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86. Jahrgang.
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* Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
214
Mittwoch, dm 13. September
1S11
Kgt. Hbevamt Wcrgold.
Fang von Aeschen «nd Forellen während der Schonzeit.
Diejenigen Fischwasserbesitzer und -Pächter, welche um Dispensation von dem Verbote des Fangs von Aeschen und Forellen während der Schonzeit nachsuchen wollen, werden ersucht, ihre Gesuche bis 20. Sept. 1911 beim Oberamt einzureichen.
Nagold, 12. Sept. 1911. Kommerell.
England als Friedensstörer.
Randbemerkungen eines Diplomaten.
Berlin, 11. September.
Der Vertreter einer Großmacht, die an der Entwirrung der marokkanischen Frage nicht unmittelbar beteiligt ist, hat sich heute gegenüber einem Mitarbeiter der „National- Zeitung" über die Lage wie folgt ausgesprochen:
Die in Berlin akkreditierten Botschafter und Gesandten sind von der langen Dauer der Verhandlungen wenig entzückt. Teils können wir nicht auf Urlaub gehen, teils mußten wir vorzeitig zurückkommen, denn bis vor kurzem wußte niemand, welche Wendung die Dinge nehmen konnten. Eist vor wenigen Tagen sagte ein Kollege im Scherz, er gebe Herrn Cambon noch acht Tage Zeit, dann werde er Urlaub nehmen, ob die Verhandlungen fertig seien oder nicht.
Die Lage wird von un-- jetzt wesentlich ruhiger beurteilt. Alle Kabinette wissen, daß weder Deutschland noch Frankreich den Krieg will. Allein Großbritannien hat ein Interesse daran, Frankreich und Deutschland zu brouillieren. In London ist man von dem ^vLnetrsmar äs 1'Invasion- geplagt und sieht wie hypnotisiert auf die deutsche Flotte. Es ist keine Indiskretion, wenn gesagt wird, daß man in der britischen Marine Deutschland mit den gleichen Augen betrachtet, wie einst Rom die Gegnerin Karthago. In England gibt es gewisse einflußreiche Kreise, die ebenfalls täglich ihr „Osrsrnin esnsvo- in einem ganz bestimmten Sinne abgeben.
Man weiß es doch, es ist immer die gleiche Politik, die an der Themse getrieben wird, ob Gladstone gegen die Türkei sprach, oder ob Lloyd George gegen Deutschland ausfällig wird, ob es sich darum handelte, Japan und Rußland gegeneinander aufzubringen oder auf dem Balkan und in Persien Unruhe zu stiften. Augenblicklich ist Deutschland die sür England überall unbequem werdende Macht.
Das russisch-deutsche Abkommen über Persien, die Annäherung der Türkei an Deutschland, schließlich die einmal unausbleibliche Verständigung zwischen Berlin und Paris über Marokko, das war zuviel des Guten für Deutschland, als daß England dem hätte ruhig zusehen können. Zum mindesten mußte man in Paris der deutschen Diplomatie noch so viel am Geschäft verderben, als angängig war. Und das hat man redlich getan.
In diplomatischen Kreisen ist man sich über die Haltung Englands und über seine Beweggründe völlig im klaren. Natürlich darf sich Keine Regierung abfällige Bemerkungen erlauben. Wir wissen aber alle, daß der deutsche Botschafter in London nach den bekannten ministeriellen Kundgebungen bei Sir Edward Grey ernste Vorstellungen erhoben hat. Die Cartwright-Affäre gehört auch in dieses Kapitel.
Die marrokkanische Frage vom Standpunkt des Unparteiischen betrachtet? Man ist der Meinung, daß Deutschland nicht schlecht abschneidet, wenn es seine wirtschaftlichen Forderungen durchsetzt. Territoriale Erwerbungen in Marokko waren nicht beabsichtigt, und für die Anerkennung der französischen Vorherrschaft, die bereits im Prinzip ausgesprochen war, soll Deutschland mit einem beträchtlichen Stück Kolonialgebiet entschädigt werden. Dazu kommt noch die Sicherstellung der wirtschaftlichen Interessen in Marokko, die, wie es heißt, sogar eine Vorzugsstellung Deutschlands in sich schließt. Erreicht die deutsche Diplomatie aus dieser Basis eine Einigung mit Frankreich, dann kann sie wirklich zufrieden sein. Das ist die allgemeine Ansicht in unseren Kreisen, soweit wir an der marokkanischen Frage desinteressiert sind.
Tages-Neuigkeiten.
TuS Stabt und Land.
Nagold, 13. September 1911.
r Heiße Sommer, gute Weine. Der letzte Samstag war der 63. Sommertag dieses Jahres. Die meisten Sommertage hatte das Jahr 1865, nämlich 103, dann folgen 1868 mit 92, 1834 mit 88. 1846 mit 86. 1904 mit 51.
1895 mit 50, 1907 mit 48. 1811 mit 47 und 1900 mit 46 Sommertagen. Der heißeste Jahrgang war 1865 mit drei heißen Monaten: Mai, Juli, September. Wie Heuer, so waren Juli und August heiß auch in den Jahren 1803, 1807, 1826, 1834, 1846, 1857, 1859, 1868. Auch das erste Drittel des heurigen Septembers ist der ununterbrochenen heißen Periode zuzuzählen. Hiedurch entscheidet sich der Sommer 1911 von allen Sommern des vergangenen Jahrhunderts. Die besten Weinqualitäten lieferten die Jahre 1811, 1822, 1834, 1846, 1865, 1868, ihnen schließen sich an mit einem Wein zweiter Qualität die Jahrgänge 1893, 1900, 1904, 1907. Soweit die Sonne in Betracht kommt, sollte der 1911er sich mit den besten Qualitäten der letzten 100 Jahre messen können.
* Emmingen, 12 . Sept. Beim Hantieren mit einem Revolver ging einem jungen Mann am Sonntag abend unversehens ein Schuß los, der den Wagner Röhm von Pforzheim in die Brust traf; der Verletzte wurde ins Bezirkskrankenhaus Nagold übergeführt.
r Vom Lande, 12. Sept. (Bauern, schaut nach den Kartoffeln). Es hat sich die unliebsame Erscheinung gezeigt, daß die Kartoffelknollen im Boden keimen und neue Knollen ansetzen. Namentlich in solchen Aeckern ist dies der Fall, wo das Kraut schon ziemlich abgestorben ist. Knollen aber, die treiben und keimen, haben aber bekanntlich nicht mehr viel wert, ja sie sind namentlich für das Vieh (trächtige Kühe) direkt schädlich, wenn sie noch gefüttert werden. Sie enthalten sehr viel Giftstoff, das Solanin. Getriebene Kartoffeln halten auch nicht und faulen sehr rasch. Wenn jetzt ein warmer Regen fallen würde, so ginge dieser Keimungsprozeß noch rascher: Es ist deshalb zu raten, alle Kartoffeläcker, wo sich das Keimen zeigt, so rasch als möglich abzuernten. Wenn das Kraut nicht ganz schön grün ist, hilft ohnehin Regen nicht mehr viel. Also nachschauen und handeln, damit wenigstens das, doch hin und wieder dürftige Ergebnis gut ist!
p Stuttgart, 11 . Sept. An den Universitätskliniken in Tübingen tritt mit dem 1. Okt. ds. Is. eine Erhöhung des niedrigsten Verpflegungssatzes, der besonders auch den Krankenkassen zukommt, von 1.20 auf 1.50 ^ für den Tag ein, nachdem die anderen Verpflegungssätze schon vor einiger Zeit neu geordnet worden sind. Diese Maßregel war dem Staatsanzeiger zufolge, angesichts der großen Steigerung der Betriebskosten in neuerer Zeit, die zu einer Erhöhung der Verpflegungssätze an allen Krankenhäusern des Landes geführt haben, nicht länger zu umgehen. Auch der neue Verpflegungssatz der Tübinger Kliniken bleibt hinter den Sätzen der anderen Krankenhäuser und zwar zum Teil sehr erheblich zurück; er ist viel niedriger bemessen als an allen anderen Universitätskliniken. Wenn die Erhöhung in so mäßigen Grenzen gehalten wurde, so daß der Staat auch künftig bei jedem Kranken dieser Klasse täglich einen bedeu- tenden'Zuschuß leisten muß, so geschah dies, um auch fernerhin die Benützung der ausgezeichneten Kräfte und Einrichtungen der Universitätskliniken den Kranken des ganzen Landes, namentlich auch den Angehörigen der Krankenkassen, in weitestem Maße zu ermöglichen. Bei bedürftigen Kranken, die sich auf eigene Kosten zu verpflegen haben, bleibt nach wie vor eine Ermäßigung, in besonderen Fällen auch der ganze Nachlaß der Berpflegungskosten Vorbehalten.
Tübingen, 12. Sept. Im Alter von 57 Jahren ist hier der Professor Dr. Karl Waitz von der naturwissenschaftlichen Fakultät gestorben.
Der württ. Winterfahrplan 1SLI L2.
Der am 1. Okt. in Kraft tretende Winterfahrplan hat im allgemeinen das gleiche Gesicht, wie der letzte; er bringt eine Reihe mehr oder weniger begründeter Einschränkungen namentlich in der Richtung Horb-Rottweil und Freudenstadt, auf der andern Seite läßt sich aber auch feststellen. daß er diesmal verhältnismäßig wenig Neuerungen gegenüber dem Sommerdienst hat, d. h. daß eine Reihe guter Sommerzüge beibehalten worden sind; so die am 1. Mai neugeschaffene internationale V-Zugsoerbindung Paris-Stuttgart (ab 5 .oo früh) nach München an 8.35 vm., Wien an 7.20 abends. Beibehalten wurde ferner die Schnellzugsoerbindung Paris- Bietigheim-(Crailsheim)-Stuttgart-München-Wien mit den V-Züaen 57/19. Die letztere Verbindung Stuttgart-Crails- Heim-Nürnberg-Wien Stuttgart ab 8.15 vm. ist künftig um so wertvoller, als die Sommers bestehende Anschlußverbindung des v 19 über München nach Wien fehlt. Beibehalten wurde ferner der Eilzugsanschluß L 575 Stuttgart ab 7.20 über Gmünd-Aalen-Crailsheim nach Nümberg; des weiteren der in Aalen an ihn anschließende Eilzug 521, Ulm ab 8.10 vm., mit Anschluß von Friedrichshofen 6.20 vm.; weiter die Nach
mittagseilzüge Stuttgart-Tübingen. Besonders erfreulich ist, daß es endlich gelungen ist, Bayern zu einer Wiederherstellung des Anschlusses von Zug 19, Stuttgart ab 9.19 vm., Friedrichshafen an 12.38, nach Lindau 1.13, Bregenz 1.43 und weiter nach Innsbruck (an 6.25) auch für den Winterdienst erreicht zu haben. Das ist namentlich im Interesse des Wintersports sehr zu begrüßen. Während Eilzug 5 (Stuttgart ab 10.00)im Winter aussällt, da Zug 19 (Stuttgart ab 9.19) nur kurze Zeit vorher weggeht, ist erfreulicherweise auch der Früheilzug 23, Stuttgart ab 7.58 vm., nach Ulm beibehalten worden. Was den sonstigen innerwürtt. Verkehr anbelangt, so erscheinen erstmals auch die zur Eröffnung gelangenden Strecken (Schorndors-)Rudersberg-Welzheim und Balingen-Schömberg. Völlig neu ist die schon gemeldete Herstellung einer direkten O-Zugsverbindung Stutt- gart-München-Triest, über die O-Züge 61/56 Stuttgart ab 8.45 abends, Triest an 12.00 nm., ab 6.20 abends, Stuttgart an 10.44 vm., zunächst 3mal wöchentlich und ab 1. Mai k. Is. täglich; der Zug hat in Salzburg auch direkten Anschluß nach Wien (9.35 vm.). Neu eingeführt werden erstmals direkte Wagen (1.—3. Kl.) Stuttgart-Basel, Stuttgart ab 6.58 vm., Basel an 12.16 nm., ab 5.27 nm.. Stuttgart an 10.35 abends; ferner ein Wagen Stuttgart- Landeck (Tirol) über v 19, Stuttgart ab 9.19 vorm.
Der Schwäbische Ueberlandflug. r Reutlingen, 12. Sept. (Ein Festtag.) Einen so großen Menschenandrang von allen Richtungen und Flanken zu Fuß, per Rad, per Auto, per Leiterwagen und per Bahn wie anläßlich des gestrigen Schwäb. Ueberland- fluges hat Reutlingen noch nicht gesehen. Alle Zugänge zum Flugplatz auf den Ringelbachwiesen vor dem Georgenberg, letzterer selbst wie überhaupt die erhöhten Punkte der Gegend in weitem Umkreis waren dicht mit Menschen besetzt. Die Fabriken waren den ganzen Tag, die offenen Berkaufsgeschäfte in den Vormittags- und Abendstunden geschlossen. Der Tag selbst war herrlich, die Stimmung des Publikums trotz der Aushebung der Mußvorschrift der Zwischenlandung in Reutlingen sür alle Flieger gehoben.
r Flugplatz Ulm, 12. Sept. Hoffmann ist heute früh um 6 Uhr in Wippingen OA. Blaubeuren wieder auf- gestiegen und um 6.33 Uhr auf dem hiesigen Flugplatz glatt gelandet. Röoer und Hanuschke haben ihre Apparate zusammengepackt und als Fracht hieher gesandt, um au den heutigen Schauslügen teilzunehmen.
r Ulm, 12. Sept. Das heutige Schaufliegen anläßlich des Schwäbischen Ueberlandsluges war von dem herrlichsten Wetter begünstigt. Es herrschte fast vollkommen Windstille, und ein wolkenloser Himmel schwebte über der prächtigen Landschaft. Der Zuzug von nah und fern war ungeheuer. Extrazüge brachten eine ganze Völkerwanderung in die Stadt. Allein von Heidenheim waren 4000 Personen angemeldet, darunter 2000 Arbeiter der Boithschen Maschinenfabrik. Die Zahl der Zuschauer, die sich verteilt hatten aus den nahen Safranberg, auf das bayerische Ufer und die den Exerzierplatz auf der Westseite umsäumten, wird aus 50000—60000 geschätzt. Zum Flug bereit waren zwei Etrich-Rumpler-Tauben mit Hirth und Bollmöller, drei Grade-Eindecker mit Schall, Nölle und Röoer, ein Harlan-Eindecker mit Hoffmann, ein Aviatik-Eindecker mit Ieannin und Hanuschke mit seinem selbst konstruierten Apparat. Punkt 5 Uhr wurde die rote Flagge aufgezogen. Den Start begann Schall. Er machte dreimal den Versuch, in der Luft zu bleiben, es gelang ihm aber nicht. Dann folgten sämtliche anderen sieben Flieger mit ihren Apparaten. Im ganzen wurde über 20 Mal gestartet. Hanuschke blieb am längsten in der Lust mit 57 Minuten Flugdauer. Er wurde auch am meisten gefeiert, zumal der jugendliche bescheidene Flieger von vomherein durch seine Persönlichkeit sich alle Sympathien eroberte. Unsere Landsleute Dollmöller und Hirth erreichten die größte Höhe bis zu 1500 Meter über dem Boden. Der Anblick der Flieger war unbeschreiblich schön. Zeitweilig waren oidr und fünf Flugapparate 3U gleicher Zeit in der Luft, Das Summen der Propeller in der Luft und die lauten Iubelruse auf der Erde hörten nicht auf. Zum Schluß widerfuhr leider Schall, der nochmals aufzusteigen versuchte, ein kleines Mißgeschick. Beim Niedergehen brach ihm ein Rad, und eine Tragfläche wurde beschädigt. Schall selbst blieb unverletzt. Nach 6 Uhr kam die Nachricht aus Reutlingen, daß Lindpaintner um 6.14 Uhr dort aufgestiegen sei. Hoffmann wollte ihm entgegenfliegen, mußte aber wegen des nahenden Schlußtermins um 7 Uhr davon absehen. Lindpaintner landete 7.16 Uhr glatt. Das Publikum verhielt sich tadellos. Nicht eine einzige Störung, auch kein Unfall war zu verzeichnen. Die Sanitätskolonne hatte nur bei sieben leichten Fällen in Aktion zu treten.