Erscheint täglich mit Ausnahme der Sann- und Festtage.

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Fernsprecher Nr. 29.

83. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

U 102

Mittwoch, den 8. Mai

Anzeigen-Hebühr sür die einspol!. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal.

Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen. Plauderstübchen,

* Illustr. Sonntagsbllitt und

Schwäb. Landwirt.

1811

Amtliches.

Bekanntmachung,

betr. die Vornahme von Schutzimpfungen gegen den Schweinerotlauf.

Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung vom 11. April d. Is. (Gesellsch. Nr. 86) ersuche ich wiederholt um Mitteilung der eingegangenen Anmeldungen ev. um Fehl­anzeige bis spätestens 6. d. Mts.

Nagold, 2. Mai 1911.

K. Oberamtstierarztstelle: Metzger.

Politische AebersichL.

r Der neue deutsch-schwedische Handelsvertrag

ist gestern in Berlin vom Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Kiderlen-Wächter und dem hiesigen schwedischen Gesandten von Trolle unterzeichnet worden. Der Wortlaut wird morgen in derNordd. Allg. Zig." veröffentlicht werden.

Von einem neuen Irrlehre-Verfahren gibt folgende Meldung derKöln. Ztg." Kunde: Gegen den Pfarrer Neumeister an der Kreuzkirche in Kassel ist Anzeige erstattet worden, er habe in seiner Osterpredigt die christliche Lehre von der Auferstehung bestritten. Das preußische Konsistorium hat darauf von dem Pfarrer den Text der Predigt eingefordert und eine Untersuchung eingeleitet.

Die Maifeier ist in ganz Deutschland offenbar in größter Ruhe verlaufen. Vorläufig liegt keine einzige Meldung über irgendwelche Ordnungswidrigkeiten vor. Allenthalben begnügte man sich mit der Abhaltung von Versammlungen, die meist sogar weniger gut besucht waren, als man erwartet hatte. Man könnte sich versucht fühlen, hieraus den Schluß zu ziehen, daß der Gedanke des Well­feiertages allmählich seine zündende Kraft verloren hat. Denn auch aus dem Ausland wird in der Hauptsache be­richtet, daß die Beteiligung verhältnismäßig gering war und Zwischenfälle sich nicht ereigneten. Nur aus Paris, wo man bekanntlich glaubte, die Ordnung nur mit 28 Regi­mentern aufrecht erhalten zu können, kommen Meldungen von Zusammenstößen, die jedoch auch in gar keinem Verhältnis zu dem für notwendig erachteten Sicherheits- Aufgebot stehen. Erst am Nachmittag suchten zahlreiche Feiernde die Place de la Concorde zu erreichen; die angrenzenden Straßen waren aber gesperrt. Die Mani­festanten sammelten sich sodann in den Champs Elystes. Kürassiere gingen gegen sie vor; mehrere Manifestanten wurden niedergeritten und viele Personen verhaftet, darunter ein Mann, der einen Revolverschuß abgegeben hatte. Ein Polizeiosfizier wurde durch einen Messerstich in den Rücken verwundet. Eine Abteilung von Feiernden, in der sich auch derjenige befand, der den Angriff auf den Polizeiosfizier verübt hatte, wurde von berittenen republikanischen Garden umzingelt. Es kam zu einem ziemlich heftigen Zusammen­stoß, der damit endete, daß Kavallerie die Manifestanten

zerstreute. In der Nähe der Place de la Concorde bildeten sich später wieder Gruppen von Manifestanten, wodurch es abermals zu Tumulten kam. Die Polizei ließ ein Cafs räumen, in das sich die Demonstranten geflüchtet hatten. Etwa 10 Mann fanden sich auf den Unfallstationen ein, um sich verbinden zu lassen. Gegen 4 Uhr wurde ein Teil des außerordentlichen Sicherheitsdienstes aufgehoben.

r Die englisch-deutsche Freuudschaftsgesellschaft, mit der sich die verschiedenen englisch-deutschen Freundschafts­komitees zusammengeschlossen haben, hielt am Montag im Mansionhouse unter dem Vorsitz des Lordmayors ihre erste Sitzung ab. Der Lordmayor gab der Hoffnung Ausdruck, daß die gegenwärtige Versammlung einen neuen Schritt be­deute auf dem Wege zu engerer Freundschaft zwischen Eng­land und Deutschland. Lord Aoebury führte aus, ein Krieg zwischen England und Deutschland würde für beide Teile, wenn nicht den Ruin, so doch auf alle Fälle ein großes Unglück bedeuten. Mit alleiniger Ausnahme Indiens sei Deutschland Englands bester Abnehmer. Der Handelsver­kehr zwischen beiden Ländern sei enorm und wenn er durch die hohen deutschen Zölle etwas beeinflußt werde, so seien die deutschen Zollsätze schließlich doch noch nicht halb so hoch als die der Bereinigten Staaten. Ein Krieg mit England, wie er auch enden möchte, würde den deutschen Handel auf Jahre hinaus lahmlegen. England habe mit Deutschland die Religion und eine Fülle von Interessen gemeinsam. Die beiden Länder seien aneinandergeknüpft durch die Bande des Bluts, durch Jahrhunderte des Friedens und eine tausend­jährige Freundschaft. Die Versammlung wählte Herzog Argyll zum Ehrenpräsidenten und Lord Aoebury sowie Lio Frank Lascalles zu Präsidenten der Gesellschaft.

Zur Lage in Marokko schreibt die Norddeutsche Allgemeine Zeitung:In der vergangener« Woche hat sich mehr und mehr herausgesteüt, wie sehr sich die französische Regierung besorgt zeigt, für die als Instrukteure in und bei Fez weilenden französischen Offiziere Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Eine Gefährdung der europäischen Kolonien ist nach den in Berlin eingelaufenen Nachrichten glücklicher­weise vorläufig nicht zu befürchten. Frankreich ist es nicht zu verdenken, daß es auf alle Mittel sinnt, die geeignet erscheinen, das Leben seiner Offiziere zu sichern. Es bleibt natürlich dem Ermessen Frankreichs überlassen, welche Mittel ihm geeignet erscheinen, da es auch die Verantwortung für die Folgen der angewandten Mittel trägt. Nach bündigen Versicherungen der französischen Regierung hat sie lediglich die Absicht, die zur Sicherung ihrer Staatsangehörigen nötigen Maßregeln zu ergreifen, insbesondere beabsichtigt sie nicht, die Integrität Marokkos und die Souveränität des Sultans anzutasten. Auch liegt eine Besetzung von Fez nicht in ihren Absichten. Es ist zu hoffen, daß die Ereig­nisse der französischen Regierung die Innehaltung ihres Programms gestatten werden. Ein Hinausgehen über das­selbe würde deshalb mit der Mgeciras-Akte nicht in Ein­klang stehen, weil ein wesentlicher Bestandteil der Akte ein unabhängiger marokkanischer Herrscher ist. Ein Durchbrechen wesentlicher Bestimmungen der Algeciras-Akte, selbst wenn

es durch zwingende äußere Umstände und gegen den Willen der "handelnden Macht herbeigeführt würde, würde sämtlichen Mächten ihre volle Aktionssreiheit wiedergeben und könnte damit zu Konsequenzen führen, die sich zur Zeit nicht über­sehen lassen. Wir können aber nur wiederholen, daß vor­läufig kein Anlaß vorliegt, bei der bisherigen vorsichtigen Haltung der französischen Regierung eine so weitgehende Entwicklung der derzeitigen Verhältnisse vorauszusehen."

Deutscher Reichstag, r Berlin, 2. Mai. Am Bundesratstisch Staatssekre­tär Dr. Delbrück. Präsident Graf Schwerin-Löwitz er­öffnet die Sitzung um 2.15 Uhr. Bor Eintritt in die Tages­ordnung macht der Präsident Mitteilung von dem Tode des Fürsten zu Schaumburg-Lippe. Das Haus hat sich erhoben. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung eines Ein- sührungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Naqold, 3. Mai 1911.

* Bezug von Freimarkenrollen. Vom 1. Mai an werden Freimarkenrollen, die zur Verwendung in Porto­kontrollkassen, Frankiermaschinen usw. verlangt werden, zum Nennwert, also ohne den bisher erhobenen Aufschlag von 25 für die Rolle an das Publikum abgegeben. Rollen mit einfarbigen Freimarken (zu 3, 5, 10 und 20 ^) bestehen fortan aus einem einheitlichen Band ohne Klebestellen, Rollen mit mehrfarbigen Freimarken (zu 25, 30, 40, 50 und 80 Pfennig) werden bis auf weiteres, wie bisher, durch An­einanderkleben einzelner Streifen hergestellt. Rollen mit Freimarken zu 3, 5 und 10 /H, enthalten je 1000, Rollen mit Freimarken zu 20, 25, 30, 40, 50 und 80 /H, je 500 Stück.

* Die , Polizeistunde. Das Ministerium des Innem hat bezüglich der Polizeistunde verfügt, daß die Ortspolizei­behörde befugt ist, in einzelnen Fällen die Zeit des erlaubten Wirtschaftsbesuchs für alle oder sür einzelne Wirtshäuser und öffentliche Bergnügungsorte der betreffenden Gemeinde zu verlängern. Mit Genehmigung des Bezirksrats kann der Gemeinderat die allgemeine und dauernde Verlängerung oder Aufhebung der Polizeistunde beschließen, wenn ein zur Auf­rechterhaltung der nächtlichen Ruhe genügendes Polizei­personal angestellt ist und in sittenpolizeilicher Beziehung nachteilige Folgen nicht zu erwarten sind. Sowohl dieser Beschluß des Gemeinderats als die vom Bezirksrat erteilte Genehmigung kann jeder Zeit widerrufen werden. Der Bezirksrat ist zum Widerruf auch der nach älterem Recht zugelassenen Verlängerung oder Aufhebung der Polizeistunde zuständig. Unabhängig von dieser Zuständigkeit des Bezirks­rats ist das Oberamt befugt, für einzelne Wirtschaften, deren unordentliche Führung hiezu Anlaß gibt, das Wiederinkrast-- treten der Polizeistunde oder eine Beschränkung der Ver­längerung der Polizeistunde nach vorausgegangener zwei­maliger Androhung dieser Maßnahme anzuordnen.

Weshalb MM ms im Mslmd «icht mag!

Im Maiheft von Belhagen und Klasings Mo­natsheften streift Prof. Dr. Ed. Heyck in seiner kulturge­schichtlichen StudieVierzig Jahre seit dem Frankfurter Frieden" diese Frage. Ein guter Teil unserer Unbeliebtheit käme auf die internationale Verhetzung, sagt er. Ein nicht geringer kommt aber auch auf die eigene Erscheinung des neueren Deutschen. Er ist an sich nicht liebenswerter für den Geschmack der übrigen Welt geworden.

Dem ist nicht ganz das Mitverständnis zu versagen. Gewaltige Massen von unseren Landsleuten, die früher in örtlicher Gebundenheit sympathisch zur bürgerlichen Bildung ausstrebten, sind durch die mächtige wirtschaftliche Entwick­lung unvermittelt rasch in die allgemeine erfolgreiche Betrieb­samkeit eingestellt worden, müssen überall bemerkt werden, fühlen sich als Persönlichkeiten und suchen die instinktiv empfundenen Lücken in ihrem Selbstbewußtsein durch eine aggressive Art von Sicherheit zu verschleiern. Solche, die ihre Semester auf einer Universität gebummelt haben, sind keines­wegs ausgeschlossen. Und da sie allesamt mit wahrem Geisteshunger gewisse meistbegehrte Zeitungen und Witz­blätter und hier und da auch eine entsprechende Buchlektüre zu sich nehmen, so gesellt sich hinzu die Verwechslung dessen, was ihnen auf diese Weise an Ueberlegenheit noch hinzu­wächst, mit den Materien einer wirklichen Bildung, von der sie nicht wissen, wie ferne sie ihr geblieben sind. Etwas un­angenehm Eingebildetes, Unerzogenes, gefallsüchtig Brutales ist vielfältig in das deutsche Wesen hineingekommen, und da

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so sehr viele sich so geben, so ist ein neuartiges savoir vivr« entstanden, dessen Mittel im Getümmel Argwohn, stumpfe Kälte, vorbeugende Rücksichtslosigkeit sind.

Ferner haben die Massenhastigkeit aller abstufenden Organisationen, sowie die ausgeprägte Veräußerlichung im Verkehr von Vorgesetzten und Untergebenen den Durchschnitts­menschen bei uns charakteristisch daran gewöhnt, überall Höhere oder Geringere zu suchen und den andern mechanisch abzutaxieren, ob er vor ihm die Dienersprache reden oder sich kühl von oben geben soll. Von seinem menschlichen Wesen, Denken und Inhalt, seiner Gutherzigkeit sucht demnach jeder möglichst wenig im Tagesverkehr zu verraten. Das Vor­teilhafteste ist eine leere, steife Korrektheit, zu deren Ersatz aber vielfach auch die kahle Unart angewendet wird. Das fällt aber alles den Ausländern am meisten auf, deren Vor­stellungen unwillkürlich ein besonders unterrichtetes und er­zogenes Volk vorschwebt.Es muß wohl ein zwiefaches Deutschland geben, ein geistiges und ein rohes, ich habe in der äußeren Physiognomie nur das letztere bemerkt," äußerte vor einem Fahre Stolypin nach einer Reise zu einem Jour­nalisten. Englische Schriftsteller, und zwar solche von Urteil und Objektivität, die Deutschland seit Jahrzehnten kennen, heben den Riesenaufschwung, aber auch die zunehmende Un­liebenswürdigkeit und innere Geschmacklosigkeit hervor. Und das Ausland bei sich zu Hause ärgert sich still oder laut über die deutschen Reiscscharen. Früher hieß der Engländer der steife, äußerliche Mensch, jetzt erscheint er liebenswürdig und menschlich interessiert im Vergleich mit dem Knowno- thingtum der Deutschen. Gegen uns ging es, wenn Björn- son eine Bewegung gegen die Fremdenindustrie in Norwegen

.einzuleiten suchte.?ö1sstM8ksr" sagen wegwerfend die Dänen;SpLssnuoli" dumme Spanier mit armselig hohler Würde spotten die Italiener:öurom, öLroni" rufen im Orient die Jungen als backschischkundige Psychologen hinter den Deutschen der großen Reisekarawanen her.

Aber dieser umsichgreifende neudeutsche Vornehmheits- Snobismus hat seine emsten Bedenklichkeiten auch daheim. Das gesunde Leben keiner Nation verträgt es auf die Dauer, wenn das Gefühl von Gemeinschaftlichkeit und Gutgesinn­ung einem Gebaren der oerächterischcn Kälte weicht. Zu­mal alle sozialen Berstimmungen bei uns noch in nationale Umschlagen. Sie verstärken nicht bloß die dem Arbeiter ein­geredete Hoffnungslosigkeit, sich jemals bei der Liebe zum Vaterland und Deutschtum wöhler zu fühlen. Auch vcr- gleichungsfähige Gebildete sagen sich offen, wenn auch un­gern, daß ihnen das skandinavische oder westeuropäische Niveau angenehmer durch unbefangene Natürlichkeit und durch gesicherte Selbstverständlichkeit des Taktes und der menschlichen Gesinnung ist.

Die Zukunft der elektrischen Autos.

Das Elektromobil, d. h. das elektrische Auto, hat dem Automobil gegenüber zahlreiche schwerwiegende Vorzüge aufzuweisen, und die Technik wird dahinstreden, allmählich die Elektromobile an Stelle der Automobile einzuführen.

Dieser Einführung stellen sich aber zurzeit noch tech­nische Schwierigkeiten entgegen, die die Wissenschaft noch nicht überwunden hat. Bei den Elektromobilen führen die Wagen die elektrische Kraft mit sich. Diese Kraftstattonen sind aber nur von kurzer Dauer, denn sobald die aufge-