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ausschließlich nach Java gegangen ist? Ist e« denn nicht selbstverständlich, wenn wir selbständige Kolonien haben, daß der deutsche Handel hauptsächlich dahin gehen wird, und daß für deutschen Export die deutschen Kolonien das wichtigste sein werden? (Beifall rechts.) Die neuen Forderungen werden nun bewilligt.

Berlin, 21. Nov. Der Kaiser empfing nachmittags 5 Uhr die drei Präsidenten des Reichstags in besonderer Audienz, welche etwa eine Viertelstunde währte. Er begrüßte die Herren überaus huldvoll und unterhielt sich mit jedem. Der Kaiser sprach seine Anerkennung aus, daß die Herren so fleißig arbeiten, und versicherte, daß er ihren Verhand­lungen auch auf seiner Reise aufmerksam gefolgt sei. Die Politik blieb bei der Unterhaltung unberührt. DerReichsanzeiger" meldet: Der Kaiser verlieh dem Hauptmann Wißmann unter Belastung im Kommando und unter Versetzung zu den Offizieren L I» suiw der Armee mit der Uniform des 2. Garderegiments den Karakter als Major. Nach den Blättern ließ der Kaiser gestern abend die Nachricht von der Ankunft Emin Pascha's auf deutschem Schutzgebiete sofort durch die Kommandur sämtlichen Offizierskorps Mitteilen.

Berlin, 23. Nov. Das Emin- Komite hier erhielt durch die Firma Han sing in Sansibar eine Meldung Borchert's mitgeteilt, wonach nicht die deutsche, sondern die englische Expedition zersprengt worden sei. Dr. Peters und Genossen be­fänden sich wohlauf am Kenia.

Berlin, 23. Nov. Die heutige, dem Emin Pascha-Komite zuge­gangene Meldung von dem Aufenthalte Dr. Peters am Kenia wird amtlich bestätigt.

Berlin, 22. Nov. Der Reichskanzler erlaubte der Ham- bur g-Amerikanischen Packetfahrt-Gesellschaft ihrem vier­zigsten transatlantischen Dampfer seinen Namen zu geben:Fürst Bismarck". Der neue Dampfer wird das größte, voraussichtlich auch das schnellste Schiff der deutschen Handelsmarine sein und 5'/2 Millionen Mark kosten. Das Schiff ist auf der WersteVulkan" in Stettin erbaut und für den Paffa­gierdienst zwischen Hamburg und Newyork bestimmt.

Hamburg, 21. Nov. Der Hamburger Warenverkehr hat in letzter Zeit geradezu erstaunlichen Aufschwung genommen. Wenn die von privater Seite veröffentlichten Zahlen richtig sind, betrug der Gesamt­verkehr im Jahre 1888 über 4 Milliarden Mark. Der Seeverkehr umfaßt etwa 6 Millionen Tonnen im Werte von 2136,5 Milliarden Mark, der Land- und Flußverkehr etwa 5 Millionen Tonnen im Werte von 1836,3 Milliarden Mark; seil der Mitte dieses Jahrhunderts hat sich der Hamburg- sche Handelsverkehr vervierfacht.

Ausland.

Amsterdam, 19. Nov. Vor etwa acht Tagen entleibte sich ein Artillerist in Arnheim dadurch, daß er eine Kanone mit einer Granate lud und sich von derselben in Stücke reißen ließ. Einige Splitter schlugen in einen in der Nähe befindlichen, mit Granaten gefüllten Munitionewagen, dessen Inhalt sich ebenfalls entzündete. Eine Menge von Fensterscheiben in den umliegenden Gebäuden wurden zertrümmert und man darf noch von Glück sagen, daß keine Menschenleben der Katastrophe zum Opfer gefallen find. Kaum 1000 Mir. von dem Artilleriepark, wo sich das Ereignis ab­spielte, liegt ein Vorrat Pulver, der hinreichen würde, um die ganze Stadt in einen Trümmerhaufen zu verwandeln.

Athen, 22. Nov. Gestern abend fand zur Feier des Geburtstages der Kaiserin Friedrich ein Familiendiner im königlichen Schlöffe statt. Die Akropolis war glänzend erleuchtet. Die Kaiserin verläßt heute Athen und trifft in Patras mit dem von Korfu, wohin er das dänische Königspaar begleitete, zurückkehrenden König Georg zusammen. Prinz Heinrich wird heute in Korfu erwartet, woselbst er einige Zeit wegen der Gesundheit seiner Gemahlin bleibt.

Die letzte Nacht aber war es eine ernste, sanfte, gütige Fee im Trauerge- wande. Sie führte mich zu meiner verklärten Mutter, die zur Seite meiner Rosa stand, dann berührte sie mit einem Strauß von Mohnblumen leise meine Augen, und entrückte mich gänzlich dieser Welt bis zum späten, späten Morgen."

Der Onkel reichte mir die Hand und sagte ernst:

Hast Du gelesen, Constantin?"

Ich nickte stumm und schmerzlich.

Eine Pause trat ein.

Arme Doris!" sagte leise der Onkel,wie wenig Glück hast Du im Leben genoffen! An einen Menschen gekettet, der Dir und Deinen Kindern alles nahm, der selbst mich von Dir zu trennen wußte, um"

Er unterbrach sich plötzlich in seiner gesteigerten Heftigkeit und fuhr wieder ruhiger fort.Doch ist es bester, ich schweige lieber, aus Pietät für Deine Mutter, für Dich, denn er war Dein Vater und steht jetzt seinem Richter gegenüber! Uns kommt es nicht zu, sein Urteil zu fällen! Doch von etwas anderem!"

In seiner gewohnten, sprungartigen Weise ging er rasch zu einem neuen Thema über.

Denke Dir, mein Junge, heute früh um neun Uhr war Dein Herr Schwieger­papa in sxo, mein alter Freund Albrecht, schon bei mir, um sich, wie er sagte, nach meinem Befinden zu erkundigen, in Wahrheit aber, um sich über Deine Person und Verhältnisse näher zu informieren. Die Leutchen sind ganz aus dem Häuschen.

Es sei Alles so plötzlich gekommen," meinte er im kläglichsten Ton.Es müsse doch einerichtige Verlobung" gefeiert, Ringe gewechselt,Karten umherge- fchickt",Brautvisiten gemacht werden, und ich weiß nicht, was noch Alles."

Um des Himmels willen, Onkel, höre auf! Für solche Zeremonien habe ich weder Zeit noch Sinn. Einfach, wie ich meine Rosa kennen und lieben gelernt, will ich mich mit ihr verbinden und sie heimführen! Still, ohne Gepränge, ohne Geräusch!"

Ohne Geräusch!" Er brach in lautes Lachen aus.Ach, lieber Constatin, wie wenig kennst Du doch die Verhältnisse einer kleinen, spießbürgerlichen Stadt!

Tlages-Weuigkeiten.

Stuttgart. Am 20. Nov. starb Luise Pichler, die beliebte Jugendschriftstellerin im 66. Lebensjahre; sie war die Tochter des in Mössingen verstorbenen Pfarrers. Zugleich mit den Brüdern erhielt sie vom Vater Unterricht in Latein und anderen Wissenszweigen. Schon früh zeigte sich ihr Erzählertalent den jüngeren Schwestern gegenüber, denen sie ihre Eindrücke ivom nahen Hohenstaufen und aus den Romanen Walter Scotts schilderte. Dem kranken Vater die Kosten einer Badereise zu erleichtern, schrieb sie 1847 ihre erste Erzählung: Der Kampf um Hohentwiel unter K. Wiederhold. Seitdem veröffentlichte sie vieles in Barths Jugendblätttern, Plteningers Weihnachtsblüten rc. Ihre zahlreichen geschichtlichen Erzählungen aus der Zeit der Hohenstaufen, des 30jährigen Krieg» und der französischen Revolution sind alle von warmem vaterländischen Geiste erfüllt und unsere Jugend hat sie stets mit freudiger Begeisterung ausgenommen. Luise Pichler war die Gattin des Professor Zeller, früher am Gymnasium in Ulm, seit langen Jahren in Stuttgart.

Stuttgart. Die Falschmünzerei scheint in Stuttgart oder Um­gebung mit großem Eifer betrieben zu werden. Die Falschmünzer verlegen sich hauptsächlich auf die Herstellung falscher (kleiner) Zwanzigpfennigstücke und dürften eine größere Anzahl von Genoffen haben, welche das falsche Geld ausgeben. Die Schaffner der hiesigen Pferdebahn werden mit Vorliebe als Opfer dieser Verbrecher ausersehen, weil sie infolge der nicht allzuhellen Beleuchtung der Wagen nach eingebrochener Dunkelheit und wegen der raschen Abgabe der Fahrkarten keine Kontrolle der empfangenen Münzen ausüben können. Seit einigen Tagen finden die meisten Pferdebahnschaffner regel­mäßig mehrere falsche Zwanzigpfennigstücks in ihrer Kaffe vor. Der schon allzulang zum Brunnen gegangene Krug dürfte aber demnächst brechen und der eine oder der andere Münzverbrecher abgefaßt werden.j

Tübingen, 22. Nov. Von Herrn Haug zumHirsch" wurde gestern auf dem Steinenberg ein Schmetterling (Tagpfauenauge) gefangen, was gewiß als Seltenheit zu jetziger Jahreszeit verzeichnet zu werden verdient.

Metzingen, 21. Nov. Vor vierzehn Tagen hatte ein hiesiger Metzger der verendeten Gais eines andern Privatmann» auf Ersuchen des­selben die Haut abgezogen, und das Feisch zerlegt, wobei er sich an einem Finger mit dem Messer leicht verwundete, demselben aber anfänglich keine weiter Beachtung schenkte, bis sich vor einigen Tagen heftige Schmerzen einstellten, so daß der allgemein wohlgelittene Mann das Bett aufsuchen und den Arzt rufen lassen mußten, welcher alsbald Blutvergiftung konstatierte. Es traten nun heftige Fieber ein. welche sich in solchem Grade steigerten» daß der Verletzte das klare Bewußtsein verlor und in kurzer Abwesenheit seiner Frau gestern morgen von einem im Zimmer anwesenden Mädchen ein Messer verlangte, das er sich unversehens schnell in den Unterleib stieß. Der Arzt gibt keine Hoffnung auf Erhaltung des Lebens des Kranken.

Kirchheim, 21. Nov. In Gutenberg wurde bei Grabarbeiten in der Nähe der Stadtmauer zur Burg ein Hafen mit alten Geldmünzen ge­funden. Die drei größten Münzen sind von Gold und zeigen auf der an­dern Seite das alte Reichswappen. Die meisten Fundstücke sind kleinere silberne Münzen, im Ganzen etwa 600 Stück. Der Fund ist vorläufig im Pfarrhaus zu Gutenberg aufbewahrt.

Rottweil, 20. Nov. In der gestrigen GsmeinderatSsitzung wurde ein Zuschlag von 8 zu der seither bestehenden Hundesteuer von 8 be­schlossen, die Hälfte der Steuer fließt der Armenkaffe zu.

Tuttlingen, 22. Nov. Bei der nunmehr eingetretenen kalten Witterung hat der Obsttransport aus der Schweiz jetzt sein Ende er­reicht. Ueber die hiesige Eisenbahnstation wurden aus der Schweiz und

Deine Verbindung mit der schönen Rosa ist für Fr.ein Ereignis. Wibrechts

haben eine große Verwandtschaft, das ganze Heer der Tanten, d er Großmütter, der Muhmen und Schwäger, der Onkel und Vettern würde sich ja feindlich erheben und ein Jndianergeheul anstimmen, wenn Du daran dächtestdie Familie" von einer solchen Feier auszuschließen, oder, noch schlimmer, gar keine zu veranstalten!"

Ich seufzte, und schwieg.

Albrecht vertraute mir auch, seine Frau habe ihn die ganze Nacht nicht schlafen lassen für ihn das schmerzlichste! habe unaufhörlich Fragen an ihn gerichtet, die er doch nicht im Stande gewesen sei, zu beantworten. Namentlich sind beide darüber außer sich, daß Du Rosas Bräutigam bist, ohne daß sie nur wissen, welchen Vornamen und Zunamen Du eigentlich führst."

Ich fand das äußerst originell.

Als ich ihm nun sagte, Du trügest den wohlklingenden und ehrenvollen Namen: Constantin Kollberg, da empfahl er sich wie ein Wirbelwind, und rief, gleich­sam wie von einem Alp befreit,Constantin Kollberg! Gott sei Dank! Nun wird mich meine Frau wohl wieder schlafen lasten! Nun wissen wir doch wenigstens etwas!" Und um ja den Namen nicht zu vergessen, hörte ich, wie er draußen im Vorzimmer fortwährend repetierte:Constantin Kollberg! Konstantin Kollberg!"

Wider meinen Willen mußte ich in das freundliche Lachen des Onkels mit einstimmen, und im Grunde hatten die guten Leute ja Recht. Im Hinblick auf die Garantien, welche der hochangesehene Name und die glänzenden Verhältnisse meines Onkels, des Herrn Gerichtsrats, Ritter p. p. gewährten, hatten sie es Unterlasten, sich eingehender um meinen Stand und Namen zu kümmern, oder vielleicht meine Worte überhört, aber wenn meine Beziehungen zu Rosa bekannt wurden, was doch bald geschehen mußte, so wollte man doch gerne wissen, wie man den Eidam vorzu­stellen und waS man Vorteilhaftes über ihn zu berichten habe.

Aber ich halte Dich wohl zurück?" fragte der Onkel,Du bist, wie ich sehe, zum Ausgehen gekleidet, gewiß wolltest Du zu Rosa?"

Ich bejahte es.

(Fortsetzung folgt.)