Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.
Preis vierteljährlich hier 1.10 mit Träger-
lohn 1.20 im Bezirks-
und 10 Lw.-Verkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 ^k, Monatsabonnements nach Verhältnis.
Fernsprecher Nr. 29.
4
Anzeigen-Gebiihr für die einspalt. Zeile au» gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bet einmal.
Einrückung 10 -Z, bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.
N ftl dkl WkMls-KeM NiM
88. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
Beilagen. Plauderftiibchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
.-V 194
Amtliches.
Bekanntmachung des Kgl. Medizinalkollegiums, Tierärztliche Abteilung, betr. die Abhaltung eines Unterrichtskurses für Fleischbeschauer in Gmünd.
Im Falle genügender Beteiligung wird in Gmünd vom 4. Sept. d. I. ab ein Unterrichtskurs für Fleischbeschauer abgehalten werden. Die Anmeldungen sind spätestens bis zum 30. Aug. d. I. an den Unterrichtsleiter. Stadttierarzt Schenzle in Gmünd, zu richten. Inr übrigen wird auf die Bekanntmachung vom 21. Dezember 1910 (Staatsanzeiger Nr. 301) verwiesen.
Stuttgart, den 16. Aug. 1911.
Nestle.
Kgl. Oberamt Nagold.
Meymarktveröot.
Nachdem in Oeschelbronn OA. Herrenberg die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist, muß die Abhaltung des durch oberamtliche Verfügung vom 10. d. M., Ges. Nr. 186, gestatteten Biehmarkts in Nagold am 21 August 1811 erneut verboten werden.
Nagold, den 19. Aug. 1911.
Amtmann Mayer.
Bekanntmachung
betr. den Pflanzenschutz.
Nach einer Mitteilung der K. Anstalt für Pflanzenschutz in Hohenheim ist das Beizen der Saatfrucht eine außerordentlich wichtige Sache, Geil die'Brandkrankheiten jedes Jahr einen guten Teil der Ernte (3 bis 50°/g) vernichten. Die alteingebürgerte Methode, die aber auch nur von einzelnen gehandhabt wird, die des Beizens mit Kupfervitriollösung, ist umständlich, unsicher im Erfolg und schädigt die Keimkraft der Saatfrucht. Deshalb wird schon seit einer Reihe von Jahren die Formalinbeize von allen Pflanzenschutzstalionen empfohlen und sie hat sich in Bezug auf Einfachheit in der Handhabung, Sicherheit und Billigkeit aufs Beste bewährt, ist aber der großen Mehrzahl unserer Landwirte unbekannt.
Um nun zu erreichen, daß in jeder Gemeinde wenigstens eine bestimmte Anzahl von Landwirten eine Probe mit der Formalinbeize macht, hat die Anstalt sich entschlossen, den Bezug des auch in Apotheken erhältlichen Präparates zu vermitteln. Sie wird das Formalin in Blechkannen mit 3,75 Liter oder 15 Portionen zu Liter Inhalt zum Preis von 6 Mark inkl. Porto und Nachnahme an die Schultheißenämter versenden. Eine Portion, die zum Beizen von 2 bis 3 Zentnern Saatfrucht ausreicht, kostet also nur 40 Pfennig.
Die Schultheistenämter werden auf die Wichtigkeit dieser Sache für die Landwirte hingewiesen und aufgesordert,
Wontag, dm 21. August
im Kreise der bürgerlichen Kollegien sowohl als der sonstigen Ortseinwohner aufklärend in dieser Hinsicht zu wirken.
Eine Gebrauchsanweisung für die Beize geht ihnen zur Benützung zu.
Bestellungen auf Formalinbeize sind unmittelbar an die Anstalt für Pflanzenschutz in Hohenheim bis spätestens 2S. August 1811 zu richten, damit die Lieferung anfangs September erfolgen kann.
Nagold, den 19. August 1911.
Amtmann Mayer.
Der Kaiser und der Krieg.
Berlin, 18. August.
Die Nat.-Ztg. schreibt:
Als durch die bekannte amtliche Note von der „Annäherung über den prinzipiellen Standpunkt" der Welt verkündet wurde, daß die von uns seinerzeit charakterisierte Stockung in den Marokkoverhandlungen zunächst überwunden sei, wendeten wir uns gegen den übertriebenen Optimismus. der eine befriedigende Lösung schon in unmittelbarer Nähe wähnte. Wir hoben jedoch hervor, daß die Hoffnung berechtigt sei, die nunmehr angebahnte Verständigung werde, wenn auch nach langwierigen und mühseligen Konferenzen, zum Ziele führen. An dieser Auffassung halten wir auch jetzt noch fest. Mit Befremden aber muß man den Umschwung beobachten, der sich in den letzten Tagen in der öffentlichen Meinung Frankreichs vollzogen hat. Mit einemmale scheinen die Franzosen die bisher bewahrte Besonnenheit verloren zu haben. Sie glauben offenbar durch eine schroffere Haltung in Deutschland Eindruck zu machen und unsere Regierung durch ein Entweder-Oder, das in dem gegenwärtigen Stadium der Verhandlungen durchaus nicht am Platze ist, jdie deutsche Regierung zu größerer Nachgiebigkeit pressen zu können. Man arbeitet in Paris plötzlich wie auf Kommando mit unsauberen Verdächtigungen der deutschen Absichten und sucht das Publikum in eine künstliche Ueberreizung hineinzutreiben.
So plumpe Mittel werden und müssen ihren Zweck verfehlen. Reizbarkeit ist kein günstiges Medium für fruchtbare Unterhandlungen, und die französische Presse, die im Gegensatz zu der ernsten und verständigen Haltung aller großen deutschen Blätter den Chauvinismus stachelt, lädt schwere Verantwortung auf sich. Man hat gesagt, des Kaisers Person solle bei allen Erörterungen über Marokko aus dem Spiele gelassen werden. Wilhelm II. hat — das ist dankbar anzuerkennen — trotz der maßgebenden Macht, die Kraft der Reichsoerfassung in seinen Händen ruht, jedes persönliche Hervortreten in diesen kritischen Tagen vermieden. Er ist es nicht, der dazu auffordert, seine Haltung in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen. Wenn aber die Franzosen, und dafür sprechen jetzt alle Zeichen, seine Willensmeinung, und obendrein eine falsche Auffassung von seinen letzten Absichten entscheidend in ihren Kalkül einbeziehen, dann tut es not, ihren Irrtum, der für sie verhängnisvoll
1911
werden könnte, rechtzeitig zu berichtigen. Es ist wahr, Kaiser
Wilhelm will von ganzem Herzen den Frieden, ebenso wie alle verständigen Deutschen. Während seiner 23jährigen Regierungszeit hat er es überzeugend bewiesen. Aber es ist eine lächerliche und klägliche Behauptung, daß der oberste Kriegsherr des Deutschen Reiches den Frieden unter allen Umständen, seien diese auch beschämend für das deutsche Volk, wolle.
Wenn Kaiser Wilhelm seinen ehrlichen und ernsthaften Wunsch den europäischen Frieden zu erhalten, französischen Diplomaten, Generälen und Industriellen selbst direkt kundgegeben hat, so geschah dies unter der selbstverständlichen und stillschweigenden Voraussetzung, daß niemand es wagen werde, dem starken und wohlgerüsteien Deutschen Reich einen anderen als einen ehrenvollen Frieden zuzumuten. Es war nicht die Friedensliebe eines Schwächlings sondern die edle Gesinnung des kraftbewußt Starken. Wenn man aber jetzt in Frankreich mit der Darstellung krebsen geht, Wilhelm II. werde niemals seine Einwilligung zu einem Waffengang mit Frankreich geben, auch wenn dieses harthörig und rücksichtslos die berechtigten Forderungen Deutschlands ignoriere, und wenn man darauf seine ganze Taktik bei den Verhandlungen mit der deutschen Diplomatie ausbauen will, so ist das ein böser Fehlschluß. Gerade wer wie wir den Frieden ersehnt, hat die Pflicht, die Franzosen vor einer solchen Verkennung der Wesensart des Kaisers, in dem das Verantwortungsgefühl ebenso stark ist, wie die nationale Ehrliebe, zu warnen. Wir haben allen Grund zu der Annahme, daß der Kaiser selbst sehr peinlich berührt ist von der jtörichten. ja beleidigenden Deutung, die man in Frankreich gerade in den letzten Tagen seinen zahlreichen offenen und aufrichtig gemeinten Friedensbeteuerungen zu geben sich unterfängt. Wenn die französische Presse fortfahren wird, die öffentliche Meinung gegen Deutschland darum zu haranguieren, weil dieses ja doch sich alles gefallen lassen müsse und die altim» ratio niemals zu ergreifen entschlossen sei, so kann sie die glücklich in die Wege geleitete und dauernde friedliche Auseinandersetzung aufs äußerste erschweren und gefährden. In der letzten Zeit mehren sich die Zeichen dafür, daß die Revanchegelüste in Frankreich nicht nur keine Abkühlung erfahren haben, sondern in ber Glut dieses abnormen Sommers sich mit noch größerer Kraft erhitzt haben. Umso mehr wäre es Pflicht der öffentlichen Rufer, diesen Stimmungen entgegenzuarbeiten, anstatt immer neue Scheite in den Brand zu werfen. Will man den Frieden in Paris, dann hüte man sich vor lügnerischen Prämissen, dann setze man die starke Bereitschaft und das wache nationale Bewußtsein, das den Kaiser mit seinem ganzen Volke eint, richtig in die gegebene Rechnung. Tut man dies, dann werden wir uns ohne Zweifel in ehrenvoller und würdiger Weise verständigen und beide Nationen werden davon für alle Zukunft höchsten Vorteil haben. Aber jede Täuschung über die Stärke unserer Wappnung und über die Macht unseres Ehrgefühls bedeutet höchste Gefahr. Das möge man sich jenseits der Vogesen ein für alle Mal gesagt sein lassen.
Der Herzog von Portland.
Bon Villiers de l'Isle-Adam.
(Schluß.) (Nachdruck verboten.)
An dem Morgen, der diesem Herbstfest voranging, betete die junge Vorleserin der Königin, die seit jener ersten Botschaft stets Trauerkleider trug, im Betzlm'mer der Königin, als ihr plötzlich ein Billet, das einer der Sekretäre des Herzogs geschrieben hatte, überreicht wurde.
Es enthielt nur zwei Worte, die sie zitternd las: „Diesen Abend". So kam es, daß gegen Mitternacht eine königliche Barke vor Portland landete. Eine jugendliche Frauengestalt in dunklem Mantel stieg heraus.
Sie eilte der Stelle zu, woher der Wind den Schall des Glöckchens trug und wo die Fackeln leuchteten.
In seinen Mantel gehüllt, auf einen Stein gestützt und ab und zu von einem tödlichen Schauer geschüttelt, lag der geheimnisvolle Mann mit der Maske auf dem Sande.
„O, Unglücklicher!" schluchzte das junge Weib, ihr Antlitz verbergend.
„Leb wohl, leb wohl!" antwortete er.
Man vernahm in der Ferne das Lachen und Singen aus den unterirdischen Festgemächern des Schlosses, dessen Lichter sich in den Fluten spiegelten.
„Du bist freil-" fügte er hinzu, und sein Haupt
fiel auf den Stein.
„Du bist erlöst," antwortete die weihe Erscheinung und erhob ein kleines goldenes Kruzifix vor die müden Augen des Mannes, der nun verstummt war.
Ein langes Schweigen, während dessen sie unbeweglich in ihrer Stellung verharrte.
„Auf Wiedersehen, Helena!" flüsterte er endlich mit einem tiefen Seufzer.
Als nach einer Stunde banger Erwartung die Diener sich näherten, fanden sie das junge Mädchen bei ihrem Herrn im Sande betend auf den Knien liegen.
„Der Herzog von Porland ist tot," sagte sie leise.
Dann stützte sie sich auf die Schulter eines alten Dieners und kehrte zu der Barke zurück, die sie hergeführt hatte.
Drei Tage später las man in der Hofzeitung folgende Nachricht: Miß Helena H..., die Braut des Herzogs von Portland, ist zur katholischen Religion übergetretcn und hat gestern im Kloster der Karmelitessen den Schleier genommen.
*
Aber an welchem Geheimnis war der mächtige Lord gestorben?
Als der junge Herzog im Orient reiste, hatte er sich in der Umgegend von Antiochia von seiner Karawane entfernt, und als er mit dem landeskundigen Führer plauderte, hörte er von einem Bettler sprechen, von dem sich alles schaudernd und mit Abscheu abwendete und der ganz allein mitten in zerfallenen Ruinen wohnte.
Der Gedanke kam ihm plötzlich, diesen Elenden aufzusuchen.
Der unglückselige Lazarus war einer der letzten Träger der großen Lepra des Altertums, jener furchtbaren trockenen Lepra, dieser unerbittlichen und unheilbaren Krankheit, die ein Gott nur heilen konnte.
Trotz aller Bitten der aufs äußerste bestürzten Führer trotzte Portland der Gefahr und drang in eine Art von Höhle, in der dieser Paria der Menschheit sein Leben verbrachte.
Mit der gewissen Großtuerei eines Edelmannes, der tapfer bis zur Tollheit ist, hatte der junge Lord diesem dem Tode verfallenen Elenden einen Beutel voll Goldstücke gegeben und ihm bei dieser Gelegenheit herzlich die Hand gedrückt.
In demselben Augenblicke war es ihm plötzlich, als würde eine Wolke über seine Augen gezogen. Am Abend desselben Tages wußte er sich verloren. Cr verließ bei der ersten Anwandlung der Krankheit das Land, begab sich zu Schiff und versuchte auf seinem Schlosse Genesung zu finden.
Aber bei den wütenden Anfällen, die er schon während der Ueberfahrt durchzumachen halte, sah der Herzog bald genug ein, daß ein rascher Tod seine einzige Hoffnung sei.
So war denn alles aus und vorbei!
Fahr wohl, Jugend, Glanz des alten Namens, geliebte Braut, Berühmtheit des Stammes! Leb wohl, Kraft, Freude, Glück, Schönheit, heitere Zukunft! Seine ganze Hoffnung war in dem schrecklichen Handdruck eines Elenden untergegangen. Der Lord hatte den Bettler beerbt! Ein Augenblick der Prahlerei, oder vielmehr eine allzu edle