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Fernsprecher Nr. 29.

85. Jahrgang.

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Beilagen : Plauderstübchen, Illustr. Somrtagsblatt und

SchwSb. Landwirt.

Irettag, dm 23. Auni

1911

Integrität des osmanischen Reiches und die Interessen Italiens im Mittelmeer fänden in dem bestehenden Ab­kommen mit den europäischen Mächten befriedigende Garantien.

Die französischen konservativen und gemäßigt republikanischen Blätter kritisieren aufs schärfste die Aus­führungen des Kriegsministers im Senat, daß im Kriegsfall die Leitung der militärischen Unternehmungen in den Händen des Ministerrats bleiben soll. Der Kriegsminister hatte er­klärt, es gehe in Frankreich nicht an, die Verfügung über die Armee, wie in Deutschland, in eine Hand zu legen, das lasse die andere Staatsform nicht zu. Das Mini­sterium der öffentlichen Arbeiten bereitet einen Gesetzentwurf vor betreffend das Statut der Eisenbahnbeamten. Der Ent­wurf erkennt das Recht zum Ausstand an und schreibt über dessen Ausübung vor, daß der Streik nur nach einem Referen­dum mit geheimer Abstimmung erklärt werden kann. An der Abstimmung müssen die Beamten teilnehmen.

Württembergischer Landtag.

p Stuttgart, 22. Juni. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung des Iustizetats fort. Zunächst brachte der neugewählte Abgeordnete für Leonberg, Roth (B.K.) eine Reihe von Wünschen und Beschwerden vor. Er erklärte es als bedauerlich, daß das Justizministerium wegen eines imMärz" erschienenen Artikels, in welchem die Stuttgarter Strafkammer verspottet worden sei, keinen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt habe. Der Redner, der Rechtsanwalt ist, brachte dann verschiedene Fälle aus seinem Bezirk zur Sprache, wobei er eine größere Milde bei Begnadigungen wünschte, die hohen Kosten bei Milch­untersuchungen beanstandete und mitteilte, daß in einem Milchfälscherprozeß 8 Ruthesheimer Frauen für Milchunter­suchung allein über 1000 Mark zu bezahlen gehabt hätten. Er wandte sich auch gegen die Massenstrasoersolgungen wegen der Glücksspielautomalen und fand die Bestrafung der Bauern wegen Vergehen gegen die Maul- und Klauen­seuche viel zu hoch, alles Momente, die geeignet seien, nach Ansicht des Redners Sozialdemokraten zu züchten. Der Abg. Gröber (2.) hielt sodann eine ausgezeichnete Rede, in der er zunächst an die Regierung die Bitte richtete, die Zu­ziehung von Laien auch zur Berufungsinstanz nachhaltiger im Bundesrat zu vertreten. Gegenüber dem Abg. Roth bemerkte der Abg. Gröber, der während seiner Rede übrigens lebhaften Beifall von fast allen Seiten des Hauses hatte, daß die kostspieligen Milchuntersuchungen nur dadurch ent­standen seien, daß die Leute ihre Fälschungen eben bestritten haben. Die Fälschung von Nahrungsmitteln sei ein aus Gewinnsucht und Habsucht erfolgter Angriff aus die Bolks- gesundheit. Was die Einziehung der Weine bei Weinver- sälschungen anlange, so meinte Gröber, wenn eine Kontrolle dafür geboten wäre, daß beschlagnahmte Weine, wie vielfach gewünscht wurde, als Haustrunk vom Verfälscher selbst ge­noffen werden müßten, könne er sich mit dem Gedanken schon einverstanden erklären, denn das wäre für die Ver­fälscher eigentlich die wirksamste Strafe. An Hand aus­führlichen statistischen Materials legte der Redner dar, daß in Württemberg zu viel Voruntersuchungen eingeleitet und zuviel Untersuchungshaft verhängt würde. Er wünschte, daß man in solchen Fällen, in denen ein Beweis nicht

zwingend erscheine, den Grundsatz in dubio pro reo gelten lassen solle. Iustizminister v. Schmidlin bestritt zwar, daß eine Vergleichung der Maßstäbe, die Gröber angestellt hatte, zulässig sei, behielt sich aber eine Entschließung wegen eines Erlasses an die Staatsanwaltschaften vor. Die große Zahl von Voruntersuchungen in Württemberg sei nach Ansicht des Iustizministers einigermaßen auch auf Kundgebungen des Justizministeriums vom Jahr 1893 und 1899 zurück- zusühren, deren letzte der Abg. Gröber durch seine damaligen Ausführungen in der Kammer selbst veranlaßt habe. Es sprachen dann noch die Abgg. Storz (Bp.) und Mat­tu tat (Soz.), die ebenfalls eine Reihe von Einzelwünschen oorbrachten.

r Ständisches. Bei der Zweiten Kammer ist eine Anfrage des Bauernbundes eingelausen, was die Re­gierung zu tun gedenke, nm einer Weiteroerbreitung der Maul- und Klauenseuche durch die Manöver Einhalt zu tun.

x Stuttgart, 22. Juni. Die Erste Kammer be­gann in ihrer heutigen Sitzung mit der Etatberatung. Dabei wies Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker daraus hin, daß der Betriebsüberschuß der Staatseisenbahnen im Jahr 1910 die bis jetzt noch nie erreichte Summe von 26 Millionen Mark aufzuweisen gehabt habe. Minister v. Pischek äußerte sich zu der Frage der Neckarkanalisierung.

Tages-Neuigkeiten.

Ans Stadt und Land.

Nagold, 23. Juni 1911.

* Vom Rathaus. Gemeinsame Sitzung der bürgerlichen Kollegien. ^9 Uhr Gemeinderat allein. Beschlossen wird sich in einer gegen die Stadtgemeinde geltend gemachten Haftpflichtsache wegen Ausrutschens und Fullens aus einer Treppe des Farrenstallgebäudes ablehnend zu verhalten, da nicht ein Haftpflichtfall sondern ein reiner Unglücksfall vorliegt. Kgl. Oberamt teilt mit, daß dem Käufer des Gasth. z. Bären, Schwenk, die Wirtschafts- Konzession erteilt wurde. Beschlossen wird ein Karussell auf Ansuchen des Besitzers zum Kinderfest zuzulassen gegen ein Platzgeld von 100 Mitgeteilt wird, daß die

Stadtgemeinde von der Hagelversicherungsprämie von 1244 ^ für 177 Güterbesitzer und 86 305 ^ Bersicherungsan- schlag einem Beschluß der bürgerlichen Kollegien gemäß 30°/v mit 373 45 ^ übernimmt.

9 Uhr Gemeinderat und Bürgerausschuß. Zur Beratung kommt die Automobilverbindung Herrenberg- Nagold-Haiterbach. In dieser Sache haben schon mehr­fach Verhandlungen stattgefunden, welchen der Vorsitzende beigewohnt hat. Derselbe trägt an der Hand der oberamtl. Erlasse vom 10. und 17. Juni 1911, welche verlesen werden, den wesentlichen Inhalt dieser Verhandlungen vor.

Hienach sind, wie schon in einem früheren Bericht un­seres Blattes mitgeteilt wurde, zunächst Probefahrten in der Zeit vom 15. Juli bis 15. Septbr. also für 2 Monate mit täglich 3 Fahrten ausgehend von Haiterbach vorgesehen.

Es wird angenommen, daß bei jeder Fahrt durch­schnittlich 5 Personen befördert werden und daß unter Zu­grundelegung eines aufgerundeten Fahrpreises von 7 ^ pro Kilometer pro Tag durchschnittlich 55 eingehen, während

K. Hbevarnt Wagokd. Bekanntmachung,

stetr. Abhaltung einer Lotterie durch die Stadtgemeinde Wildberg.

Durch Beschluß des Bezirksrats vom 3. Juni ds. Is. ist'der Stadtgemeinde Wildberg die Erlaubnis zur Veran­staltung einer Lotterie anläßlich des Schäferlaufs am 21. Eept. d. Is. und zwar mit 600 Losen zu 50 ^ und 45 Ge­winnen im Wert von 185 ^ genehmigt worden.

Nagold, 22. Juni 1911.

I. V.: Mayer, Amtmann.

Bei der kürzlich oorgenommenen ersten höheren Iustizdienst- prüfung sind u. a. nachgenannte Kandidaten für befähigt erkannt worden:Kurt Buhler von Altensteig,fHermann Hudervon Emmingen.

Politische UebersichL.

Vertreter der Landesverbände der Gemeinde-

beamlen-Verbände im Deutschen Reich hielten in Frankfurt a. M. eine Versammlung ab, um über die Gründung eines Bundes deutscher Gemeindebeamten zu beraten. Hierbei war auch der Verein Thüringer Gemeindedeamten vertreten. Zweck der Vereinigung sott sein die Förderung der wirt­schaftlichen, geistigen und sozialen Interessen der deutschen Gemeindsbeamten und die Anbahnung, Pflege und Erhal­tung guter nachbarlicher Beziehungen zwischen den Amts­genossen in ganz Deutschland. Folgende Beschlüsse wurden gefaßt'. 1. Die Versammlung spricht sich grundsätzlich und einmütig für den engeren Zusammenschluß der Gemeinde­beamtenoerbände Deutschlands aus. 2. Die endgültige Be­schlußfassung hat auf einem im Herbst d. I. in München stattfindenden deutschen Gemeindebeamtentag zu erfolgen.

Die italienische Kammerkommission für das Bersicherungsmonopol beantragt einige Änderungen der Vorlage. Die Strafbestimmung gegen Italiener, die sich im Ausland versichern, soll ersetzt werden durch eine solche gegen ausländische Agenten, die in Italien arbeiten. Ferner sollen Versicherte von den Gesellschaften die Rückzahlung ihrer Prämien und kapitalisierten Zinsen fordern können. Die Gesellschaften müssen die Sterblichkeitstabcllen und Zinsrechnungen einreichen. Der Handelsminister prüft auf Grund dessen und der Bücher der Gesellschaften deren Ge­schäftslage. Wenn sie einwandfrei ist, muß das zu gründende Naüonalinstitut auf Begehren einer Gesellschaft deren Porte­feuille übernehmen.

r Bei der Beratung des Budgets des Mini­steriums des Äußern erklärte Marquis die San Giuliano, die großen Linien der auswärtigen Politik Italiens seien eine notwendige Folge der Lage der Dinge und änderten sich nicht, wenn sich die Regierungen änderten. Italien bleibe bei seiner festen Politik der Bündnistreue, die ver­vollständigt werde durch seine Freundschaft mit anderen Mächten. In Betreff der Behauptungen Guicciardinis, daß Italien tatsächlich isoliert sei. erklärte er im vollen Bewußt­sein seiner Verantwortlichkeit, er teile diese Ansicht nicht. Guicciardini könne keine einzige Tatsache zur Bekräftigung seiner Behauptung onführen. In Bezug aus die Tripolis­frage könnten seine Erklärungen nicht von jenen seiner Vor­gänger abweichen. Die italienische Politik beruhe auf der

Neue Bismarckiana.

(Schluß.) (Nachdr. verb.)

Aus dem September 1892 kann Poschinger einige Aeußerungen Bismarcks Mitteilen, die ein doppeltes Interesse beanspruchen: erstlich, weil sie Ausschluß über die bekannte kaiserliche Bildunterschrift .Oavs Läsuml« geben, sodann aber, weil sie auch für Bismarcks Stellung zu den auch jetzt wieder so viel erörterten Schulfragen charakteristisch sind. Die Unterhaltung Bismarcks mit seinem Gast drehte sich um die auf Veranlassung des Kaisers beschlossene Re­organisation der Gymnasien, besonders die Vermehrung des Unterrichtes in den realistischen Fächern auf Kosten der alten Sprachen. Bismarck:Ich halte das für etwas Vorüber­gehendes: der Deutsche läßt sich seinen Idealismus nicht rauben. Uebrigens schätzt auch der Kaiser den Wert der alten Sprachen zu gering, weil er sie zu wenig kennt, und was man nicht kennt, liebt man nicht. Das kann ich Ihnen beweisen: Prinz Wilhelm schenkte mir, als ich noch sein volles Vertrauen besaß Sie werden mir Zutrauen, daß ich mich darin nicht täuschte, sein Bild mit der Unter­schrift: e»vs aäsum! Er wollte offenbar sagen: dviw sis nnimo oder voll mstasr« oder ähnliches. Cie sehen: Latein kann er nicht."

Im August 1893 sah Bismarck einen interessanten Gast

bei sich. Es war das Haupt der englischen Iungkonser- vativen. Lord Randolph Churchill. In der Unterhaltung mit ihm äußerte sich Bismarck über Persönlichkeiten und Ereignisse der auswärtigen Politik: in den nach des Lords Tode erschienenen Lebenserinnerungen ist über diese Bericht gegeben. Das Gespräch begann mit Kissingen, dann sprach Bismarck vom Kaiser Wilhelm I., ob Gastein sein Leben einige Jahre verlängert habe. Er gab das vollständig zu. Dom Kaiser sprechend brauchte er immer den Ausdruck mein alter Herr". Churchill lenkte die Konversation dann auf Siam, daran anknüpfend auf Jules Ferry. Bismarck bedauerte seinen Verlust und sagte, daß Ferry der beste Mann war. den Frankreich seit Jahren gehabt habe. Er scherzte ein bißchen über seine Erscheinung, langen Backen­bart usw. und erzählte dann, daß es nach seiner Meinung, wenn Ferry an der Macht geblieben wäre, zu einem sehr guten Arrangement und Vernehmen zwischen Deutschen und Franzosen gekommen wäre. Er sei selbst nahe daran ge­wesen, ein Abkommen mit Ferry zu schließen, wonach Frankreich in freundlichen und friedlichen Beziehungen zu Deutschland bleiben, und er Frankreich in Tunis, Siam und überhaupt bei der Kolonisierung im Osten unterstützen sollte. Er lobte dann Roseberry, beschrieb ihn als eine gute Misch­ung von Willen und Vorsicht und meinte, daß er von allen englischen Staatsmännern der bescheidenste uud ruhigste in seiner Politik und Haltung sei. Auf Gladstone zu

sprechen kommend, rühmte Bismarck seine Beredsamkeit, aber er sei immer wie ein unlenkbares Pferd gewesen, auf dem mit keinem Zauin zu reiten, aus das in keiner Weise Verlaß war.Ich wäre sehr beunruhigt und ängstlich, wenn ein Mann wie Gladstone Deutschland regierte."

Den Abschluß unserer Mitteilungen mag die tief er­greifende Unterredung bilden, die Bismarck am 24. Febr. 1895 mit Iahnke über das Glück hatte. Gelegentlich eines Besuches in Friedrichsruh sagte, angesichts der heiteren Stimmung und des in rüstiger Frische erglänzenden Ant­litzes des greisen Helden, einer der Gäste zu Bismarck: Durchlaucht sind doch ein glücklicher Mann." Bismarck: Glücklich? Meine Herren, was nennen Sie glücklich? Ein glücklicher Mann bin ich selten gewesen. Wenn ich die spärlichen Minuten wahren Glückes zusammenzähle, so kommen nicht mehr als 24 Stunden im ganzen heraus. Die Glücksempfindung dauert immer nur Augenblicke, Minuten höchstens, dann ist sie verrauscht, abgeschalt. So besinne ich mich auf Augenblicke, glücklich gewesen zu sein, wie ich als Junge meinen ersten Hasen schoß, dann ferner, als ich von meiner Johanna das Jawort erhielt, oder wenn ich als Land- und Forstwirt meine Rieselwiesen und meine jungen Waldkulturen gedeihen sah, da habe ich mich ge­freut. da bin ich oft glücklich gewesen. In der Politik, meine Herren, meinen Sie, hätte ich Glück gehabt? In der Politik gibt es für den, der sie treibt, wie ich sie habe