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Schwäb. Landwirt

Fernsprecher Nr. 29

85. Jahrgang

F rnsvrecher Nr. 29.

Mittwoch, den r?. Mai

1911

Politische Aebersicht.

In Sachen der Reichswertzuwachssteuer erläßt

der Reichskanzler ein Rundschreiben, in dem er darauf hin­weist, daß die mit der Verwaltung der Steuer betrauten Organe vielfach noch nicht mit dem eigentlichen Veranlagungs­geschäft begonnen hätten, obwohl die Ende März erlassenen Ausfllhrungsbestimmungen das Verfahren genau regeln. Eine weitere Hinausschiebung würde die bis zum 1. Januar d. Is. rückwärts erforderliche Veranlagung wesentlich er­schweren, den Grundstücksmarkt länger als notwendig im ungewissen lassen, insbesondere auch für die veranlagenden Gemeinden, die an dem Ertrag der Steuern beteiligt seien, einen finanziellen Nachteil bedeuten. Es sei notwendig, daß alle Amtsstellen, ohne etwa auf die Verabschiedung der landesrechtlichen Vorschriften über die Zuweisung des Er­trages an die einzelnen kommunalen Körperschaften zu warten, unverzüglich das Beranlagungsgcschäft in Angriff nehmen.

Da die Ausschüsse der belgischen Kammer,

denen das wenig fortschrittliche Schulgesetz der Regierung zur Beratung vorliegt, wegen des Ueberwiegens der Oppo­sition zu keinem Resultat gelangen, haben die Mitglieder der katholischen Partei das Schulgesetz als Initiativantrag nochmals eingebracht. Die Durchberatung dieses Antrages ist nunmehr leider gewährleistet, da die für den Monat Mai ausgelosten Ausschüsse eine Mehrheit für die Katho­liken ergeben haben.

Der englische Schatzkanzler Lloyd George er­klärte einer Abordnung von Handelskammer-Vertretern, Zuckerbäckern und Kolonialwarenhändlern, die eine Ermäßi­gung der Zuckersteuer forderte, er gebe zu, daß die Steuer die Armen belaste und eine wertvolle Industrie behindere, sie bringe aber 3 250000 Pfund Sterling ein. Lloyd George fragte, wie er hierfür Ersatz schaffen solle. Die Flotte erfordere allein 2 Millionen Pfund Sterling mehr, ganz abgesehen von dem Geld, das für die Altersversicher­ung benötigt werde.

r Im englischen Unterhaus wurde die dritte

Lesung der Parlamentsbill mit 362 gegen 241 Stimmen angenommen. Am Schlüsse der Parlamentsbill erklärte der Staatssekretär des Innern, Churchill, im Namen des Fort­schritts und der Einigkeit fordern wir die Annahme der Bill und werden sie sicher auch erreichen.

Im englischen Oberhaus brachte Viscount Morley gestern die Vetobill ein. Sie wurde in erster Lesung formell angenommen.

Der Generalgouverneur der Mandschurei hat die Einführung einer Steuer von 200/<, für Verkäufer und von 10°/g für Käufer von Korn angeordnet. Aus der von Hungersnot heimgesuchten Provinz Hupeih eingetroffene Flüchtlinge versuchten in Hukau das Amtslokal des Be- zirkschefs, der ihnen Verpflegungsmiitel verweigerte, zu zer­stören. Die Polizei zerstreute die Ruhestörer.

In der türkischen Deputiertenkammer kündigte der Großwesir an, daß Entwürfe über den Bau von Eisen­bahnen in Anatolien in der nächsten Session vorgelegt werden würden. Die Türkei brauche noch 10 (XX) Kilometer Eisenbahnen in Rumelien. Es würden Bahnlinien von Prischtina nach Skutari, von Skutari nach den türkischen Häfen des Adriatischen Meeres, ebenso von Monastir nach dem Adriatischen Meer über Ianina und von Monastir nach Uesküb gebaut werden.

Deutscher Reichstag.

r Berlin, 16. Mai.

Am Bundesratstisch: Staatssekretär Dr. Delbrück.

Präs. Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 11.17 Uhr. Die Beratung der Reichsversicherungs­ordnung wird bei § 521, 9. Abschnitt fortgesetzt. Die §8 521527 handeln von den Knappschaftskrankenkassen. Die §8 521 und 527 werden in der Beratung verbunden. Zu 8 525, der die geheime Wahl für die Vertreter der Versicherten in der Generalversammlung in den Knapp­schaftskassenvorstand und Zulassung der Verhältniswahl vor­sieht, liegt ein sozialdemokr. Antrag vor, der für die Sicherung des Wahlgeheimnisses besondere Vorkehrungen treffen und die Wählbarkeit der Knappschaftsinvaliden einführen will.

Hue (Soz.) begründet den Antrag seiner Partei.

Ministerialdirektor Caspar: Was die Ansprüche aus den Kassen Ausgeschiedener anlangt, so ist zu erklären, daß diejenigen Personen, die einmal ausgetreten sind, auch von den Leistungen der Kassen ausgeschlossen bleiben. Die Wahl­berechtigung der Berginvaliden bitten wir dringend abzulehnen.

Go 1 hein (fortschr. Bp.): Der zur Beratung stehende 9. Abschnitt bedeutet einen nicht unbedeutenden Eingriff in

die partikulare Berggesetzgebung. Die geheime Wahl muß gewahrt werden. Die Wahlberechtigung der invaliden Arbeiter hat sz. der damalige Handelsminister Delbrück in Preußen selbst beantragt.

Korfanty (Pole): Wir müssen unabhängige Vertreter haben und da sind die Berginvaliden die geeigneten Per­sönlichkeiten.

Becker-Arnsberg (Ztr.): Der Abg. Huö hat mich per­sönlich angegriffen. Meine Wähler würden es nicht verstehen, wenn ich auf solche Angriffe antworten würde.

Behrens (w. Vg.): Die Angriffe des Abg. Huö gegen mich bezüglich der nicht erfolgten reichsgesetzlichen Regelung der Knappschaftsverhältnisse haben lediglich agita­torischen Zweck.

Semmler (n.): Als Mitglied der Kommission mutz ich konstatieren, daß die Herren Becker und Behrens mit allen Kräften für die Interessen der Arbeiter eingetreten sind, sodaß die persönlichen Angriffe des Abg. Hus gegen diese Herren nicht zu verstehen sind.

Schirmer (Z.) Der Antrag Schulz, der die Wählbar­keit der Berginvaliden zu den Kassenverwaltungen zulassen will, wenn sie Beiträge zahlen, bezieht sich auf alle Knapp­schaftskassen und bedeutet daher einen großen Fortschritt. Hierauf wird der sozialdemokratische Abänderungsantrag zu 8 525 a mit 230 gegen 83 Stimmen abgelehnt, dagegen der Antrag Schulz einstimmig mit 297 Stimmen angenommen und der Rest des Abschnitts 9 nach den Kommissionsbe- schlüssen erledigt.

Inzwischen macht Präsident Gras Schwerin-LöwP .Mitteilung von einer Einladung der Stadt Dresden zum Besuch der Ausstellung am Sonntag den 28. Mai.

Es folgt Abschnitt 10 (Ersatzkassen) Titel 1. 8 528, den der Bundesratsbevollmächtigte von Eucken-Adden- hausen und Abg. Neumann-Hofer (frs. Bp.) befürworten, wird unverändert angenommen. Zu 8 530 wird ein Kom­promißantrag Schultz angenommen, wonach ein Bersiche- rungsverein Versicherungspflichtige zurückweisen darf, die aus einer früheren Mitgliedschaft der Ersatzkasse Beiträge schulden oder aus einer Versicherung Anspruch mindestens aus die Leistungen einer Krankenkasse haben. Der Rest des Titels 1 sowie Titel 2 (Verhältnis zu Krankenkassen) wird angenommen. Abschnitt 11 (Schluß- und Straf- Borschristen) wird nach den Kommissionsbeschlüssen erledigt. Damit ist das zweite Buch (Krankenkassen) erledigt.

Es folgt das dritte Buch: Unfallversicherung 1. Teil Gewerbeunfallversicherung, erster Abschnitt: Umfang der Ver­sicherung (8 560573). Die 88 bis 569 werden unter Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge nach den Kom­missionsbeschlüssen angenommen und die Weiterberatung um 7^2 Uhr auf morgen vertagt.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, 17. Mai 1911.

r Beitreibung rückständiger Beiträge zu den Bernfsgenoffenschaften. Die Beitreibung rückständiger Beiträge zu den Berussgenossenschaften erfolgt unter An­wendung des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung wegen öffentlich rechtlicher Ansprüche. Die Erteilung des Zahlungs­befehls kommt dem Ortsoorsteher derjenigen Gemeinden zu, in deren Bezirk Vollstreckungshandlungen vorzunehmen sind. Hienach hat der Ortsvorsteher dem Beitragsschuldnereinen Zahlungsbefehl mit angemessener Zahlungsfrist unter der Auflage zuzustellen, innerhalb dieser Frist entweder die er­folgte Bezahlung oder, sofern gegen die Entscheidung eine Beschwerde nach den bestehenden Gesetzen auf dem Verwal­tungsweg überhaupt noch zulässig ist, die Erhebung einer an die zuständige höhere Verwaltungsbehörde gerichteten, die Aufhebung der betreffenden Entscheidung bezweckenden Beschwerde nachzuweisen. Da gegen die Feststellung der Genossenschaflsbeiträge nur die in 8 102 des Gewerbe- Unfallversicherungsgesetzes vorgesehenen Rechtsmittel des Widerspruchs bei dem Genossenschaftsvorstand und der Be­schwerde an das Reichsversicherungsamt zulässig sind, so hat der Ortsvorsteher einen gegen die Feststellung der Bei- tragspslicht und Bettragshöhe gerichteten Widerspruch nicht dem hiesür unzuständigen Oberami zur Entscheidung vorzu­legen. Da femer nach 8 102 des Gewerbe-Unfallversiche­rungsgesetzes die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Feststellung der Beiträge von der Verpflichtung zur vor­läufigen Zahlung nicht befreit, also keine aufschiebende Wirkung hat, so darf auch wegen Erhebung eines derartigen Widerspruchs nicht die Verfügung und Ausführung der Zwangsvollstreckung ausgesetzt werden. Die Auflage des gegebenenfalls zu erbringenden Nachweises einer Beschwerde­

erhebung ist bei Zahlungsbefehlen der in Rede stehenden Art als gegenstandslos wegzulassen und durch die Androh­ung, daß bei fruchtlosem Ablauf der Zahlungsfrist die Zwangsvollstreckung verfügt und ausgeführt werde zu ersetzen.

r Neuregelung der Veräußerung eingezogener Weine. Während in der Regel die eingezogenen Weine zur Essigbereitung oder zur Verarbeitung auf Branntwein an in Württemberg gelegene Fabriken zu verkaufen sind, kann nach einem neuesten Erlaß des Justizministeriums je nach Umständen der Verkauf des eingezogenen Weines auch an in Württemberg wohnende Abnehmer als Haustrunk dann stattfinden, wenn das Getränk zum mindesten den in 8 11 Abs. 1 und 2 des neuen Weingesetzcs für Haustrunk ausgestellten Erfordernissen entspricht. Es muß aber dafür Gewähr geschaffen sein, daß das Getränk nur im eigenen Haushalte des Käufers verwendet oder ohne besonderes Entgelt an die in seinem Betriebe beschäftigten Personen zum eigenen Verbrauch abgegeben wird, die Abgabe an Wirte und Weinhändler ist für die Regel ausgeschlossen und die Veräußerung jeweils nur in kleinen, den Verhält­nissen bei den Käufern entsprechenden Mengen, je nach Umständen an eine größere Mehrzahl von Einzelkäufern vorzunehmen. Zu dieser in Aussicht genommenen Weiter­verwendung der eingezogenen Getränke ist die Genehmigung des zuständigen Oberamts einzuholen, falls die Genehmigung nicht erteilt wird, sind die Getränke zu vernichten. Getränke die nur aus dem Grund eingezogen sind, weil ihre Be­zeichnung den gesetzlichen Vorschriften nicht entspricht, sind unter gesetzmäßiger Bezeichnung zu verkaufen.

* Die Eisheiligen samt derbösen Sophie" (11.15. Mai) sind wohl noch in wenigen Jahren so gut vorüber­gegangen wie Heuer. Nicht nur ist der gefürchtete Kälte­rückschlag gänzlich ausgcblieben, vielmehr ist die Temperatur gerade in diesen Tagen so gestiegen, daß am Samstag nahezu 25° Wärme erreicht wurden. Nur die vermehrten Nieder­schläge konnten auf die kritischen Tage Hinweisen, sie haben aber kein eigentlich nasses Wetter gebracht, vielmehr in Ver­bindung mit der sommerlichen Wärme eine treibhausarlige Temperatur erzeugt, die dem Wachstum sehr zustatten komint, zumal auch die Nächte warm geblieben sind.

* Ebharrsen, 16. Mai. Heute vormittag verunglückte die 28 Jahre alte ledige Katharine Schilling dadurch, daß sie die rechte Hand in eine Zwirnmaschine brachte, wobei 2 Glieder vom Zeigfinger abgerissen wurden und die Hand sonst noch schwer verletzt wurde. Sie wurde ins Bezirkskrankenhaus llbergeführt.

r Rottenburg, 15. Mai. Der Hopfenbauoerein für den Schwarzwaldkreis hielt am Sonntag seine diesjäh­rige Frühjahrsversammlung hier ab. Der Vorsitzende, Stadt­rat Edelmann, hieß die Erschienenen willkommen und erstattete sodann einen Bericht über die Sitzung des Deutschen Hopfenbauvereins am 5. Februar ds. Is. in Nürnberg. Weiterhin sprach Oekonomierat Faiß-Nürnberg überdie allgemeine Lage der Hopfenproduzenten". Stadlvorstand WingHof er befürwortete den Anbau von Frühhopfen und empfahl den in unserer Gegend akklimatisierten sogenannten deutschen Hopfen, der im hiesigen Dersuchshopfengarten die Probe bestanden hat und unter dem NamenRottenburger Frühhopfen" in den Handel gebracht werden soll. Ver­schiedene hiesige Produzenten unterstützten die Anregung des Redners aufs wärmste. Im Herbst sollen einige Ballen dieses spezifisch Rottenburger Produkts auf den Nürnberger Markt gebracht werden.

r Rottenburg, 15. Mai. (Brand.) In der Nacht vom Samstag auf Sonntag brannte das vor ca. 6 Jahren neuerbaute, leerstehende Anwesen des Bauern Ioh. Heberle in der Wurmlingerstraße vollständig nieder. Wegen des dringenden Verdachts der Brandstiftung wurde der bisherige Besitzer verhaftet.

r Horb, 16. Mai. (Es geht auch so.) Don Nah und Fern strömten gestern Männlein und Weiblein nach Resingen, um einer Hochzeit das übliche Gepränge zu ver­leihen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten. Die Hochzeitsdokumente des aus Oester­reich gebürtigen Bräutigams waren nicht eingetroffen. In­folgedessen konnte weder der Standesbeamte noch der Orts- geistliche ihres Amtes walten. Der Hochzeitsschmaus und die Musik nahmen dennoch den gewöhnlichen Verlauf.

Salzstetten, 16. Mai. Am Samstag abend 6 Uhr brannte das Wohn- und Oekonomiegebäude des Ioh. Kreidler vollständig nieder. Die Besitzer des Hauses waren zurzeit des Brandes noch aus dem Felde beschäftigt. Der Schaden ist nicht unbeträchtlich. Man nimmt an, daß das Feuer durch zündelnde Kinder entstanden ist.