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blicke ein kurzes Geräusch; jetzt ist deutlich die Stimme eines Herrn vernehm­lich ; er kündigt der versammelten Gesellschaft an, es wird vorgetragen eine Gavotte durch Joachim. Ein paar Augenblicke und wir hören den Ton von Joachims berühmtem Instrument etwa so, wie wenn wir^nur einige Meter von ihm entfernt, aber durch einen dünnen Vorhang getrennt wären. Wir hören jeden Ton, das feinste Pianissimo bis zu den Doppelgriffen des be­rühmten Meisters. Nun kommt die Kadenz. Jetzt Pause von einer Sekunde und nun bricht hunderlstimmig der Beifall los; in dem Sturme können wir einzelne Stimmen ganz deutlich erkennen. Die erste Nummer des Konzerts ist vorüber. Es wird nun ein zweiter Wachscylinder aufgestellt. Ein Herr tritt vor: er kündigt einen Gruß an Schwaben an, gesungen von Fräulein Leisinger. Das Piano beginnt mit den ersten Akkorden und nun hebt die Stimme an : Mei Muetter mag mi net u. s. w. Wieder eine Pause von einer halben Sekunde. Jetzt bricht der Beifallssturm los, hunderrstimmig rufen die Zuhörer: Bravo. Dacapo bis I Eine Menge einzelner Stimmen lassen sich m dem Jubel Aller unterscheiden. Da ist's ja selbstverständlich, daß sich während des Gesangs auch die pianissimo gespielte Begleitung vernehmlich gemacht hat. Das ForteWarum stirb i net" undHent ihr des Mädle kennt" ist, so wie es der Fonograf wiedergibt, von fast unangenehmer Stärke. Man vermag den Fonografen noch nicht von allen Mängeln frei zu sprechen. Aber gerade einzelne irrige Töne sind es, welche seine anderen großartigsten Eigenschaften ins hellste Licht setzen. Er ist das Wunderwerk unseres Jahr­zehntes und gerade wer sich der Leistungen des Urbildes von 1878 erinnert, findet nicht Worte genug, um die Größe des Fortschrittes in den wenigen Jahren zu schildern. Man ist nun im Bazar damit beschäftigt, einige dem Publikum bekannte und sympathische Stimmen auf die Walze zu bringen, so daß die Hörer selbst dre Richtigkeit über die Wiedergabe des Fonografen kontrolieren können. Schw. M.

Oeschelbronn, OA. Herrenberg, 29. Okt. Letzten Samstag abend kam Küfer W. in betrunkenem Zustand nach Hause und verlangte, feine Frau, die schon zu Bette lag, sollte ihm die Stiefel ausziehen. Als sie dies zu thun sich weigerte, nahm W. ein Messer, schnitt die Stiesel auf, nahm dieselben und schlug damit auf seine Frau los. Die 13 Jahr alte Tochter wollte der Mutter zu Hilfe kommen und deckte dieselbe mit ihrem Körper. Nun schlug der rasende Vater das Mädchen mit den Stiefelabsätzen fortgesetzt auf den Kopf, der infolgedessen derart angeschwollen ist, daß er die doppelte Größe hat. Nach Aussage des Arztes dürfte an ein Aufkommen des Mädchens nicht zu denken sein.

Ulm, 30. Okt. Heute früh wurde auf dem hiesigen Babnhof ein junger Mensch aufgegriffen, der sich über Ziel und Zweck seiner Reise nicht gehörig auszuweisen vermochte. Auf dem Wege zur Polizeiwache suchte der Bursche, in dessen Besitz ca. 22 vorgefunden worden waren, zu entfliehen, wurde aber eingeholt und gestand nun bei seiner Vernehmung ein, daß er seinem Dienstherrn in Durlach, 52 am letzten Montag unterschlagen habe und mit denselben flüchtig geworden sei.

Berlin, 29. Okt. Eine der seltsamsten Figuren ist vorgestern, wie dieNordd. Allg. Ztg." berichtet, mit der Katzenmutter aus der Reihe der Berliner Originale geschieden. Die Verstorbene, Frau CH. Curth, war die Besitzerin des Hauses Linienstraße 13 und dis absonderlichste Hauswirtin, die es je gegeben hat. Ihren Beinamen hatte sie von ihren Lieblingstieren, deren sie sich eine große Menge hielt. Seit etwa 20 Jahren durfte niemand die Wohnung der alten Frau betreten, die Mieter mußten die Miete durch einen Thürritz in die Küche ihrer Wirtin werfen. Neu hinzutretende Haus- bewohner erschrocken oft, wenn sie in der Nacht auf der Treppe eine hagere weißgekleidete Gestaltkauern" sahen und in dem hüstelnden Gespenst ihre Wirtin erkannten, die allnächtlich das Haus vom Keller bis zum Boden revi­dierte. Die Frau, welche eine Wohnung von 5 Zimmern inne hatte, betrat ihre Wohnräume nie, sondern wohnte seit dem vor langen Jahren erfolgten

Tode ihres Gatten in einem kleinen Zimmer. Sie lebte trotz ihrer ansehn­lichen Vermögens ärmlich. Armen und Bedürftigen gegenüber war sie aber wohlthätig. Nach ihrem Tode fand man die Kleinoden in Lumpen gehüllt hinter dem Ofen ihrer Schlaskammsr liegend; das stattliche Haus fällt dem Joachimsthal'schen Gymnasium zu und zwar angeblich deswegen, weil der verstorbene Gatte der sonderlichen Frau eineFreistelle" in der Lehranstalt gehabt hatte.

Berlin, 29. Okt. Der Buchhalter eine« hiesigen Bankgeschäftes, Otto Doehring, ist mit Effekten im Werte von 90,000 durchgegangen.

Berlin, 31. Okt. Ein schreckliches Brandunglück ereignete sich heute Vormittag kurz nach 11 Uhr in der Swinemünderstraß; Nr. 33. Dichter Rauch, der aus einer verschlossenen Wohnung drang, vsranlaßte die Haus­bewohner, die Feuerwehr zu alarmieren. Als man in die Wohnung eindrang, fand man die 84jähriqe Inhaberin in dem von den Flammen erfaßten, in der Küche stehenden Bette verbrannt vor.

Winzenheim, (Elsaß). 28. Okt. Em schreckliches Unglück traf heute die Familie des Klempners Baptist von hier. Baptist, der mit 2 fremden Pferden Dünger an seine Reben führte, wurde von einem der Pferde so unglücklich geschlagen, daß er nach 10 Minuten eine Leichs war. Ein sonderbarer Diebstahl wurde gestern abend im Rathruse hier verübt. Im Bureau, das sich gerade über dem Wachtlokal befindet, wurden über 120 in Silber aus der Kaffs gestohlen Das Gold aber, das daneben lag, blieb unberührt. Ein genügsamer Dieb!

Athen, 1. Nov. Bei dem gestrigen Diner an Bord des englischen Admiralschiffes drückte der Kaiserin seine Befriedigung über die Zugehörigkeit zur englischen Marine aus und trank auf das Wohl der britischen Flotte.

Konstantinopel, 1. Nov. Die ZeitungTank" begrüßt die Ankuft Kaiser Wilhelms als ein glückliches Ereignis für die Türkei und erblickt in dem Besuch des Kaisers einen Beweis, daß Deutschland dis weise Politik des Sultans billige. Seit Friedrich dem Großen erfreue sich die Türkei der Sympathie Deutschlands. Der Kaiser werde mit großer Herzlichkeit empfangen werden. Dis Zusammenkunft der beiden Monarchen werde die guten Beziehungen zwischen den beiden Reichen befestigen. Deutsch­land strebe nach Aufrechterhaltung des Friedens, die Türkei verfolge dieselbe. Aufgabe, indem sie eine strikte Neutralität beobachte.

Konstantinopel, 2. Nov. Der Kaiser und die Kaiserin trafen 11 Uhr vormittags ein und wurden von den tückischen Kriegsschiffen mit Kanonensalut begrüßt, welcher von den deutschen Schiffen geantwortet wurde. An der Landungsstells Dolmabagdsche empfing der Sultan die hohen Gäste. Die Begrüßung gestaltete sich außerordentlich herzlich. Graf Herbert Bismarck wurde vom Sultan besonders ausgezeichnet. Die Majestäten fuhren sodann nach dem Mdizpalast. im ersten Wagen die Kaiserin und der Sultan, im zweiten Wagen der Kaffer und Prinz Heinrich._ -

Gewiß ist es für Jedermann von größtem Intereste das Urteil eines Arztes zu hören, welcher sich 8 Jahre lang mit den Apotheker Rich. Brandt's Schweizerpillen beschäftigt hat und über dieselben Folgendes schreibt: Aerztliches Zeugnis. Nach acht­jähriger eigener Beobachtung und nach Hunderten von Zeugnissen von Patienten meiner Anstalt, welche bei habitueller Stuhlanhaltung verschiedenster Ursachen die Apotheker Richard Brandt'schen Schweizerpillen mit Erfolg gebrauchten, halte ich dieselben vor allen anderen zu gleichem Zwecke medizinisch verordneten Pillen für die am sichersten wirkenden und auch nach langem Gebrauche die Magen- und Darmschleimhaut als am wenigsten reizen. Zürich, Dr. F. Ineichen, dirigierender Arzt der Dr. Wiel'schen diätetischen Anstalt für Magen- und Darmkranke. Die Apotheker Richard Brandt's Schweizerpillen sind in den Apotheken L 1 vorrätig, doch achte man genau auf das weiße Kreuz in rotem Felde und den Vornamen. ^

Des Kindes liebstes Spiel. So lautet der Titel eines uns vorliegenden kleinen Buches, das die Beachtung aller Eltern und Erzieher verdient, die für ihre Kinder ein unterhaltendes und gleichzeitig belehrendes Spiel anzuschaffen wünschen. ES enthält viele erläuternde Abbildungen und zahlreiche Gutachten angesehener Personen, und wird auf Verlangen franko übersandt von F. Ad. Richter u. Cie. in Rudolstadt.

Molchen Schmidt!"Blochs Wilhelm!"Der kleine Heidenreich!" u. s. w., und eines oder das andere dieser Kinder sah, den Finger im Mund, oder die Hände in der Tasche mit dummem, blödem Gesicht in das Auditorium, in dem die Mutter saß, stolz, daß ihr Carl so schönmitspielte".

Wie dem Leser aus der Sage erinnerlich sein wird, hat der Rattenfänger aus Rache, weil ihm der Magistrat die stipulierten Goldgulden für seine Feldjägerdienste verweigerte, die gesamten Kinder von Hameln durch die Macht seiner Flöte hier also durch die Geige aus der Stadt zu locken vermocht und sie dann in einen Berg, den sogenannten Klütberg, gesperrt. Die Herstellung dieses Berges hat der Direktion viele Kopfschmerzen bereitet: aber sie hatte Pecher, und Pecher wußte immer, wie auch hier, Rat. Er nahni einen alten Garten-Prospekt und malte auf dessen Rückseite etwas, was ein Kurzsichtiger wohl im Dunkeln für ein Gebirge halten konnte.

Um den Eingang in den Berg zu schaffen, trennte der inventöse Mann die in der Mitte der Leinwand befindliche Rat am unteren Ende einige Meter auf, und durch die so erzeugte Spalte wurden die Kinder einzeln, den Kopf voran, in den Berg gesteckt.

Es ist kaum zu beschreiben, welche unendlich komische Wirkung durch dieses Verfahren erzielt wurde, indem man die Kinder dem Publikum von der Seite präsen­tierte, welche nach Wieland keine Augen hat.

Zuletzt kroch auch der Rattenfänger in das Loch, und als die verzweifelten Mütter von Hameln mit ihren Angehörigen herbeieilten, und bei dem fernen Gesang der Kinder in dem Berge, an dem sich auch einige Bassisten, der Direktor und Kapellmeister u. s. w. beteiligten, jammernd auf die Knie sanken, da erschien in der Spalte das teuflisch triumphierende Gesicht des Rattenfängers, der unter jedem Arm einen Kinderkopf hielt und in dieser Gruppe, beleuchtet durch Rotfeuer, welches noch immer in der Provinz seine Schuldigkeit thut, fiel der Vorhang, und das Pub­likum, im höchsten Grade befriedigt, verließ laut lärmend das Theater.

Herr Albrecht und seine Tochter hatten die Freundlichkeit gehabt, mir zu ge­statten, daß ich sie nach Hause begleiten durfte. Eine Einladung des Onkels, noch an der projektierten Unterhaltung teil zu nehmen, hatten sie leider abgelehnt, da

Frau Albrecht, die etwas leidend, beide erwartete. Ich war glücklich, als ich den Arm des lieben Mädchens indem meinen fühlte, und bedauerte nur, daß der Weg so kurz war. Vor dem Hause nahmen wir einen mehr als höflichen Abschied, und ich bat um die Erlaubnis, morgen meine Visite machen zu dürfen, um mich zu erkundigen, wie die Vorstellung bekommen, was mir lachend zugestanden wurde.

Also Punkt 11 Uhr werde ich bei Ihnen sein!" rief ich mit einer Verbeug­ung und wendete mich zum Gehen; doch Rosa rief mich zurück und flüsterte mir schelmisch lachend zu:

Lassen Sie sich nur heute abend nichtfesthalten in allen Stunden" von der schönen Anna!"

Ich wollte etwas erwidern, doch sie war rasch in das Haus geschlüpft, welches hinter ihr geschlossen wurde und entzückt, hingerissen von dem lieben, so natürlichen Mädchen, blickte ich noch lange sinnend zu den Fenstern, hinter denen sich Lichter hin- und her bewegten und ihre Nähe verkündeten. Am liebsten wäre ich mit meinen Gedanken allein geblieben aber der Onkel erwartete mich ja, und so blieb mir denn nichts übrig, als mich loszureißen und seufzend nach dem Theater zurückzukehren.

III.

In einem ziemlich großen Zimmer saßen um eine lange Tafel, welcher Direktor Stopfmann auf einem alten Ledersopha präsidierte, die eingeladenen Mitglieder der Bühne und verschiedene Kunstfreunde der Stadt, allen voran der Onkel als Spender, oder, wie es in der Kunstsprache heißt, alsWohlthäter" einer soeben aufgelegten Tonne Bier und diverser großen Schüsseln belegter Butterbröde.

Man hatte bunte Reihen gemacht, jedoch diejenigen Mitglieder der Gesellschaft, welche nicht der Familie Stopfmann angehörten, es waren deren fünf an das untere Ende der Tafel zu setzen, für gut befunden, ein Arrangement, welches die Direktion getroffen, die unter allen Umständen eine gewisse Rangordnung zu bewahren wußte.

(Fortsetzung folgt.)