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88. Jahrgang.

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* Illustr. Sonotagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

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Deutscher Reichstag.

VV Berlin, 23. Okt.

Am Bundesratstisch Reichskanzler von Bethmann- Hollweg und die Staatssekretäre Delbrück, Wermuth, sowie die Minister Lisko, Schorlemer, Breitenbach und Unterstaats­sekretär Wanschaffe. Auf der Tagesordnung stehen zunächst die Interpellationen des Zentrums, der Sozialdemokraten und der Freisinnigen betreffend die Lebens- und Futter- mittelteuerung.

Dr. Spahn (Z.) begründet die Interpellation seiner Partei und bemerkt, unbestreitbar bestehe in bezug auf die gegenwärtigen Lebensmittelpreise ein abnormer Zustand. Viel­fach sei von den Gemeinden mit Abhilfemaßnahmen vorge­gangen worden, namentlich durch Einrichtung von Verkauss- stünden. Die Ermäßigung der Eisenbahntarife durch den Staat komme leider zum größten Teil nicht den Konsumenten, sondern dem Handel zugute. Die Forderung nach Ermäßig­ung der Einfuhrzölle sei nicht zu rechtfertigen, wohl aber sei eine Einschränkung des Einsuhrscheinsystems berechtigt. Zu erwägen wäre die Wiedereinführung des Identitätsnach­weises. Auf keinen Fall dürften aber Maßnahmen ge­troffen werden, welche eine Schädigung der Produzenten zur Folge haben könnten.

Scheidemann (Soz.) begründete die Interpellation seiner Partei. Im Ausland, wo dieselben Teuerungsver­hältnisse bestehen wie bei uns, hätten diese bereits zu Re­volten und Krawallen geführt. Unsere agrarische Politik hat Millionen zur Unterernährung gezwungen, nur um einem kleinen Teil der Bevölkerung, den notleidenden Agrariern, immer wieder neue Vorteile zuzuschanzen. Weshalb führt man das argentinische Büchsenfleisch nicht bei uns ein? Scheidemann schließt: Die Zölle auf Schlachtvieh und auf alle Futtermittel müssen beseitigt werden.

Oeser (f.Bp.) fährt zur Begründung der freisinnigen Interpellationen fort: Der lückenlose Zolltarif hat die lücken­lose Teuerung herbeigeführt. Das ist nichts anderes als das absichtlich herbeigeführte Produkt unserer Wirtschaftspolitik die bestrebt ist, die Höhe der Lebensmittelpreise beizubehalten. Wir verlangen einen allmählichen Abbruch der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik und eine schrittweise Herabsetzung der Zölle. Die Industrie verzichtet gern auf einen Zollschutz, wenn sie nur von der Teuerung befreit wird. Wir sind stets bereit, sür die Interessen des Ostens einzutreten, erwarten aber auch ein gleiches Verständnis für unsere wirtschaftlichen Be­dürfnisse im Westen.

Reichskanzler von Bethmann-Hollweg: In der Presse und in Verhandlungen sind die Folgen unserer bis­herigen Dürre zum Anlaß allgemeiner Klagen gegenüber unserem Wirtschaftssystem genommen worden. Die Auf­hebung der Zölle und die anderen großen Mittel werden zu keinem anderen Zwecke angepriesen, als um die Grundlagen unserer Wirtschaftspolitik zu beseitigen (sehr richtig rechts, Widerspruch links) oder doch allmählich abzubauen. Diesen Angriffen werden die verbündeten Regierungen wie bisher entschiedenen Widerstand entgegensetzen. Das entschiedene Festhalten an unserer Wirtschaftspolitik ist Sache wohlbe­gründeter Ueberzeugung (bravo rechts) und wir werden uns durch die Folgen der diesjährigen Dürre, so sehr beklagens­wert sie auch sind, nicht von unserem Wirtschaftssystem ab­bringen lassen. Ein Uebcrgang zu einem anderen System kann die Folgen davon nicht auslöschen, daß es monate­lang nicht geregnet hat. (Lärm links.) Niemand kann die Konsumenten vor den Schäden bewahren, die eine notwen­dige Folge dieser Erscheinung sind. Wir müssen uns be­scheiden und uns auf Mittel beschränken, die praktisch ge­eignet sind, über die bestehenden Schwierigkeiten hinwegzu­helfen. Wenn da die Sozialdemokraten sagen, nur die böse Regierung unter dem Druck der Agrarier sei schuld an der Teuerung, so entspricht das nicht der Wahrheit. (Oho links.) Durch die Beseitigung der Schutzzölle würde unser Wirtschaftssystem auf den Kopf gestellt und unsere Handels­beziehungen würden umgestoßen werden. Der Vorschlag der Aufhebung der Zölle hat nur agitatorischen Wert. (Wider­spruch links.)

Die verlangte Zollsuspendierung würde den Anfang der Zollaufhebung bedeuten. Das würde ein äußerst gefähr­liches Experiment sein. Die Suspension der Zölle würde vorwiegend nur dem Großhandel zugute kommen. Die vorgeschlagene Aenderung hinsichtlich der Einfuhrscheine dürste eine Einwirkung auf die gesteigerten Preise nicht haben, indessen sind die Vorschläge auf Beseitigung der Auswüchse dieses Systems wohl diskutabel. In dem Bieh- und Fleischimport aus Dänemark sind Erleichterungen ein­getreten. Auf dem Fleischmarkt waren die Verhältnisse vor­iges Jahr günstiger als jetzt. Die dem Landwirt bezahlten Preise sind keineswegs übermäßig. Für die Fleischeinfuhr

Dienstag, den 24. Oktober

Kommen nur Rußland und Amerika in Betracht. Beide scheiden ans hygienischen Rücksichten aus. Ich richte an unsere Landwirtschaft, die 95 °/g des Fleischbedarfs selber deckt, den Appell, mit allen Mitteln sich einer Verringerung des Viehbestandes zu widersetzen. An der Preisspannung zwischen Groß- und Kleinhandel haben zu einem großen Teil die übertriebenen Schilderungen der Sozialdemokraten die Schuld (sehr richtig rechts, lärmender Widerspruch bei den Soz). Die Regierung hat der Teurung entgegengewirkt durch Unterstützung kommunaler Einrichtungen. In den Zeiten des Freihandels der Siebzigerjahren waren die Ge­treidepreise höher als in späteren Jahren. Unter dem gegen­wärtigen Wirtschaftssystem ist nicht nur der Wohlstand ge­stiegen, sondern auch die Lebensunterhaltung der Bevölker­ung besser geworden. Der verständliche Unmut über die gestiegenen Preise macht Ihnen (nach links) im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen neue Hoffnungen. Sollte es der Agitation gelingen, die Zusammensetzung des Reichs­tags durch solche Stimmung zu beeinflussen, so wird die vorübergehende Teuerung aus der diesjährigen Dürre eine gesamte Schädigung unseres Wirtschaftslebens ergeben. Ich werde mich durch keine Angriffe in der Ueberzeugung irre machen lassen, daß ich mit dem Festhalten an der bisherigen Wirtschaftspolitik auf dem rechten Wege bin. (Lebh., sich wiederholender Beifall rechts, Zischen und gr. Unruhe links).

Auf Antrag des Abg. Bebel wird Besprechung der Interpellationen beschlossen. Nachdem unter großer Unruhe des Hauses noch der Abg. Niederlöhner (Kons.) für den Schutzzoll sich ausgesprochen hatte, wurde die Weiterberatung auf Dienstag 1 Uhr vertagt. Schluß 5.45.

Tages-Nmigketten.

Ans Gtadt rmd Land.

Nagold, 24 Oktober IS1I.

Veteranenfest im Erholungsheim Pilgerruhe.

Der gestrige Herbstsonntag, der trübselig und regnerisch be­gann, versprach dem Fest keine besondere Gunst. Doch als um 9 Uhr das Gewölk zerriß und die Sonne eine herrliche Herbstlandschaft verklärte, kamen allmählich die geladenen Gäste von Nah und Fern herbeigeströmt, um im Heim das eigenartige Fest mitzufeiern. Etwa 100 Personen mit Ein­schluß der Insassen des Hauses hatten sich im festlich ge­schmückten Saal eingefunden. Um 2 Uhr begann die Feier mit einem allgemeinen Gesang und hierauf hielt Herr Prediger Jahn Ke, der derzeitige Inspektor der Anstalt eine längere Ansprache, in welcher er die Gäste warm begrüßte und über Zweck und Ziel der Veranstaltung sich aussprach. Unter Veteranen verstehe man allgemein diejenigen, die in Kriegen gekämpft hätten. Es gebe aber auch Veteranen, die in langem Leben den Kamps gegen allerlei Widerwärtigkeiten, Anfechtungen und Nöte, ganz besonders aber den Kampf gegen die Sünde siegreich geführt hätten und solcher seien gewiß eine große Anzahl hier. Und wie die Krieger mit Ehrenzeichen bedacht werden, so sollen auch heute die im 60. Lebensjahr stehenden Kämpfer eine Auszeichnung er­halten. Das Fest soll dazu dienen, uns im Kampf zu stärken und unsere geistigen Waffen immer besser auszu­bilden und zu vervollkommnen. Weitere Ansprachen hielten noch die im Ruhestand lebenden Prediger Steinbrenner und Schmidt, sowie einige Gemeindeglieder, darunter auch Frauen. Dazwischen wurden von 70- und 80jährigen Pfleg­lingen, wie auch von jüngeren Gästen Gedichte vorgetragen, die sehr viel Anklang fanden und die Versammlung in jene festlich-gemütliche Stimmung versetzten, wie man sie im Heim nicht anders gewöhnt ist. Ein Sologesang des Herrn Steinbrenner fand freudigen Beifall. Das Schlußgebet sprach Herr Prediger Steinmetz von hier. Nachdem die Fest­zeichen, (Rosette mit Bild vom Heim und Inschrist) ausge- teilt waren und eine V^stündige Pause den Teilnehmern Gelegenheit gegeben hatte, Haus und Hof zu besichtigen, wurde der Tee eingenommen, den sich mit Ausnahme einiger früher Abgereisten alle gut schmecken ließen. Eine Teller­sammlung zn Gunsten des Heims ergab die hübsche Summe von 25 -H. Um 5 Uhr war das schöne Fest, bei dem auch ohne Alkohol Begeisterung erzielt wurde, zn Ende und jeder Teilnehmer hat gewiß neuen Mut sür den Lebens­kampf mit nach Hause genommen. Segen und Gedeihen ruhe auch fernerhin über dem Heim und seinen Pfleglingen.

8ed.

* Die September-Nummer der Blätter des Württ. Schwarzwaldvereins bringt einen Beitrag zur Geschichte des Bads Teinach vom Jahre 1618 bis 1707 aus der Feder des Hofrats Th. Schön, der zeigt, daß der Sauerbrunnen damals in seinen günstigen Heil­wirkungen auf allerlei Gebrechen der leidenden Menschheit

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erkannt und angewendet wurde; ein Vergleich der alten Ver­hältnisse betr. Anwendung zu Trink- und Badekuren mit der Gegenwart ist sehr interessant. Ein botanischer Ausflug in das Feldberggebiet von Oberförster v. Biberstein macht den Schwarzwaldsreund mit allen Erscheinungen der Flora dieses Gebiets bekannt. Eine fünftägige Schwarzwaldwanderung unterhält angenehm, während der Aufsatz Eulenspiegelei im württ. Schwarzwald von Otto Hatsch in Konstanz dem Humor zu seinem Rechte verhilft durch Schilderung kräftiger Bauemspässe. Berichtet wird noch von der intern at. Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr in Berlin 1911 und die Aussteller des württ. Schwarz­walds angeführt, darunter die Stadtgemeinde Nagold mit einer Gesamtansicht von Nagold. Es folgen Vereins­berichte teilweise hübsch illustriert, wie auch alle obigen Aufsätze. Die Oktober-Nummer bringt den Schluß der Geschichte des Bades Teinach und die Fortsetzung des botanischen Ausflugs in das Feldberggebiet, eine Landes- sehenswürdigkeit in Oberndorf a. N. in Gestalt einer geo­logischen Gruppe und einen Bericht über die Haupt­versammlung des Verbands deutscher Gebirgs- und Wander­oereine in der Badestadt Wildungen. Für die Erhaltung der Burgruine Urnburg bei Weitingen OA. Horb und BurgStaufsenberg" bei Eutingen tritt K. A. Koch ein, wozu die Schristleitung bemerkt, daß entsprechende Schritte eingeleitet sind. Die fünftägige Schwarzwald- Wanderung wird fortgesetzt und dieLeiertanne" im Gündringer Gemeindewald findet durch Löwenwirt Ehr. Waiblinger in Haiterbach Würdigung, die ergänzt wird durch eine Beschreibung nach demSchwäb. Baumbuch". Herausgegeben von der K. Württ. Forstdirektion samt Ab­bildung. Noch eine andere Harfentanne nicht weit von Befenfeld im Staatswald aus Markung Röt wird erwähnt, ebenso der Hölzle König bet Schwenningen.

Ein Kapitel für die Jugend zur Kurzweil und Belehrung schreibt der fleißige Mitarbeiter G. A. Bolz, Heilbronn mit dem Aufsatz über Waldbeeren. Berichte aus den Be­zirksoereinen schließt die schöne Nummer.

r Württ. Landesfischereiverein. Am 9.. 10. und 11. November findet in Hall ein Fischerei-Lehrkurs über Salmoniden, Karpfen, Schleihen, Krebszucht und Teichwirt­schaft statt. Borträge werden hiebei halten die Herren: Dr. Maier, K. bayr. Landesfischereiinspektor aus München, Ober- studienrat Dr. Lampert, Oberoerwaltungsgerichtsrat Dr. Haller aus Stuttgart und Kreisfischmeister Steinhardt aus Ellwangen.

* Handwerkskammer Reutlingen. Der Vorstand der Kammer befaßte sich in seiner am 20. ds. Mts. abge­haltenen Sitzung u. a. mit folgenden Fragen: Eine Ein­gabe des Deutschen Müllerbundes an den Bundesrat betr. Erlassung eines Getreideausfuhrverbots, Aufhebung der Ein­fuhrscheine etc. wird in Anbetracht der Bedeutung dieser Fragen der demnächst stattfindenden Vollversammlung zur weiteren Behandlung überwiesen. Anläßlich der Behand­lung dieser Eingabe, deren Tendenz der Vorstand im All­gemeinen zustimmt, soll dann auch die Frage der Fleisch­teuerung behandelt werden. Der Verein der Industriellen des Regierungsbezirks Köln hat an den Reichstag eine Eingabe gerichtet, welche sich gegen die im Entwurf eines Bersicherungsgesetzes für Privatangestellte vorgesehene Rege­lung der Sonderkassen richtet. Ueber diese Eingabe, die zur Unterstützung unterbreitet worden ist. wird zur Tages­ordnung übergegangen. Eine Reihe Gesuche von Bäcker­meistern des Kammerbezirks um Dispensation von den Vor­schriften der §§ 1 und 2 der Min. Vers. betr. die Einrich­tung und den Betrieb von Bäckereien vom 12. März 1909 werden den zuständigen Oberämtern befürwortend vorgelegt.

An die K. Zentralstelle sür Gewerbe und Handel wer­den mehrere Gutachten erstattet. Zum Zwecke der Re­gelung des weiblichen Lehrlingswesens wird eine besondere Kommission eingesetzt, welche diese Frage weiterbehandeln wird, sodaß die nächste Vollversammlung Stellung zur gan­zen Frage nehmen kann. Weiter werden die Stellen der Borsitzenden der Gesellenprüfungsausschüsse der Handwerks­kammer in Schramberg und Ebingen für den Rest des Jahres neu besetzt. Einige Gesuche um Abkürzung der Lehrzeit werden angesichts der besonderen Umstände (Kon­kurs des Lehrherm) genehmigt. Der geschäftssührende Ausschuß des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammer­tags beschäftigt sich in seiner am 25. d. M. stattfindenden Sitzung mit der Frage der Besserung des privaten Submisstons­wesens und hat die Handwerkskammer Reutlingen um Er­stattung des Referats ersucht. Handwerkskammersekrctär Hermann wird mit der Erstattung des Referats beauftragt, gleichzeitig wird eine aus fünf Bauhandwerkern und zwei Baugewerbetreibendcn bestehende Kommission für dielen