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8S. Jahrgang.

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Schwäb. Landwirt.

N 187

Samstag, den 12. August

1911

Die seitens des Fürsten Hermann zu Hohenlohc-Langenburg er­folgte Nomination des Pfarroerwesers Ferdinand Frauer in Holzbronn, Dekanats Calw, auf die Pfarrei Bächlingen, Dekanats Lanaenburg. ist am 2l. Juli von dem Evangelischen Konsistorium be­stätigt worden.

Der Wetterwarl.

politische Mmscha«.

x Ein wunderbares Beispiel von Kirchturmspolitik ist uns in diesen Tagen erzählt worden. Im Landtag ist ein Bezirksabgeordneter für ein völlig aussichtsloses Neben­bahnprojekt eingetreten und dabei ganz isoliert geblieben. Er hat sich aber dafür das Wohlwollen der für die Bahn in Betracht kommenden größten Gemeinde ins Herz schreiben dürfen, denn man höre die Glieder dieser Gemeinde haben sich bereits verschworen, bei den nächsten Reichs- tägswahien (U) für die Partei einzulreten, der der betr. Landtagsabgeordnete angehört. Daß er zufällig der Sozial­demokratie angehört, tut nichts zur Sache, der Vorgang zeigt mrr, mit welchen Engherzigkeiten man im politischen Leben zu rechnen hat.

Den Brennpunkt in der Reichspolitik bildet immer noch die MaDokkofrage Seitdem die amtliche Kundgebung über den Stand der diplomatischen Verhandlungen erfolgt ist, wäre nun genügend Zeit vergangen, um ein abklärendes Ärtoil zu bilden. Jedenfalls ist heute zu sagen, daß der anfänglich durch die Kundgebung in weiten Kreisen hervor- gerusene Optimismus in der Zwischenzeit wieder ziemlich stark abgedämpst worden ist. Nicht wegen des sinnlosen Ge­schreis aus alldeutschem einerseits, aus sozialdemokratischem Lager andererseits. Ueber beide kann man ruhig hinweg­gehen, und auch die Frage, was für Deutschland auf dem Spiele steht, ist jetzt nicht zu erörtern da man ja darüber, kurz gesagt, einfach nichts weiß. Die Quintessenz liegt ganz wo anders: In der Frage: wer soll bei einer eventuellen Verschiebung unseres Kolonialbesitzes entscheiden. Der Kaiser und die verantworlichen Staatsmänner? Fast scheint es so, denn der Vertrag zwischen den kontrahierenden Mächten soll soll ja erst perfekt, st; und fertig vom Reichskanzler und dem Kaiser unterzeichnet sein, bevor er veröffentlicht wird. Wir haben das letztemal davon gesprochen, daß man der Regierung Vertrauen entgegenbringen dürfe, gewiß, aber so weit darf das Vertrauen nicht gehen, daß in einer so bedeut­samen Sache nicht wenigstens der Reichstag die letzte Sanktion zu geben hat. Wir müssen darüber hinauskommen, daß'im Parlament nur noch ein Lob- oder Tadelsvotum über eine bereits vollzogene Tatsache ausgesprochen werden kann, worauf dann unter Umständen die Regierung den Posten verläßt, die Tatsache aber bleibt. Nein die Regierung möge die Grundlage einer befriedigenden Lösung bis ins Kleinste festlegen, das Signum des Bolkswtllens aber mutz darauf vor dem kaiserlichen Sigel. Dann haben wir etwas, was wir vor uns und den kommenden Generationen verantworten können.

In der deutschen Metallindustrie, in der die ge­waltigsten sozialen Kämpfe ausgefochten zu werden pflegen, sind wieder ernste Differenzen entstanden. Ihren Ausgangs­punkt haben sie in Leipzig, wo auf einen wegen Lohn­differenzen heraufbeschworenen Streik die Arbeitgeber mit einer umfassenden Aussperrung erwiderten. Gleichzeitig griff die Bewegung auf die Provinz Sachsen, auf Thüringen und Bayern über, sodaß bereits Zehnlausende von Arbeitern in Betracht kommen, während noch mit einer weiteren Aus­dehnung der Bewegung zu rechnen ist.

Auch England, das erst den großen Streik der Schiffs­leute durchzumachen hatte, steht wieder mitten in einer großen Bewegung. Zn London ruhen die Arme von 75000 Hafenarbeitern, Transportarbeitern, Kohlenoerladern etc., ebenso Tausende in Southampton, Liverpool, Manchester. Dabei ist das Land zurzeit am heftigsten von den großen innerpolitischen Kämpfen um die Verfassung erschüttert.

Auf dem Balkan ist die Lage wieder etwas besser geworden. Nach langem Hin und Her haben sich die Albanesen endlich zur friedlichen Einlenkung verstanden, nachdem ihnen die türkische Regierung die weitestgehenden Zugeständnisse gemacht hat.

Die persis che Frage hängt noch völlig in der Schwebe. Man kennt den Aufenthalt des so plötzlich wieder aufge­tauchten Ex-Schahs nicht und vermutet dahinter nicht mit Unrecht einen geheimen Schachzug, bei dem möglicherweise Rußland die Hände im Spiele hat.

In Amerika ist Hochsaison inRevolutionen" und Kriegen". In Mexiko rumort und gärt es noch, auf Haiti streiten sich zwei Prätendenten um den verlassenenThron" und die Nachbarstaaten Columbien und Peru vertreiben sich die Zeit mit mehr oder weniger blutigen Grenzscharmützeln.

Württernbergischer Landtag.

r Stuttgart, 11. August. Die Zweite Kammer macht Kehraus. Sie nahm heute zunächst Stellung zu den Anträgen ihres Finanzausschusses über eine Reihe von abweichenden Beschlüssen der Ersten Kammer zum Haupt­finanzetat und zum Finanzgesetz, wobei zumeist Beharrung ausgesprochen wurde, nahm den Antrag an, die Wegord­nung während der Vertagung zu veröffentlichen und setzte die endlose Beremfachungsdebatte beim Finanzdepartement fort. Die Vergrößerung der Forstbezirke, Zusammenlegung von Kameralämtern. Aufhebung der Domänendirekiion und (nach einem Vorschlag des Abg. Körner) der Uebergang zu dreijährigen oder (nach dem Vorschlag Keil) zu ein­jährigen Etatperioden bildeten den Hauptinhalt der Rede­flut. Der Finanzmeister empfahl nochmals die Zusammen­legung von Kameralämtern, wollte aber von einer Aenderung der zweijährigen Etatsperioden nichts wissen. Darauf wurde zur Abwechslung das Sportelgesetz noch einmal vor­genommen. Der Antrag, das alte Sportelgesetz im Jahre 1921 wieder in Kraft treten zu lassen, falls bis dahin nicht ein neues mit Tarif verabschiedet ist, wurde gegen die Stimmen des Zentrums, das in dem Antrag eine Einschränkung des Budgetrechts der Zweiten Kammer sah, angenommen. In der weiteren Debatte kamen die Gegensätze zum anderen Hause ziemlich scharf zum Ausdruck. Ein Antrag Graf, auf der Bespöttelung der Verträge von Rückoersicherungs­gesellschaften zu beharren, wurde angenommen. Dem Abg. Kübel, der Graf Indiskretion gegen die Württ. Prioat- feueroersicherungsgesellschaft vorgeworsen hatte, gab Gröber zur Antwort, daß er als Aufsichtsratsmitglied ein Privilegium für seine Gesellschaft verlangt habe. Ein Antrag Gröber, keine Bersteigerungssteuxr einzuführen, wurde fast einstimmig angenommen. Das Gesetz betr. Zuschlag zur Reichserb- schastssteuer gelangte gegen die Stimmen des Zentrums zur Annahme. Schließlich wurde noch eine Denkschrift über die Vereinfachung der Staatsverwaltung an den Finanz­ausschuß verwiesen.

r Ststtgart, 10. Aug. (Ständisches). Der volks­wirtschaftliche Ausschuß hielt heute vormittag eine kurze Sitzung ab und beschloß beim Art. 3 Abs. 2 des Eisen­bahnbaukreditgesetzes, wo es sich um die Festlegung der Gelder aus dem Reservefonds handelt, der Ersten Kammer entgegen zu kommen. Im übrigen aber bezüglich der Be­wertung der einzelnen Eisenbahnpetitionen einseitig auf den frühere» Beschlüssen zu beharren.

Tages-NeutgLetten.

Aus Stadt vad Laad.

Nagold, 12 August 1911.

* Biünnarder. Einem hier zur Kur weilenden Herrn wurden während er am Männerbadplatz in der Nagold badete von dem kaum der Haft entlassenen 20jährigen H. R. eine Uhr samt Kette und Gürtel gestohlen. Durch die sofort angestellten Recherchen konnten die gestohlenen Gegenstände durch den Hvrn Stationskommandanten dem Eigentümer wieder zugestellt werden.

r^Sch«tz gegen die Sonne. Bei heißem Wetter ist weiße Kleidung deshalb angebracht, weil Weiß nur 100 Wärmeeinheiten aufnimmt, wogegen Schwarz 208 Wärme­einheiten aufsaugt. Wer also aus irgend einem Grunde jetzt gezwungen ist Schwarz zu tragen, ist somit doppelt so warm angezogcn wie die in Weiß Gekleideten. Bon weiteren Farben nehmen zunächst Hellgelb auch nur 102, und Dunkel­grün 140 Wärmeeinheiten auf, während Hellgrün schon 152 und Dunkelgrün schon 101 ausnimmt. Dann kommt Rot mit 168. Hellbraun mit 198 und, wie schon erwähnt schwarz mit 208 Wärmeeinheiten.

Herrenberg, 11. August. Der etwa 6jährige Knabe des Bahnbediensteten Rohm saß gestern auf der Stirnrampe beim Güterschuppen und sah dem Einladen von Wagen zu, als plötzlich ein Wagen auf die Rampe zulief und aufstieß, wodurch dem Knabe» durch einen Puffer ein Fuß stark verletzt wurde. Das bedauernswerte Kind wurde sofort ins hiesige Bezirkskrankenhaus verbracht.

Eutingen, 10. Aug. Der 75 Jahre alte Reinhard Gfrörer von hier wird seit Sonntag vermißt. An diesem Tage ging er vormittags von zu Hause weg und wurde von badenden Knaben nachmittags bei der Rohrdorfer Neckarbrücke gesehen. Seitdem fehlen alle Anhaltspunkte über den Derbleib des Mannes, zu dessen Ermittelung die Behörde Schritte getan hat. Gfrörer hat halblangen Boll- bart und besonders tiefgebeugte Körperhaltung.

Stuttgart, 11. Aug. Da die Zahl der Fernsprech­teilnehmer von Alt-Stuttgart 10000 überschritten hat und die

Räume des bisherigen Amts an der Grenze ihrer Aufnahme­fähigkeit angelangt sind, sieht sich die Fernsprechoerwaltung zur Errichtung eines zweiten Ortssernsprechamts genötigt. Das neue Amt kommt in einen eben fertig gestellten Ausbau auf dem linken Flügel des Hauptpostamts und kann eine weitere Teilnehmerzahl von 10 000 Abonnenten aufnehmen; von der Einführung eines neuen Systems wurde zunächst abgesehen, das Amt wird also nach dem erprobten, alten System ausgesührt.

r Unfälle im Lande. In Untersielmingen OA. Stuttgart kam die 19 Jahre alte Sofie Rapp beim Fahren aus dem Hose infolge rascher Gangart der Pferde zu Fall und wurde von einem Pferd mit dem Huf so schwer ins Gesicht getreten, daß ihr der Unterkiefer völlig zer­trümmert und eine Anzahl Zähne herausgeschlagen wurden. Das arme Mädchen wird von dem Unglücksfall sein Lebtag entstellt bleiben. Wie aus Großingersheim OA. Besigheim berichtet wird, wurde der ledige Bauer Gottlieb Spehlinger beim Mistführen aus der Bietigheimerstraße von dem Automobil des Stadtarztes Dr. Laggai aus Bietig­heim erfaßt und rückwärts zu Boden geschleudert. Der Arzt brachte den schweroerletzten Mann in seinem Auto nach Bietigheim, ließ ihm dort in seiner Wohnung die erste Hilfe angedeihen, und schaffte ihn dann wieder im Automobil nach Hause. In Bonfeld OA. Heibronn wurde die 65 Jahre alte Bauerswitwe Maißenhelder und ihre verheiratete Tochter Sofie Ritter beim herausfahren des hochbeladenen Garbenwagens aus dem Acker unter den umfallenden Wagen geschleudert, wobei beide schwere Knochenbrüche und innere Verletzungen erlitten.

r Tübingen, 11. Aug. (Der fliegende Koffer.) Ein mit der Bahn ankommender Franzose übergab seinen Koffer einem aus dem Bahnhof umherlungernden Karussel- arbeiter, damit er ihn auf ein Studentenhaus trage. Seit­dem ist der wertvolle Koffer verschwunden.

r Untertürkheim, 11. Aug. (Unfall.) Auf der Eßlinger Straße in Hedelfingen hat ein Automobil die 34 Jahre alte Anna Rapp überfahren und schwer verletzt. Der Chauffeur rannte in seiner Verwirrung mit dem Automobil über die Straßenböschung hinunter auf einen Baum. Sich selbst brachte er durch Abspringen in Sicherheit.

r Untertürkheim, 11. Aug. (Das dritte Opfer.) Wie erst heute bekannt wird, hat der hiesige Rangierbahn- hos am Abend des 9. August ein drittes Opfer gefordert. Der Hilfswätter Katz versuchte mit mehreren anderen Ar­beitern tu verbotswidriger Weise aus eine Rangiermaschine aufzuspringen und ein Stück mitzusahren, was ihm auch gelang. Infolge falscher Weichenstellung stieß jedoch die Maschine mit einer anderen zusammen. Die Bier wurden heruntergeschleudert, drei wunderbarer Weise unverletzt, aber Katz wurde ein Stück weit geschleift. Mit einem Schädel­bruch und komplizierten Brüchen des Ober- und Unter­schenkels wurde er ins Cannstatter Krankenhaus geschafft, wo man ihn am Leben zu erhalten hofft.

,, Tuttlingen, 10. August. Zu der durch die Presse gegangene Mitteilung von dem Ankauf der fürstlichen Maschinenfabrik Immendingen durch den Fabrikanten ten Brink in Arten, den Hauptinteressenten an den Aachwasser- kräften, teilt ten Brink mit, daß derartige Verhandlungen niemals stattgesunden haben und daß weder er noch irgend jemand aus seinem Bekanntenkreise den Auftrag zu solchen Verhandlungen gegeben habe.

r Urach, 11. Aug. (Brand.) Im Wollsaal der Maschinenbaumwollspinnerei G. und A. Leuze, zwei Kilo­meter vor der Stadt, brach infolge Selbstentzündung von Baumwolle Feuer aus. Es gelang das Hauptgebäude der Fabrik zu retten, aber eine Arbeiterin erlitt schwere Brand­wunden. Die mechanische Rettungsleiter stürzte mit dem Bauwerkmeister Engelhardt um, verfing sich aber in einem Fenster, wodurch noch ein größeres Unglück verhütet wurde.

r Schorndorf, 11. Aug. (Großfeuer). In der Vorstadt von Schorndorf am Mühlkanal, in dem Dampf­sägewerk von Carl Nauß brach heute nacht 4 Uhr ein Brand aus, der das Werk mit samt dem Wohngebäude einäfchette. Bon der Fahrnis konnte fast nichts gerettet werden. Die Feuerwehr mußte die Nachbarhäuser schützen. Die Ursache des Brandes ist noch nicht bekannt.

r Göppingen, 11. Aug. (Sozialdemokratie und Ministeresseu.) In ihrer letzten Patteiversammlung nahm auch die hiesige Sozialdemokratie Stellung zu der Teilnahme der drei sozialdemokratischen Abgeordneten am Ministeressen und fällte ein abschlägiges Urteil durch einstimmige Annahme folgender Resolution:Die württ. Regierung hat ihre un­mißverständliche Absicht kundgegeben, einem sozialdemokrati­schen Oberbürgermeister der Landeshauptstadt die Bestätigung zu versagen. Sie hat den ohnehin bis zum Zusammenbrechen