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«4. Jahrgang.
Amts- uaä Jatessigenzökatt für äen Oezirfl
SrsHeirtt Aienstag, L Sa«»tag.
Die Siinrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im B^irk, sonst 12
Donnerstag, äen 3!. Oktober 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
»te Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Zum Abonnement auf die Monate
November Dezember
ladet sekundlichst ein
_ die Redaktion.
Amtliche WekarrrrLrncrchungerr.
Aiejerrigen Ortsvorsteher.
welche den auf 15. d. M. verfallenen Bericht, betreffend Vornahme der ordentlichen Jahresschätzung der Gebäude noch nicht erstattet haben, werden angewiesen, den betreffenden Protokollauszug mit der gemeinderäthlichen Beurkundung über Vornahme der Durchsicht des Feuerversicherungsbuchs in Bälde vorzulegen.
Calw, den 28. Oktober 1889. K. Oberamt.
Supper.
Die Ortsvorsteher.
werden an die Vorlage der Wegvisitationsprotokolle auf 1. Nov. d. I. erinnert.
Wie seither ist jeder einzelnen Nummer das Ergebnis der Nachvisitation beizusetzen. — Die Vornahme und das Ergebniß der Nachvisitation ist am Schluß des Protokolls unter Angabe des Datums zu beurkunden.
Das Oberamt behält sich vor, durch Anordnung einer Nachvisitation die vorschriftsmäßige Erledigung der Defekte kontroliren zu lassen.
Calw, den 28. Oktober 1889. K. Oberamt.
Supper. -
Gcrges-Weuigkeiten.
-s Calw, 30. Okt. Nack langer Pause versammelte sich der hiesige Weltspracheverein am Dienstag abend in der I. Dreiß'schen Brauerei. Der Vorstand des Vereins, Professor der Weltsprache, Hr. Rektor vr. Müller berichtete über den gegenwärtigen Stand von Volapük, über die Verhandlungen des intern. Kongresses in Paris, über die Konkurrenz- Weltsprachen, wie Passilingua von Steiner, über Lspersnto und ein ganz neues System eines Mathematikprofeffors Bauer in Agram, welches noch kürzer sich darstellt als Vp. Alle diese Versuche hätten jedoch nichts praktischeres gezeitigt, nur Volapük entspreche allen Anforderungen einer Weltsprache. Nachdem das Zeitungswesen geordnet, wurde die Frage aufgeworfen, ob es
nicht wünschenswert wäre, den Mitgliedern Gelegenheit zur Erlernung der Kunstsprache zu geben und erbot sich Hr. Rektor Müller, Unterricht zu geben unv zwar alle 8 Tage im Dreiß'schen kl. Saal. Näheres wird noch veröffentlicht. Jedenfalls sind auch Nichtmitglieder, die sich für die Sache interessieren, freundlichst eingeladen.
Calw, 30. Okt. Dem heutigen Viehmarkt waren 469 Stück Rindvieh, sowie 13 Pferde zugesührt. Infolge der hohen Preise, die sich nach dem Frühjahreinkauf richteten, hielten die Käufer zurück und konnte somit kein flotter Handel zustande kommen. 2 an Maul- und Klauenseuche kranke und 4 stark verdächtige Stücke mußten unter Beobachtung gestellt werden. Unter den Pferden war 1 rotzverdächtig.
Stuttgart, 29. Okt. Der Kanzler der Universität, Geheimerat Dr. v. Rümelin ist gestern abend gestorben. Die Krankheit, welche einen sehr raschen Verlaus nahm, war ein schmerzhaftes Blasenleiden, welches bei dem Alter des Verstorbenen den Tod herbeisühren mußte. Rümelin war am 26. März 1815 in Ravensburg in Württemberg geboren, studierte 1832 —36 in Tübingen Theologie und wurde 1845 Rektor der lat. Schule zu Nürtingen. Hier wurde er 1848 in das Frankfurter Parlament gewählt, wo er sich sofort der erbkaiserlichen Partei anschloß. Bei Uebersiedelung des Parlaments nach Stuttgart legte Rümelin sein Mandat nieder. Im Jahre 1850 wurde er als Referent in den Studienrat nach Stuttgart, 1852 als Rat in das Cultusministerium berufen; 1856 wurde er Staatsrat und Departements-Chef des Kirchen- und Schulwesens. In dieser Stellung war er für Hebung des Volksschulwesens und Beilegung des Conflikts der würt- tembergischen Regierung mit der Kurie mit Erfolg thätig. 1861 übernahm Rümelin die Stelle eines Vorstandes des statistisch-topographischen Büreaus und habilitierte sich 1867 als Docent für Statistik und Philosophie an der Universität Tübingen, zu deren Kanzler er 1870 ernannt wurde. Rümelin war auch als Schriftsteller, besonders auf statistischem Gebiete, sehr thätig. — Der „Staatsanz." fügt diesem bei: Württemberg verliert in dem Kanzler einen seiner ersten Geister; der König einen erprobten, aufrichtig ergebenen Diener; die Universität einen ihrer geistigen Führer; Deutschland einen überzeugungstreuen Patrioten; die Wissenschaft eine ihrer ersten Leuchten, und die deutsche Schriftstellerwelt eines ihrer verehrungswürdigsten Häupter, einen von der alten Schule, welcher bei allem Realismus der Weltanschauung einen ideal schönen Stil schrieb, der ihm einen Platz unter den Klassikern der deutschen Prosa sichert.
Stuttgart, 26. Okt. Zu dem Attentat auf S. K. Hoheit den Prinzen Wilhelm wird der „K. Z" geschrieben: Prinz Wilhelm hat den Bruder des Mörders, Fabrikant Müller aus Oethlmgen, in Audienz
Feuilleton.
Beim Rattenfänger von Hameln.
Bunte Bilder aus einer kleinen Stadt von Keinrich Hrans.
(Fortsetzung.)
Der Beginn der Vorstellung war um sieben Uhr angesetzt, allein eine halbe Stunde früher war der zweite und dritte Platz überfüllt, so daß die Inhaber der nummerierten Sitze nur mit Mühe dahin gelangen konnten.
Als ich mit dem Onkel an der Kasse erschien, erhob sich schnell der Direktor und begrüßte uns mit ausgesuchter Artigkeit.
«Guten Abend, Herr Rat! — Haben uns lange nicht die Ehre erzeigt, Herr Rat! Habe namentlich gestern bedauert, daß der Herr Rat meinen Casimir nicht als „Zigeuner" gesehen! ich sage Ihnen einzig, großartig! Bitte Platz für den Herrn Rat!" Damit stieß er einen Kellner und einige Jungen bei Seite und öffnete uns höchst eigenhändig, unter fortwährenden Komplimenten, die Eingangsthür zum Saal.
Nur langsam war es möglich vorzudringen; ich schritt dem Onkel voran und brachte ihn endlich mit Hilfe meiner Ellenbogen zu unseren Plätzen. — Ich erhielt einen Ecksitz in der Nähe des Fensters, zur Sette der schönen Rosa Albrecht, die neben ihrem Vater saß, der die Aufmerksamkett hatte, mich ihr vorzustellen. Ich wollte ihr meinen Namen nennen, doch der Vater hielt, dies für unnötig, indem er, mich unterbrechend, sagte:
„Der Neffe des Rats Wilhelmi!"
Da der Onkel für sämtliche Vorstellungen abonniert, hatte er seinen Platz dicht vor der Bühne. Um uns herum begrüßten wir hier und da einzelne Bekannte der Weinstube, die jetzt in der Begleitung der Familie erschienen waren. Auch Lieutenant Marwitz kam und rief mir im Vorbeigehen zu:
„Nun, — was habe ich gesagt? — Massenhafter Andrang!" —
Das Unangenehme an meinem Platz war, daß ich mich einer Tapetenthür gegenüber befand, die, wenn sie geöffnet wurde, mir einen Einblick in die Geheimnisse der Herren-Garderobe gewährte, der geeignet war, mir jede Illusion zu zerstören.
Meiner schönen Nachbarin war das Taschentuch entfallen, und indem ich es ihr überreichte, fand ich dadurch Gelegenheit, ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen.
„Sie kennen jedenfalls die Sage vom Rattenfänger von Hameln?" fragte ich.
„Gewiß," entgegnete sie einfach, „aus der Lektüre und durch eine Theater- Aufführung. Die Vorsteherin des Breslauer Pensionats, m dem ich erzogen wurde, war eine sehr liebe, frei- und frohsinnige Dame, welche uns zweimal im Monat den Besuch des Theaters gestattete. Bei dieser Gelegenheit sah ich das Stück zuerst auf einer größeren Bühne dargestellt und war davon so entzückt, daß ich gleich hinterher die herrliche Wolf'sche Dichtung las."
„Dann werden Sie allerdings hier sehr enttäuscht werden!"
„O durchaus nicht, ich weiß, was ich zu erwarten habe und lasse alle Ansprüche draußen!"
„Eine ambulante Bühne sollte sich doch nicht an Aufgaben wagen, die in jeder Weise ihre schwachen Kräfte übersteigen."
„Man muß den guten Willen für die That nehmen, und wer das Theater eines kleinen Landstädtchens besucht, wird nicht verlangen können daß ihm für ein EntrSe — im Abonnement 70 Pf. — Genüsse zu Teil werden sollen, wie sie nur große Bühnen mit reichen Einnahmen bieten können."
„Sie sind ein warmer Anwalt der armen Künstler, und ich will Ihnen nicht widersprechen. Aber wenn ich auch von den Leistungen absehe, die äußere Ausstattung werde ich nicht übersehen können. Ich bin Architekt und von meinem Standpunkt aus müssen Sie mir zugeben, ist es schwerer, Nachsicht zu üben."
„Im Gegenteil," meinte sie lächelnd, „ich dächte, da müßten Sie sich in Ihrer Phantasie das Ganze viel schöner „aufbauen" können, als es uns Laien gestattet ist. — Wir sind hier weniger anspruchsvoll; wir würden sogar zufrieden sein, wenn wir