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FLkusprscher Nr. 29.
83. Jahrgang.
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Beilagen. PlanderMbchen,
* JUustr. Sonnlagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
Irettag, dm IS. Wai
1911
Politische Uebersicht.
In der Bersicherriugskommission des Reichstags haben die Sozialdemokraten die Erklärung abgegeben, sie seien bereit, die Reichsversicherungsordnung mit dem Einführungsgesetz bis Pfingsten erledigen zu helfen: eine Verschleppung der Beratungen sei ihrerseits nicht beabsichtigt.
Der Bundesrat hat der Vorlage betreffend
den Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Schweden und jder Vorlage betreffend die Beschlüsse des Landesausschusses zu dem Entwurf des Landes- haushalts-Etats von Elsaß-Lothringen für das.Rechnungsjahr 1911 die Zustimmung erteilt.
Die Besteuerung der Konsumvereine soll in Preußen in absehbarer Zeit Wirklichkeit werden. Die verstärkte Handels- und Gewerbekommission des Abgeordnetenhauses nahm mit allen gegen sechs Stimmen einen Antrag Hammer (Kons.) an, die Regierung zu ersuchen, spätestens bei der organischen Neuregelung des Einkommensteuergesetz s einen Gesetzentwurf vorzulegen, der dem § 15 des Einkommensteuergesetzes vom 19. Juni 1906 eine Bestimmung einsügt, nach der bei den in tz 5 bezeichnten nichtphysischen Personen jede an ihre Mitglieder in Form von Rabatten oder, sonstiger Art gewährte Rückvergütung als verteilte Dividende gilt und zu versteuern ist. Der Vertreter des Finanzministers hatte erklärt, daß der Minister dem Antrag durchaus sympathisch gegenüberstehe. Auch die verschiedenen Parteien erklärten ihr Einverständnis mit dem Vorgehen. Die Rabattsparvereine sollen nicht getroffen werden.
Dem französischen Staatsrat, der mit der Abgrenzung des Champagne-Weinbaugebiets betraut.ist, wurde ein von einer Frankfurter Weinfirma an den Präfekten des Aube-Departements gerichtetes Schreiben überreicht, in dem um ein Verzeichnis derjenigen Winzer seines Departements gebeten wird, die geneigt seien, Weißwein für die Erzeugung von Champagner zu verkaufen. Aus diesem Schriftstück gehe hervor, daß die Ausländer mit Recht die Aubeweine als Champagnerwein ansehen. Die Deutschen würden die Aubeweine aufkaufcn und mit dem von ihnen erzeugten Champagner dem französischen auf dem Weltmarkt Konkurrenz machen. __
Zum Untergang der „Deutschland".
* Kein Unternehmen des Menschengeistes hat, soweit man auch in der Geschichte Umschau hält, eine solche gehäufte Fülle von Glück und Unglück, von höchsten Erfolgen und schwersten Schlägen innerhalb weniger Jahre erfahren, wie das geniale Werk unseres Grasen Zeppelin. Als seine Landsleute haben wir an diesem Schicksalswechsel von jeher den innigsten Anteil genommen. Und so mußten wir aufs neue in dem Wechsel der Ereignisse auch die starken Stim- mungsschwankungen erfahren, die der Dichter mit den Worten „himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt" kennzeichnet. Es ist nunmehr die fünfte schwere Katastrophe, wenn man das erste, als Versuchsobjekt zerschellte Luftschiff und sein Ende auf oberschwäbischem Boden nicht mitrechnet, die über die stolzen Kreuzer des Grasen Zeppelin hsreinzebrocheu ist. Die Reihen der großen Verluste, die immer so jäh nach
einem glänzenden Erfolg aufzutreten pflegen, begann vor noch nicht drei Jahren, in den ersten Augusttagen von 1908, bei Echterdingen. Es ist noch in aller Erinnerung, wie die ganze Nation von Trauer über dieses Mißgeschick ergriffen wurde und wie dann die große Nationalspende zusammenkam, die dem Grafen die Fortführung seines Lebenswerkes ermöglichen sollte. Da kam das verhängnisvolle Fahr 1910, in dem am 25. April zuerst der Militärballon Z 2 von seinem Ankerplätze bei Limburg entfloh und am Webersberg bei Weilburg zerschellte. Schon am 27. Juni wurde die „Deutschland" nach einer prächtigen Iournalistenfahrt im Teutoburger Wald vernichtet. In der eigenen Halle bei Baden-Baden erlag am 14. September der LZ 6 in wenigen Minuten einer Feuersbrunst. Und nun ist die Nachfolgerin jener „Deutschland", der unlängst noch in ihrer Halle in Baden-Baden das Verderben drohte, an der Hatte in Düsseldorf gescheitert und zerbrochen. Aber alle diese Unfälle, von denen die meisten auf die Macht der Elemente, einige freilich auch auf schwere Fehler untergeordneter Organe zurückzusühcen sind, beweisen nichts gegen das System und können an der wissenschaftlichen Großtat des Grafen Zeppelin, die schon der Geschichte angehört, nicht rütteln. Allein sie beweisen etwas anderes: daß wir mit den anfänglichen Hoffnungen alle zu überschwänglich waren, als wir mit einem Male uns als Herren der Lust fühlten; sie beweisen, daß die erhoffte neue Aera des praktischen Verkehrs in der Luft noch nicht angebrochen ist und daß wir selbst mit einem Zeppelinlustschiff von dem Ideal eines wirklichen Verkehrsmittels noch ziemlich weit entfernt sind. Wenn wir es einst erreichen, so werden wir, wie immer es beschaffen sein mag, doch dankbar an erster Stelle des Grasen Zeppelin gedenken, als des mutigsten, besten und doch so vom Unglück verfolgten Pioniers auf dem Wege zur Eroberung der Luft.
Deutscher Reichstag.
r Berlin, 18. Mai.
Am Bundesratstisch die Staatssekretäre Dr. Delbrück und Dr. Lisco.
Präsident Gras Schwer in-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.18 Uhr.
Zunächst wird die geschäftsordnungsmäßig erforderliche Wiederholung der Abstimmung über den nunmehr gedruckt vorliegenden Antrag Gothein (Vp.) über die Bekanntmachung der Unfallverhütungsoorschriften in fremden Sprachen oorgenommen. Der Antrag wird angenommen.
Sodann wird die Beratung der Reichsoersicherungsordnung bei § 913 (zweiter Teil: Landwirtschaftliche Unfallversicherung) fortgesetzt. Der erste Abschnitt (8 913—924) betrifft den Umfang der Versicherung. Zu 8 915 wird ein sozialdemokratischer Antrag abgelehnt, auch solche Personen in diese Versicherung einzudeziehen, die in kleinen Haus- und Ziergärten beschäftigt sind. Zu 8 918, der außer Arbeitern auch Betriebsbeamte einbezieht, deren Iahres- ardeitsverdienst nicht 5000 ^ überschreitet, beantragt Abg.
Potthofs (Vp.) das Maximaleinkommen von 5000^ zu streichen und auch noch höher entlohnte Beamte in die Betriebs- und Unfallversicherung einzubeziehen. Ein sozialdemokratischer Antrag will auch die Bodenkultur- und andere
wirtschaftliche Betriebsarbeiter hier einbeziehen. Unter Ablehnung beider Anträge wird der erste Abschnitt angenommen. Die 88 925—947 (zweiter Abschnitt) betreffend den Gegenstand der Versicherung.
Zu 8 933, wonach der Iahresarbeitsverdienst, soweit er 1800 ^ übersteigt, nur mit einem Drittel Ungerechnet werden soll, wird ein Antrag Potthoff (fortschr. Bp.), dieses Verdienstmimmum auf 3000 ^ zu erhöhen abgelehnt. Zu 8 964, der mit einer ganzen Reihe von Paragraphen aus späteren Abschnitten zusammenberaten wird, beantragt Abg. Doerksen (Rp.), die Umlagen der Beiträge zu den Berufsgenossenschaften nicht durch die Satzungen vorzuschreiben.
Klose (Ztr.): Wir stimmen dem Antrag zu. Der Grundsatz, den Grundsteuerreinertrag als Maßstab für die Umlage anzunehmen, enthält eine große Härte.
Neuner (natl.) spricht sich gegen, Fegter (fortschr. Vp.) für den Antrag Doerksen aus.
Ministerialdirektor Caspar: Wenn auch die Verteilung nach der Grundsteuer hie und da zu gewissen Ungerechtigkeiten führen kann, so kann darin kein Grund gesunden werden, diese Methode da nicht anzuwenden, wo sie paßt.
Molkenbuhr (Soz.): Durch diese alte Ungerechtigkeit wird der Großgrundbesitz gegenüber dem kleinen bevorzugt.
Graf Westarp (Kons.) bestreitet dies.
Nach weiterer Debatte wird der Antrag Doerksen mit 170 gegen 141 Stimmen bei drei Stimmenthaltungen abgelehnt.
Zu 8 967 wird in namentlicher Abstimmung mit 188 gegen 30 Stimmen ein Antrag der Sozialdemokraten auf Streichung des Zusatzes abgelehnt, wonach das Reichsversicherungsamt nicht berechtigt sein soll, an Stelle der Genossenschaft Unsalloerstcherungsvorschristen zu erlassen und technische Aufsichtsbeamte anzustellen. Es bleibt also bei dem Beschluß der Kommission. Der Abschnitt 4 wird hieraus angenommen, ebenso der Rest des zweiten Teils bis ein- ' schließlich 8 1035. Es folgt die dritte Abteilung (Seeunfall- versichernng.)
Der erste Abschnitt wird angenommen, ebenso der zweite mit einer redaktionellen Aenderung zu 8 1071. Weiter werden angenommen der dritte, vierte und fünfte Abschnitt bis einschließlich 8 1144. Beim sechsten Abschnitt wird zu 8 1166 ein Antrag Potthoff angenommen, der folgendermaßen lautet: Uebersteigt der Entgelt während der Bci- tragszeit am Iahresbetrag 5000 ^ (statt 3000 ^), so wird der Ueberschuß nur angerechnet, soweit die Satzung die Versicherung auf einen höheren Iahresarbeitsverdienst erstreckt hat. Der Rest des dritten Buches bis 8 1211 wird ohne Debatte und unverändert angenommen. Sodann vertagt das Haus die Weiterberatung gegen ^7 Uhr auf morgen mittag 12 Uhr.
Württembergischer Landtag.
p Stuttgart, 18. Mai. Die Zweite Kammer hat heute nachmittag ihre Beratungen wieder ausgenommen. Präsident v. Payer eröffnete die Sitzung und begrüßte die nach dreimonatiger Pause wieder versammelten Abgeordneten. Dem verstorbenen Abg. Immendörfer widmete der Präsident einen warmen Nachruf: zum ehrenden Gedenken des Verstorbenen erhoben sich die Abgeordneten von ihren
Die Möwe.
(Schluß.)
Die drei essen und trinken schweigsam weiter, als sich einer plötzlich erhebt.
Achille erhebt sich und deutet mit der Hand.
„Was gibl's?" fragt sein Nachbar.
„Das Vieh dort." antwortet er, „das Vieh ist seit Korfu mit uns," wobei er auf die krächzende Möwe blickt, die knapp vor ihnen am Tauwerk sitzt.
Sie schauen ihn verständnislos an.
„Und-?"
„Nichts, ich meine nur-," sagt er. Zum ersten-
male stockt seine Stimme ein wenig. Obwohl sie nichts weiter sprechen, fühlte er ihre Blicke, ihren Verdacht. Gerade das beharrliche Schweigen der beiden wird ihm unerträglich, fürchterlich. Bei der Arbeit verfolgen ihn die Gedanken an die Visiiierung. Die Gendarmen werden den ganzen Segler durchsuchen, jedes Kleidungsstück abfühlen und jene 500 Franken finden, die er durch ein kleines Loch unter das Futter seiner Mütze geschoben hat! — Soll er sie heroorholen und über Bord werfen? — Sott er sie --Ha, da fliegt sie wieder! — Er versucht ein ver
ächtliches Lächeln: — Was ist daran? Es geschieht hundert Male, daß diese Vögel den Schiffen weit ins Meer folgen!
Und dann: Vieh ist Vieh! Das lebt, um geschunden und geprügelt oder aufgefcesseu zu werden, hat keine Sprache, keine Seele — nur ein Vieh! — Sie sitzt ihm nun ganz nahe, so nahe, daß er ihr Auge sehen kann. Noch nie ist es ihm eingefallen, in ein Tierauge zu schauen, aber dieses schwarze, glänzende Augenpaar starrt er an, unverwandt scheint
es doch geradezu auf ihn gerichtet zu sein-haha!
Als ob solch ein Vogel sprechen, als ob solch ein Vieh denken könnte!
„Achille, rühr' dich! Geh, zum Teufel, au deine Arbeit!" — Die Stimme des Nostromo bringt ihn zu sich.
Er schafft für zwei. Nur manchmal blickt er auf, wenn es über ihm in der Lust mir heiserer Stimme kreischt und krächzt.
Gegen Abend scheint er sich sicherer zu fühlen und spricht ruhig mit den Arbeitsgenossen. Eine meisterliche, aber gewaltsame Beherrschung leitet ihn dabei, denn seine Angst wächst, die Todesangst vor der Landung, je schneller und sicherer der Segler vorwärts fliegt. Er glaubt es aus den Augen, aus jedem Wort der anderen heraus zu hören, daß sie von seiner Schuld fest überzeugt sind und zu den Gendarmen sagen werden: Der dort ist's! Der! Packt ihn!-
Nachts liegt er zwischen zweien, die wie er vor Mitternacht Rast haben. Lange vermag er keinen Schlaf zu finden, weil er aus dem Pfeifen des Windes, aus jedem Knarren
im Takelwerk den schrillen Schrei hört, der ihn um seine Ruhe bringt.
Als er endlich einnickt, beginnt er zu träumen. Er träumt von einem Zug bleicher, abgemagerter Sträflinge, die an eine gemeinsame Kette gefesselt, mühsam einhergehen und ihn mit ihren schwarzen Augen unausgesetzt anstarren. Dann tauchen zwei Gendarmen neben ihm auf, gegen die er sein Messer zückt —
„Ho! was gibt's bei dir?" schreit einer neben ihm: er hat seinen Nachbar mit der Faust getroffen.
„Ich habe geträumt —" murmelt er.
„Leg' dich wo anders hin!" sagt der zweite.
Achille runzelt die Stirne und zischt ihn an:
„Warum darf ich nicht bei euch da liegen?"
„Weil wir unsere Ruhe haben wollen!" —
„Das kann jedem geschehen, daß er träumen muß!"
Sie antworten nicht mehr und er sucht sich seitwärts einen Platz. Die Müdigkeit übermannt ihn, er schlaft, er träumt weiter, doch die Bilder setzen sich nicht fort, neue steigen vor ihm auf, seltsame Bilder, wie sie in seinen wenigen Träumen sonst niemals über ihn kamen.
Schatten sind es zuerst, die unter den blitzenden Sternen lautlos dahinziehen, immer näher und näher Heranschweben und schließlich als riesenhafte Böget das Schiff umtaumeln. Das Wehen ihres Flügelschlages streift seine Wangen, sic schauen mit schwarzen funkelnden Augen auf