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Fernsprecher Nr. 28.
85. Jahrgang.
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Beilagen. Plauderstübchen, Illustr. Sonutagsblatt und
Schwöb. Landwirt.
U 123
Wontag, dm 29. Wai
1911
Bekanntmachungen der K. Zentralstelle.
Handwerkerkurse.
Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt, in den Monaten Juli und Äugust d. I. folgende Kurse abzuhalten:
1. für Schneider einen Kurs im Musterzeichnen, Zuschneiden, Materiallehre und Verarbeitung eines ganzen Anzugs, Dauer 4 Wochen;
2. für Schuhmacher einen Kurs im Maßnehmen, Musterzeichnen, Fellauszeichnen, Zuschneiden und Anfertigen ganzer Schäfte, Dauer 3 Wochen;
3. für Buchbinder Kurse:
s) im Marmorieren (Kleisteroerfahren, Tunkverfahren), Dauer 6 Tage;
d) im Hand- und Preßvergolden (einschließlich Folien- und Farbendruck), Dauer 5 Wochen.
Die Kurse finden in Stuttgart statt. Kurse für Schneider und Schuhmacher können auch an einem auswärtigen Ort abgehalten werden, wenn daselbst geeignete Unterrichtsräume samt Heizung, Beleuchtung und Reinigung und das erforderliche Mobiliar unentgeltlich zur Verfügung stehen und eine genügende Beteiligung sichergestellt ist.
Der Unterricht in den Kursen ist ganztägig: die Teilnehmer haben während der ganzen Unterrichtsdauer im Unterrichtsraum anwesend zu sein.
Zu den Kursen werden im Land ansässige, selbstständige Handwerker und ältere Gesellen, in erster Linie solche, die sich selbständig zu machen im Begriff sind, zugelassen.
Für die Teilnahme an den Kursen wird ein Unterrichtsgeld nicht erhoben. Außerhalb des Kursortes wohnenden minderbemittelten Teilnehmern wird auf Ansuchen ein Beitrag zur einmaligen Her- und Rückreise an den Ort der Abhaltung des Kurses gewährt. Besonders bedürftigen, nicht am Kursort oder seiner näheren Umgebung wohnhaften Kursteilnehmern kann außerdem noch eine Unterstützung zu ihrem Mehraufwand für den Aufenthalt am Kursort gereicht werden, wenn ihre besondere Bedürftigkeit nachgewiesen wird und der Kurs länger als eine Woche dauert. Gesuche um Unterstützungen sind gleich bei der Anmeldung anzubringen, nachträglich vorgebrachte Gesuche können in der Regel nicht mehr berücksichtigt werden.
Anmeldungen zur Teilnahme an den Kursen sind durch Vermittlung der Gemeindebehörde des Wohnorts oder durch Vermittlung des Vorstandes einer örtlichen gewerblichen Vereinigung bis spätestens 12. Juni 1911 an die Zentralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart einzureichen. Die! Gemeindebehörden und die Vorstände der gewerblichen Bereinigungen werden ersucht, die Anmeldungen für jeden Kurs gesondert vorzulegen und bei der Borlage der Anmeldungen sich darüber zu äußern, ob die Angemeldeten nach ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten voraussichtlich in der Lage sind, mit Erfolg sich au den Kursen zu beteiligen und ob ihre Zulassung befürwortet werden kann. Soweit die Angemeldeten wegen besonderer Bedürftigkeit um eine Unterstützung zu den Kosten des Aufenthalts am Kursort nachsuchen, wird ersucht, bei der Vorlage der Anmeldungen auch Auskunft über Bedürftigkeit unter Angabe der Vermögensverhältnisse der Angemeldeten bezm. deren Eltern zu geben.
Aus den Anmeldungen sollen im übrigen ersichtlich sein, Namen, Berus, Berufsstellung (ob selbständig oder Geselle). Wohnort und Alter der Angemeldeten.
Die Gemeindebehörden und die gewerblichen Vereinigungen werden ersucht, die beteiligten Handwerker auf die Kurse aufmerksam zu machen.
Stuttgart, den 15. Mai 1911. Mosthaf.
Landesausstellung von Lehrlingsarbeiten.
Die Ausstellung von Lehrlingsarbeiten findet im neuen Ausstellungsgebäude der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Kanzleistraße Nr. 28, statt.
Sie wird am Sonntag, den 21. Mai eröffnet und dauert bis Montag, den 5. Juni, einschließlich. An den Sonntagen und am Pfingstmontag ist die Ausstellung von 11—3 Uhr geöffnet. Am Pfingstsonntag bleibt sie geschloffen.
Stuttgart, den 15. Mai 1911. Mosthaf.
Politische Uebersicht.
Eine Novelle zum Zündwarensteuergesetz, die
der Zündwarenindustrie die Ueberwindung der vorhandenen Schwierigkeiten erleichtern soll, ist dem Reichstag zugegangen und steht heute bereits zur Beratung. Bisher sollte nach 8 3 des Gesetzes innerhalb von 5 Jahren eine Erhöhung de^ Steuer um 20 °/g eintreten für Zündwaren, die in Fabriken
hergestellt sind, die entweder erst nach dem 1. Funi 1909 betriebsfähig hergerichtet sind, oder die ein Iahreserzeugnis, das das nachweisliche Durchschnittserzeugnis der letzten drei Jahre übersteigt, erzielt haben. Durch die Novelle soll jene 5jährige Schutzfrist gegen den Wettbewerb neuer Fabriken in eine 10jährige verwandelt werden. Außerdem sollen die Kontingente der bestehenden Fabriken soweit herabgesetzt werden, daß sie dem Fnlandsoerbrauch an Zündwaren entsprechen. Dabei sollen aber die Verhältnisse der kleinen und mittleren Fabriken berücksichtigt und es soll die Möglichkeit geschaffen werden, eine verhältnismäßig geringe Kürzung oder, besonders für die kleinen Betriebe überhaupt keine Kürzung des Kontingents eintreten zu lassen. Die Herabsetzung des Kontingents soll also nicht gleichmäßig für alle Zündwarensabriken erfolgen, da sie ja nach dem Umfang des Betriebs verschiedenartig wirke. Deshalb sollen auch die erforderlichen Maßregeln dem Bundesrat überlassen bleiben, der eine Prüfung der Verhältnisse der einzelnen Fabriken vornehmen soll. Ueber seine Maßregeln zur Herabsetzung des Kontingents soll der Bundesrat dem Reichstag Mitteilung machen.
Der Bruch zwischen Zentrum und reichsländischen Klerikalen wegen der Stellungnahme in der Ber- faffungssrage tritt immer offener zutag. Die reichsländischen Reichstagsabgeordneten Delsor, Wetterle und Hauß haben jetzt ihren Austritt aus der Zentrumspartei erklärt.
Zwischen Deutschland und Belgien finden gegenwärtig Erörterungen über den belgischen Zolltarif statt. Es handelt sich nur um die Umwandlung von Wertzöllen in gleichartige Gewichtszölle. Belgien hat nach dem geltenden Handelsvertrag sich das Recht Vorbehalten, eine Umwandlung vorzunehmen. Sie bedarf der Zustimmung der deutschen Regierung.
Die Handelsbeziehungen Deutschlands zu
Japan gehen einem kritischen Zeitpunkt entgegen. Am 17. Juli läuft unser Handelsvertrag vom 4. April 1896 nebst der Nachtragskonvention vom Jahr 1898 ab, nachdem er von Japan bereits im vorigen Jahr gekündigt worden ist. Gleichzeitig tritt an demselben Tag der neue Zolltarif in Kraft den Japan zur Förderung seiner industriellen Entwicklung und zur Eindämmung der Zufuhren aus dem Ausland sich zugelegt hat. Es wird also zu dem angegebenen Zeittermin ein vertragsloser Zustand auf handelspolitischem Gebiet zwischen beiden Staaten Platz greifen. Da der Reichstag in einigen Tagen sich bis zum Oktober zu vertagen beabsichtigt, so ist dahin Vorkehrung zu treffen, daß ein in der Zwischenzeit etwa vereinbarter Handelsvertrag ohne Verzögerung in Kraft gesetzt werden kann. Die sofortige Einberufung des Reichstages nur zu diesem Zweck würde erhebliche Umständlichkeit verursachen. Daher wird in Berlin der Gedanke erwogen, ad hoc ein Notgesetz zu schaffen, um der Regierung zu ermöglichen, einen rechtskräftigen Vertrag unter Vorbehalt späterer Genehmigung seitens des Reichstags nicht nur abzuschließen, sondern auch zur praktischenAnwendung zu bringen.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 26. Mai.
Zunächst wurde das Diätengesetz für die Herbst- sefsion in erster und zweiter Lesung angenommen, nachdem Bebel (S.), Bassermann (n.) und Müller-Meiningen (f. Vp.) die Schaffung eines Diätengesetzes für dringend notwendig bezeichnet hatten.
Nach kurzer Debatte wird auch der Gesetzentwurf über die Kontingentierung der Zündwarensteuer in erster und zweiter Lesung angenommen.
Hierauf folgt die dritte Lesung der elaß-lothringischen Verfassungs-Vorlage.
Winkler (k.) gibt nochmals eine Erklärung über den ablehnenden Standpunkt seiner Pattei ab, dabei betonend, daß seine Partei weder der Regierung noch den anderen Parteien den Weg zu einer Verständigung nicht erschweren wollten.
Zehnter (Z.) hebt das ersprießliche Zusammenarbeiten zwischen Zentrum und Konservativen hervor, doch dies könne seine Pattei nicht abhalten, den von ihr als richtig erkannten Weg, dieses Mal ohne Mitwirkung der Konservativen zu gehen und für das Gesetz zu stimmen.
Dr. Frank (S.) verliest die Erklärung seiner Fraktion, in der es heißt: Die sozialdemokratische Fraktion bedauert lebhaft die Übertragung der Staatsgewalt auf den Kaiser und die Errichtung einer ersten Kammer, ebenso die Aufenthalts- und Wohnsitz-Bedingungen, an die die Ausübung des an sich demokratischen Wahlrechts geknüpft werden, aber das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht wird der Bolkswille auch aeaen
und Kaisergewalt durchsetzen und die Folgerungen werden auch in den zurückgebliebenen Bundesstaaten nicht aus- bleiben. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt deshalb für die Berfassungsvorlage.
Dr. Müller-Meiningen (f. Vp.) verliest eine Erklärung seiner Fraktion, in der es heißt: Wir haben in der Kommission schwere Bedenken gegen die Einzelheiten der Vorlage, vor allem gegen die erste Kammer, gegen die Regel der Wohnsitzklausel und die Wahlrechtseinteilung vorgebracht. Trotzdem haben wir in zweiter Lesung unverändert für alle Bestimmungen gestimmt, weil sie eben ein Kompromiß waren. Wir werden ebenso einmütig auch in dritter Lesung für Verfassung und Wahlgesetz eintreten. Möge die Bor- lage ein Schritt sein zur Erreichung des Zieles, daß Altdeutschland und das Reichsland nicht bloß ein politischer Körper, sondern auch eine politische Seele sind. (Lebhafter Beifall links).
Beck (n.): Wenn die Gestaltung, die die Gesetze nun gefunden haben, auch nicht in allen Teilen unseren Wünschen entspricht, so sehen wir darin doch einen großen Fortschritt für das Reich und das Reichsland und wenn es ein Sprung ins Dunkle ist, so wird er doch weder das Reich noch Elsaß-Lothringen gefährden. Wir hoffen, daß das Gesetz weiter dazu beitragen wird, Elsaß-Lothringen noch inniger mit dem deutschen Reiche zu verschweißen.
Dr. Schultz (Rp.) legt in längeren Ausführungen den ablehnenden Standpunkt seiner Partei dar und gibt weiter seinen schweren Bedenken über die ganze Richtung unserer nationalen Politik Ausdruck.
Graf Mielczinski (Pole) lehnt die Vorlage ab.
Im Namen des größeren Teiles der Reichspartei spricht Höfsel (Elsässer), der im Gegensatz zu seinem Fraktions- Kollegen Schultz für die Vorlage eintritt, weil er glaube, daß diese dem Reichslande Ruhe und Frieden schaffe und dem Reiche zum Heil gereichen werde.
Ricklin (Elf.) setzt in längerer Rede auseinander, warum die Vorlage für seine Landsleute unannehmbar sei und polemisiert lebhaft gegen die Sozialdemokraten, weil sie für das Landesrecht des Kaisers gestimmt habe.
Preise (Elf.) lehnt die Vorlage ab.
Vonderfcheer (Z.) tritt für die Vorlage ein, weil sie einen Fortschritt bedeutet.
Gregoire (Lothr.) hält die Zugeständnisse, die die Vorlage bringe, für so bedeutend, daß er dafür zu stimmen sich für verpflichtet hält.
Nach unerheblicher weiterer Debatte wird dann in der gemeinsamen Abstimmung die elsaß-lothringische Versassungs- vorlage mit dem Wahlgesetz mit 211 gegen 93 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen. Dagegen stimmten die Konservativen, die wirtschaftliche Vereinigung, ein kleiner Teil der Reichspattei, die klerikalen Elsässer mit Ausnahme des Dr. Vonderfcheer, einigen Zentrumsabgeordneten und Polen. Das Ergebnis wird von der Mehrheit mit lebhaftem Beifall ausgenommen.
Es beginnt die dritte Lesung der Reichsoer- sicherungsordnung. Es liegen von den Parteien der Linken eine Reihe von Abänderungsanträgen vor, außerdem Kommissionsanträge. Es findet zunächst eine Generaldiskussion statt.
Trimborn (Z.) gibt einen Ueberblick über das, was das Gesetz bringt und betont, daß trotz Zurückstellung mancher Wünsche, das Werk befriedige.
Schickert (Kons.) betont, seine Pattei arbeite an der Sozialgesetzgebung mit, trotzdem seine Freunde die Schäden der Zwangsversicherung nicht verkennen. Der Fortschritt müsse sich in maßvollen Grenzen halten und dürfe sich nicht überstürzen.
Mugdan (s. Dp.) erklärt, mit dem größten Teil seiner Freunde werde er für das Gesetz stimmen mit einer großen Resignation.
Württembergischer Landtag.
x Stuttgart, 27. Mai. Die Abgeordnetenkammer setzte heute die Beratung des Etats des Departements des Innern sott. Bei Kapitel 30 (öffentliche Gesundheitspflege und Gesundheitspolizei) brachte der Abg. Eifel e (Vp.) einen Antrag ein, die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten soweit sie nicht durch Reichsgesetz geregelt ist, durch Landesgesetz und nicht durch Ministerialoersügung zu regeln. Minister o. Pischek wies darauf hin, daß ein solcher Gesetzentwurf bereits früher einmal eingebracht war, daß sich aber wegen der Kostenoerteilung zwischen Staat und Gemeinde Schwierigkeiten ergeben hätten. Die Redner verschiedener Fraktionen, so der Abg. Häsfner (Natl.), der Abg. Boot (B.K.), der Abg. Rembold-Aalen (Z.) und