Erscheint tögiich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1.10 mit Träger-

lohn 1.20 im Bezirks»

und 10 Lw.-Verkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsabünnements nach Verhältnis.

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Fernsprecher Nr. 29.

85. Jahrgang.

Arettag, dm 7. Juli

Fernsprecher Nr. 29.

Anzeigen-Gebühr für die einspalt. Zeile au» gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen: Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäd. Landwirt.

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K. Hbevarnt Nagold.

Bekanntmachung,

betr. die Erstellung eines Gipsofens.

Martin Lutz, Gipsmüller in Untertalheim hat die alten 219

3 Gipsösen auf Pz. daselbst abgebrochen und will an

ihre Stelle einen einzigen Gipsofen mit 3,20 bezw 3,50 m lichte Weite errichten.

Einwendungen gegen das Gesuch sind innerhalb vier­zehn Tagen beim Oberamt, wo auch Pläne und Beschrei­bungen eingesehen werden können, anzubringen. Nach Ablauf der Frist sind Einsprachen bezüglich des schwebenden Verfahrens ausgeschlossen.

Nagold, den 6. Juli 1911.

Amtmann Mayer.

Wirtschaftspolitik.

4.bu. Früher sott cs eine Zeit gegeben haben, in der Politik und Wirtschaftsleben streng voneinander getrennt werden konnten, wo also ein Stand einfach dadurch, daß er tüchtig war, alle beruflichen Fortschritte aufnahm und aus­nützte und sich haushälterischer Tugenden befleißigte, oor- wärtskain und sich einen Platz an der Sonne sicherte. Das ist heule anders geworden. Zwar leugnen die mannigfachen Interessenvertretungen ihre politische Tendenz, aber sowie sie prakt sch werden, positive Wünsche äußern und Vorschläge machen, dann kommt die Politik eben doch zum Vorschein. Das Bewußtsein, daß cs'mit persönlichem Fleiß, mit Tat­kraft und mit gutem Willen nicht allein getan ist, sondern daß cs auf die Macht ankommt, daraus:die Hand an der Klinke der Gesetzgebung zu haben", ist Gemeingut aller Völker und Stände geworden. So begreiflich diese Erschei­nung an sich ist, so bedenklich können die Folgen werden, wenn eine Ueberspannung eintritt. Diese Ueberspannung ist aber sehr leicht möglich und die Gefahr liegt nahe, daß die Hochschätzung der Tüchtigkeit und überhaupt persönlicher Leistungen verschwindet und dafür die meiste Intelligenz und Kraft allein auf die Gewinnung des gesetzgeberischen Ein­flusses verwendet werden.

Weil, wie schon gesagt, heute alle Stände in einem Lande nach der politischen Macht streben, so ist der mögliche Erfolg nur mäßig bezw. er hängt ganz allein von dem Zahlenoerhältnis der Mitläufer ab und hat mit wirklichen Werten nichts mehr zu tun. Angesichts dieser Tatsachen, daß also ein enormer Aufwand an realen und idealen Werten nötig ist, um kleine Vorteile zu erringen, ist es wohl ange­zeigt, darauf aufmerksam zu machen, daß Länder wie Deutsch­land und Oesterreich-Ungarn die Kraftquellen für ihre künf­tige Weiterentwickelung zum größten Teil außerhalb ihrer Landesgrenzen zu suchen haben. Mit anderen Worten: dicht bevölkerte Länder, die bereits auf hoher Kulturstufe stehen, können schwerlich darauf rechnen, in ihrem eigenen Besitz die notwendigen, ganz neuen und großen Erwerbs­und Absatzgebiete zu eischließen, sie müssen Verbindung mit dem Ausland suchen. Dadurch, daß sie ihre Kraft im inneren Kampf verbrauchen, schwächen sie sich aber dem Ausland gegenüber und was das schlimmste für einen großen Unter­nehmer ist, als welchen man heute jede Nation ansehen kann, sie geben durch ihre inneren politischen Streitereien dem Ausland, also gewissermaßen den Konkurrenten, oder aber den künftigen Kunden, Einblick in ihre intimsten Ge­schäftsangelegenheiten und zeigen ihre Schwächen. Unsere heutige Politik, sowohl die innere wie die äußere ist eben nichts anderes als wirtschaftlicher Kampf, denn schließlich läuft alles auf das möglichst gute Gedeihen aller Produktionszweige hinaus.

Ebensowenig wie ein großer Handelsherr oder Indu­strieller von einem eigentlichen Nutzen sprechen kann, wenn ein Zweig seines Betriebes an den anderen Ware liefert, ebensowenig haben wir, abgesehen natürlich von der in Geldes­wert verwandelten Arbeitskraft, einen nationalen Gewinn vom Warenaustausch innerhalb unseres Landes. Absolute neue Kraft erwerben wir nur dadurch, daß wir Produkte, am besten Industrieprodukte, an denen viel Arbeit hängt, an das Ausland liefern und dafür fremdes Geld herein­bekommen, unserem Dolkskörper frisches Blut zuführen. Don diesem Strom fremden Geldes profitieren wir alle, nicht nur Handel und Industrie und die Arbeiterschaft, sondern sowohl die Landwirtschaft, denn der Wohlstand ihrer in­ländischen Konsumenten wächst, als auch der Staat mit seinem Beamtenheer, denn die Steuerkraft des Volkes ver­mehrt sich allgemein und nicht wie bei wirtschaftlichen Aktionen im Inland, wo immer der Aufstieg der einen Gruppe den Abstieg der anderen nach sich zieht.

Diese Tatsachen, die jedem Menschen, der überhaupt im Erwerbsleben steht, einleuchten müssen, sollten eigentlich genügen, um uns in unseren politischen Kämpfen Mäßigung aufzuerlegen. Es ist gewiß berechtigt, daß alle Stände da­für eintreten, die Lage ihrer Angehörigen zu verbessern, aber das wichtigste ist doch, daß wir uns durch die dabei ge­führten Kämpfe nicht mehr verderben, als was wir je ge­winnen können. Wenn sich die einzelnen Stände denn schon nicht lieben können, so sollten sie sich doch achten und gegenseitig wenigstens so viel Rücksicht üben, wie es im allseitigen Interesse notwendig ist, und das wäre schon ein ganz gehöriges Maß, von dem wir jetzt leider sehr weit entfernt sind.

Württembergischer Landtag.

p Stuttgart, 6. Juli. Die Zweite Kammer ge­nehmigte in ihrer heutigen Sitzung den Rest des Finanz­etats ohne wesentliche Debatte. Es wurde sodann in die Beratung des Etats der Berkehrsanstalten eingetreten. Der Berichterstatter o. Kiene (Z.) betonte die günstige Ent­wicklung der Berkehrsanstalten, besonders der Eisenbahnen. Die Tariferhöhung habe sehr günstig gewirkt, dagegen gehe der Güterverkehr zurück. Die Ursachen liegen in dem zu geringen Anteil Württembergs am Durchgangsverkehr und in den zu großen Umleitungen speziell im Güterverkehr zu Ungunsten unseres Landes. Als Resultat ergebe sich, daß wir in Württemberg den Güterverkehr tunlichst zu steigern und zu erweitern suchen sollten und daß den Umleitungen entgegenzutreten sei. Im Ausschuß sei auch die Frage der Schaffung eines Landesfremdenverkehrsrats nach dem Vor­gang Bayerns besprochen worden, das Bedürfnis sei aber verneint worden, weil bei uns der Beirat der Berkehrsan­stalten dieselben Aufgaben erfülle. Hieraus sprach Minister­präsident Dr. v. Weizsäcker. Er führte aus: Im Jahr 1910 habe sich der Zinsbedarf bei den Eisenbahnen auf 21 Millionen belaufen, wobei jedoch schon 40 Millionen für den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs mitzuoerzinsen seien. Diese Zahlen dienten zu einer gewissen Beruhigung. Der Tilgungsbedarf "sei 3 300 000 Mark. Der Be­triebsüberschuß für 1910 übersteige die Verzinsung und Tilgung. Rechne man die Pensionen hinzu, so ergebe sich, daß man im Jahr 1910 auf die Kosten gekommen sei. Die 3. Klasse sei wieder zu ihrem Recht gekommen; die 2. Klasse sei im wesentlichen stabil geblieben. An eine weitere Erhöhung unserer Tarife sei nicht zu denken. Wenn davon ausgegangen werde, daß unsere Eisenbahnrente durch eine Steigerung des Durchgangsverkehrs erheblich erhöht werden könnte, so möchte der Minister vor allzugroßen Er­wartungen auf diesem Gebiete warnen. Eine glänzende Entwicklung der württembergischen Eisenbahnfinanzen sei vom Durchgangsverkehr nicht zu erwarten. Was die Ein­richtung kaufmännischer Buchführung im Eisenbahnbetrieb anlange, so erscheine diese nach eingehenden Untersuchungen nicht angezeigt. An dem gemäßigten Optimismus gegen­über der Weiterentwicklung unserer wirtschaftlichen Verhält­nisse, den der Ministerpräsident bei der Generaldebatte aus­gesprochen habe, halte er fest. Nachdem noch der Abg. Nübling (B. K.) darauf hingewiesen hatte, daß das Er­gebnis der württembergischen Eisenbahnen im Verhältnis zum Reichsdurchschnitt und zu anderen deutschen Bundes­staaten weniger erfreulich sei, wurden nach kurzen Bemerk­ungen des Abg. Graf-Stuttgart (Z) die Ausschußanträge bis einschließlich Titel 9 angenommen. Nächste Sitzung Freitag 9 Uhr.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

r Altensteig, 6. Juli. (Erweiterung des Elektrizitäts­werks.) In einer gestern abgehaltenen außerordentlichen Sitzung des Gemeinderats wurde beschlossen, die Erweite­rungsarbeiten und Lieferungen für das Elektrizitätswerk mit einem Aufwand von rund 40 000 ^ der Maschinenfabrik Eßlingen zu übertragen. Es wurde bestimmt, daß die Ar­beiten sofort begonnen werden und daß zuerst die Kraft­übertragung der Wasserkräfte von der Kunstmühle auf das Elektrizitätswerk erfolgen müsse. Als äußerster Termin für die Beendigung sämtlicher Arbeiten wurde der letzte Septbr. festgesetzt.

Calw, 4. Juli. Der auch in weiteren Kreisen be­kannte 68 Jahre alte Schultheiß Hanselmann in Liebels- berg feierte heute unter Beteiligung der Gemeinde und vieler Kollegen und Bekannten aus der Nachbarschaft in schöner Weise sein 40jähriges Dienstjubiläum.

r Neuenbürg, 6. Juli. (Eingemeindung.) Die bürger­lichen Kollegien haben den mit der Gemeinde Gräfenhausen abgeschlossenen Eingemeindungsvertrag einstimmig genehmigt.

Stuttgart, 6. Juli. Die Mutter der Herzogin Wera, die greise Großfürstin Alexandra Iosiphowna von Rußland ist heute früh im Alter von 81 Jahren ge­storben. Der württembergische Hof ist dadurch in tiefe Trauer versetzt worden. Im Besitz eines großen Vermögens, besaß die Großfürstin Alexandra Iosiphowna nicht nur als ältestes Mitglied der Kaiserfamilie, sondern durch ihre kluge und charaktervolle Haltung in sehr wichtigen Angelegenheiten einen bedeutenden Einfluß in dem mächtigen Hause der Romanows. Herzogin Wera erhielt die Trauerbotschaft in dem Augenblick, da sie sich anschickte, ihre alljährliche Kur in Marienbad zu beginnen.

Ein Jubelgreis. Der Kellner Louis Wolfs feierte gestern seinen 80. Geburtstag in voller geistiger Frische; er ist ununterbrochen 65 Jahre hier im Hotel Mar­quardt tätig und dürfte somit der älteste Kellner der Welt sein. Reichliche Huldigungen und namhafte Geschenke seitens der Herren Marquardt und Angestellten des Hotels wurden ihm zu teil.

Stuttgart, 6. Juli. In der Zweiten Kammer haben heute die Sozialdemokraten folgende Anfrage gestellt: Ist die Kgl. Staatsregierung bereit, Auskunft darüber zu geben 1., ob vor der Entsendung eines deutschen Kriegs­schiffs nach dem Hafen von Agadir in Marokko der Bun- desrats-Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zusammen­berufen worden ist, 2., ob sie auf Grund ausreichender In­formation diese Aktion gebilligt und sich davon überzeugt hat, daß durch sie die zurzeit bestehenden freundlichen Be­ziehungen des Deutschen Reiches zu den europäischen Mächten nicht gestört werden.

r Stuttgart, 6. Juli. (Besuch der türkischen Studien­kommission in Württemberg.) Nur wenige der türkischen Gäste sind unterwegs ausgeschieden und bereits in ihre Hei­mat zurückgereist, es kommt immer noch die stattliche Zahl von 53 Teilnehmern nach Württemberg in Begleitung ver­schiedener Berliner rc. Herren, die als Reiseleitung und Begleitung fungieren. Der Ehrenvorsitzende des Stuttgarter Komitees, Fürst Karl v. Urach, Graf v. Württemberg, hat die vorbereitenden Arbeiten des Ausschusses geleitet und gefördert, mußte aber anfangs Juni eine bereits festgelegte Reise nach dem Orient antceten und wird während der Besuchstage nicht anwesend sein. An seiner Stelle hat Geh. Kommerzienrat Ad. Schiedmayer den Vorsitz übernommen und die komplizierten Arbeiten des Komitees zu Ende ge­führt. Chefredakteur Dr. Iäckh macht als erfolgreicher Organisator in der Reiseleitung die ganze Türkenfahrt in Deutschland mit, während inzwischen das Arrangement der Einzelheiten in Stuttgart. Oberndorf, Rottweil und Fried­richshafen von der Geschäftsstelle besorgt wurde. Für die sehr kurze in Württemberg verfügbare Zeit ist ein immerhin recht stattliches Programm ermöglicht worden, das den os- manischen Gästen zweifellos ein anschauliches Bild von dem blühenden Schwabenlande geben wird.

Die Maul- und Klauenseuche ist weiter ausge­brochen in Württemberg: in Untergruppenbach OA. Heilbronn und in Schopfloch OA. Kirchheim. Erloschen ist die Seuche in der Stadt Leonberg, in Scheppach OA. Weinsberg und in Abstätterhof, Gde. Winzerhausen OA. Marbach. Ferner an den Viehhöfen zu Dresden, Hof und Mainz.

Vaihingen a. F., 7. Juli. Die derTüb. Ehr." entnommene Notiz betreff. Verhaftung des Phronologen Mattes wird hiemit auf Veranlassung des letzteren von uns dementiert. Herr Mattes hatte sich nur beim Herren­berger Stationskommandanten zu legitimieren. (S. Anzeige.)

r Trossingen, 6. Juli. (Zum Brand in Oesingen.) Der verhaftete Matthias Wölfle ist wieder auf freien Fuß gesetzt worden, dasich der Verdacht der Brandstiftung gegen ihn als grundlos erwiesen hat.

Ulm, 6. Juli. Heute vormittag 11 Uhr fand im hiesigen Krematorium die Feuerbestattung Felix Mottl statt. Die einfache Trauerfeierlichkeit ging in aller Stille vor sich. Die Oeffentlichkeit (auch die Presse) worauf ausdrücklichen Wunsch der Verwandten Mottls nicht zugelassen.

r Friedrichshafen, 6. Juli. (Das Königspaar und Gras Zeppelin.) Als der König und die Königin bei der heute vollzogenen Verlegung des Hoflagers von Bebenhausen nach Friedrichshafen mit dem Automobil über Reutlingen, die Alb, Riedlingen, Saulgau und Ravensburg hierher fuhren, stieg Graf Zeppelin nach einem in den frühen Morgenstunden bereits unternommenen kurzen Probeaufstieg um 10 Uhr vormittags nochmal mit dem Luftschiff Schwaben auf und flog dem Königspaar in der Richtung nach Ravens­burg entgegen, bis das Luftschiff das königliche Automobil