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Fernsprecher Nr. 29.

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86. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilage« r Plauderftttbchen, Illustr. Sonutagsblatt a«d

Schwill». Landwirt.

. 251 Donnerstag, dm 26. Hktoöer 1911

Amtliches.

Bekanntmachung, betr. Kontrollversannnlnngen.

In einzelnen Zeitungen wird mitgeteilt, daß die Ver­säumnis einer Kontrollversammlung nicht mehr mit Arrest bestraft wird, und daß der Kontrollpflichtige, der kurz vor einer Kontrollversammlung eine Uebung abgeleistet hat, von dem Besuch der Kontrollversammlung befreit ist.

Beides trifft nicht zu. Die bisherigen Paßbestimmungen bleiben bestehen. Befreiung von einer Kontrollversammlung kann nur durch das Bezirkskommando verfügt werden.

Stuttgart, den 21. Okt. 1911.

Generalkommando XIII. Armeekorps.

Deutscher Reichstag.

IV Berlin, 25. Okt.

Am Bundesratstisch die Staatssekretäre Delbrück, Wermuth, Lisko und Lindequist.

Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20. Auf der Tagesordnung stehen zunächst Rechnungssachen betr. Kolonialeinnahmen und -Ausgaben.

Erzberger (Z.) möchte Aufklärung über die nachträg­lichen Verrechnungen haben und wünscht, daß in Zukunft die Abrechnungen laufenderfolgen. Entweder ist der Etat beim Voranschlag der Militärlasten nicht richtig aufgestellt, oder aber ein zu schnelles Tempo bei der Pensionierung beim Militär in den Kolonien eingeschlagen worden. Statt 3Vs Millionen sind für Versorgungen bei der Militärverwaltung in Südwestafrika rund 4'^ Millionen ausgegeben worden.

Nos Ke (Soz.) meint, beim Voranschlag scheine absicht­lich manche Position so niedrig angegeben zu sein, um dem Etat ein günstiges Aussehen zu geben.

Görcke (natl.) verlangt eine scharfe Revision der Be­stimmungen, nach denen die Tropenzulagen und die Pen­sionen zu gewähren sind. Im Reservefonds fei mehr Klar­heit nötig.

Staatssekretär von Lindequist: In Zukunft wird der Etat für die Kolonien nach dem Muster des Reichsetats oorgelegt werden. Die Etatsüberschreitungen sind auf die Ausgaben anläßlich des Aufstandes zurückzuführen. Sie ließen sich vorher nicht übersehen. Die Mehrausgaben für die gemischte englisch-deutsche Grenzkommission für Nord­kamerun konnten ebenfalls nicht vorausgesehen werden.

Nach kurzer weiterer Debatte wurden die vorliegenden Recknungssachen an die Rechnungskommission verwiesen.

Die Besprechung der Interpellationen über die Lebensmittel- und Futterteue­rung wurde dann fortgesetzt.

Graf von Kanitz (Kons.): Wir sind dem Reichs­kanzler dankbar für die Erklärung, daß er an unserem jetzigen bewährten Wirtschaftssystem nicht rütteln lassen will. Die heutigen Preise können umsoweniger hoch erscheinen, als die Produktionskosten für den Landwirt enorm gestiegen sind. Der Landwirtschaft stehen die französischen Sozial­demokraten anders gegenüber als die deutschen. Ihr Ge­nosse Calwer (Zuruf: ist schon längst ausgetreten, Dr. Heim ruft: die Gescheiten treten aus). Ihr Genosse Calwer kon­statierte, daß bei Inkrafttreten des neuen Zolltarifs die Engros­preise für Nahrungsmittel um 3 °/g, die Detailpreise um 1030°/o gestiegen sind. Die Einrichtung des Einsuhr­scheinsystems bedeutet für die östlichen Provinzen geradezu eine Lebensfrage. (Sehr richtig rechts).

Bon einer Schädigung der Reichskaffe durch die Ein­fuhrscheine kann keine Rede sein. Das System der Ein­fuhrscheine wird viel eher den Freihandel als dem Schutz­zoll gerecht. Die aus die Einfuhr des argentinischen Flei­sches gesetzten Hoffnungen kann ich nicht teilen. Ich bitte, auch der getreidebauenden Bevölkerung gerecht zu werden. Wir wollen uns doch möglichst wenig in die Abhängigkeit vom Ausland begeben.

Staatssekretär Dr. Delbrück: Die bisherigen Erörter­ungen haben die streitenden Parteien nicht erheblich einander näher gebracht. Daß eine Teuerung besteht, wird am aller­lebhaftesten von den verbündeten Regierungen bedauert. Die Einfuhr amerikanischen Büchsenfleisches ist durch Gesetz verboten worden wegen vielfacher Einzel- und Massener­krankungen, die durch seinen Genuß eingetreten sind. Die Einfuhr lebenden Viehs aus Amerika ist mit Rücksicht auf das Texasfieber verboten. Auch die Einfuhr von gefrorenem oder gekühlten Fleisch ist unmöglich mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Fleischbeschaugesetzes. Eine vorüber­gehende Suspension des H 12 Z. 12 des Gesetzes ist nicht angängig. Der Staatssekretär trägt sodann das im Reichs­amt des Innem gesammelte statistische Material über die Preisgestaltung der notwendigsten Lebens- und Futtermittel

vor. Im allgemeinen entsprechen die Ernteverhältnisse den­jenigen des Vorjahrs.

Auch in sreihändlerischen Ländern, wie Dänemark und England sind die Lebensmittel teurer geworden. Unsere Beteiligung am Weltmarkt hat sich infolge unserer Wirt­schaftspolitik ganz ungewöhnlich gehoben. Die Behauptung, daß unser Export sich ungünstig entwickelt habe, ist hin­fällig, das beweist der zunehmende Wert des Exports. Der Behauptung, daß unser Wirtschaftssystem veraltet sei, muß mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. Darum kann das Heil auch nicht liegen auf zoll- und wirtschafts- politischem Gebiet. (Beifall rechts.)

Minister der öffentlichen Arbeiten v. Breitenbach: Die Eisenbahnverwaltungen haben auf Veranlassung des Eisenbahnrats eine recht erhebliche Frachtermäßigung ein- treten lassen. Leider ist sie nicht den Konsumenten zugute gekommen. Ich werde Vorsorge treffen, daß in Zukunft mit Notstandstarifen das erreicht wird, wozu sie bestimmt sind, nämlich, daß sie lediglich den Verbrauchern zugute kommen.

Ein Antrag Bebel auf Vertagung wird gegen die sozialdemokratischen und die freisinnigen Stimmen abgelehnt.

Dr. Südekum (Soz.): Wir werden erst aus der Sterbestatistik Nachweisen können, wie diese Teuerung auf unsere Bevölkerung gewirkt haben wird. (Oho im Ztr.) Das System der Einfuhrscheine ist eine Anzapfung der Reichskasse und entblößt das deutsche Land vom Getreide. Die Teuerungsoerhältniffe sind eine Folge der ungleichen Bevölkerungsverteilung. Der Großgrundbesitz wird, wenn er nicht beschnitten wird, Deutschland zerstören, wie er Rom zerstört hat. Aus den Worten des Reichskanzlers spricht eine unglaubliche Unbarmherzigkeit, ja Brutalität. (Unruhe). Auf die Forderungen der Zollerleichterungen hatte er immer nur ein Nein, aber kein Wort des Mitleids mit der Not der Bevölkerung. (Bizepräs. Schnitz rügt diese Ausdrücke). Ein Reichskanzler, der trotz des Königwortes:Es ist mein Wille, daß das preußische Wahlrecht geändert wird", vor dem Stirnrunzeln des Herrn o. Heydebrand wie ein Taschen­messer zusammenklappt, hat kein Recht, die Gemeinden zur Hilfeleistung gegen die Teuerung aufzurufen. Die Wahl­parole des Reichskanzlers:Schutz der nationalen Arbeit" erweitern wir, indem wir sagen, aber auch Schutz den nationalen Arbeitern gegen Iunkergewalt. (Beif. b. d. Soz. Huhu rechts).

Nachdem Staatssekretär Dr. Delbrück Verwahrung gegen die Angriffe auf den Reichskanzler eingelegt hatte, wird die Weiterberatung aus Donnerstag 12 Uhr vertagt.

Dr. Südekum wird wegen einer persönlichen Bemerk­ung, in der er die Worte des Reichskanzlers als Lippen­dienst bezeichnete, zur Ordnung gerufen. Schluß 7^ Uhr.

Tages-NerrigLetten.

Au- Stadt mrd Laad.

Ragow, 26 Oktober 1S11.

r Vorsicht im Verkehr mit Behörden! Das Einlegen eines Briefes in den Hausbriefkasten einer Be­hörde gilt nicht als Einreichung dieses Schriftstückes bei der betreffenden Behörde. Diese Frage, die sehr häufig gerade an Rechtsauskunftsbeamte gerichtet wird, ist jetzt vom Reichs­gericht entschieden worden: Die Einlegung eines Schrift­stückes in einen für amtliche Briefschaften bestimmten, am oder im Amtsgebäude oder dessen Nähe befindlichen Brief­kasten bildet nicht den Rechtsakt der Einreichung bei der Behörde. Solche Briefkästen dienen zwar zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs nicht nur im Interesse des Publikums, sondern auch der Behörden.... Die Einlegung ist aber rechtlich als die Einreichung bei der betreffenden Stelle nicht zu erachten. Zur letzteren gehört, daß das einzureichende Schriftstück in den Besitz des betreffenden zuständigen Be­amten gelangt. Die Zeit, wo dies geschieht, ist maßgebend für die Frage der Wahrung der Notfrist, die durch die Einreichung bedingt ist. Die Partei, die den Briefkasten der Behörde benützt, tut dies auf eigene Gefahr. Auch in den­jenigen Fällen, in denen der vor Ablauf der Frist in den Brief­kasten gelegte Schriftsatz verspätet in die Hände des zuständigen Beamten gelangt,obschon nach dem ordnungsgemäßenGeschästs- gange angenommen werden konnte, daß dies rechtzeitig erfolgen würde, kann die Frist nicht als gewahrt gelten. Anders dürfte aber wohl der Fall zu beurteilen sein, in dem die Behörde ausdrücklich für die Aufnahme ganz bestimmter Schriftstücke zu gewissen Terminen, wo diese regelmäßig in großen Massen einlausen, besondere Briefkästen mit ent­sprechender Aufschrift ausstellt, weil die vorhandenen Be­amten kaum imstande wären, persönlich alle die Einläufe entgegenzunehmen.

r Für Pensionäre. Die Reichsversicherungsordnung enthält eine Bestimmung, die für pensionsberechtigte Beamten und Unterbeamten sehr wichtig ist. Nachdem jetzt noch gü­tigen Recht (S. 48 Abs. 1 Z. 2 des Inoalidenversicherungs- gesetzes vom 13. Juli 1899.) ruht nämlich das Recht auf Bezug der Rente bei gleichzeitigem Empfang von Pensionen, Wartegeldern oder ähnlichen Bezügen, soweit Rente und Pension zusammen den 7^2 fachen Grundbetrag der Inva­lidenrente übersteigen. Diese rentenkürzende Bestimmung wurde in die Reichsversicherungsordnung nicht ausgenommen. Vom 1. Januar 1912 ab können daher die auf Grund der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung gewährten Ren­ten neben erwaigen Pensionen in vollem Betrag bezogen werden. Solche Personen (insbesondere Unterbeamte) die jahrelang zur Invalidenversicherung beitragspflichtig waren und sodann in pensionsberechtigte Stellungen eingetreten sind, können in diesem Fall die Invalidenversicherung freiwillig fortsetzen ohne Gefahr zu laufen, daß die Rente gekürzt wird. Diese neuen Bestimmungen haben aber auch diejenigen zu beachten, die bereits im Genuß einer Pension stehen, aber noch Arbeiten verrichten, wegen welcher sie zur Leistung von Inoaliden-Bersicherungsbeiträgen verpflichtet sind. So­weit diese Pensionäre ihren Antrag zufolge nach seitherigem Recht von der Berstcherungspflicht befreit wurden, werden dieselben sich veranlaßt finden, ihren Antrag aus Befreiung zurückzuziehen, um später neben der Pension auch die Rente beziehen zu können. Es steht ihnen übrigens auch nach dem neuen Recht die Befugnis zu, sich von der Inoaliden- versicherungspslicht befreien zu lassen. Hiervon Gebrauch zu machen, wird aber meistens nicht ratsam erscheinen.

r Herrenberg, 25. Okt. (Schlechter Schütze.) Bei einer Treibjagd am Samstag im Kuppinger Wald verletzte ein Jäger aus Stuttgart einen Treiber durch einen Schuß in die rechte Seite und einen Iagdgenossen durch einen solchen in einen Fuß.

Eutingen, 23. Okt. In der hiesigen Pfarrkirche wurden im vorigen Jahre prächtige alte Wandgemälde aus dem 15. Jahrhundert aufgedeckt; sie sind jetzt durch Kunstmaler Stehle-Rottenburg neu ausgefrischt worden und bilden eine Zierde des Gotteshauses. _

Stuttgart, 25. Okt. Bei Eröffnung der Nebenbahn BalingenSchömberg berührte Ministerpräsident o. Weiz­säcker in seiner Ansprache auch die derzeitige finanzielle Entwicklung der württembergischen Staatseisenbahnen. Er erklärte, daß auch das Jahr 1911 sich für die Eisenbahn gut angelassen habe. Die Einnahmen aus dem württem- bergischen Personen- und Güterverkehr hätten in den ersten sechs Monaten des Rechnungsjahres die im Etat ange­nommenen Sätze nicht bloß erreicht, sondern sogar nicht un­wesentlich überschritten. Diese Tatsache habe der Eisenbahn­oerwallung auch die mit einem Einnahmeausfall von mehreren hunderttausend Mark verknüpfte Frachtermäßigung für Futtermittel und frisches Gemüse erleichtert.

r Stuttgart, 24. Okt. (Der Schwabenstreich). Wie erinnerlich, haben die bürgerlichen Kollegien beschlossen, die Baulinie der unteren Königstraße bis zur Marstallstraße beiderseits um 5 Meter zurückzusetzen, um der Straße eine Breite von 30 Metem zu geben. Obgleich die beiden ersten Häuser, der Olgabau und das Hotel Marquardt, voraus­sichtlich im nächsten Jahrhundert noch nicht abgebrochen werden, hat die Straßenoerbreiterung ihre Wirkung also völlig verfehlt. Die Anlieger haben einstimmig gegen die Maßregel Protest erhoben und diesen Widerspruch auch bei ihren Forderungen auf dem Rathaus in mündlicher Ver­handlung nicht zurückgezogen. Die Angelegenheit kommt nunmehr nochmals vor die bürgerlichen Kollegien und falls diese auf dem Schwabenstreich beharren, vor das Ministerium des Innern.

r Tübingen, 25. Okt. Der von den Landwirtschaft­lichen Bezirksoereinen Tübingen, Reutlingen, Nürtingen und Münsingen gebildete 8. Landwirtschaftliche Gauverband hatte im hiesigen Museum eine Ausschußsitzung, um sich zunächst mit der Frage der Errichtung der in der Reichs­oersicherungsordnung vorgesehenen Landkrankenkassen zu befassen, deren Errichtung im Wege der Landesgesetz­gebung möglich ist als Ersatz für die Gemeindekranken- islegeversicherung. Man konnte sich für die Landkranken­rassen nicht erwärmen und so wurde beschlossen, dem Mini- terium des Innern und der Zentralstelle für die Landwirt- chaft deren Ausschließung nahezulegen. Für den Fall, daß 'andkrankenkassen doch eingeführt werden, wäre den Der- icherten landesgesetzlich ein eigenes Wahlrecht einzuräumen. Referent war der Vorsitzende der Reutlinger Ortsbehörde für Arbeiteroersicherung, Kommissär Hochstetter. Ein zweites Referat über die Entschädigungspslicht für an Maul- und