bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

hier 1.10 mit Träger-

lohn 1.20 im Bezirks­

und 10 Lm.-Bsrkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsabonnements nach Verhältnis.

Fernsprecher Nr. 2S.

86. Fahrgang.

e, '

Fernsprecher Nr. 29.

Beilagen. Plauderstübchen.

* Illustr. Sonntagsblatt und.

Echwäb. Landwirt.

^ 1VS

Donnerstag, den 11. Mai

1911

Deutscher Reichstag.

r Berlin, 10 . Mai.

Am Bundesratstisch Staatssekretär Dr. Delbrück und Ministerialdirektor Caspar.

Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet um 1.20 Uhr die Sitzung. Die zweite Lesung ,der Reichsversicherungs­ordnung wird fortgesetzt. Die Beratung beginnt bei 8 249 (besondere Ortskrankenkassen).

Leber (Soz.): Wir sind nicht für besondere Orts­krankenkassen. Nur wenn tatsächlich bei übergroßer Mit­gliederzahl ein besonderes Bedürfnis oorliegt, wäre diese abermalige Zersplitterung erklärlich. Wir verlangen die Streichung dieses Paragraphen. (Beif. b. d. Soz.) Der Antrag wird abgelehnt und der Paragraph angenommen.

Der zu 8 250 (Zulassung von besonderen Ortskranken­kassen bei einem Mitgliedermindestbestand von 250 Ver­sicherten usw.) vorliegende, durch den Abg. Hoch (Soz.) begründete sozialdemokratische Abänderungsantrag wird ab­gelehnt.

§ 251, enthaltend die Befugnis der obersten Verwal­tungsbehörde, die erforderliche Mitgliedermindestzahl bis auf 3000 zu erhöhen, bei einer Einwohnerzahl von 200 OM auf 5000 und bei 500 MO auf 10000, ist von der Kom­mission abgelehnt worden.

Molkenbuhr (Soz.) begründet einen Antrag auf Wiederherstellung dieser Bestimmung. Der Paragraph bleibt gestrichen. Die 88 252256 werden gemäß den Kom­missionsbeschlüssen erledigt. Die 88 257 bis 270 umfassen die Betliebskrankenkassen. 8 257 regelt die Neugründung von Betriebskrankenkassen. Die Sozialdemokraten bean­tragen Streichung, die Fortschrittliche Bolkspartei will die Betriebskrankenkassen der landwirtschaftl. Betriebe streichen.

Emmel (Soz.): Wir sind gegen die Betriebskranken­kassen überhaupt, zum mindesten aber wollen wir den Neu­gründungen solcher Kassen Vorbeugen. Völlig unhaltbar ist die Vorschrift, daß für landwirtschaftliche Betriebe und bei der Binnenschiffahrt schon fünfzig Bersicherungspflichtige zur Gründung einrr solchen Kasse genügen sollen. Die Mit­gliederzahl sollte auf mindestens 5M bemessen werden. Be­sondere Unordnung scheint in den Marinebetriebskassen in Kiel zu herrschen. Auch auf der Germaniawerst sollen die Zustände nicht viel besser sein. Die Arbeiter werden dort der Schwindelkasse in die Arme getrieben. Redner bringt dann eine große Zahl Einzelfälle vor über Handhabung der Versicherung bei den Privatkassen und fordert völlige Beseitigung der Betriebskrankenkassen.

Dr. Stresemann (n.): Als Tatsache können wir die angeführten Einzelfälle, die übrigens in keinem Verhältnis zu den Tausenden von Betriebskrankenkassen stehen, nicht ohne weiteres ansehen. Die Schlußfolgerung, daß die Be­triebskrankenkassen nichts leisten, wird durch die Statistik widerlegt.

Hörmann (f. Vp.) Wir wollen die Gründung von Betriebskrankenkassen zwar nicht erleichtern, wir wollen sie aber auch nicht abschlachten.

Ministerialdirektor Caspar: Wenn die von dem Abg. Emmel angeführten Fälle richtig wären, so würden die Be­stimmungen Platz greifen, die den Arbeitgebern untersagen, unter eine gewisse Mindestleistung herunterzugehen. Die Abänderungsanträge werden abgelehnt und die § 257 und 258 nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen. § 259 (Kassen für Saisonbetriebe) wird unter Ablehnung eines sog. Antrags auf Streichung des § angenommen. Zu den 8 260268 (Bestimmungen über die Errichtung der Betriebs­krankenkassen) wird ein Kompromißantrag angenommen, wonach der Betrieb der Orts- und Landkrankenkassen nicht gefährdet wird, wenn die Betriebs- und Innungskranken­kassen mehr als IM Mitglieder erhalten. Weitere Anträge werden abgelehnt. Die weiteren Paragraphen betreffen u. a. Streitigkeiten, Auflösung und Schließung von Kassen. Die 269338 werden nach den Kommissionsbeschlüssen an­genommen, ebenso 8 339. Um 6^4 Uhr wird die Weiter- beratung auf morgen 12 Uhr vertagt.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, 11. Mai 1911.

* Die Mai-Nummer der Blätter des Württ. Schwarzwald-Vereins lädt zu der am Sonntag 28. Mai in 'Lauterbach stattfindenden Hauptversammlung ein und bringt eine hübsche Beschreibung idieses Luftkurorts von H. Schiebel-Innsbruck. Ihren Abschluß findet die gründ­liche und fleißige Arbeit von Hauptlehrer Huber-Tuttlingen betr.Burg und Herrschaft Sterneck in der Ver­gangenheit." Wie in der Märznummer die Köhlerei, so hat in dieser die Flößerei ihren Chronisten; Fabrikant Schnurr-Liebenzell weiß ihr wenige aber - liebevolle Ab­schiedsworte zu sagen im Hinblick auf den bevorstehenden Abgang von Nagold und Enz und des damit verloren gehen­den Stücks Romantik. Einen lehrreichen Einblick in das Schaffen des Württ. Landesausschusses für Natur- und Heimatschutz läßt der Abdruck dessen Arbeitsplans mit besonderer Berücksichtigung des Schwarzwaldsgebiets tun. Vom badischen Bruderverein kündet das Wissens­werte ein Auszug aus dessen Jahresbericht für 1910. Einem der besten Kenner unseres Schwarzwalds,dem er ein unvergänglich schönes Denkmal geschaffen in seinem poesie- vollen BucheWaldgeheimnisse", Herrn Hofrat Dr. Wurm in Bad Tein ach ist zu dessen 80. Geburtstag (4. April) ein ehrendes Gedenkwort gewidmet, verbunden mit den herz­lichsten Glückwünschen, welchen wir uns anschließen. Es folgen die Bereinsberichte und ein Wort des neuen Schrift­leiters Herrn Professors Julius Schau mann in Stuttgart, in welchem er seines srühvollendeten Vorgängers und Freundes gedenkt und sich an alle Kreise des Württ. Schwarzwald- Vereins mit der Bitte wendet, ihm das Vertrauen und die Mitarbeit in ebenso reichem Maße zuzuwenden, was wir hiemit unsrerseits gerne zusagen.

Gesellenprüfungssache. (Mitgeteilt). Die Lehrlings­prüfungen haben mit Ende April ihren Abschluß gesunden. Im ganzen haben sich 131 Lehrlinge zur Prüfung ange­

meldet. Davon wurden 3 nach Calw verwiesen, 2 wegen Krankheit und 2 zur Herbstprüfung zurückgestellt, weil die­selben ihre Lehrzeit erst im Oktober beenden. Sämtliche Lehrlinge haben die Prüfung bestanden. Von den einzelnen Gewerben entfallen auf die Oberämter Calw: 2 Conditor,

2 Friseure; Freuden st adt: 1 Buchdrucker, 2 Conditor, 1 Dreher, 4 Friseure, 2 Küfer, 1 Müller; Herrenberg: 1 Bäcker, 1 Buchdrucker, 1 Maurer, 2 Müller; Horb: 1 Dreher, 2 Maurer; Neuenbürg: 1 Buchdrucker, 1 Pflästerer; Oberndorf: 1 Dreher; Spaichingen:

1 Dreher; Nagold: 6 Bäcker, 4 Buchdrucker, 3 Conditor,

3 Flaschner, 3 Friseure, 4 Gipser, 1 Glaser, 1 Küfer, 3 Maler, 3 Maurer, 7 Metzger, 4 Mechaniker, 3 Müller, 3 Sattler, 1 Schlosser, 3 Schmiede, 5 Schneider, 26 Schreiner, 7 Schuhmacher, 1 Steinhauer, 2 Uhrmacher,

2 Wagner, 2 Zimmerer. Bon einer Ausstellung der

Lehrlingsarbeiten mußte auch in diesem Jahre wegen Platz­mangel wieder abgesehen werden. Es ist jedoch zu hoffen, daß für das nächste Jahr im neuen Schulgebäude eine solche veranstaltet werden kann. _

Eisenbahnschmerzen.

Aus Nagold wird demSchwarzw. Boten" zu den von uns in Nr. 47, 61 und 104 desGesellschafters" er­hobenen Einsprachen gegen eine Verkehrsverschlechterung folgen­des geschrieben:

Mit dem Inkrafttreten des Sommerfahrplans haben wir hier eine wesentliche Berkehrsoerschlechterung zu verzeichnen, insofern als unsere seitherige letzte Verbindung von Eutingen her (durch einen Güterzug mit Personenbe­förderung) in Wegfall geraten ist. Allgemein war man der Ansicht, daß an deren Stelle eine Triebwagenoerbindung EutingenCalw eingerichtet werde, was eine willkommene Verbesserung unserer Berkehrsoerhältnisse bedeutet haben würde. Leider erwies sich diese Annahme als trügerisch. Die Generaldirektion hatwegen ungenügender Benützung" den Personenwagen aus dem Güterzug entfernt. Nun ist ja ohne weiteres zuzugeben, daß der letzte Zug seines allzu­gemütlichen Tempos wegen nur von Leuten benützt wurde, die dazu gezwungen waren. Es war ja auch tat­sächlich kein Vergnügen, in einem ausgeleierten Wagen die Strecke EutingenCalw mit 20 km-Geschwindigkeit zu durchrasen. Immerhin war es doch eine wenn auch noch so schlechte Verbindung und daher besser als gar keine. Nach dem jetzt gültigen Fahrplan muß aber beispiels­weise ein Reisender, der noch nach Nagold zu kommen hofft, in Spaichingen (82 km) schon 4.33, in Rottweil (67 km) 6.43, in Tübingen (56 km) 6.20, in Freudenstadt (35 km) 6.50 bezw. 7.15 wegfahren, was besonders im Sommer doch reichlich früh ist, während bei Einlegung eines Trieb­wagens (ab Eutingen 10.35) die entsprechenden Zeiten 2 bis 31/2 Stunden hinausgerückt werden könnten. Wenn der Triebwagen, der 8.30 in Nagold endigt und 8.50 leer nach Calw zurllckfährt, statt nur bis Nagold bis nach Eutingen geführt wird, so kann ohne nennenswerte Mehrkosten eine rasche und bequeme Verbindung mit Anschluß an die Züge 748, 751 und 266 (von Stutt-

Glaube und Heimat.

Ei« Geleitwort ?« Karl LchSnherrsTragödie eines Soldes".

Dem gewaltigen Werk der Reformation in Deutschland und dessen Grenzländern während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts folgte in der zweiten die furchtbare Epoche der sogenanntenGegenreformation". Ihr geistiger Urheber, Ignaz von Loyola, der Begründer des Jesuitenordens, hatte sich zum Ziel gesetzt, dem Papst eine Schar unbe­dingt ergebener Kämpfer zuzuführen, die sowohl den Un­glauben unter den Heiden, wie den Unglauben im Schoß der Kirche selbst siegreich überwinden sollten. Bon der Iberischen Halbinsel, ihrem Heimatland, kamen zur ange­gebenen Zeit diespanischen Priester" (so wurden die Jesuiten vom Volk genannt) nach Deutschland. Ihr ursprünglicher Gedanke war, wie Sohm nachweist, den Protestantismus mit den Mitteln des Protestantismus also den Waffen des Geistes und der Wissenschaft zu bekämpfen. Aber die literarische und rein geistige Gegenwirkung führte den Jesuitenorden nicht schnell genug zum Ziel, und so wurde im Dienst der Kirche auch das Mittel äußerer Gewaltmaß- rcgeln angewandt, welche dieGegenreformation" zu einer Geschichte von Blut und Greueln unerhörtester Art gemacht haben. Besonders wütete sie im Süden Deutschlands, zu­mal in Bayern, Steiermark, Kärnthen und Kram, wo gerade damals die neue Lehre in leuchtendem Hoffnungslenze stand. In den österreichischen Alpenländern ist sie wahrhaftig zur Tragödie eines Volkes" geworden; bis zur heutigen

Stunde ist aus dieser kerndeutschen Bevölkerung der Prote­stantismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet geblieben.

Diese Tragödie eines Volkes zu einem Drama aufzu­bauen aus den Brettern, welche die Welt bedeuten für- wahr ein Stoff von ungewöhnlicher Größe im Reiche der Kunst, aber auch voll ungewöhnlicher Gefahren! Wo wäre im Ibsen-Zeitalter mit seinem psychologisch schemenhaften Individualismus und seinem düster unerquicklichen Sub­jektivismus eine gestaltende Kraft von solcher Ursprünglichkeit vorhanden, daß sie cs vermöchte, ein ganzes Volk im Voll- Licht einer großen geschichtlichen Zeit, im Ringen um die beiden höchsten Güter des Daseins, Glaube und Heimat, als eine plastische Neuschöpsung voll Kraft, Wahrheit und Leben unmittelbar vor das geistige und leibliche Auge zu rücken? Wo wäre in den Tagen des sogenanntenkünstlerischen Naturalismus" und des geistig verödenden Materialismus trotz aller wissenschaftlichen Mäntelchen, die er sich um das klappernde Gebein drapiert ein Dichter von so hin­reißendem Mute, daß er es wagte, auf dem Untergrund und in der Sprache eines geradezu erschütternden Realismus sich und seine Mitzeit fortzureißen zu einem Hochflug in das Reich des gesättigtsten Idealismus? Glaube, evangelischer, biblischer, Reich-Gottes-Glaube, zur Zeit der modernen Tyrannis von Diktatoren wie Häckel, Nietzsche, und des immer sich eifriger aufplustemden Atheismus? Heimat, das heißt ein Wurzelgeflecht von so starkem Empfinden für den Boden und das Erbe der Väter, daß man auch das letzte Fäserchen aus dem Herzen reißen müßte um sicher zu sein, daß es nicht zu einem neuen mächtigen Wurzelstock der

alten Liebe würde: in den Tagen derMorgenluft" schnuppernden, bodenentwurzelten roten und goldenen Inter­nationale? Und gesetzt, ihr brächtet solch unmittelbares Talent, eine Neuerscheinung wie in den Anfängen der großen deutschen Dichterperiode des 18. Jahrhunderts, herbei: würde es nicht in wildem, regellosem Aufbäumen, wie ein eruptiver Krater, sich gegen alle Gesetze dramatischer Zucht und künstlerischer Schöne versündigen? Und wenn es selbst diese Scylla glücklich umschiffte, dann würde es, gerade in unseren Tagen, schließlich doch noch rettungslos versinken in der Charybdis einer einseitig zugestutzten Konfessionstendenz! Wo wäre der Dichter, der Sieger bliebe über solche Wider­stände einer vielfach dekadenten Zeit?

Und doch! Gerade ihn haben wir wieder zu eigen: Karl Schönherr ist es in seiner Tragödie eines Volkes: Glaube und Heimat"! Fast könnte man angesichts dieses abgeschlossenen Meisterwerks Mut bekommen, daß der Tief­stand einer dramatischen und auch vielfach sozial-ethischen Stagnation sondergleichen überwunden sei. Künstler und Menschen von solch innerlich kemgesunder Ursprünglichkeit und doch vollendeter Bewahrung des großen Erbes aller wahren Kunst hätten auf einem absoluten Miasmenboden kaum erstehen können! Und es wäre nicht das erstemal, daß ein Drama das Frllhgeläute einer neuen Geistesepoche be­bedeutete !

Echönherr holt sich seine Helden und Heldinnen aus der denkbar schwierigsten, weil in ihrer Psyche am wenigsten erkannten Menschheitsschicht, dem Bauernstände! Und zwar ausschließlich aus ihm allein. Es kommt nur noch ein