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88. Jahrgang.

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Beilagen. Plauderstübchen, Jllustr. Sonntagsblatt und

EchwSb. Landwirt.

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Deutscher Reichstag.

Berlin, 19. Mai. (Schluß.)

Staatssekr. Wermuth: Die Vermehrung der Aus­gaben läßt sich nicht vereinbaren mit dem Wirtschastspro- gramm, das die Regierung mit allen Parteien des Reichs­tags für unsere Finanzen aufgestellt hat. Wenn wir nicht prüfen, ob Deckung für die Forderungen vorhanden ist, kommen wir bald in die alten mißlichen Finanzverhältnisse. Da können wir nicht mitmachen. (Lebh. Beif.)

Schickert (Kons.): Wenn wir auch den Wunsch auf Herabsetzung der Altersgrenze hegen, so wollen wir doch die Verantwortung für das Scheitern der Vorlage nicht tragen und stimmen für die Kommissionsbeschlüsse.

Stresemann (natl.): Die Mehrheit meiner politischen Freunde ist für die Herabsetzung der Altersgrenze auf 65 Jahre. An dasUnannehmbar" der Regierung glauben wir nicht.

Ministerialdirektor Caspar: Herr Stresemann irrt, wenn er glaubt, daß dasUnannehmbar" der Regierung umgestoßen werde.

Becker-Arnsberg (Z.): Wenn es sich um die Wahl zwischen Herabsetzung der Altersgrenze oder Bezug der sgt. Kinderrente handelt, so ziehen die christlichen Gewerkschaften das letztere vor. Wenn Herr Stresemann die Dividenden­steuer zu Gunsten der invaliden Arbeiter vorschlagen würde, so würden wir diesem Vorschläge gern zustimmen. Will Herr Stresemann das Unannehmbar der Regierung beseitigen, dann muß er die Industriellen veranlassen, eine derartige Forderung in die Form einer Resolution zu fassen. Dann hat er die Regierung aus seiner Seite. (Heiterkeit.) Auch wir glauben, daß in dem Antrag auf Herabsetzung der Altersgrenze politische Tendenzen verfolgt werden. (Zuruf links: Unverschämtheit!)

Molkenbuhr (Soz.): Wir könnten auf die Alters­grenze verzichten, wenn die invaliden Arbeiter tatsächlich Renten erhielten.

Frhr. v. Ga mp (Rp.): Die Herabsetzung der Alters­grenze würde eine Erhöhung der Beiträge um Mo/<, herbei- sühren. Das ist nicht angängig.

Pott ho ff (f. Vp.): An dasUnannehmbar" der Regierung glauben wir nicht, nachdem der Bundesrat bei der Heizerzulage und der Erbschaftssteuer dasUnannehm­bar" auch nicht verwirklicht hat.

Bruhn (Rsp.)r Auch wir stimmen dem Anträge zu.

Gothein (f. Vp.): Wir müssen dem Bundesrat gegenüber Rückgrat zeigen und dem Anträge mit großer Mehrheit zustimmen.

Südekum (Soz.): Die Verbündeten Regierungen denken gar nicht daran, die Vorlage an der Frage der Altersgrenze scheitern zu lassen, weil sie die Verantwortung weder übernehmen wollen noch können.

Im weiteren Verlaus der Debatte erklärte Staats­sekretär Delbrück wiederholt, daß seine Erklärung auf wohlerwogenen Erwägungen der verbündeten Regierungen beruhten und daß cs mit demUnannehmbar" voller Ernst sei. Schließlich wurden die Anträge aus Herabsetzung der Altersgrenze mit 160 gegen 146 Stimmen bei 4 Stimm­enthaltungen abgelehnt. Darauf wird der Abschnitt bis § 1242 unverändert angenommen.

r Berlin, 20. Mai.

Am Bundesratstisch die Staatssekretäre Dr. Delbrück und Wermuth.

Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 11 Uhr.

Die zweite Lesung der Reichsversicherungsord­nung wird fortgesetzt. Bei § 1243 (Bezüge der Hinter­bliebenen wünscht Leber (Soz.) die Streichung der Worte dauernd invalid." Der Antrag wird abgelehnt. Die 1243 und 1244 werden unverändert angenommen. Der Präsident teilt mit, daß zu ß 1241 namentliche Abstimmung beantragt ist und daß er namentliche Abstimmungen, die nach 1 Uhr beantragt werden, am Montag vornehmen lassen werde.

Mugdan (f. Vp.): Wir sind mit diesem Vorschlag einverstanden, wenn die Sitzung spätestens um 5 Uhr schließt. Es entspinnt sich hierüber eine Debatte, in der der Präsident erklärt, daß man nicht setzt schon für 5 Uhr eine Bestimmung treffen könne. Hierauf werden eine Reihe weiterer Para­graphen angenommen.

Der Rest des zweiten Abschnitts bis einschließlich § 1311 wird hierauf angenommen. Der Rest des 4. Buches wird unverändert angenommen, ebenso auch das 5. Buch (Beziehungen der Bersicherungsträger zu einander und zu anderen Verpflichteten). Daraus wird die Weiterberatung auf Montag 12 Uhr vertagt; außerdem: Schwedischer

Montag, den 22. Mai

Handelsvertrag, Niederlassungsvertrag mit der Schweiz, kleine Aktien für Kiautschau und viele kleinere Vorlagen. Schluß nach 4 Uhr.

Württembergischer Landtag.

p Stuttgart, 20. Mai. Die Abgeordnetenkammer begann heute mit der Einzelberatung des Hauptfinanzetats 1911/12. Die Kapitel 1 und 2 (Zivilliste und Apanagen) wurden ohne Erörterung angenommen; ebenso Kapitel 3 (Staatsschuld). Bei Kapitel 3 a (Zinse aus Schatzanweis­ungen wurde dem Antrag des Abg. Häffner (n.) entsprechend der tatsächliche Bedarf für 1911 statt mit 200000 mit 154 702 ^ eingesetzt. Beim Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten wurde Kapitel 16 genehmigt. Bei Kapitel 17 (Gesandtschaften und Konsulate) beantragte Lindemann (Soz.) Abstimmung über den Wegfall der Gesandtschaften, woraus Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker kurz erwiderte. Die Titel wurden dann gegen die Stimmen der Sozial­demokratie genehmigt. Es folgte sodann die Beratung des Etats des Departements des Innern bei Kapitel 20 in Verbindung mit den Anträgen Maier-Blaubeuren (n.) und Gen. betreffend die Bekämpfung der Maul- und Klauen­seuche, Kraut (B.K.) und Gen. ebenfalls betreffend die Be­kämpfung der Maul- und Klauenseuche und Dambacher (Z.) betreffend die Entschädigung der Verluste durch die Egelseuche. Begründet wurden die drei Anträge von den Abg. Maier-Blaubcuren, Ströbel und Dambacher. Nach längerer Debatte wurden die 3 Anträge ohne Widerspruch dem Ausschuß für innere Verwaltung überwiesen.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt uud Land.

Nagold. 22. Mai 1911.

* Titeländerung. Durch Königliche Verordnungen wurde die bisherige BezeichnungNiedere Iustizdienstprüfung und niedere Verwaltungsdienstprüfung" entsprechend dem Eisenbahn-, Post-und Finanzdienst geändert in: Prüfung für den mittleren Justiz- bezw. mittleren Verwaltungsdienst. Die bei der Staatsprüfung für befähigt erklärten Kandidaten werden hienach zu Notariats- bezw. Derwaltungspraktikanten bestellt.

* Bauordnung. DerSt.-Anz." teilt mit: am Samstag gelangte dasRegierungsblatt" zur Ausgabe, welches die Vollzugsverfügung zur Bauordnung enthält.

* Verfolgung unschuldiger Tiere. Mit dem

Einzug der warmen Jahreszeit haben auch wieder eine Reihe von nützlichen Tieren ihren geschützten Winterausent- haltsort verlassen und gehen ihrem Lebensunterhalt nach. Leider werden viele davon von unwissenden, gedankenlosen oder abergläubischen Menschen verfolgt und vernichtet. Und doch sind es gerade die nützlichsten und für den Haushalt der Natur unentbehrlichsten Tiere. So ist vor allen Dingen die Fleder m aus ein Gegenstand abergläubischer Furcht und roher Verfolgung. Man wirst diesem harmlosen Tier vor, daß es den Speck im Kamin benage, den Frauen das Haar verwirre, auch mancherlei Unglück bringe und sonst noch allerlei Unfug treibe. Sie wird deshalb gefangen und von rohen Menschen oft lebendig an das Schcunentor genagelt. Wer aber die Lebensweise dieses Tierchens kennt, weiß, daß es durch das Wegfangen schäd­licher Nachtschmetterlinge und anderer Insekten, die in der Dämmerung fliegen, großen Nutzen stiftet, und daß es als Insektenfresser sich niemals an den Speck wagt. Gerade dadurch, daß die Fledermaus in der Dämmerung fliegt und so den schädlichen Nachtinsckten auf die Nähte geht, ist ihr Nutzen umso höher anzuschlagen. Aehnlich ist es mit der Eule. Sie ist für den abergläubischen Menschen der Toten- vogel. IhrKiwitt" hören sie alsKomm mit" und glauben, daß sie damit den Tod eines Menschen ankündige. Auch sie wird oft planlos geschossen und gefangen. Und doch wird sie mit Recht jdie fliegende Katze genannt. Be­steht doch ihre Hauptnahrung in Mäusen, Spitzmäusen und größeren Insekten. Kein anderer Vogel ist so geeignet, diesen nächtlichen Zerstörern ihr Handwerk zu legen, als die Eule. Auch dem Frosch, der Kröte und dem Regen­molch weichen viele ängstlich aus. Und doch sind auch diese drei eifrige Vertilger von Fliegen, Mücken, Schmet­terlingen, Regenwürmern und Schnecken. Die Eidechse, dieses zierliche flinke Geschöpfchen, sist ebenfalls ein Gegen­stand der Verfolgung. Sie ist zwar ein gefräßiges Raub­tier. Aber ihre Beule besteht nur in Käfern, Würmern und Schnecken. Ihr Nutzen ist so groß, daß einsichtsvolle Gärtner und Landwirte sie in ihren Gärten gerne sehen und einzubürgern suchen. Ganz ähnlich ist es bei der Blindschleiche und der Ringelnatter. Hu, eine

1911

Schlange! Rasch ein Steinwurf und eine Blindschleiche oder Ringelnatter windet sich in ihren Schmerzen. Und warum? Sie sind doch ganz harmlose Geschöpfe, tun keinem Menschen etwas zu leide. Ihr ganze Schuld besteht darin, daß sie den Menschen von einer Unmenge von Schädlingen befreien. Jene nährt sich von schädlichen Insekten und von Schnecken, diese ist eine eifrige Mäusevertilgerin. Darum, ihr Landwirte und ihr Naturfreunde, schont das Leben dieser nützlichen Tiere. Sie sind eure besten Freunde im Haus­halte der Natur.

r Calw, 21. Mai. (Ein dunkler Fall.) Beim Bahnhof in Liebenzell ist der Malergehilfe Kindl er aus Liebenzell schwer verletzt aus dem Wasser gezogen worden. Ob ein Unglücksfall oder ein Verbrechen vorliegt, ist noch nicht aufgeklärt.

r Freudenstadt, 20. Mai. (Besitzwechsel.) Das allen Schwarzwaldtouristen rühmlich bekannteWirtshaus ZUflr zum Auerhahn" im württ. Hinterlangenbach am Fuß der Hornisgrinde, hat durch Todesfall den Besitzer gewechselt. Der neue Königl. Forstwart (Förster) hat die alte Einricht­ung der Gastzimmer von Grund aus erneuert. Im Not­fall ist weitere Unterkunft in dem >15 Minuten entfernten Holzhauergebäude mit 20 Betten vorhanden. Unsere wander- srohe Jugend, aber auch dieAlten" die sich eine Sommer­frische suchen, werden die Erweiterung einer gastlichen Oase in der ungeheuren Waldeinsamkeit freudig begrüßen.

r Stuttgart, 20. Mai. (Drei Jubilars.) Ober­lehrer Unsöld an der Mädchenmittelschule blickt heute auf eine 50;ährige Dienstzeit zurück. 36 Jahre hat er an der­selben Schule hier gewirkt. Die Schulräte Dr. Mosapp und Dr. Salzmann, sowie die Kollegen bereiteten dem Jubilar eine kleine intime Feier. Seinen 80. Geburtstag beging heute Obermedizinalrat a. D. Dr. Max Zeller, der seit 1856 hier als Arzt tätig ist. Am Montag wird Oberstudienrat Dr. v. Hartmann, das bekannte Ehren­mitglied des Statistischen Landesamts, 75 Jahre alt. Er hat sich besonders Verdienste um die Geschichte Württem­bergs, namentlich um die schwäbische Literatur erworben.

r Stuttgart, 20. Mai. (Der Fall Liesching.) In einer sehr stark besuchten außerordentlichen Mitglieder­versammlung der Fortschrittlichen Volkspartei Groß-Stutt- garts wurde gestern abend über die Vorkommnisse bei der Stuttgarter Stadtoorstandswahl verhandelt. Zu dem Fall Liesching nahm die Versammlung nach langer Debatte fol­gende Resolution an:Die Fortschrittliche Volkspartei Groß-Stuttgarts bestreitet keinem Parteigenossen in oder außerhalb Stuttgarts das Recht, aus seiner Ueberzeugung heraus gegen ihre Beschlüsse auch soweit sie sich auf reine Stuttgarter Angelegenheiten beziehen, Stellung zu nehmen. Sie hält es aber nicht für recht, wenn dieses einseitig in Versammlungen anderer Parteien geschieht. Die Rücksicht auf die Einigkeit in der Partei und auf die offiziellen Be­schlüsse ihrer Organe verlangt vielmehr, daß abweichende Meinungen in erster Linie innerhalb der Parteiorganisation selbst oder in den Organen der Partei vertreten und so eine Aussprache und sichere Information zwischen den Partei­genossen ermöglicht wird. Die Fortschrittliche Volkspartei Groß-Stuttgarts bedauert, daß durch die Hintansetzung dieser Rücksicht in der letzten Woche eine tiefgehende Verstimmung in ihren Reihen veranlaßt worden ist. Sie erhofft deren Beseitigung und eine eifrige gemeinsame Arbeit im Dienste der volksparteilichen Sache."

r Stuttgart, 20. Mai. (Der Fall Roth.) Nach dem Fall Liesching, der in ruhiger Sachlichkeit erledigt wurde, beschäftigte sich die Versammlung der Fortschrittlichen Volks­partei Groß-Stuttgarts gestern abend auch mit dem Fall des Generalsekretärs im alten Eisenbahnerverband, Herrn Eugen Roth. Der Fall wurde von vornherein als ein Vergehen gegen die Solidarität und Integrität der Partei gekennzeichnet. Eine lange Verteidigungsrede Roths stieß auf stürmischen Widerspruch, der sich in erregtester Weise Luft machte. In der Debatte fand Roth keinen Verteidiger seiner Indiskretion und seiner Haltung. Eine Resolution, die sein Vergehen geradezu vernichtend beurteilt, und ihn als Verräter der Parteisache hinstellt, wurde mit stürmischem Beifall begrüßt, schließlich aber aus dem Grunde zurück­gezogen, weil der Ausschuß sich bereits mit der Frage des Ausschlusses dieses Parteimitgliedes beschäftigt.

r Unstimmigkeiten im Beamten-Urlaub. Wie uns aus Beamtenkreisen mitgeteilt wird, unterziehen gegen­wärtig die Chefs der einzelnen Departements die bisherigen Vorschriften betreffend den Urlaub der Staatsbeamten zwecks dessen Neuregelung einer eingehenden Revision. So hat bereits z. B. das K. Finanzministerium unterm 25. April l. I. (s. Amtsbl. des K. Steuerkollegiums Nr. 9 vom 2. d. Mts. S. 149 u.s.f. eine diesbezügliche neue Verfügung