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Samstag, den 5. AuguS

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8S. Jahrgang.

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* Illustr. Sonntaosblatt und

Schwöb. Landwirt.

1911

Der Wetterwart.

WokMche Ara sch au.

p In der Ge

chäftslage des Landtags ist nun doch noch eine Verschiebung eingetreten. Die verschiedenen Dif­ferenzpunkte, die sich beim Sportelgesetz und auch noch bei einigen anderen Deckungsvorlagen herausgebildet haben, machen eine kleine Verlängerung der Session notwendig. Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten sind ja nicht vor­handen und nach einigen Wechselgängen wird sicherlich in allen die notwendige Einigkeit hergestellt sein. Die ganze Sachlage selber aber entspringt aus der schon von uns ver­merkten etwas unbefriedigenden Situation der Ersten Kam­mer, deren Arbeitszeit entschieden zu knapp zugeschnitten ist, während sich mit der neuen Zusammensetzung die Arbeits­lust nicht unwesentlich gesteigert hat. Bei der künftigen Ge­staltung des Arbeitsplanes wird dem wohl etwas mehr Rechnung getragen werden müssen.

Einige Ueberraschung brachte die Nachricht von der Bildung einer preußisch-süddeutschen Lotteriegemein- schaft. Wir wollen hier nicht die ethische Seite der Frage hervorkehren und darüber befinden, ob die Einführung dieser Giftpflanze" wie der ehemalige bayerische Finanz­minister Riedel einmal die Lotterie benamste wohl getan ist, hinter dem wachsenden Geldbedürsnis treten gar manch­mal moralische Bedenken zurück und voin rein praktischen Standpunkt aus ist es jedenfalls besser, wir haben auch etwas davon, wenn gespielt wird, anstatt daß das Geld ins Ausland" geht. Und gespielt wird nun doch einmal, warum also sollen wir uns diese freiwillige Steuer nicht zu­nutze machen. Ueber die finanztechnische Seite werden wir ja Näheres noch im Landtag hören. Auf politischem Ge­biete ist diese neuerliche Handreichung zwischenNord" und Süd" jedenfalls nicht von untergeordneter Bedeutung, denn es wird dadurch wieder ein Teil der Mainlinie verwischt und da jetzt nur noch Sachsen und Hamburg außerhalb der Gemeinschaft stehen, sind mir auf dem besten Wege zu einer Reichslotterie.

Der deutschen Kolonialgesellschast und ihren Bestreb­ungen kann man im allgemeinen nur austichrige Sympathien entgegendringen, aber der Schritt, den sie jetzt in der Marokkofrage unternommen hat, findet unsere Billigung nicht. Die Kolonialgesellschast will gegen die Abtretung Togos protestieren, auf reine Gerüchte hin, daß bei einem eventuellen Gebietsaustausch mit Frankreich dieses die ge­nannte deutsche Kolonie erhalten soll. Wo man in der ganzen Frage bisher mit ernstem Urteil heroorgetrelen ist, ging man bisher davon aus, daß die deutsche und dement­sprechend ebenso die französische Diplomalie strikte an dem vereinbarten Schweigegebot festhalten wollen, wozu also sich mit Gerüchten französischer Chauvinistenblätter abgeben. Und dann macht es doch einen schlechten Eindruck, wenn man unserer Regierung so wenig Vertrauen entgegenbringt und ihr zu­mutet, sie könnte deutsche Interessen preisgebsn. Die ganze gegenwärtige Lage ist doch noch zu ernst, als daß wir uns im eigenen Lande irgendwelchen Seitensprung erlauben dürfen, denn die Einmischung Englands in die deutsch-französischen Verhandlungen und die ziemlich unverblümt gemachten Vor­schriften wegen etwaiger territorialer Abmachungen stellen, mag man sich zum Ganzen noch so loyal verhalten, eine Anmassung sondergleichen dar.

Auf dcm Balkan hat sich die Situation gleichfalls wieder erheblich verschlimmert. Durch das Auftreten starker griechischer Banden und deren z. T. gemeinsame Operationen mit den aufständischen Albanesen sieht sich die Türkei zu weiteren Rüstungen genötigt und die Kriegsgefahr wird da­durch wieder bedenklich erhöht.

Die englische Diplomatie hat wieder einmal ihre Schlau­heit richtig erwiesen. Da man in dem gegenwärtigen per­sischen Wirrwar noch nicht wissen kann, wer am Ende die Oberhand behalten wird, gibt man sichneutral" und erklärt dies im Verein mit Rußland, das seine Hand schon lange genug im Spiel und die Finger sich schon etlichemale verbrannt hat, noch ausdrücklich durch eine amtliche Kund­gebung. Glauben kann an diese schöneNeutralität" des­wegen wer mag.

Württembergischer Landtag.

r Stuttgart, 3. Aug. Die Zweite Kammer setzte heute ihre Beratung der Denkschrift über die Vereinfachung der Staatsverwaltung beim Departement des Auswärtigen fort. Namens des Zentrums vertrat Vizepräsident Dr. von Kiene den Leitsatz, daß eine Vereinfachung weder volks­wirtschaftliche, noch politische oder ideale Interessen gefährden darf. Redner regte eine Aufhebung der Generaldirekttonen

der Eisenbahnen und der Post durch Angliederung als Ministerialabteilung an das bestehende oder durch ein neu zu bildendes Verkehrsministerium an, desgleichen eine An­zahl Neuorganisationen innerhalb der Berkehrsverwaltung. Baumann (DP.) vermißte die Erwähnung der Gesandt­schaften in der Denkschrift, im Gegensatz zu seinem Vorredner ist er nicht für deren Beibehaltung, wünschte aber gleichfalls eine Steigerung des Berantwortlichkeitsgefühls der Beamten. Nach einigen Vereinfachungsvorschlägen der Abg. Graf- Stuttgart (Z.) und Wieland (DP.) der eine Art technisches Ministerium forderte, erwiderte der Ministerpräsident, ein Techniker, der nicht praktischer Berwaltungsmann sei, könne zur Vereinfachung der Verwaltung nicht beitragen. Eine Aushebung der Generaldirekttonen werde keine wesentlichen Ersparnisse ergeben. Nach weiterer unerheblicher Debatte ging das Haus zum Departement des Innern über. Prä­sident von Payer verlangte weitere Erhebungen über die Frage der Abschaffung der Kreisregierungen. Dies dürfe nicht so ohne Weiteres erfolgen. Morgen kleinere Vorlagen und Fortsetzung. Schluß nach ^2 Uhr.

x Stuttgart, 4. Aug. Die Zweite Kammer be­handelte in ihrer heutigen Sitzung zunächst die erste Lesung des 7. Nachtrgs zum Etat, durch den die Heranziehung der Staatsbeamten mit ihren Aufbesserungsbezügen zur Ein­kommensteuer vom 1. April d. I. an bestimmt wird. Auf eine Anfrage des Abg. Baumann (n.), ob als zu versteuernde Ausbesserung nur der Betrag gelte, der als reine Aufbesse­rung verbleibe, wenn etwa wegfallende, bereits veranlagte Zulagen abgezogen seien, antwortete Finanzminister von Geßler, daß nicht die Brutto- sondern die Nettoaufbersseung in Betracht komme. In der anschließenden zweiten Lesung beantragte Liesching (Dp.) stattBetrag der Anfbesserungs- beträge" Zusagen:Bstrag der Ausbesserung". Der Antrag u. ebenso der Nachtrag wurden dann angenommen. Man trat dann in die Beratung des Lotteriegesetzes und des Staatsver­trags mit Preußen zur Regelung der Lotterieverhältnisse ein. Es wurde dann sofort in die zweite Lesung des Lotteriege­setzes eingetreten, die ohne Debatte angenommen wird. Bei der Schlußabstimmung wird das Lotteriegesetz und damit auch der Staatsoertrag mit Preußen angenommen gegen die Stimmen der Sozialdemokratie und der o olksparteilichen Abgeordneten Elsaß, Haußmann, Liesching, Gauß und Betz. Dann wurde die weitere Beraiung des Gesetzentwurfs betreffend die Änderung des allgemeinen Sportelgesetzes mit den Anträgen des Finanzausschusses zu den abweichenden Beschlüssen der Ersten Kammer, Berichterstatter: Abg. Häfsner (Natl.), erledigt.

Tüges-NeuigkeiLen.

Lus Stadt uud Laud.

Nagold, 5. August 1911.

Vom Rathaus. Gemeinsame Sitzung beider Kol­legien am 3. August, Das Stadtbauamt legt eine Berechnung des Aufwands der Quellfassung beim Militär-Genesungsheim mit Zeichnung vor. Es ist nicht möglich, wie ursprünglich angenommen, die Quelle der Leitung vom Fakobsbrunnen zuznführen, da dieselbe zu hoch liegt und nur eine Lichtweite von 60 wm hat. Es ist nun beabsichtigt, die Leitung in den Bizinalweg und von da in die Böschung der Herren­bergerstraße bis wieder städtisches Eigentum erreicht ist mit 125 mm weiten Röhren zu legen und zur bereits bestehen­den städtischen Quellstube zu führen, dort wird ein Schieber angebracht um eo. später die Leitung zu einem in die Nähe des Hermannsplatzes zu erstellenden Hochresewoir weiter zu führen. Die Kosten, welche aus den Ueberschüssen der Wasserleitungskasse entnommen werden können, sind zu 4100 ^ veranschlagt. Die Röhrenlieferung wird, falls sie sofort erfolgen kann, der Firma Popp L Rentier in Mann- heim-Waldhof übertragen, während die G.abarbeit und Röhrenlegung an hiesige Geschäftsleute vergeben werden soll. Die K. Straßenbauinspektion ist um die Genehmigung der Durchführung der Leilung durch Staatseigentum zu hören. Nachdem der Vorsitzende noch bemerkt hatte, daß die chemische Untersuchung des Wassers ergeben habe, daß solches einwandfrei, ja sogar noch besser als das bereits vorhandene sei weniger Kalk und Sulfat wird von den Gemeindekollegien beschlossen, zunächst die Zuleitung zur städtischen Quellstube dem Vorschlag des Stadtbauamts ge­mäß Herstellen zu lassen und wegen der Weiterführung der Leitung auf den Galgenberg sich Beschlußfassung vorzube- haltcn. Hiebei wurde wegen der zur Zeit bestehenden Wasseroerhältnisse rascheste Ausführung gewünscht. Der Vorsitzende bringt noch zur Sprache, daß wann die Wasser­oerhältnisse hier auch noch gut genannt werden können, doch

größte Sparsamkeit am Platze sei, obwohl der Zufluß noch gut ist, ist eben in der Stadt ein großer Verbrauch, ja manchmal Mißbrauch, so z. B. durch Offenlassen der Hahnen behufs Gewinnung frischen Trinkwassers, während solches doch leicht von den Brunnen geholt werden kann, durch offenlassen der Hahnen beim Verschwelten von Gesoffen oder beim Gießen von Gärten. Im Gemeinderat hier kamen in dieser Richtung vier Fälle zur Behandlung, in welchen auf Geldstrafen von 210 erkannt wurde. Die Folge davon ist, daß das so nötige Straßensprengen einge­schränkt werden muß und daß auch die Leitung in der Nacht wenigstens für die nächsten Tage abzustellen ist, damit im Wasserreservoir für alle Fälle ein genügender Vorrat vorhanden ist. Den Wasserabnehmern sei dringend ans Herz gelegt, das Wasser zu sparen, damit nicht strengere Maßregeln ergriffen werden müssen. Der Vorsitzende spricht über Bodenreform im Sinne eines Borgehens der Stadt in Beziehung auf dis Erwerbung von Grundstücken behufs Nutzbarmachung derselben für Zwecke des Anbaus von Gebäuden. Er führt aus, daß die Stadt in dieser Beziehung entwicklungsfähig sei, daß es aber wenn Erfolge erzielt werden wollen, wohl ihre Sache sei Bauquartier da­durch zu eröffnen, daß geeignete Grundstücke aufgekaust, und die Straßen versehen mit Kanalisation und Wasser­leitung angelegt werden. Dadurch könne die Möglichkeit geschaffen werden kleinere Bauflächen abzugeben und es können auch kleinere Leute bauen und sich ein eigenes Heim schaffen, was ausgeschlossen sei, wenn jemand gleich einen ganzen Acker kaufen und für Zufahrt, Wasserleitung und Kanalisation selbst sorgen müsse. Durch ein derartiges Vor­gehen werde auch der Güterspekulation entgegengearbeitet, während auf der anderen Seite die Stadt doch wenigstens soviel gewinnen könne, daß ihre Kosten für Anlage der Straßen, Wasserleitung und Kanalisation gedeckt werden. Endlich sei nicht zu verkennen, daß es ein wesentlicher Vor­teil sei, wenn sich die Ausdehnung der Stadt mehr auf ein Gebiet erstrecke, als wenn an allen Enden ohne eigentliches System angebaut jwcrde; die Kosten für die mehrfach er­wähnten Einrichtungen werden dadurch eben sehr gesteigert. Der Vorsitzende schlägt daher vor, ihn und den Stadtbau­meister zu ermächtigen, geeignete Grundstücke für die Stadt aufzukaufen, selbstverständlich jeweils unter dem Vorbehalt der Genehmigung der Gemeindekollegien. Die lebhaft ent­wickelte Debatte, bei welcher alle möglichen Verhältnisse ge­streift wurden, führte dazu, daß der Vorschlag des Vor­sitzenden im Gemeinderat mit 5 gegen 3 Stimmen und im Bürgerausschuß einstimmig angenommen wurde. Unter diesem Eindruck wurde die Erwerbung eines Grundstücks in der Calwerstraße von 31 s. 12 qm zum Preis von 3500 im Gemeinderat durch Stichentscheid des Vorsitzenden und im Bürgerausschuß einstimmig angenommen. Infolge dieser Erwerbung besitzt die Stadt auf der linken Seite der Calwerstraße an der Straße und der Baulinie eine zusammenliegende Fläche in der Länge von ca. 300 Meter die lediglich zu Straßenanlagen und Bauzwecken geeignet ist. Gemeinderat allein. Fischhändler Gropp will in der sogenannten wüsten Urschel ein städtisches Grund­stück und eine Quelle pachten um einen Fischweiher anzu­legen. Der Gemeinderat ist eo. nicht abgeneigt dem Gesuch zu entsprechen, doch ist zu verlangen, daß ein vollständiger Plan mit Beschreibung vorgelegt wird um prüfen zu können, ob nicht ein wasserrechtliches Verfahren einzuleiten ist, in welchem auch die Frage eines etwaigen Wässerungsrechts zu behandeln wäre. Der heurige Oehmdertrag der städt. Wiesen soll verkauft werden, da erfahrungsgemäß die Kosten der Etnheimsung in diesem Jahr in keinem Verhältnis zu dem Ertrag stehen. Der älteste Zuchtfarren ist im Sub­missionsweg zu verkaufen. Der Vorsitzende berichtet noch über eine Besprechung mit dem Herrn Referenten der Zentral­stelle für Gewerbe und Handel wegen des hiesigen Faß- eichantts. Auf 1. April nächsten Jahrs wird der Etchdienst verstaatlicht werden und kommen bis dahin die Gemeinde­eichämter in Wegfall. Dagegen sind 12 staatliche Eichämter vorgesehen. Die Erlangung eines solchen staatlichen Eichamts für die hiesige Stadt hat keine Aussicht, da in dem Schwarz- waldkrets nur zwei solche Eichämter errichtet werden und bei der Auswahl die zentrale Lage und die bisherigen Ver­hältnisse in Betracht zu ziehen sind, dagegen ist für hier eine Abfertigungsstelle vorgesehen falls die Stadt ein ent­sprechendes Entgegenkommen zeigt. In dieser Abfertignngs- stelle wird je nach Bedarf die Eichung vorgenommen, so daß es nicht erforderlich wird an das Hanpteichamt zu gehen, allerdings haben sich die in Betracht kommenden Geschäfts­leute schon an gewisse Beschränkungen zu gewöhnen, denn selbstverständlich kommt der Eichmeister nicht wegen jedem Füßchen hieher, sondern nur wenn eine Partie Fässer beisammen ist.