienurieile dies taten, in denen von Anfang an darauf aufmerksam gemacht wurde, daß den Türken aus dem Hinterlande ein derart starker Zuzug an Streitkrästen zukommen werde, daß mit einem Eindringen der Italiener in das Landesinnere gar nicht gerechnet werden könne. Und nun erweist sich, daß die italienischen Truppen

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilagen: Plauderstttbchrn, Wustr. Sonntagsblatt und

SchwSb. Landwirt.

1911

selbst an der Küste direkt zu schwach sind, um auch nur die im ersten Ansturm errungenen Vorteile Hallen, geschweige denn ausnützen zu können. Die nunmehr, erforderlichen Nachschübe werden aber, von allen materiellen Opfem ab­gesehen, die in keinem Verhältnis zu dem winkenden Ge­winn stehen, in langer Zeit das nicht mehr gutmachen kön­nen, was unverantwortliche Kurzsichtigkeit versäumt hat, denn jeder Erfolg, den die Türken mit den Arabern erringen, verschärft die Kriegslage durch weiteren Zuwachs der feind­lichen Streitkräfte und durch Schürung des Fanatismus bis zum äußersten Widerstand.

Die Revolution in China hat in ihrem weiteren Verlauf das bisherige Bild vervollständigt; eine nicht mehr zu korrigierende Erschütterung der Dynastie, die jetzt auch durch weitgehende Konzessionen an eine sogen. Volksver­tretung für ihr Ansehen und ihre Macht nicht mehr das zu retten vermag, was sie noch vor Jahresfrist ohne jeden Zwang sich hätte erhallen können. Die gleichfalls von uns vermerkte Wahrscheinlichkeit, daß die Fremden von der revo­lutionären Bewegung eine ernstliche Gefährdung ihrer Inte­ressen nicht zu befürchten haben, ist durch den weiteren Ver­laus der Dinge als Tatsache bestätigt worden. Deshalb kann man auch europäischerseits den weiteren Entwicklungs­gang mit derjenigen Ruhe abwarten, die dem Bewußtsein der Stärke der Position entspricht, die das Europäertum im fernen Osten sich gesichert hat.

Tages-NerügLetten.

A«r Stadt rmd Land.

Nagold, 4. November 1911.

r Ein guter Rat. Ein erfahrener Landwirt schreibt zu dem Bericht aus Marbach von Oberamtstierarzt Kienzle betreffend die vielen Notschlachtungen, infolge von Fremd­körpern: Dies habe ich vor acht bis zehn Jahren des öfteren auch erfahren und habe Noischlachtungen vornehmen müssen, wobei mir immer ein empfindlicher Schaden erwuchs. Ich habe ernstlich darüber nachgesonnen, wie hier Abhilfe geschaffen werden könnte, und ließ nun einen Magnetapparat unterhalb des Auswurfs an der Häckselmaschine anbringen, so daß der Häcksel den Magnetapparat vollständig passieren mußte. Das Resultat war hervorragend. Alle möglichen Eisenteile, Nägel, Nadeln oder Draht wurden vom Magnet angezogen und blieben hängen, sodaß keinerlei Fremdkörper dieser Art ins Futter gelangen konnten. Seit 8 Jahren mußte ich nun keine Notschlachtung mehr vornehmen.

r Neuenbürg, 3. Nov. (Brand). In Beinberg brannte heute nacht Vs? Uhr die Wirtschaft zum Rößle von Rentschler vollständig nieder, verbrannt, das Vieh wurde gerettet, vermutet.

x Stuttgart, 2. Nov. In der heutigen Gemeinde­ratssitzung teilte Oberbürgermeister Lautenschlager mit, daß Frau Kommerzienrat v. Siegle die Siegle-Stistung zur Förderung von Bestrebungen für Volksbildung um 100000 Mark aus 700^000 Mark erhöht habe.

r Zur Kellnerinnenfrage. Wie bekannt, hat Frau Camilla Iellinek in Heidelberg dem Reichstag eine Petitton mit 125000 Unterschriften überreicht, worin ein Verbot der weiblichen Bedienung in Gast- und Schankwirtschaften ge­wünscht wird. Die Reichstagskommission für Petitionen hat nun beschlossen, dem Reichstag zu empfehlen, diese und noch einige andere zur Sache gehörigen Petitionen dem Reichskanzler als Material zu überweisen, jedoch über sie soweit eine generelle Abschaffung der weiblichen Bedienung verlangt wird, zur Tagesordnung überzugehen. In der Diskussion wurde von allen Rednern die Forderung der Abschaffung weiblicher Bedienung aus gemeinsamen Grün­den abgelehnt. Auch der Korreferent, der ursprünglich eine andere Behandlung der Petittonen wünschte, schloß sich dem Antrag an, der nun von der Kommission einstimmig ange­nommen wurde.

Feuerbach, 3. Nov. Gestern abend sprang aus dem um 6 Uhr hier durchfahrenden Personenzug ein junger Mann. Er wurde zu Boden geschleudert und bewußtlos ins Stationsgebäude getragen. Wahrscheinlich hat er eine Gehirnerschütterung davongetragen. Er wurde ins Kranken­haus nach Ludwigsburg verbracht.

r Schramberg, 3. Nov. (Luftfahrt.) Der künftige Aviatiker Heintzmann hat seinen Flugapparat nach Sulgen verbracht und sucht dort auf der Höhe nach einem geeigneten Punkt, von dem aus er seine Flugversuche unternehmen kann. Glück ab!

Urach, 3. Nov. Der Bund der Landwirte hat in einer Vertrauensmänneroersammlung den Redakteur Rudolf Naser in Hedelfingen als Kandidaten für den Bund der

Die Möbel sind mit- Es wird Brandstiftung