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86. Jahrgang.

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* Illustr. Sonotagsblatt «ud

Schwäb. randwirt.

^ 254

Amtliches.

In der Gemeinde Birkenfeld hiesigen Oberamts ist die Maul- «nd Klauenseuche ausgebrochen.

Neuenbürg, 26. OKI. 1911. K. Oberamt:

Amtmann Gaiser.

Vom Kgl. Evang. Oberschulrat ist am 27. Okt. eine ständige Lehrstelle in Eßlingen (Volksschule) dem Hauptlehrer Seeg er in Herrenalb übertragen worden.

Deutscher Reichstag.

(Schluß der Sitzung vom 27. OKI.)

Landwirtschaftsminister Frhr. von Schorlemer: Die Hoffnung, daß wir im Laufe des Winters der Seuche Herr würden, hat sich leider nicht erfüllt. Wir haben in beson­derem Maße den kleinen Landwirten Erleichterungen in Bezug aus die Verwendung des Viehs zu Feldarbeiten rc. eingeräumt, dadurch ist aber die Bekämpfung der Seuche gehemmt worden. Die in den einzelnen Bezirken einge­richteten Untersuchungstage, in denen der Kreisarzt in ein­zelnen Orten zur Untersuchung des Viehs zur Verfügung steht, hat sich nicht bewährt. Die Einschleppung im Reg.- Bezirk Oppeln, sowie in Ost- und Westpreußen ist nicht aus die Nachlässigkeit zurückzusühren, sondern auf die eigen­tümlichen Verhältnisse, die der Grenzverkehr mit sich bringt. Zur Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung wird der preußische Etat auch für das nächste Jahr eine größere Summe aussetzen. Die großen Manöver haben glücklicher­weise eine Verbreitung der Maul- und Klauenseuche nicht iin Gefolge gehabt. Ich konstatiere, daß sich unsere Maß­nahmen im großen und ganzen bewährt haben. (Beifall).

Neuner (natl.): Der Grenzschutz muß unter allen Umständen im weitesten Maße aufrecht erhalten werden. Nur auf diese Weise lassen sich die großen Werte unseres Viehstandes schätzen. Die Regierung hätte allen Anlaß, den vielfachen Anregungen des Reichstags Folge zu leisten.

Direktor des Reichsgesundheitsamtes Dr. Bumm: Die Arbeiten des Reichsgesundheitsamtes, des Preuß. Instituts für Infektionskrankheiten und des Hygienischen Instituts in Greifswald haben eine wesentliche Klärung für das Wesen der Maul- und Klauenseuche herbeigesührt. Allerdings ist der Erreger der Krankheit noch nicht gefunden, aber daraus folgern zu wollen, daß unsere bisherigen Maßnahmen ver­fehlt seien, wäre unrichtig. Vor allem müssen die Absper­rungsmaßregeln strengstens durchgesührt werden. Unrichtig ist, daß dem Professor Löffler in Greifswald ein Monopol für die Erforschung der Seuche eingeräumt worden ist. Die wissenschaftlichen Untersuchungen gehen hauptsächlich dahin, die Immunisierung zu fördern. Prämien auszusetzen ist überflüssig.

Oertzen(Rp.) tritt für die unbedingte Aufrechterhalt­ung der allen strengen Strafe bei der Nichtbeachtung der Sicherheilsmaßregeln. Redner ist für die Einsetzung von Beobachtungskommisstonen, zu denen ein Berwaltungs- beamier, ein Veterinär und ein praktischer Landwirt gehören sollen. Für die Erforschung des Wesens der Seuche müssen

Die Gesetze der Ernährung.*)

Wenn es früher erlaubt war, den Menschen in bezug auf seine Wärmeerzeugung und mechanische Kraftproduktion mit einem geheizten Ofen zu vergleichen, wobei man die Nahrungsstoffe als Heizmaterial bezeichnet, so genügt als Vergleichsobjekt auf dem heutigen Standpunkt der Wissen­schaft vom Leben des Menschen, auch für die im Verhältnis mit den höheren animalen Funktionen doch in gewissem Sinn so einfach erscheinenden Vorgänge der chemischen Stoff- bcwegung im lebenden Organismus, kaum mehr eine jener kompliziertesten kalorischen Maschinen, auf die sich die moderne Technik, das Licblingskind unseres Jahrhunderts, so viel zugute tut. Bei den Wärmekraftmaschinen wird in verhältnismäßig einfacher Weise die im Heizmaterial aufge­speicherte Kraft durch die Feuerung für die Maschinenzwecke verwendbar gemacht. Wie kompliziert erscheint dagegen schon der Vorgang der Nahrungszufuhr und der Nahrungs­aufnahme bei dem menschlichen Organismus! An diese vor­bereitenden Vorgänge schließt sich dann erst die Reihe jener Wandlungen und Wanderungen an, welche die in den Organismus aufgenommenen Stoffe für die Ermöglichung der mechanischen Kraftleistungen der einzelnen Organe durch-

*) Durch das Entgegenkommen des Bibliographischen Instituts in Leipzig sind wir in der Lage, unsere Leser mit einem interessanten Abschnitt aus Prof. Dr. Ioh. Rankes klassischer AnthropologieDer Mensch" bekannt zu machen, deren erster Band völlig neubearbeitet demnächst in dritter Auflage erscheinen wird.

Montag, den 30. Oktober

Preise ausgesetzt werden. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Brandys (Pole) und Werner-Gießen (w. Vgg.) wird Vertagung beschlossen.

Nächste Sitzung Dienstag 7. Nov. 2 Uhr. Handels­vertrag mit Japan. Abkommen mit England betr. die Auslieferung von Verbrechern. Ausgabe kleiner Aktien. Schluß 5 Uhr 45.

Tages-Nerügkeiten.

Lss Ktadt rmd Land.

Nagold, 30. Oktober 1911.

* Vereinigung. Am Samstag nachmittag trafen sich 53 Sanitäts- und Veterinär-Offiziere der Bezirke Calw und Horb im Hotel Post. Es wurde hiebei ein Vortrag gegeben über die Maschinengewehre der Infanterie und deren Verwendung.

^ Lichtbildervortrag im Erholungsheim Röten­bach. (Mitgeteilt.) Am letzten Mittwoch kamen zwei Stutt­garter hierher um über ein altes, aber nie genug behandeltes Thema, zu reden. Der eine war Herr Oberamtmann Dorn von der Versicherungsanstalt Württemberg, der andere Herr Molitor, Sekretär des Blauen Kreuzes in Stuttgart. Im Bad Rötenbach sollte ein Bortrag über den Alkohol gehalten werden. Herr Verwalter Bauer hatte die Liebens­würdigkeit, den Nagolder Iünglingsverein dazu einzuladen. Zu einer Begrüßungsrede ergriff Herr Oberamtmann Dorn das Wort und führte u. a. an, daß allein in den Gene­sungsheimen der Versicherungsanstalt Württemberg 25000 für geistige Getränke ausgegeben werden, die lt. Ausspruch der Aerzte, welche sich allmählich immer mehr gegen den Alkohol stellten, zur Erholung gar nicht erforderlich seien. Wie schön wäre es, schloß der Redner, wenn diese Summe den Frauen und Kindern der Erholungsbedürftigen zu gute käme. Die Dresdener Hygiene-Ausstellung hatte viel Raum und viel Zeit dem Alkohol gewidmet und geradezu nieder­schlagend wirkten die statistischen und graphischen Beweise, welches Unheil der Alkohol, nicht nur am Trinker selbst, sondern an seinen Kindern und Kindeskindern ausübt und welche Summen er in Krankenhäusern, Blöd- und Schwach- stnnigen-Asylen, Lungen- und Trinkerheilanstalten schluckt. Dankbar wurde das mit so vieler Mühe zusammengetragene und stufenweise veranschaulichte Material von den Interes­senten entgegengenommen. Herr Molitor begann nun an Hand der Lichtbilder, die Magen, Lunge, Leber, Herz und Nieren erst gesund, dann bei mäßigem Alkoholgenuß, und zuletzt gänzlich versumpft darstellten, seinen Vortrag. Seine Ausführungen lauteten etwa folgendermaßen: Wie einge­fleischt in unserem Volk das Alkoholbedürfnis ist, das zeigt am besten, daß man schon den kleinsten Kindern geistige Getränke einslößt. Ich hörte selbst einmal eine Mutter von ihrem halbjährigen Kinde sagen:Es will halt sein Most!" Wohin soll das gehen? Eltern, die halbwegs die Augen offen haben, müssen doch unbedingt sehen, welcher Unter­schied zwischen Kindern ist, die nur gesunde zuträgliche Speisen und Getränke erhalten und solchen, welche mit den

zumachen haben. Und wie überraschend sein ist die An­wendung des Ernährungsprinzips auf die unablässig schwan­kenden Einzelbedürsnisse der verschiedenen Organe!

Es ist ein dynamischer, aus sich annähernd ausgleichen­den Auf- und Abwärtsschwankungen zusammengesetzter Gleich­gewichtszustand, in dem der lebende Körper des Menschen mit den äußeren Lebensbedingungen steht. Das scheinbare Gleichbleiben des Organismus in einer längeren Beobacht­ungsperiode verdeckt nur für eine oberflächliche Betrachtung den ununterbrochen sortgehenden Wechsel.

Geregelt wird das auf dieses dynamische Gleichgewicht bezüglich seiner Leistungen gegründete Getriebe des mensch­lichen Organismus von den Organen des Körpers selbst, im letzten Grunde von den Zellen, die den Organismus aus­bauen. Die Gesamttätigkeit des Organismus ist eine Summe, die sich aus den Einzeltäligkeiten der den Organis­mus aufbauenden Zellen zusammensetzt. Die einzelnen Zellen und Organe stehen im Gesamtorganismus im Verhältnis einer wechselweisen Abhängigkeit; indem sich ihre Tätig­keiten gegenseitig regeln, entsteht das eben erwähnte wunder­bare dynamische Gleichgewicht des Gesamtkörpers uUd aller seiner Teile. Keine Zelle unseres Körpers ver­ändert die Intensität ihrer Lebenstätigkeiten, ohne dadurch auch die Lebensäußerungen und die ihnen zugrunde liegen­den physikalischen und chemischen Vorgänge zunächst in den Nachbarzellen entsprechend umzugestalten: und da alle Zellen durch die Vermittelung des Nervensystems und des Säfte­kreislaufs untereinander zu einer höheren Einheit verknüpft sind, so sehen wir Veränderungen in den einzelnen Zellen

1911

Alten zusammen essen und trinken, wasffchädlich ist. Geistige Getränke wirken ermüdend und lähmend aus ein Kinder­hirn und hemmen die volle geistige und körperliche Ent­wicklung. Welcher Mensch, dem es z. B. hier in unserer Gegend obliegt, Beschützer einer Tannenkinderstube zu sein, dem am Wachstum seiner Pfleglinge etwas liegt, ginge her und gebe seinen Bäumen einen Dung, von welchem er zum voraus weiß, daß er sie kränklich macht und ihr stolzes Wachstum hindert. Niemand! Sicher niemand! Und sollten die Kinder unserer eigenen Kinderstube wertloser sein, als Tannenkinder? "Liegt nicht die Zukunft des Volkes in den Kindern? Ein heiliges uns anvertrautes Gut sind sie unserem Schutz, unserer Pflege unterstellt. Nur wenn hier der Alkohol verschwindet, werden im deutschen Volk wieder gesündere, freiere Geschlechter entstehen, die Helle Augen und starke Glieder haben. Es gibt ja leider Kinder genug, die ihr ganzes Leben hindurch die Sünden der Väter zu tragen haben, die als Depp zur Welt kommen, die schwächlich, skrophulös sind. Wer mag solche Verantwortung auf sich lasten wissen. Es muß entsetzlich sein z. B. acht blöd­sinnige Kinder zu haben. An die Mädchen und Weiber sollte man appellieren, sie, die Mädchen sollten keinen Trinker, selbst keinen mäßigen Trinker heiraten und die Weiber sollten sich bemühen, ihm ein Kamerad zu sein, sollten Helle Augen und sonniges Lachen für ihn haben, wenn er müde von des Tages Arbeit nach Hause kommt. Ich möchte betonen, daß meine Worte in erster Linie dem Arbeiterkreise, Her Landbevölkerung gelten, denn hier ist der Alkohol der größte Feind, hier braucht man vor allem ganze Menschen, denn sie müssen oft sehr schwer arbeiten, hier braucht man gesunde Menschen, denn die meisten Kin­der entstammen dem niederen Volk, hier muß man vor allem sparen, denn die Löhne sollen viele Bedürfnisse decken. Von den Oberen, von den Gebildeten erwartet man von selbst, daß sie die Frucht ihrer Erkenntnisse zuerst kosten, daß sie sich schämen würden, dem Tiere unterstellt werden zu müssen, das aufhört, wenn es genug hat. Ein sehr wertvolles und unterhaltend geschriebenes Buch, Hellmut Harringa, das im freien Friesland spielt, geiselt sehr scharf die ekelerregenden Kommersbräuche und schildert tief zu erzen gehend, wie ein Mensch, der hohe Ziele, ideales enken hat, durch den Suff in schlechte Gesellschaft, durch schlechte Gesellschaft zu schlechten Weibern kommt, wovon er krank und wie er dann aus Scham und Verzweiflung seinem verfehlten Leben ein Ende macht. Dagegen erhält sich gleich einem Felsen im Meer ein alter Schmied aus seinen Genossen und meidet jedes geistige Getränk, er zieht andere mit sich und sie bilden ein starkes, gesundes Volk zusammen. Biele reisen zu dem Schmied, sein Heilmittel zu erfahren. Er wird sehr alt und sein Geist bleibt hell. Man klagt so viel über die hohen Steuern, dabei gibt das deutsche Volk nach neuester Berechnung für geistige Getränke vier Milliarden Mark aus, das ist acht mal so viel, als jetzt neue Steuern aufgebracht werden müssen. Was sparte man, fielen die Trinkerheilstätten weg, kämen nicht so viele im Trunk verübte Taten vor, die Gerichte hätten nicht halb so viel zu tun und die Gefängnisse wären nicht halb so voll.

und Organen sofort Veränderungen in dem Gesamtverhalten des Organismus veranlassen, die regulatorische Einrichtungen in entsprechende Tätigkeit versetzen. Indem die Zelle durch Steigerung ihrer Lebensarbeit mehr Stoffe zersetzt und da­durch mehr chemische Körper hervorbringt, die Sauerstoff rasch und leicht binden, entzieht sie dem in den Kapillarge­fäßen sie umströmenden Blute mehr Sauerstoff, und das Blut wird dadurch ärmer an diesem notwendigsten Lebens­bedürfnis. Die Menge Sauerstoff, die das Blut enthält, kann durch einen Sauerstoffmehroerbrauch an einer Stelle des Organismus rasch beeinflußt werden. Wird dem Ge­samtblut doch schon bei jedem Kreislauf unter den Der­brauchsbedingungen relativer Organruhe etwa ein Drittel seines ganzen Sauerstoffoorrates entzogen. Die Zeit für die Vollendung eines einmaligen Kreislaufes des Blutes be­trägt nur etwa 20 Sekunden; es genügt also eine sehr kurze Zeit, um bei gesteigertem Verbrauch und gleichbleibender Aufnahme von Sauerstoff in der Atmung eine relative Ver­armung des Gesamtblutes an Sauerstoff zu erzeugen. Hand in Hand damit tritt im Blute eine Vermehrung des Kohlen­säuregehaltes, überhaupt des Gehaltes an Zersetzungspro­dukten der Zellenstoffe ein, indem diese von der stärker arbeitenden Zelle, von dem stärker arbeitenden Organ dem vorüberströmenden Blute in reichlicher Menge übergeben werden. Beide Momente der chemischen Veränderung des Blutes verbinden sich, um die Lebenstätigkeiten aller Zellen des Organismus zu beeinflussen.

(Schluß folgt.)