Grschrknt täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier I.lO X, mit Träger­lohn 1.26 im Bezirds- und 10 Lm.-Derkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsadonnements Nach Verhältnis.

Fernsprecher Nr. 29. 85. Jahrgang. Fernsprecher Nr. 29.

r-M fm in Odmmls-KkM

Anzcigen-Gebühr für die einspalt. Zeile au» gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen: Plaudcrstkbchen, Illustr. Sonutagsblatt und

Echwäb. Landwirt.

LS2

Zkreltag, dm 18 . August

1911

K. Hbev«»rnt Nagold. Bekanntmachung betr. Maul- und Klauenseuche.

In der Gemeinde Calmbach OA. Neuenbürg ist die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen.

Den 17. August 1911.

Mayer, Amtmann.

Ae erledigte Seminaroberlehrerstelle in Kiinzeisau ist am l l.Aug. von dem Ev. Oberschulrat dem Hauptlehrer Schumann in Eßlingen, früher in Nagold, übertragen worden.

Die erste Menstprüfnng hat u. a. erstanden und ist zur Ver­setzung von unständigen Lehrstellen an Bolksschu'en für befähigt er­klärt worden: Maria Krauß in Nagold.

Eine srmzLWe Stimm über NiüWmd.

Berlin, 16. Aug.

DasNeue Wiener Tagblatt" veröffentlichte gestern einen Artikel unter dieser Ueberschrift, dervon einem be­sonders versierten französischen Gewährsmann" geschrieben ist und eine starke Verstimmung gegen die deutsche Politik atmet. Wir haben Grund zu der Annahme, daß der frühere Diplomat Tardicu, die eifrigste Feder desTemps" auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, der Verfasser des Ar­tikels ist, aus dem wir folgende Stellen wiedergeben:

Inzwischen hat die Konversation zu zweit begonnen, offenbar darum, weil neue Umstände neue Anordnungen in Marokko rechtfertigten. Da aber alles, was seit sechs Jahren in Marokko geschehen ist, zu Frankreichs Vorteil geschah, da Frankreichs Lage heute dort viel stärker ist als 1909, auch sein militärischer Zustand sich ungleich gebessert Hut, so ist es der Meinung, daß es Deutschland nun nicht mehr so viel zu zahlen verpflichtet sei wie 1909. Das ist klar und logisch. Zu Beginn der Konversation hat nun Deutschland enorme Ansprüche erhoben. Es hat den ganzen Kongo von der Meeresküste bis Sangher verlangt, das heißt eine Kolonie mit großer Zukunft, voll von französi­schem Ruhme, nationalen Erinnerungen. Das hat Frank­reich rundweg abgelehnt und von diesem ersten Schritte einen sehr schlechten Eindruck behalten. Die deutsche Regierung hat (wie ich mit Worten von vollster Zuverlässigkeit sagen kann)den Bluff bis zu dem Punkte getrieben, wo er schon aushürt, mit Ernst und Kourtoisie vereinbar zu sein".

Die deutsche Regierung hat dann sehr schnell ihre For­derungen geändert und eingeschränkt oder richtiger verschoben. Sie sprach nicht mehr von der Kongoküste, sondern forderte eine Strecke von 150 Kilometer Breite entlang der Süd­grenze von Kamerun, mehr diesseits des Songaflusses im Nordosten und im Winkel gegen den Süden, das ganze Hinterland von Kamerun bis zum belgischen Kongo. Mit anderen Worten: das äquatoriale französische Afrika, das vom Meere bis zum Tschadsee reicht, wäre in zwei Teile zerschnitten worden. Die Territorien der Oubrgrangli Chari und die militärischen Territorien des Tschad wären nur mehr vom Norden durch eine lange, schwierige, unmögliche Straße erreichbar. Gabun mit Brazzaville und Libreville würden nur mehr einen winkligen Zusatz bilden. Dieser Berstüm-

Der Herzog von Portland.

Don Billicrs de l'Isle-Adam.

(Nachdruck verboten.)

Gegen das Ende des vergangenen Jahres war Richard, Herzog von Portland, der junge Lord, plötzlich verschwunden. In ganz England kannte man ihn, er war eine oft genannte, fast berühmte Persönlichkeit. Man sprach viel von den nächtlichen Festen, die er auf seinem Schlosse zu geben pflegte, von seinem unerhörten Glück auf dem Rennplätze, von seiner Boxerkunst, seinem fabelhaften Reichtum, seinen Reiseabenteuern und seinen Liebschaften. Nur einmal noch hatte man abends seine hundertjährige vergoldete Staats­karosse in schnellstem Galopp, von Fackeln tragenden Reitern umgeben, durch den Hyde-Park fahren sehen.

, Dann ab^ hatte sich der Herzog auf sein Familien- schloß zurückgezogen. Er wohnte allein und einsam in dem masswgebauten, mit Schießscharten versehenen Schlosse, das mitten m dunklen, schattigen Gärten, aus dem von dichtem Gehölz umgebenen Vorgebirge von Portland lag. Seine einzige Nachbarschaft war das große rote Wachtfeuer des Leuchttnrms, das den Schiffen, die in die offene See fahren, den Weg durch den Nebel zeigt. Eine mit Föhren be­pflanzte Allee fuhrt zwischen den Felsen durch zum Strande, sie ist durch ein hohes vergoldetes Gitter abgeschlossen. Zur Zeit der Flut ist die ganze Küste überschwemmt. Unter der Regierung Heinrichs VI. erzählte man sich seltsame Legenden von diesem starken Schlosse; es hieß, daß es große

melung sich zu unterziehen hat Frankreich verschmäht, sie wäre ein Ruin und eine Entwürdigung zugleich geworden.

Seitdem hat Deutschland seine Forderungen wiederum modifiziert und bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt. Aber auch jetzt noch besteht es darauf, das äquatoriale Französischafrika in zwei Teile auseinanderzuschneiden. Das erklärt die französische Regierung energisch ablehnen zu müssen, und wenn sie es zugestände, so würden die Kam­mern eine solche Austeilung nicht ratifizieren. Darüber muß sich Deutschland Rechenschaft geben. Es mag territoriale Vorteile fordern, gut. Wenn es sie aber in der Weise fordert, daß das äquatoriale Französischafrika verstümmelt, entzweigeteilt, mit einem Wort ruiniert und vernichtet wird, so ist das ganz unannehmbar. An diesem Punkt steht die Unterhandlung, und darum ist es noch nicht an der Zeit, schon von einer bestimmten Entente zu sprechen. Das Ein­vernehmen steht bei den Ansprüchen, die Deutschland erhebt, noch in der Ferne.

Auf der andern Seite liegt die Schwierigkeit in dem, was Deutschland bietet, weniger in der Sache, als in der Form des Angebotes. Deutschland kann unmöglich zu Frankreich sagen:Ich gebe dir Marokko": und noch we­niger ist es möglich, daß ihm Frankreich sagt:Ich nehme Marokko an". Die Unabhängigkeit Marokkos ist durch die Algecirasakte garantiert, und überdies wünscht sich Frankreich gar nicht seine Annexion. Wenn sich Deutsch­land in der marokkanischen Sache Frankreich gegenüber verpflichtet und zu dessen Gunsten alle möglichen Annahmen macht, so muß es doch auch gleichzeitig korrekt gegenüber dem Sultan von Marokko und gegenüber den Signatarmächten der Algecirasakte verbleiben. Deutschland muß sich auch absolut bindend verpflichten, sein Versprechen einzulösen. Sonst wäre dieses Versprechen ganz ohne Wert. Hier ist also ein sehr verwickelter Zusammenhang zu erklären, der noch schwerer in Bewegung zu setzen sein wird. Indes glaube ich, wenn man sich über die Kongofrage verständigt, wird man sich notwendigerweise auch über die marokkanische Frage verständigen. Nur wird es, da das französische Publikum skeptisch geworden ist und sich fragt: Wozu hat die deutsch-französische Einigung im Jahre 1909 gedient?, nötig sein (ich wiederhole es), daß Deutschlands Verpflich­tung absolut bindend sei. Sonst wird die Stellung der französischen Regierung schlechtweg unhaltbar werden.

So stehen jetzt die Dinge. Ich kann ihren Ausgang so wenig wie irgend ein anderer Vorhersagen. Kommt keine Einigung zustande, so wird die französische Regierung, da die Lage in Marokko dringende Maßnahmen braucht, mit Nachdruck die Konferenz fordern. Dann haben wir genau dieselbe Lage wie 1909. Nur daß jetzt die Akteure einfach ihre Rotten gewechselt baden.

Tages-Neuigkeiten.

Uns Stadt und Land.

Nagold, 18. August 1911.

r Haftung der Eisenbahn. Kann die Eisenbahn dafür haftbar gemacht werden, wenn ein Fahrgast durch

Schätze berge. Auf der Plattform, die von sieben Türmen beschützt ist, wacht noch heute in jeder Fensternische hier ein Bogenschütze, dort ein geharnischter Ritter, die zur Zeit der Kreuzzüge in Stein ausgehaucn wurden.

Nachts gewähren diese Statuen, deren Gesichter von den schweren Regenstürmcn, dcr Kälte und dem Reif von ein paar Hunden Wintern verwischt sind, einen seltsamen Anblick, der zu den abergläubischsten Erzählungen Veran­lassung gibt. Wenn der Sturm tobt und die Wogen des Meeres in der Dunkelheit gegen das Vorgebirge von Port­land branden, wenn der Mond diese granitnen, Wälle phantastisch beleuchtet, dann scheint cs dem einsamen Wan­derer, der über die flache Küste schreitet, als ob das Schloß von einer heldenmütigen, bewaffneten Schar gegen eine Legion böser Geister verteidigt würde.

Weshalb nur hotte der leichtlebige, fröhliche Lord sich so vollständig von der Welt zurückgezogen? Litt er unter einem Ansall englischen Spleens? Vielleicht ein geheim­nisvoller Einfluß seiner letzten orientalischen Reise? Selbst bei Hose hatte man sich über fein plötzliches Verschwinden beunruhigt. Die Königin sandle von Westminster aus dem unsichtbaren Lord eine Botschaft.

Eines Abends hatte Königin Viktoria sich bei einer Audienz verspätet. Neben ihr, auf einem Taburctt von Ebenholz, saß ihre junge Vorleserin Miß Helena H...

Ein schwarz versiegelter Brief vom Herzog von Port­land kam an. Das junge Mädchen hatte das herzogliche Siegel geöffnet und durchlief mit ihren blauen Augen die wenigen Zeilen, die das Billett enthielt. Dann reichte si«

einen aus einem vorüberfahrenden Zug geworfenen Gegen­stand verletzt wird? Diese Frage wurde in einer vor Kurzem im neuesten Band der Entscheidungen des Reichsgerichts veröffentlichten Urteil bejaht. Den Anlaß zu dem Rechts­streit gab folgender Vorfall: Einem Reisenden, der auf der Fahrt in einem Eisenbahnzug am offenen Fenster stand und den linken Arm auf den oberen Rand des Schiebsensters gelehnt, die Hand aber im Innern des Wagens hatte, wurde plötzlich bei der Borbeifahrt eines Personenzugs durch eine aus diesem geworfene Flasche sein Unterarm verletzt. Das Reichsgericht oemrteilte den preußischen Eisenbahnfiskus, indem es das Vorliegen höherer Gewalt verneinte, da die Eisenbahnverwaltung mit derartigen öfter vorkommenden Ereignissen rechnen müsse und dies zur Betriebsgefahr ge­höre, die der Unternehmer zu tragen habe.

Strenger Winter in Sicht. Nahezu vier Wochen früher wie sonst rüsten sich trotz reichhaltigster Nahrungs­quellen dieses Jahr die Schwalben zum Abzug. Diese frühzeitige Reiselust wird übrigens auch bei anderen Zug­vögeln z. B. Bergfinken, Staren u. a. bemerkt. Natur­kenner schließen daraus auf einen frühen und strengen Winter.

Stuttgart, 16. Aug. Mit den heutigen Nachmittags­zügen sind die 22 Landkolonien des Stuttgarter Vereins für Ferienkolonien wieder zurückgekehrt nach 24tägigem Aufent­halt auf dem Lande. Zum Empfang hatten sich neben Aus­schußmitgliedern des Vereins für Ferienkolonien zahlreiche Angehörige der Kinder, insbesondere Mütter, auf dem Bahn­hofe eingefunden. Der Landaufenthalt hat den vielen Kna­ben und Mädchen (zus. 579 Kindern) sichtlich sehr gut getan. Auch die 6 Stadtkolonien haben sich heute aufgelöst.

p Stuttgart, 17. Aug. Die schwäbische Landesaus­stellung für Reise- und Fremdenverkehr wird am 15. März nächsten Jahres hier eröffnet werden.

p Stuttgart, 17. Aug. Infolge Sebstentzündung von Schwefelkohlenstoff entstand heute nachmittag in einem Schuppen der chemischen Fabrik C. H. Burk in der Gais- burgstraße ein Brand, der aus die in dem Schuppen un­tergebrachten Chemikalien Übergriff. Die rasch herbeigeeilte Feuerwehr unter Leitung von Branddirektor Iacoby griff das Feuer mit 6 Schlauchleitungen an und es gelang nach 2'^/z stündiger Tätigkeit das Feuer auf seinen Herd zu be­schränken. Die Gefahr für die benachbarten Gebäude war ziemlich groß. Glücklicherweise wurde bei dem Brande nie­mand verletzt.

r Cannstatt, 17. Aug. (Tödlicher Unfall.) Leider ist die Begeisterung über das Erscheinen des Luftschiffes nicht ohne einen schweren Unglücksfall vorübergegangen. Als das Luftschiff über Cannstatt flog, eilten die Arbeiter der Maschinenfabrik Stein auf die Plattform des Hauses. Dabei trat der 27jährige Arbeiter Wilhelm Seifried aus Deizisau einen Schritt zu weit zurück, fiel über die Platt­form auf ein Glasdach, durchschlug es, stürzte auf eine Drehbank und war gleich darauf tot.

Hohenheim, 17. Aug. Heute nacht wurde von der Erdbebenwarte ein sehr heftiges Fernerdbeben ausgezeichnet.

dasselbe plötzlich, ohne ein Wort zu sprechen, der Königin.

Die Königin las ebenfalls schweigend. Bei den ersten Zeilen, die sie las, prägte sich auf ihrem gewöhnlich ruhigen Gesicht ein großes, schmerzliches Erstaunen aus. Sie zitterte sogar. Schweigend zündete sie das Papier an der brennen­den Kerze an. Dann ließ sie den Brief, der in Flammen anfging. auf die Steinplatten fallen.

Mylords," sagte sie ernst zu den Peers, die ein paar Schritte vor ihr entfernt standen,Sie werden unfern lieben Herzog von Portland niemals wieder sehen. Er wird seinen Platz im Oberhaus nicht mehr einnehmen. Wir entheben ihn hiermit desselben, es ist das eine notwendig gewordene Vergünstigung! Sein Geheimnis soll bewahrt werden. Denken Sie nicht mehr an ihn; keiner seiner Gäste in Portland soll je versuchen, das Wort an ihn zu richten".

Dann entließ sie den alten Boten des Schlosses mit einer Handbewegung.

Sie werden dem Herzog von Portland sagen, was sie hier gesehen und gehört haben", fügte sie mit einem Blick auf die schwarze Asche des Brieses hinzu.

Nach diesen geheimnisvollen Worten erhob sich die Königin, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen.

Beim Anblick der jungen Vorleserin, die wie einge­schlafen dasaß, die Wange auf den weißen Arm gestützt, blieb die Königin überrascht stehen und flüsterte:

Kommst du mit, Helena?"

Da das junge Mädchen jedoch regungslos in ihrer Stellung verharrte, trat sie näher.

' Ohne daß ein Erblassen es verraten hätte wie