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ständen mehr Rückgrat zu zeigen als seither. Wir haben schon in unserer letzten Umschau darauf hingewiesen, daß in Frankreich, nachdem die Franzosen Marokko in der Tasche zu haben glauben, von neuem Quertreibereien einsetzen, um uns auch die Kongokompensationen noch nach Möglichkeit zu beschneiden und in der Tat haben die chauvinistischen Treibereien der französischen Presse bereits einen bedenk­lichen Grad 'erreicht. Man darf hiebei nicht außer Acht lassen, daß in Frankreich die sogen, öffentliche Meinung hinsichtlich der Beeinflussung der Regierung einen ganz an- deren Wert hat wie bei uns. Andererseits kann aber auch gesagt werden, daß auch das deutsche Volk eine weitere Enttäuschung zu den seitherigen hin nicht mehr so ruhig hin­nehmen würde.

Der türkisch-italienische Konflikt hat eine wesent­liche Verschärfung erfahren. Nicht durch einen Waffengang, sondern durch die strikte Bekundung Italiens, die gewalt­same Annexion von einer bloßen Okkupation wird gar nicht mehr gesprochen von Tripolis durchzusühren. un­beschadet jedes noch so loyalen Entgegenkommens der Türkei. Das Urteil über Italien wird dadurch noch verschärft, daß die Türkei trotz alledem von der Durchführung der ihr zu Gebote stehenden Repressivmaßnahmen Abstand nimmt. Mit der Tatsache der endgültigen Einverleibung von Tripo­lis in italienischen Besitz muß man sich heute jedenfalls ab- sinden, aber wir glauben, die Geschichte würde unserer viel­gerühmten Kulturepoche die Anerkennung versagen müssen, wenn die Mächte es so weit kommen ließen, daß die Ita­liener in die Lage versetzt würden, ihre Drohung wahr zu machen, daß sie die Türkei noch bei den Friedensverhand­lungen jeden etwaigen Widerstand vergelten lassen würden. Vielleicht darf gerade hinsichtlich dieser Frage die Aeußer- ung im Auge behalten werden, die Reichskanzler v. Beth- mann-Hollweg zu den Interpellationen über die auswärtige Politik dahin gegeben hat,wegen des türkisch-italienischen Krieges finde ein andauernder Meinungsaustausch zwischen den Mächten statt". Das ist wohl so aufzufassen, daß die Mächte den Verlauf der Dinge nicht aus lauter Neutralität abseits stehend verfolgen, sondern mit praktischen Vorschlägen im gegebenen Moment zur Hand sein werden. Dann läßt sich wohl erwarten, daß die Türkei beim Friedensschluß nicht derart der leidende Teil sein wird, daß infolge zu ge- wärtigender innerer Wirren die Dinge für sie nachher schlim­mer sein werden als vorher.

Die Gärung in China hat diesmal einen so aus­gesprochen revolutionären Charakter angenommen, daß auch Europa von dem gewaltigen Umfang der durchgreifenden Bewegung überrascht worden ist. Waren die früheren Auf­stände ein planloses wildes Durcheinander, so tritt diesmal ganz unverkennbar eine straffe Organisation zutage, und es ist diesmal zum erstenmal ernstlich mit der Möglickkeit des Sturzes der verhaßten Mandschudynastie zu rechnen. Daß bei den Vorgängen vereinzelte Ausschreitungen gegen die Europäer Vorkommen können, darauf war unter allen Um­ständen Bedacht zu nehmen, allein schon der Gedanke, daß die Revolutionäre republikanische Tendenzen>erfolgen, birgt gewissermaßen für einen bestimmten kulturellen Fortschritt, aus dem heraus eine wirkliche Gefährdung der europäischen Interessen nicht zu befürchten ist, denn die Führer der Be­wegung müssen sich darüber klar sein, daß wenn sie ein Eingreifen Europas gegen sich heraufbeschwören, dies der Anfang vom Ende ihrer Herrlichkeit sein wird. Deshalb meffen wir den Vorkommnissen in Hankau, wo unsere Marine zum Schutze der Europäer eingreifen mußte, nur lokalen Charakter ohne weitere Folgen bei.

Deutscher Reichstag.

IV Berlin, 20. Okt.

Am Bundesratstisch Staatssekretär Delbrück. Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20. Das Haus tritt in die Beratung des Privatbeamtenversiche­rungsgesetzes ein.

Trimborn (Z.). Meine Partei wird alles tun, um das Gesetz zu einem baldigen und glücklichen Abschluß zu bringen. Im großen und ganzen werden wir die Vorlage unverändert annehmen, wenn auch noch einige Fragen, z. B. die der Ersatzkammer, in der Kommission geklärt werden müssen. Für einen Teil meiner Freunde ist die Doppel­versicherung derjenigen bedenklich, die bis zu 2000 ^ Ein­kommen haben. Ich beantrage Verweisung der Vorlage an die Kommission.

Frhr. v. Nicht Hofen (Kons.). Auch wir hoffen, daß der Gesetzentwurf noch in dieser Tagung verabschiedet wird. (Bravo.)

Schmidt-Berlin (Soz.). So kurz, wie die Vorredner es gestern getan haben, läßt sich die Vorlage doch nicht behandeln. Ich hoffe, daß es in der Kommission gelingt, den Wünschen der Privatbeamten mehr entgegenzukommen, als es in der Borlage der Fall ist. Der Anschluß der Prioatbeamtenversicherung an die bestehende Invalidenver­sicherung würde finanziell viel günstiger sein. Ich vermisse die Möglichkeit einer freiwilligen Persicherung derjenigen Angestellten, die nicht dem Bersicherungszwang unterstellt

sind. Die Selbstverwaltung gekommen.

Stresemann (natl.): angestellten in der Forderung leider erheblich gelitten. -

ist in dem Entwurf zu kurz

Die Einmütigkeit der Privat­einer Versicherung hat letzthin iplomingenieure, Aerzte usw. wehren sich aus Gründen der Standesehre gegen den Der- sicherungszwang. Zu erwägen ist das Angebot der Privat- Bersicherungsgesellschaften, diese Versicherungsgruppen zu übemehmen. Daß hierfür ein Reichszuschuß gewährt werden soll, halte ich für durchaus berechtigt. Ob wir mit dem

Was wir tun wollen, ist aber eine soziale Pflicht erfüllen, die vom gesamten Reichstag als solche anerkannt worden ist.

Mugdan (sreis. V.). Auch meine Freunde stellen sich im großen und ganzen auf den Boden der Vorlage. Wenn wir den Vorschlag der sogenannten Arbeitszentrale zu dem unsrigen machen würden, so würde das das Scheitern der Vorlage bedeuten. In der Kommission wird zu er­wägen sein, ob nicht auch eine freiwillige Versicherung für kleine Handwerker, Kleingewerbetreibende usw. mit dem Gesetz verbunden werden soll. Ein kleiner Teil meiner Freunde hält es für zweckmäßig, die Einkommensgrenze auf 4000 ^ zu normieren.

Linz (Reichsp.): Der Anschluß an die Invalidenver­sicherung stellt zu erhebliche Forderungen an das Reich. Meine Partei wird in der Mehrheit für den Regierungs- entwurs stimmen.

Raab (w. Vgg.): Die Versicherungsgesellschaften sind drauf und dran, das ganze Gesetz illusorisch zu machen. Den illoyalen Vestrebungen dieser Gesellschaften müssen wir durch schleunige Verabschiedung des Gesetzes ein Ende machen. Die Debatte wird daraus geschlossen und die Vor­lage geht an eine Kommission. Nächste Sitzung Samstag 11 Uhr. Gesetz über Konsulargerichtshöfe und Ausgabe kleiner Aktien. Schluß Vs6 Uhr.

Tsges-Neuigkeiten.

Ans Gtadt urch Land.

Stuttgart, 19. Okt. Im 14. württembergischen Reichstagswahlkreis Ulm-Heidenheim hat der Bund der Landwirte den Landtagsabgeordneten Gra f-Heidenheim als Kandidaten für die Reichstagswahlen ausgestellt.

x Stuttgart, 20. Okt. Das Gesamtkollegium der Zentralstelle für Gewerbe und Handel hat sich in einer am Dienstag abgehaltenen Sitzung mit der Frage der landes­gesetzlichen Einführung der Landkrankenkassen in Württem­berg beschäftigt. Der Referent kam zu dem Ergebnis, daß für Württemberg die Notwendigkeit zur Errichtung vou Landkrankenkassen nicht bestehe. Die Oberämter hätten sich zu zwei Dritteln gegen die Errichtung der Landkranken­kassen ausgesprochen, ebenso die Handels- und Handwerks­kammern in ihrer Mehrzahl. Der Korreferent stellte den Antrag, die Errichtung von Landkrankenkassen den einzelnen Bezirken zu überlassen. Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Korreferenten gegen 7 Stimmen abgelehnt und damit ausgesprochen, daß für Württemberg kein Bedürfnis zur Errichtung von Landkrankenkassen oorliege.

Gerichtssaal.

-1- Attenstcig, 20. Okt. Die Taglöhnerin W. vom nahen Dorf stand gestern vor dem Schöffengericht Nagold, angeklagt wegen Milchpantscherei. Die >,»ön der hiesigen Polizei bei einer Kontrolle beschlagnahmte'Mich hatte einen Zusatz von 20 o/g Wasser, wofür natürlich dasübliche Kübelschwenken" verantwortlich gemacht wurde. Das Urteil lautete aus 20 ^ Geldstrafe und Tragung der nicht uner­heblichen Kosten.

r Heilbronn, 20. Okt. (Ein interessanter Prozeß). Die Stadtgemeinde Heilbronn, die gegen den Staat im Prozeß lag, weil sie die Stempelabgaben bei eigenen Grundslücksoerkäufen nicht bezahlen wollte, da ja Eigentümer, die keine 2000 ^ Einkommen haben, von der Stempelabgabs befreit seien und die Stadt überhaupt kein Einkommen habe, hat diesen Prozeß nun vor dem Reichs­gericht verloren. Das Landgericht Stuttgart hatte zuerst der Stadt recht gegeben, das Oberlandesgericht dem Staat und das Reichsgericht hat nun letztere Entscheidung bestätigt.

>V Leipzig, 19. Okt. Der Feingoldschläger K r oher ist vom Reichsgericht wegen versuchten Verrats militärischer Geheimnisse zu 6 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit der Polizeiaufsicht verurteilt worden. In der Urteilbegründung heißt es: Der Angeklagte war bis zum September 1910 Unteroffizier in Metz. Er hatte sich schon in letzter Zeit vielfach Tadel zugezogen. Später er­gab er sich angeblich dem Trünke und geriet dadurch in materielle Not. Nun wandte er sich an Agenten eines fran­zösischen Nachrichtenbureaus und machte den Versuch, die Metzer Forts sowie Einzeichnungen in den Umgebungsplan aus dem Festungsgürtel an Frankreich zu verraten, was ihm aber nicht gelungen ist. Da der Angeklagte keine Reue zeigte, sondern nur noch bedauerte, daß ihm der Plan nicht gelungen war, sah sich der Gerichtshof genötigt, noch über den Antrag des Reichsanwalts hinauszugehen.

^V Stettin, 20. Okt. In dem Beleidigungsprozeß gegen den Gutsbesitzer Becker wurde heute abend 6 Uhr das Urteil verkündet. Der Angeklagte wurde wegen Be­leidigung in drei Fällen zu einer Gesamtstrafe von drei Monaten Gefängnis verurteilt. In zwei weiteren Fällen wurde er sreigesprochen.

Deutsches Reich

Berlin, 20. Okt. Graf Zeppelin soll jetzt zu den Zeitungsnachrichten, daß ihm eine Reichstagskandidatur an- geboten werden soll, Stellung genommen haben. Er soll auf eine Anfrage derInformation", ob er ein Reichstags­mandat anzunehmen geneigt sei, telegraphisch erklärt haben, daß er nicht ohne Antrag von Parteiseite sich äußern könne.

Kiel, 20. Okt. Das LinienschiffHessen" kollidierte gestern abend im Kriegshafen mit dem Bremer Dampfer Argo" und erhielt ein 2 n> langes Leck auf dem Steuer­bordbug. Ein Magazin lief voll Wasser. Der Dampfer Argo" erlitt schwere Havarie am Vordersteven.

Kiel, 19. Okt. In der hiesigen Quarantäne-Anstalt ist zum zweiten Male die Maul- und Klauenseuche aus­gebrochen, jedoch unter inländischem Vieh. 450 Rinder werden abgeschlachtet.

Marokko.

>V Paris, 20. Sept. Im heutigen Ministerrat er­örterte der Minister des Aeußern die auswärtige Lage und bemerkte, daß die deutsch-französischen Unterhandlungen einen befriedigenden Fortgang nehmen.

Der Aufstand in China.

London, 20. Okt.Daily Chronicle" meldet aus Schanghai: Es fand eine zweite Schlacht bei Hankau zwischen den Rebellen und den kaiserlichen Truppen statt. Das Gefecht dauerte 10 Stunden und endete mit einem Sieg der Rebellen. Am Mittwoch um 3 Uhr begann die Schlacht. Die Rebellen richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Eroberung der Station, wo aber die Regierungstruppen einen starken Widerstand leisteten. Das Resultat des Ge­fechts war, daß die Rebellen sich der Station bemächtigten und sie sofort besetzten.

W London, 20. Okt. Wie das Reutersche Bureau aus Hankau vom 19. meldet, sind die Revolutionäre siegreich.

Der Krieg um Tripolis.

r Konstantinopel, 20. Okt. Nach Mitteilung des Kriegsministeriums hat am 16. ds. in Tripolis ein dritter Nachtkamps gegen die Italiener stattgesunden, die 60 Tote halten.

VV Konstantinopel, 19. Okt. Der tripolitanischs Korrespondent desIkdam" telegraphiert über Dehibat an der tunesischen Grenze, daß die türkischen Truppen 3 An­griffe gegen die Italiener unternommen hätten, wobei die Italiener zahlreiche, die Türken aber nur zwei Tote gehabt hätten. Die Disziplin der Truppen wie der Stämme sei vorzüglich.Sabah" erfährt, daß der Militärattache in Berlin, Enver Bey, in Tripolis eingetroffen ist und sich den Truppen, die unter dem Kommando des Pariser Militär­attaches Fethi-Bey stehen, angeschlossen hat.

Herbstvachrichte«.

Degerloch, 19. Okt. Lese dauert fort. Alles verstellt. Preis 290 ^ pro Eiiner.

Gablevberg, 19. Okt. Lese geht zu Ende. Käufe zu 300, 310 und 320 pro Eimer. Noch einige Posten (ca. 50 KI) feil.

Stuttgart, 19. Okt. Lese geht zu Ende. Preis 320325 pro Eimer. Alles verkauft.

Cannstatt, 18. Okt. Bei der gestrigen Versteigerung der Berg­weine der Weingärtnergesellschaft Fellbach, e. G. m. u. H, wurden pro Eimer folgende Preise erlöst bei einer vorhandenen Menge von 70 Eimern: 371, 380, 382, 386, 390, 396, 399, 400 und 401 Es ist nunmehr das sämtliche Fellbacher Weinerzeugnis verkauft.

Verzeichnis der Märkte der Umgegevd

vom 23.-23. Oktober.

Ebhausen: 28. Oktober Krämermarkt.

Zwei Megen auf einen Schlag

glaubt mancher zu sangen, der sich zum Ankauf einer Nachahmung von Scotts Emulsion verleiten läßt, die billiger abereben so gut" sein soll. Der

Irrtum

stellt sich indes bald heraus, wenn mcu gewahr wird, daß nur die äußere Ver­packung, diese allerdings bis an die Grenze des Erlaubten, nachgeahmt ist, denn der Inhalt, Scotts Emulsion selbst, kann nicht nachgeahmt werden, weil Scotts Emulsion die einzige nach dem Scottschen Verfahren hergestellte, seit 35 Jahren bewährte Lebertran-Emulsion ist.

Darum nur die echte Scotts Emulsion.

Nur echt mit MarkedemF:

dem Garant^ Deichen deS Scold jchen Verfahrens

Die Futternot Hot in diesem Herbste viele Landwirte gezwungen, ihre Wiesen abweiden zu lassen, da cs sich nicht verlohnte, einen zweiten Schnitt zu nehmen. Auf diese Weise erhielt das Vieh noch etwas Futter. Im allgemeinen ist aber den Wiesen hiermit nicht gedient. Im Gegenteil, ein zu starkes Beweiben, noch dazu bis in den Spätherbst hinein, schwächt die Wiesenpflanzen. Es darf dies eben nur ausnahmsweise einmal als Notbehelf in futterarmen Jahren ausgesührt werden. Damit nun die Wiesen und Weiden im kommenden Jahre nicht im Ertrage Zurückbleiben, und auch eher neues Futter geben, muß dies Jahr die Düngung mit Thomasmehl und Kainit nicht nur kräftiger bemessen, sondern auch zeitiger als sonst gegeben werden; am besten schon jetzt im Herbst, sobald das Vieh nicht mehr ausgetrieben wird. Zeitig im Herbst gedüngte Wiesen, Weiden und Kleefelder uberstehcn nicht nur den Winter besser, sondern beginnen auch im Frühjahr ihr Wachstum zeitiger und geben eher neues Futter als später oder gar nicht gedüngte Flächen.

Thomasmehl und Kainit können zweckmäßig kurz vor Ausstreuen gemischt werden, und zwar für sandige und Moorböden etwa zu gleichen Teilen, während für lehmige und tonige Böden die Thomasmehlgabe höher zu bemessen ist.

Mutnratzl. Wetter am Sonntag und Montag.

Für Sonntag und Montag steht mehrfach bewölktes und auch zu vereinzelten Niederschlägen geneigtes Wetter bevor.

Hiezu das Illustrierte Sonntagsblstt Nr. 43 und Schwäbischer Landwirt Nr. 20.

Druck und Vertag der-G. W. Zaiser'schrn Buchbruckerci (Sn-tt Zaisec Nagold. Für dir Redaktion veraaiWsttltch. K. Paur.