Erscheint lägtich mit Ausnahme der Sann- und Festtage,

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Fernsprecher Nr. 29.

88. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilagen. Plcmderitübchcn, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

, 4 - 167

Donnerstag, den 20. Jutt

1911

Die Nomination des Unterlehrers Christian Kirn.in Gmünd (von Walddorf) durch die Freiherrn von Wöllwarth auf die ständige Lehrstelle in Lauterburg, Bezirks Aalen, ist bestätigt worden.

Württembergischer Landtag.

p Stuttgart, 19. Juli. Die Zweite Kammer be­handelte in ihrer heutigen Sitzung zunächst den Entwurf betr. Aenderung einiger Vorschriften der Gerichts Kosten­ordnung. Im wesentlichen wurden die Ausschußanträge genehmigt und in der Gesamtabstimmung das ganze Gesetz einstimmig angenommen. Es folgte dann die Beratung des Entwurfs betr. einen Zuschlag zu den Gerichtskosten und zu den Notariatsgebühren. Röder (Natl.) hielt die Gebühren für die nichtamtliche Tätigkeit der Ortsvorsteher und Rats­schreiber für ungerecht. Angenommen wurde ein Antrag Ei sei e (Bp.), wonach Zuschläge zu der ^Gebühr für Be­glaubigung einer Unterschrift oder Abschrift nur durch Stempel­marken erhoben werden dürfen. Die Ausschußantcäge wurden mit großer Mehrheit dann genehmigt. Die Schlußabstim­mung ergab einstimmige Annahme des Emwurfs. Es folgte die zweite Beratung des Gesetzentwurfs betr. einen siebten Nachtrag zum Finanzgesetz über den Ankauf des alten Sch lachthauses. Angenommen wurde der Ausschußantrag, wonach die erforderlichen 975 000 bewilligt werden sollen, wobei jedoch die Beschlußfassung über die Verwendung des Platzes Vorbehalten wird. Die Schlußabstimmung ergab ein­stimmige Annahme des Gesetzes. Hierauf wurde überge­gangen zur Beratung des Kapitel 9 (Staatsministerium und Geheimer Rat). Die Anträge des Finanzausschusses, wonach eine Stelle von den vier Stellen der ständigen Räte künftig wegfallen soll, wurde genehmigt. Bei Beratung dieses Kapitels beantragte Betz (Vp.) vollständige Beseitigung des Huldigungseids. Der Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker erklärte, er könne in dieser Angelegenheit heute keine bin­dende Stellung einnehmen, sondern nur Erwägung ver­sprechen. Kapitel 9 u (Berwaltungsgerichtshos) wurde ohne Debatte genehmigt. Bei Kapitel 116 (von den Salinen) wurde Titel 18 ohne weitere Debatte genehmigt. Zu Titel 9 lag ein von Dr. v. Kiene eingebrachter Antrag des Finanzausschusses vor, die Regierung zu ersuchen, mit den geplanten technischen Verbesserungen der Salinenbetriebe eine durchschnittliche Arbeitszeit von 9 Stunden durchzuführen. Fischer (S.) beantragte, die Regierung zu ersuchen, eine durchgängige 9stllndige Arbeitszeit durchzusühren. Der Finanz- minister v. Geßler erklärte, die Verwaltung werde die Frage in wohlwollende Erwägung ziehen, wenn die tech­nischen Verbesserungen durchgeführl sein werden. Der An­trag Fischer wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokratie abgelehnt und der Ausschußantrag dann angenommen. Kapitel 117 (von der Badanstalt Wildbad) wurde ebenfalls genehmigt. Damit mar die Tagesordnung erschöpft und die Sitzung konnte, was selten der Fall ist, schon um 12 Uhr vom Präsidenten geschlossen werden. Nächste Sitzung Donnerstag 9 Uhr.

Tages-NeuigLeiten.

Aus Stadt und Land.

Naqold. 20. Juli 1911.

* Vom Rathaus. Mitgeteilt wird, daß bezüglich des Steinbruchbetriebs im Mittlerbergle von Steinabnehmem Klagen eingelaufen seien darüber, daß von dem Akkordanten z. Zt. nur ein Arbeiter beschäftigt werde und infolgedessen die Abnehmer zu wenig und unpassende kleine Steine er­halten könnten. Ein Abnehmer habe deshalb seine Bestell­ung zurückgezogen. Da die Stadt wegen des Bcuchzinses von 30 /H pro edm ein Interesse daran hat, daß die Ab­nehmer richtig bedient werden bezw. der Akkordant seinen Akkordsvertrag einhält, wird beschlossen, ihm die Auflage zu machen mehr Leute anzustellen, ihm einen neuen Termin zu geben und bei Nichteinhaltung für jeden weiteren Tag eine Konventionalstrafe von 3 ^ anzusetzen. Die Fuhr­werksbesitzer verlangen in einer Eingabe eine Erhöhung der Stundenlöhne von 1 ^ 10 auf 1 ^ 30 ^ für Zwei­spänner, von 70 auf 90 /G für Einspänner. Einem An­trag gemäß wird durch Abstimmung einstimmig beschlossen, die Sache zurückzustellen bis zum 1. April 1912, da die Voranschläge auf die alten Preise aufgestellt sind. Ver­lesen wird ein Gesuch von Malermeister Hespeler wegen Kanalisation des kleinen Fußweges von seinem Anwesen aufwärts zum Galgenberg auf städtische Kosten. Beschlossen wird dem Gesuch stattzugeben falls Gefuchsteller und die an­deren Anlieger bezw. Eigentümer dieses Privatwegs an den entstehenden Kosten von ca 320 ^ je ein Viertelanteil übernehmen, das weitere Viertel würde dann die Stadt, welcher eine eigentliche Verpflichtung zur Herstellung der Dohle nicht obliegt, übernehmen. Mitgeteilt wird, daß Regierungsbaumeister Eisenlohr aus Stuttgart die Quelle beim Militärgenesungsheim Waldeck besichtigt und sich sehr günstig darüber geäußert hat; sie gibt 4V Sekunden­liter. Sie wird ordnungsmäßig gefaßt und zunächst in den Ablauf der Iakobsquelle geleitet; später soll eventuell eine Hochdruckleitung angelegt werden. Vom K. Medizinal­kollegium wird ein Gutachten bezüglich des Wassers einge­holt. Zur Sprache kommt, daß gegenwärtig von Zeit zu Zeit über Nacht oder über Sonntag der Wasserstand des Wasserreservoirs statt wie gewöhnlich um ^ Meter zu, um 12 Meter abnehme. Es müsse also irgendwie und -wo ein Mißbrauch getrieben werden. Der Vorsitzende wird die Sache untersuchen lassen.

* An das Telephonnetz sind hier neu angeschlossen: Schwenk z. Bären unter Rufnummer 64. Breitling z. schwarzen Adler unter Rufnummer 6S.

r Altensteig, 19. Juli. (Teure Heidelbeeren.) Die Heidelbeerernte ist dieses Jahr gering, obwohl die Sträucher selten so reich blühten, wie dieses Jahr. Der Frost hat die Ernte im Mai größtenteils vernichtet. Sonst kamen die Beerensammler und Beerensammlerinnen abends schwer beladen nach Hause. Heuer sieht man nur kleine Mengen heimwärts tragen und diese zu erhalten, ist eine sehr mühsame Arbeit. Für viele Leute ist der geringe Er­trag ein wesentlicher Ausfall. Die Preise der Beeren sind

entsprechend hoch. Für das Liter werden 14 und 15 ^

bezahlt.

Freudenstadt, 19. Juli. Bei prächtigem Wetter hat heute vormittag auf den festlich geschmückten Tennisplätzen das I. Allgemeine Tennis-Turnier des hiesigen Lawn-Tennis- Clubs begonnen. Heute vormittag finden die Einzel-, heute nachmittag die Doppelspiele statt. Bon 45 Uhr spielt die Kurkapelle auf den Tennisplätzen.

r Vom Lande, 19. Juli. (Billiges Heilmittel.) Der gesundheitliche Wert der Buttermilch ist zwar seit langem geschätzt, aber doch noch nicht in vollem Umfange gewürdigt und noch weniger jemals auf seine Ursachen zurückgeführt. Bon der einen Seite schreibt man den gesundheitsfördernden Wert der Buttermilch dem Fehlen von Fett zu, auf der anderen Seite der Gegenwart von Milchsäure. Zwei Forscher an der Anstalt für Milchindustrie in Sugöres bei Paris, die vor einigen Jahren durch das französische Landwirtschafts- Ministerium begründet wurde, haben jetzt besondere Unter­suchungen angestellt, um die Wirkung der Buttermilch in dieser Hinsicht völlig aufzuklären. Danach ist sie in einem hohen Gehalt von Lezithin begründet, dieser merkwürdigen chemischen Verbindung, die wegen ihrer außerordentlich leicht löslichen phosphorsauren Salze in jüngster Zeit zu einem besonderen Rang in Hygiene und Medizin erhoben worden ist. Durch einen Vorgang, der noch nicht ganz bekannt ist, scheidet sich das Lezithin beim Buttern aus und geht in die Buttermilch über, sodaß diese daran um das Doppelte reicher ist als gewöhnliche Milch. Wenn das Lezithin in der Buttermilch seinen segensreichen Einfluß möglichst kräftig ausüben soll, muß diese frisch genossen und nicht etwa vor­her gekocht werden. Für Kinder, die vorübergehend oder dauernd an Verdauungsstörungen leiden, kann es kein besseres Heilmittel geben, als den Genuß von guter frischer Buttermilch, die außerdem auch auf die Nervenzellen und auf die Knochenbildung günstig einwirkt.

Stuttgart, 19. Juli. Wieder ist einer der Siebziger­kämpfer dahingerafft worden: Oberst z. D. Adolf Graf Normann-Ehrenfels ist gestern im Alter von 69Jahren gestorben.

Stuttgart, 19. Juli. Mit Schreiben des Staats­ministers der Finanzen vom 18. d. ist dem Präsidium der Zweiten Kammer der Entwurf eines Fünften Nachtrags zum Entwurf des Hauptfinanzetats für 1911 und 1912, enthaltend weitere Forderungen für Kap. 61Universität" und Kap. 82Aufsichtskosten für die Volksschulen" zur verfassungsmäßigen Behandlung zugegangen.

r Cannstatt, 19. Juli. (Schwerer Unfall.) Der Aviatiker Heinkel stieg heute abend auf dem Cannstatter Wasen zu einem neuen Flugversuch auf. In einer Höhe von 20 bis 25 m neigte sich der Apparat bei dem Versuch, eine Kurve scharf zu nehmen, plötzlich aus die rechte Seite und stürzte fast senkrecht zur Erde nieder, indem er Heinkel unter sich begmb. Alsbald stand die ganze Flugmaschine in Flammen. Zwar gelang es Heinkel, unter ihr heroor- zukriechen, doch hat er schwere Brandwunden erlitten und scheint auch durch den Sturz Verletzungen davon getragen zu haben, sodaß er im Automobil in das Bezirkskranken­haus geschafft werden mußte. Der Flugapparat ist völlig verbrannt.

Heiteres aus einer Muchöandtukg.

Bon H. Pfeifer (Frankfurt).

(Nachdr. verd.)

Kommen da in die Buchhandlung zwei pausbäckige, blonde, blauäugige Bübchen. Es sind wohl Brüder, der eine vier bis fünf, der andere sechs bis sieben Jahre alt. Jeder der beiden Buben hat ein großmächtiges, hellrotes Halstuch um den Hals gewickelt, denn es ist bitterkalt. Wie zwei kleine Holzgötzen stehen sie da und lassen die Augen neugierig im Laden herumwandern. Endlich kommt die Reihe an sie.

Nun, ihr Iungens, was wollt ihr haben?"

Der ältere zieht den Bruder näher an sich heran, holt tief Atem, bekommt ein rotes Köpfchen vor Verlegenheit und sagt laut und deutlich:Ei, e Buch!"

Ja, was für ein Buch denn?"

Schweigen.

Wenn du Deiner Mutter Wurst holst beim Metzger, da gehst Du hin und sagst, ich will Blutwurst oder Leber- wurst oder Fleischwurst. Sieh, hier ringsum sind lauter Bücher. Du mußt doch genau sagen können, was für ein Buch Du haben willst."

Tiefe Stille, verlegenes Spiel der Kinderhände am roten Halstuch.

Soll das Buch fürs Rechnen sein? Ein Buch, in

dem Aufgaben stehen, die Du auf der Schiefertafel aus­rechnest?"

Kopfschütteln.

Sollen die deutschen Worte darinstehn, richtig ge­schrieben; soll's ein Rechtschreidehestchen sein?"

Kopfschütteln.

Ja mein Jung', was soll es denn sein? Für welche Stunde brauchst Du denn das Buch in der Schule?"

Ah, nun erhellt sich das sorgenvolle Kindergesichtchen und freudig kommt die Antwort:

Ei, von elf bis zwölf!"

*

Zwischen vielen geputzten Leuten steht eine einfache Scheuerfrau, am Arm den Eimer. Sie will wohl ein Weih­nachtsgeschenk kaufen. Lange wartet sie auf Bedienung, nun kommt auch sie daran.

Was wünschen Sie?"

Ach, ich möcht meim Mann e Buch zu Weihnächte schenke; ich hält gern Goethes Werke in Frankfurter Mundart."

Sie meinen wohl: Stoltze."

Ja, gewwe se mer den."

*

Eine reizende, wohlgepflegte, rüstige alte Dame erscheint im Laden. Schneeweiße Haare. Kleidung einfach und vor­nehm. Sie wünscht ein Bilderbuch. Schon hat sie einen Stoß moderner Bilderbücher durchblättert. Si e se ufzt:

Ach, dqs ist alles so anders wie die schönen Bilder­bücher, die man früher hatte." Nun kommt ein entzücken­der Augenaufschlag.Wissen Sie, ich besaß in meiner Jugend so ein hübsches Buch: der Deckel war rot und es war eine schöne, schwarze Katze darauf, können Sie mir nicht dies Buch geben?" * *

Herr Müller braucht ein Konfirmationsgeschenk für seinen Sohn, der die Dichter so gem hat. Seine bestimmte Forder­ung lautet:Ich hätt' gern en Klassiker."

Die Klassiker (im weiteren Sinne) marschieren auf: Goethe, Schiller, Kleist, Grillparzer. Lessing. Eichendorff, Lenau . . .

Eifrig blättert Herr Müller und schließlich sagt er:

Gewwe Se mer irgendein, es ist ja ganz egal..." *

Neben unserer Buchhandlung führen wir auch eine Kunstabteilung. Eines Tages öffnet sich die Tür und es erscheinen Mutter nebst Tochter. Mutter in hessischer Tracht, eine verwitterte, kleine Bauersfrau; die Tochter schon Städterin, mit einem in allen Farben prangenden Hut ge­krönt.

Sag was de willst!" fordert die Mutter auf.

Ich möcht gem die Dodeinsel von Becklihn."

Gewiß mein Fräulein, die können Sie bekommen für 1, 3, 5 und teurer."

..Für eine Mark bitte."