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Schwüb. Landwirt.
U 170
Montag, dm 24. Juli
1911
Amtliches.
Bekanntmachung des Borstands der Versicherungsanstalt Württemberg, betr. die Vorlage der Ban- Pläne bei Gesuchen um Darlehen zur Erstellung von Arbeiterwohnhäusern zwecks Prüfung durch
die Beratungsstelle für das Baugewerbe.
Vom 26. Juni 1911.
Zur Förderung der Wohnungssürsorge für die arbeitenden Klassen gibt die Versicherungsanstalt niederverzinsliche Darlehen an Gemeinden, Baugenossenschaften und Vereine, sowie an Einzelversicherte ab. Das nähere hierüber ist in dem Geschäftsbericht der Versicherungsanstalt für 1909 S. 57 ff. enthalten.
Den Gesuchen um Beleihung sowohl neuer als auch älterer Arbeiterwohnhäuser mußten schon seither die Baupläne über die betreffenden Gebäude betgelegt werden, damit geprüft werden konnte, ob die Wohngebäude nach Lage und baulicher Beschaffenheit, nach Zahl und Größe der Räume und dergl. den Anforderungen genügen, welche im Interesse der Gesundheit und Sittlichkeit der Bewohner zu stellen sind. !1m aber bei neu zu erbauenden Gebäuden auf Beachtung dieser Forderungen von vornherein einwirken zu können, ist für die Versicherungsanstalt notwendig, daß ihr die Bauzeichnungen und Lagepläne vor der Bauausführung zur Prüfung rechtzeitig vorgelegt werden. Die Prüfung wird auf Grund einer Vereinbarung mit der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel durch die dort bestehende Beratungsstelle für das Baugewerbe erfolgen. Die Bauberatungsstelle will durch diese Prüfung aus eine zweckmäßige Bauweise und Grundrißanordnung, sowie aus die Erzielung heimischer Formen, unter möglichster Anlehnung an den vorhandenen Plan hinwirken; dabei wird sie auch nötigenfalls eineUeber- arbeitung der Pläne vornehmen. Vorschläge, welche eine nennenswerte Steigerung der Baukosten bedingen würden, sollen jedoch vermieden werden. Soweit die Bauberatungsstelle zu Abänderungsvorschlägen gelangt, werden sie von uns den Darlehensbewerbern zur tunlichsten Berücksichtigung mitgeteilt werden.
Außerdem erscheint bei Ausführung größerer Bau- quartiere, bei Errichtung ganzer Häuserkolonien auch die Prüfung der Bebauungspläne sehr angezeigt. Die Dau- beratungsstelle, zu deren Tätigkeit die Prüfung von Ortsbauplänen gleichfalls gehört, hat sich deshalb bereit erklärt, auch Bebauungspläne mit Unterstützung ihres Sondersachverständigen in Bebauungssragen, Herrn Professors Dr. 2ng. Weyrauch, zu prüfen und zu überarbeiten.
Bei künftigen Gesuchen um Darlehen zur Errichtung von Arbeiterwohnhäusern ist es daher geboten, daß
1. bei Erbauung einzelner Arbeiterwohnhäuser die Bauzeichnungen und Lagepläne,
2. bei Gründung ganzer Kolonien von Arbeiterwohnhäusern die Bebauungspläne
vor Einholung der baupolizeilichen Genehmigung der Versicherungsanstalt Zur Prüfung oorgelegt werden.
Von den Darlehensbewerbern zu Ziffer 1 ist dem Darlehensgesuch neben den Bau- und Lageplänen auch die Quittungskarte oder letzte Ausrechnungsbescheinigung anzuschließen. Aus dem Gesuch muß ersichtlich sein, welche Höhe die Kosten des Neubaues einschließlich Grund und Boden voraussichtlich erreichen werden, bis wann der Neubau bezugsfertig sein wird u. in welchem Betrage das Darlehen nach Eintritt dieses Zeitpunktes ausgenommen werden will.
Stuttgart, den 26.Juni 1911.
Der Vorstand der Versicherungsanstalt Württemberg:
Hilbert.
K. Hberarnt Nagold.
Die Sckmltheistenämtcr
werden aus den Erlaß vom 4. Mai ds. Fs., Amtsblatt Nr. 103, betreffend den Einzug der Ausstände vom Rechnungsjahr IS1V, dehufs Erledigung aufmerksam gemacht.
Den 21. Juli 1911. Kommerell.
Württembergischer Landtag.
p Stuttgart, 22. Juli. Die Zweite Kammer setzte heute die zweite Lesung des Etats fort. Bei Kapitel 110 (Leistungen an das Reich) wird der Matrikularbeitrag mit einem Abstrich von 230 791 ^ ohne Debatte genehmigt. Bei Kap. 124 (Einkommensteuern) beantragte der Ausschuß, den Ertrag der Einkommensteuer für 1911/12 um 100000-6 höher anzufetzen. Ltesching (Bp.) unterstützt den Antrag des Finanzausschusses mit der Anregung, daß die Einkommensteuer sich auch auf die Ausbesierungsbeträge der neuen
Besoldungsvorlagen beziehen solle, lieber die Heranziehung der Erhöhung der Bezüge der Beamten vom 1. April ab zur Einkommensteuer werden sich diese nicht beschweren, da Bezahlung ja vom 1. April ab erfolgt. Schmid-Besigheim machte Vorschläge, durch welche das Steuereinziehungsverfahren vereinfacht, abgekürzt und verbilligt werden kann, ohne daß eine Verschleppung der Geschäfte damit verbunden ist. Auf eine Anfrage des Abg. Roth (BK.) erwiderte Finanzminister v. Geßler, die Regierung könne eine Statistik über Steuerdesraudationen nicht anlegen. Bei Kap. 125 (Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer) lag außer dem Ausschutzantrag ein Antrag Liesching-Roth vor, in Anbetracht der ungünstigen Verhältnisse des Hopsenbaues die Besteuerung der Hopfengärten einer neuen Prüfung zu unterziehen. Der Abg. Roth (BK.) begründete den Antrag und wünschte, daß auch die Hopfengärten auf 2 Jahre wie die Weinberge befreit werden, weil sie solange keinen Ertrag liefern. Finanzminister v. Geßler bemerkte, die Frage könne mit der Fortführung der Steuerreform behandelt werden. Der Antrag wurde angenommen und sodann das Kapitel genehmigt. Zu Kap. 126 (Kapitalsteuer) und 127 (Wandergewerbesteuer) wurden die Ausschußanträge angenommen, ebenso die Ausschußanträge zu Kap. 128—131 (indirekte Steuern) und 132 (Anteile an Reichssteuern). Weiter wurden noch erledigt die Kap. 4—8 (Renten und Zinse; Entschädigungen; Pensionen: Wattegelder: Unterstützungen) ferner die Kap. 108 (ständische Kasse), 109 (allgem. Dispositionsfonds), 122 und 122 (Münze und Staatsanzeiger), 123 und 123a (Einnahmen bei der Staatshauptkaffe unmittelbar: Steuerstrafen). Damit hat die Zweite Kammer sämtliche Etats erledigt. Nächste Sitzung Mittwoch 9 Uhr. T.-O.: Rest des Eisenbahnbaukreditgesetzes: 5. Nachtrag zum Etat.
Stuttgart, 22. Juli. Der Seniorenkonvent beschäftigte sich heute mit dem Geschäftsprogramm der Zweiten Kammer bis zum Schluß der Tagung, der auf Samstag 5. August angegeben wird. Heute wird der Etat erledigt. In der kommenden Woche Bahnhofumbau Stuttgart, Staatsschuldbuch, Zulagewesen und abweichende Etatsbeschlüsse der Ersten Kammer.
Tages-NeuigkeiLen.
Aus Stadt vud Laad.
Naqold. 24. Juli I9II.
* Der Liederkranz preisgekrönt. Beim Wettgesang anläßlich des XIl. Gau-Sängersestes des Württembergischen Schwarzwaldgau - Sängerbundes erhielt bei großer Konkurrenz der Liederkranz Nagold einen II» (den ersten II.) Preis im höheren Dolks- gesang. Dieser schöne Erfolg ist den wackeren Sängern und ihrem unermüdlichen Dirigenten nach sogroßen und vielen Mühen von Herzen zu gönnen. Wir glauben im Sinne der Mitgliedschaft des Vereins und der ganzen Einwohnerschaft zu handeln, wenn wir der braven Sängerschar beste Glückwünsche an dieser Stelle widmen. — Der Verein kehrte gestern nach Mitternacht zurück: am Bahnhof wurden die Sänger von ihren Frauen und Freunden mit Jubel empfangen. Im festlich geschmückten Bereins- lokal wurde der Freude über den Erfolg noch in verschiedenen Ansprachen beredter Ausdruck verliehen.
Der Kranken-Unterstützttngsvcrein hielt am Sonntag, den 23. Juli, seine halbjährliche Generalversammlung im Gasthaus z. goldnen Adler. Der Vorstand, Wagnermeister Berstecher eröffnete die Versammlung und verlas den Rechenschaftsbericht. Einnahmen 494.45 Ausgaben 419.69 -6, somit Kassenvorrat 74.76 -6. Gesamtoermägen 3221.12.6, voriges Halbjahr 3188.31 -6, somit Bermögens- zuwachs 32.91 -6. Gestorben sind 3 Mitglieder, ausgetreten 2. neu eingetreten 12. Wiedergewähtt wurde Vorstand Berstecher, Schriftführer Julius Raas, Kassier I.Schuon, Prio., Ausschuß Jak. Harr, Weißgerber, Schuhmachermeister Raas, Stricker Koch, Tuchmacher Reich, Dreher Essig und Schreinermeister Maier. Der Vorstand schloß die Versammlung und brachte seine Wünsche für gute Gesundheit seinen Mitgliedern zum Ausdruck.
r Calw, 23. Juli. (Versammlung.) In der Turnhalle fand gestern die gutbesuchte Landesversammlung des Vereins württ. Körperschastsbeamten statt. Den allgemeinen geschäftlichen Angelegenheiten folgten Vorträge über die Wertzuwachssteuer von Oberbürgermeister Iäkle-Heiden- heim, über die Reichsversicherungsordnung von Kanzleirat Ströhmseld-Stuttgatt und über die Bauordnung von Ober
amtsbaumeister Eckert-Heilbronn. Als Ort der nächsten
Landesoersammlung wurde Heidenheim bestimmt. Die Sterbekasse des Vereins hat sich gut entwickelt. Der Versammlung ging am Freitag ein Zusammentritt der Bettreter der Bezirksvereine voraus, wobei u. a. die Gesetzentwürfe über die Dienstverhältnisse der Oberamtsärzte sowie über die Eber- u. Bockhaltung besprochen wurden. Heute fand ein Ausflug zur Besichtigung der Volksheilstätte Lharlottenhöhe und nach Wildbad statt.
r Stuttgart, 21. Juli. (Wasserversorgung). In der heutigen, unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Lautenschlager abgehaltenen längeren Sitzung der bürgerl. Kollegien wurde eingehend die Wasserfrage behandelt. Zunächst erstattete Gem.-R. Sigloch ein umfassendes Referat, worin er die verschiedenen großzügigen Projekte erläutert. Nach einer langen Debatte wurde der Beschluß gefaßt, dem Langenauer Projekt, das am raschesten durchzuführen sei, zuzustimmen. Auch das Schwarzwaldprojekt soll sobald wie möglich in Angriff genommen werden. Für Straßen- besprengung und gewerbliche Zwecke wird auch weiterhin das Neckarwerk erhalten bleiben. Es wurde eine Kommission gewählt, bestehend aus 6 Mitgliedern des Gemeinderats und 6 Mitgliedern des Bürgerausschusses, die noch heute Abend zur Beratung zusammengetreten ist und bereits am Montag mit der Staatsregierung in Verhandlung treten wird bezüglich der sofortigen Inangriffnahme des Langenauer Projekts. Wegen der Verunreinigung des Quellwassers in Kaltental hat die Regierung eine strenge Untersuchung eingeleitet.
r Stuttgart, 22. Juli. Für die im nächsten Jahre bevorstehende Reichstagswahl ist für Stuttgart Stadt von nationalliberaler und jungliberaler Seite der Landtagsabg. und Oberbürgermeister Dr. M ü l b e r g e »Eßlingen in Aussicht genommen.
p Stuttgart, 21. Juli. Ein bemerkenswertes Urteil über eine im Zusammenhang mit der Geschäftsoereinfachung bei der Berkehrsverwaltung getroffene Neuerung fällt die Deutsche Eisenbahnbeamtenzeitung, das Organ der württ. Berkehrsbeamten. Es handelt sich um die Zuweisung einzelner Aufgaben an die Hilssbeamten der Inspektionen zu selbständiger Erledigung und Unterzeichnung, die ein geglückter Versuch genannt wird. Nachteile sind nach allgemeinem Urteile nicht zu Tage getreten, der Hauptzweck, Entlastung der Inspektionsvorstände zu Gunsten anderer Aufgaben, scheint erreicht zu sein und die Beschleunigung und Vereinfachung des Geschäftsgangs sei offensichtlich. Die genannte Zeitung glaubt, daß die Verwaltung nicht aus halbem Wege stehen bleiben sollte, wenn die bisherigen günstigen Erfahrungen andauem. Der Versuch sei im äußeren wie im inneren Dienst einer weiteren Ausdehnung fähig. Es gebe bei den Stationen und Abfertigungsstellen eine Menge von Dingen, die ohne Schädigung irgendwelcher dienstlicher Rücksichten den Hilfsbeamten zu selbständiger Bearbeitung überlassen werden könnten.
p Stuttgart, 22. Juli. Der württ. Städtetag hat an die Kammer eine Eingabe zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Berufsvormundschaft gerichtet, in der u. a. ausgesühtt wird: „Wenn der Entwurf in der jetzigen Fassung Gesetz würde, so könnte es möglich fein, daß manche Gemeinden mit Rücksicht auf den weiten Umfang der Berufsvormundschaft von der Einführung derselben überhaupt ab- sehen und sich mit einer einfachen Sammeloormundschast begnügen. Es wird sich daher empfehlen, auch in dieser Beziehung den Gemeinden einen möglichst weiten Spielraum zu lassen, sodaß es ihnen insbesondere möglich wäre, die Berufsvormundschaft nicht für alle Kost- und Pflegekinder einzuführen. Einem etwaigen Bedürfnis im Einzelfall könnte dadurch abgeholfen werden, daß der Berufsvormund zum Bormund bestellt wird. Aus diesen Gründen möchte der Städtetag Vorschlägen, in Artikel 1 des Entwurfs die Worte „für diejenigen Minderjährigen" zu ersetzen durch die Worte „für alle oder gewisse Minderjährige", ähnlich wie dies in Sachsen der Fall ist".
r Stuttgart, 21. Juli. (Beerdigung.) Unter großer Teilnahme aus allen Schichten der Bevölkerung wurden heute nachmittag die unglücklichen Opfer des Unfalls vom Ebnisee, Freifrau Paula o. Hügel und ihr zehnjähriges Söhnchen Friedrich zur letzten Ruhe gebettet. Neben dem gesamten Offizierkorps des Infanterie-Regiments „Kaiser Friedrich" Nr. ,125, dem der trauernde Gatte und Vater als Kompagniechef angehött, waren zahlreiche aktive und inaktive Offiziere aller Waffengattungen erschienen. Unter den Klängen eines Trauermarsches, gespielt von der die Spitze des langen Trauerzuges bildenden Regimentskapelle. bewegte sich die große Traueroersammlung zum Grabe, wo Feldprobst Prälat o. Blum eine tiefergreifende und ernste Ansprache hielt, die mit herzlichen Trostesworten