Erscheint tüglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
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Samstag, dm 7. Oktober
Fernsprecher Nr. 29.
88. Lahrgang.
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Beilage«:
Plauderstiibchrn,
* Illustr. Sonnlagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1911
Kgk. Hbercunt Wagotd.
Bekanntmachung
betr. die Ueberwachung des Verkehrs mit Wein.
Die Gemeindebehörden werden aus den Min.-Erlaß vom 27. Scpt. d. I. (Min.A.Bl. S. 309) noch besonders hingewiesen.
Danach ist bei einer in gleicher Weise wie bisher fortschreitenden Reise der Trauben Heuer mit einem guten Jahrgang im Sinne des 8 3 Abs. 1 des Weingesetzes zu rechnen.
Eine Zuckerung des diesjährigen inländischen Weiumosterzeugnisses ist deshalb, voll besonderen Aus- nahmefällcn abgesehen, unzulässig.
Die etwaige Zuckerung ist der Ortspolizeibehörde anzuzeigen, die letztere hat zu prüfen, ob die Zuckerung als zulässig betrachtet werden kann und gegebenenfalls den Beteiligten zu belehren oder in Zweiselsfällen mit dem Weinsachverständigen im Hauptberuf ins Benehmen zu treten.
Die Zuckerung ausländischer Erzeugnisse ist in allen Fällen, in guten wie in schlechten Jahrgängen unzulässig.
Wer Wein gewerbsmäßig in Verkehr bringt, hat nach KZ 11 Abs. 3 des Weingesetzes die Herstellung von Haustrunk der Ortspolizeibehörde anzuzeigen. Die Beaufsichtigung der Haustrunkherstellung ist hauptsächlich in den Wirtschaften und Weinhandlungen durchzusühren.
Die Ortspolizeibehörden werden beauftragt, den Inhabern der in Betracht kommenden Gewerbebetriebe die Anzeigepflicht der Haustrunkherstellung in geeigneter Weise in Erinnerung zu bringen.
Den 6. Okt. 1911. Kommerell.
Der WetterwarL.
A-kitische Amschau.
p Das politische Leben in Württemberg hat diesmal einige bemerkenswerte Ereignisse zu verzeichnen. Zunächst tritt in Erscheinung die Regsamkeit, mit der die Dolkspart ei bereits die einleitenden Arbeiten für die Retchs- tagswahlen ausgenommen hat. Dieser werbenden Agi- taüon werden sich wohl bald auch die übrigen Parteien anschließen müssen, so daß wir in Kürze mitten im Wahl- Kampf stehen werden. Etwas verspätet ist da wohl nochmals der Gedanke eines Wahlkreisaustausches zwischen Natioualliberalen und Volkspartei ausgcgriffen worden. Auf die Zweckmäßigkeit eines solchen Tausches, zwischen dem 14. Wahlkreis (Ulm) und dem 4. (Böblingen) haben wir frühzeitig mit eingehender Begründung hingewiesen, eine gedeihliche Verständigung halten wir heute für ausgeschlossen,- auch wenn die Partcileitungtn sie noch herbei- sühren könnten. — Nach hartem, wie in den eigenen Kreisen zugegeben wird, nicht immer einwandsrciem Kampfe hat in Stuttgart nunmehr die radikale Richtung der Sozialdemokratie die Oberhand gewonnen; die Tagwacht wird damit zur schärferen Tonart übcrgcleitet und "mehr zum Organ für den Groß-Stuttgarter Industriekreis umgestaltet, eine Entwicklung, die mit der Schaffung immer weiterer Bezirksblätter der Partei von selbst gegeben war.
Wenn man den übereinstimmenden Meldungen fran- zösischerscits Glauben schenken darf, ist die Nachgiebigkeit Deutschlands in der Marokkofrage eine außerordentlich weitgehende. So sehr dies im Interesse des Friedens zu begrüßen ist, die Nachteile, die für uns darin liegen, müssen jetzt schon scharf hervorgehoben werden. Sie gehen nach zwei Seiten; einmal ist es ein mißlich Ding, in den offiziellen Kreisen ein Kompliment für die „Loyalität" zu erhalten, dafür aber Gefahr zu laufen, diese Loyalität vom Volke als Schwäche ausgelegt zu sehen, und diese Gefahr liegt hier sehr nahe. Sodann aber dadurch, daß für das zukünftige französische Regime in Marokko noch weiterer Spielraum gewährt und die völlige Französisierung dieses Landes in einer Weise gefördert wird, die uns nur nachteilig sein kann. Ob wir statt dessen im Kongo einige hundert Quadratmeter weiter erhalten, spielt gar keine Rolle, denn das ganze Kongogebiet wiegt nie ein gutes Stück Marokko auf. Man brauchte ja gewiß nicht so grobklotzig dreinzusahren wie die Italiener, aber heute zeigt sich schon mit aller Deutlichkeit, daß, was wir schon vor Wochen her- oorgehoben, es das einzig Richtige gewesen wäre, die deutsche Regierung hätte sich auf den rein formellen Standpunkt versteift und die Einhaltung der Bertragsoerpflichtungen verlangt. In diesem Falle hätten dann wenigstens diejenigen Mächte, die Frankreich den Rücken gedeckt, offen Farbe bekennen müssen. Bon ganz besonderem Interesse wäre dabei gewesen, wie sich Italien verhalten hätte, das sich schon bei dem famosen Algecirasabkommen auf die Sette
unserer Gegner gestellt hat, dafür aber jetzt unsere Bundcs- sreundlichkeit für seine Räuberpolitik in Anspruch nimmt.
Läßt sich zur Stunde auch noch nicht sagen, welchen Ausgang dieser moderne Piratenzug nehmen wird, das Urteil über seine Urheber ist heute schon gesprochen. Man kann es nur bedauern, daß Deutschland gewissermaßen die Vermittlerrolle zugesprochen ist, denn die Sanktion wird dem italienischen Gewaltstreich gegeben. Darüber gibt es gar keinen Zweifel, und daß auch wir unseren Namen dazu hergeben müssen, das ist nicht nur aus dem reinen gerechten Empfinden heraus bedauerlich, sondern kann für uns auch noch schwere wirtschaftliche Schädigungen im Gefolge haben, denn der unvermeidliche Verlust von Tripolis wird bei den Türken einen Stachel zurücklassen, dessen Spitzen sich nicht nur gegen Italien, sondern auch gegen diejenigen richten werden, die für dessen Gewaltpolitik nichts anderes übrig hatten als bedingungslose Zustimmung. In den einsichtigeren türkischen Kreisen mag ja -zunächst die Befriedigung über die Dienste, die der Türkei durch einen unblutigen Ausgleich tatsächlich erwiesen werden, vorherrschen, aber im allgemeinen darf man damit nicht rechnen. Derjenige Teil aber, der auf alle Fälle schweren Schaden haben wird, wird trotz seiner Eroberung Italien sein. Auf dem Papier wird ihm zwar nach wie vor volle Handelsfreiheit eingeräumt werden, ob es aber tatsächlHh nachher die gleichen Geschäfte mit der Türkei machen wird, das ist nicht nur sehr die Frage, sondern kann jetzt schon glatt verneint werden. Die „Begeisterung" des jetzt kriegslustigen Volkes wird dann gar bald einem bösen Katzenjammer Platz machen, und eine künftige Regierung wird schwer zu büßen haben, was die jetzige in frevlem Uebermut verschuldet. Ein Abschnitt in der Geschichte für sich ist» es, daß unsere „hochentwickelte" Kultur es nicht vermocht hat, dem hohnsprechenden Vorgehen Italiens ein Halt entgegenzurufen, besonders aber mag der Name derjenigen in das Schuldbuch eingetragen sein, die Italien schon vor Jahren die Zusicherung gegeben haben, daß seinem Raubzug nichts in den Weg gelegt werde. Diese Tatsache ist vor allem aber auch jenen ins Gedächtnis zu rufen, die den traurigen Mut finden, dem Vorgehen Deutschlands in Marokko die Schuld beizumessen. Geradezu traurig aber ist cs, daß es bei uns Leute gibt, die sich nicht cntblöden, diesen schmählichen Anwurf sich zu eigen zu machen.
Tages-NeuigLeiterr.
TuS Stadt und Land.
Bösingen, 6. Okt. (Unfug.) In der Nähe hies. Orts haben sich an der Straße mit Steinschlagen beschäftigte Kinder dadurch ein Vergnügen gemacht, daß sie an der Fernsprechleitung Nagold-Freudenstadt 56 Isolatoren heräbgeworsen haben, die neu ersetzt werden müssen. Die Täter sind ermittelt.
Freudenftadt, 6. Okt. Die Eröffnung des in der Osterwoche infolge Explosion der Acetylen-Beleuchtungsanlage abgebrannten, nun wieder aufgebauteu Gasthauses zur Alexanderschanze findet am Sonntag statt. Dank den günstigen Witterungsverhältnissen und dem eifrigen Bemühen der dabei Beteiligten ist es gelungen, in ganz kurzer Zeit ein Kur- und Touristenhaus zu erstellen, das sowohl seinem Besitzer große Freude bereitet als auch den vielen, unsere Kniebishöhe besuchenden Touristen und Kurgästen einen angenehmen Aufenthalt zu bieten vermag.
Landschaftsschutz nnd Starkstromanlage».
p Stuttgart, 5. Okt. Im Hinblick auf die mit der Errichtung elektrischer Fernleitungen vielfach verbundene Gefährdung heimatlicher Landschafts- und Ortsbilder hatte schon seit März d. I. der Württ. Landesausschuß für Natur- und Heimatschutz im Benehmen mit der Ministerialabteilung für Straßen- und Wasserbau eine auf die gesammelten Erfahrungen gegründete Eingabe an das Ministerium des Innern betr. den Landschaftsschutz bei Starkstromleitungen vorbereitet. Auf Veranlassung des Ministeriums fand nun am 15. v. M. eine Besprechung der beteiligten Behörden, des Landesausschusses und der Vertreter der 19 größten Elektrizitätswerke des Landes statt. Die Besprechung führte zu einer für alle Teile befriedigenden Verständigung über den anzustrebenden Ausgleich zwischen den Interessen der Industrie und Technik einerseits und jenen des Heimatschutzes andererseits. Daraufhin hat das Ministerium des Innem bereits an die Oberämter im Sinne der Eingabe des Landesausschusses eine Anweisung ergehen lassen, deren praktisch wichtigste Bestimmung die ist, daß bei der Prüfung der Pläne für elektrische Fernleitungen den Vertretern des Landesausschuffes Gelegenheit zur Borbringung von Einzel
anträgen übrigens unter sorgfältiger Wahrung der berechtigten Interessen der Unternehmer gegeben werden soll. Als die hiezu berufenen örtlichen Vertreter des Landesausschusses sind die Vorstände der in den 64 Bezirken des Landes bestellten Bezirksausschüsse bezeichnet. Der Landesausschuß seinerseits wird für die Bezirksausschüsse eine Zusammenstellung derjenigen Gesichtspunkte herausgeben, deren Beachtung sich im allgemeinen als besonders wichtig erwiesen hat und auf deren Anwendung im einzelnen Fall je nach dessen Besonderheit so gut als möglich und tunlichst im Wege unmittelbarer Verständigung mit den Interessenten hinzuwirken wäre.
x Stuttgart, 6. Oktbr. (Vom K. Hoftheater.) Ein neues Lustspiel von Ludwig Thoma, „Lottchens Geburtstag", hatte bei seiner gestrigen Erstaufführung im K. Hoftheater einen vollen Erfolg. Das Stück verspottet in witziger Weise die Versuche unberufener, weltfremder Leute zur sexuellen Belehrung der Jugend; es spielt in der Familie eines Universitätsprosessors, der die sexuelle Aufklärung seiner Tochter an deren 20. Geburtstag für notwendig erachtet, mit seinen Aufklärungsoersuchen aber an seinen künftigen Schwiegersohn, einen Zoologen gerät, der sich jedoch als untaugliches Objekt erweist; auch seine Ansicht über die Notwendigkeit der Aufklärung seiner Tochter ändert der Professor, als sich herausstellt, daß diese in aller Stille einen — Hebammenkurs absolviert hat. Die Darstellung des Stücks war vorzüglich, die Inszenierung durch Intendanzrat Stephany tadellos. Die andauernde Heiterkeit zeigte, daß dieses neue Thomastück seinen Weg über die Bühne machen wird. Ein reizendes Lustspiel von Hans v. Gumppenberg „Münchhausens Antwort" und ein französischer Schwank „Der Stammgast", letzterer unter des neuen Dramaturgen, Dr. Walter Bloems geschickter Regie, umrahmten die Einführung des neuen Thomastücks.
r Reutlingen, 6. Okt. (Auskunftsstelle.) Das städtische Rechtsauskunftsamt, das von einem besonderen Beamten verwaltet wird, hat am 1. ds. Mts. ein Jahr bestanden und in dieser Zeit sich bereits das Vertrauen aller Kreise des rechtsauskunftsuchenden Publikums erworben. Es wurden an insgesamt 2949 Personen 3021 Auskünfte erteilt und zwar 2948 mündliche und 103 schriftliche. Die meisten das Amt in Anspruch nehmenden Personen waren aus der Stadt Reutlingen und dem Vorort Vetzingen, nämlich 2089, während die Zahl der von dem übrigen Wirkungskreis eingekommenen Anfragen 860 beträgt. Täglich waren im Durchschnitt des Berichtsjahres 12 neue Auskünfte zu erteilen.
r Backnang, 6. Okt. (Großfeuer.) Heute früh kurz vor 2 Uhr brach in der Oberlederfabrik von Louis Schweizer in der Gartenstcaße Feuer aus, das in den leicht brennbaren Stoffen reiche Nahrung fand. Der ganze Fabrikkomplex samt den in dem früheren Wohnhaus untergebrachten Kontorräumen stürzte innerhalb zwei Stunden in sich zusammen. Bon dem massiven Neudau ragen nur noch die rauchgeschwärzten Seitenwände in die Lust. Die Feuerwehr stand dem rasenden Elemente machtlos gegenüber und konnte nur unter den äußersten Anstrengungen die in der Nähe befindlichen Gebäude retten. Der Schaden an Gebäuden und Maschinen beläuft sich aus über 200 000 Der Materialschaden auf ca. 400000
r Stuttgart, 5. OKI. (Beleidigungsprozeß gegen den Simplizissimus.) Wegen Beleidigung der Berliner Schutzmannschaft hatte sich heute der verantwortliche Redakteur des „Simplizissimus", Hans Kaspar Gulbranson, vor der 1. Strafkammer zu verantworten. Im .,Simplizissimus" vom 30. Januar war folgende Notiz erschienen: „Die Berliner Polizei hat den sprechenden Hund Don erworben. Ihre Ueberzeugung, daß sich dieses Tier zur polizeilichen Karriere eignet, hat sich bestätigt, der Hund macht Fortschritte, er schreit bereits „Olle Sau", „Dickes Aas", „Dummes Luder" usw. In dem Artikel wurde eine Beleidigung der Berliner Polizei erblickt. Der gestellte Strafantrag beschränkte sich auf die Schutzmannschaft. Der Polizeipräsident hat erklärt, daß er für seine Person keinen Strafantrag stelle. Die Anklage steht aus dem Standpunkt, daß in dem Artikel zum Ausdruck gebracht werde, daß zur polizeilichen Karriere in Berlin nur der geeignet sei, der die in dem Artikel genannten Ausdrücke schreien und wie ein Hund bellen könne, und ganz besonders derjenige, der darin Fortschritte mache. Bon der Verteidigung wurde ausgeführt, daß sich der Angriff nur gegen diejenigen Schutzleute richte, die bei den Moabiter Krawallen solche Ausdrücke dem Publikum gegenüber gebraucht hätten. Es sei festgestellt, daß bei den Vorgängen ungehörige Schimpfwörter gefallen seien. Die Strafkam mer verurteilte den