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Fernsprecher Nr. 29.

85. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

-.N 9-

AonnersLag, dm 27. April

Anzcigcn-Gebllhr für die elnspaii. Zeile aus gewöhnlicher Schritt oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen. Plauderstübchen,

* Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

1911

Politische AebersichL.

Im Hansabund begannen unter dein Vorsitz

des Staatsministers a. D. Dr. Freiherrn von Berlepsch die Sitzungen der Preisrichterkommission über das Preisaus­schreiben des Hansabundes:Durch welche praktisch durch­führbaren Maßregeln kann das für Errichtung und Betrieb kleingewerblicher Unternehmen erforderliche Anlage- und Betriebskapital beschafft werden?" Es sind gegen 200 Preisarbeiten eingegangen.

In Frankreich führt der Streit zwischen

Katholiken und Freidenkern wieder des öfteren zu blutigen Krawallen. Zu einem solchen kam es am Sonntag in Chagny, weil eine katholische Eisenbahneroereinigung ent­gegen dem Verbot des Bürgermeisters ihre Fahnenweihe mit einem festlichen Umzug begehen wollte. Weiter wird gemeldet: Als der Bischof von Agen nach der Ortschaft La Plume zur Predigt fuhr, wurde sein Wagen mit einem Steinhagel überschüttet. Die Glasscheiben des Wagens wurden zertrümmert u. ein Diener des Bischofs erheblich verletzt.

Auf französische Zustände werfen Mitteilungen eines Regierungsbeamten über den in der Affäre Hamon verhafteten Archrteklen CH i d an ne ein merkwürdiges Licht. Danach hat Chödanne in der tollsten Weise mit Staatsgeldern gemirlschastet. Von alten Ausgaben sind fünf Prozent in seine Tasche geflossen. Es sind ganz unglaubliche Fälle vorgekommen. So verlangte der französische Gesandte in Christiania Vorhänge und beantragte, diese in Norwegen Zu kaufen. Chsdanne berief sich auf die Pflichten des Patriotismus und kaufte die Vorhänge in Paris. Als sie in Christiania eintrafen, stellte der Gesandte fest, daß die Vorhänge noch die deutsche Fabrikmarke trugen. Der Ge­sandte in Cetinje brauchte Bäume für seinen Garten und wollte sie in Montenegro kaufen. Chödonne protestierte und kaufte für 6000 Frank Bäume in Frankreich. Als sie in Cetinje ankamen, waren sie verdorben. Natürlich bezog Chödanne auch hier eine Kommissionsgebühr von fünf Prozent.

i Archer Shee fragte im englische« Unterhaus an, wieviel britische Staatsangehörige in Fez lebten und welche Schritte die Regierung zum Schutz der brittischen Interessen in diesem Teil von Marokko zu ergreifen gedenke. Mr. Kinnon Word erwiderte, in Fez lebten abgesehen von Personen maurischer Herkunft zehn dritlische Staatsangehörige, darunter sechs Frauen und 2 Kinder. Die britische Regie­rung beabsichtige keinerlei aktive Maßnahmen. Sie sei der Ansicht, daß die unter französischer Aufsicht getroffenen Maß­regeln den britischen Staatsangehörigen den nötigen Schutz gewährleisten würden. Besondere Maßnahmen zum Schutze der britischen Interessen in diesem Teil von Marokko er­schienen ihm nicht erforderlich. Dillon fragte, ob die Re­gierung irgend welche Informationen habe, aus denen zu schließen wäre, daß die britischen Staatsangehörigen irgend­wie gefährdet seien. Mr. Kinnon Word erwiderte: Nein, wir haben eine solche Information nicht. Remnant fragte an, ob bei der französischen Regierung irgend welche Vor­stellungen gemacht worden seien. Mr. Kmnon Word ver­neinte die Anfrage. Ferner fragte Shee an, ob es beab­sichtigt fei, mit anderen Regierungen zusammenzuarbeiten, falls es sich als notwendig erweisen sollte, eine große Truppenmacht zu entsenden, um Marokko zur Ruhe zu bringen. Mr. Kinnon Word erklärte hierauf, daß kein Anlaß vorhanden sei, ein solches Vorgehen zu erwägen. Dann fragte Remnant, ob Grey irgend welche Vorstellungen zu machen beabsichtige, worauf Mr. Kinnon Word erwiderte, daß zu Vorstellungen keine Notwendigkeit vorhanden sei.

Tages-Neuigkeiten.

Ass Stadt und Land.

Nagold, 27. April 1911.

* Von» Rathaus. Gemeinsame Sitzung der bürgerlichen Kollegien. Uhr. Gemeinderat allein. Der städtische Forstoerwalter Birk wird durch den Vorsitzenden verpflichtet, hiebei werden von demselben herz­liche Worte der Begrüßung an den Gemeindebeamten ge­richtet, mit dem Wunsche, daß es diesem in seinem neuen Wirkungskreis gefallen und er seine ganze Kraft für den­selben einsetzen möge. Forstverwalter Birk referiert, daß beim Verkauf von 510 Wellen Nadelholzreisig, gebunden (übrig geblieben bei der Verteilung des Bürgerreises) für 100 Wellen 12 beim Verkauf von 11 Hausen Reisig, ungebunden, (angefallen bei der Reinigung der Kulturplätze) für 100 geschätzte Wellen 19 ^ durchschnittlich erlöst wur­den; beantragt wird, den Kulturarbeiterinnen auf deren Ge­

such folgende Lohnsätze anzusetzen : Arbeiterinnen unter 15 Jahren 1.20 zwischen 1516 Jahren 1.40 und über 16 Jahren wie bisher 1.60 Der Antrag wird genehmigt. Verlesen wird die oberamtliche Bekanntmachung im Ge­sellschafter Nr. 90 betr. Sammlung für die Wanderarbeits­stätte und beschlossen die Sammlung hier wieder oorzuneh- men, 9 Uhr. Gemeinderat und Bürgerausschuß. Verlesen wird eine Mitteilung des Vorsitzenden der Boll- zugskommission für die Feldbereinigung Nagold, wornach sich die umzulegenden Kosten aus 8364 ^ belaufen, gegen früher angenommen 5883 nach einem Erlaß der Kgl. Zentralstelle für die Landwirtschaft soll ein Beschluß herbei­geführt werden, daß etwaige über den Verrechnungsplan hinausgehende unvorhergesehene Mehrkosten von der Stadt­gemeinde übernommen werden. Beschlossen wird auf dieses Ansinnen nicht einzugehen, da bei der Unkenntnis des etwa in Betracht kommenden Betrags das Risiko unter Um­ständen zu groß sein könnte, die Gemeindekollegien glauben, daß diese Verpflichtung eher von der Gemeinde Mötzingen übernommen werden könnte, deren Einwohner in der Hauptsache beteiligt seien, diese habe das Rechnungs­wesen besorgt und habe mehr Einblick in die Sache. Vom Elektrizitätswerk Nagold wird das Angebot gemacht, die Kohlenfadenlampen der städtischen Beleuchtung gegen Metall­fadenlampen zu vertauschen, da letztere die doppelte Leucht­kraft haben, wobei der Stromverbrauch gleich bleibt. Die neuen Lampen würden zum Selbstkostenpreis abgegeben. Die Mehrkosten würden ca. 125 betragen; eoent. würde das Elektrizitätswerk gegen 40 ^ monatlich Entschädigung pro Lampe die städtischen Lampen übernehmen bei hälftiger Kostentragung zwischen Stadtgemeinde und Elektrizitätswerk für die erste Einrichtung. Beschlossen wird, dem Elektrizi­tätswerk 30 monatliche Entschädigung und hälftige Ueber- nahme der ersten Einrichtungskosten anzubieten und zwar zunächst auf 1 Jahr mit der Bestimmung, daß bei eintreten­der Verbilligung der Lampen der Pauschalsatz ermäßigt wird und daß dem Stadtbauamt die Anordnung betr. Ersatz ver­brauchter Lampen zusieht. Verlesen wird eine Eingabe des Vorstands des Schwarzwald-, Bezirks-, Lokaloerschöner- ungs- und Fremdenverkehrs-Vereins mit dem Gesuch die Stadt Nagold wie seither als Luftkurort in den Zeitungen zu empfehlen. Die Kollegien haben szt. beschlossen zu dem Unternehmen der Internationalen Ausstellung für Reise- und Fremdenveikehr in Berlin 200^ Beitragzu geben, dagegen die Insertion in Zeitungen für Heuer einzuschränken. Beschlossen wird die Empfehlung Nagolds als Luftkurort im Schwäb. Merkur, der Verkehrszeitimg und der Badischen Presse zu inserieren. Außerdem erfolgt ein Inserat in der Schrift Sommer- und Wintcnmterkünfts in Württemberg und Hohenzo'lern für Erholungsbedürftige und Sportsfreunde, ein Führer durch Württemberg u.Hohenzolicrn". ^11 Uhr Ge­meinderat allein. Ein Baugesnch der Firma Wizemann, Roßdaarspinnerei wegen Erstellung eines Nebengebäudes, in welchern ein Kessel zum Abkochen aufgestellt werden soll, fällt unter 8 16 der R.-G.-O. und wird dem Gemeinderat vom Kgl. Oberamt zur Aeußerung mitgeteilt. Eine Ein­wendung der Amtskörpcrschaft wird verlesen; ebenso das Gutachten der Ortsbauschau und eine Eingabe des Bau­herrn. Beschlossen wird zu berichten, seitens des Ge­meinderats werde gegen das Baugesuch nichts eingewendet, falls seitens der zuständigen Behörde dem Bauherrn die Auf­lage gemacht wird, daß bei eintretcnder Belästigung der Be­trieb sofort eingestellt werden muß. Ein Baugesuch von Möbelschreiner Koch wegen Erstellung eines Anbous zur Ausstellung von Maschinen wird genehmigt. Beim Zutreffen des tz 27 der Gewerbeordnung ist Aktenvorlage an K. Kreis­regierung zu machen und wird hiebei bemerkt, daß die Einwendung des K. Kameralamts wegen Störung des Unterrichts im K. Seminar bei der Lage des Baus und seiner Entfernung vom Seminargebäude nicht zutreffe. Vorgetragen werden die Offerte aus Anstrich- und Ausbesse­rungsarbeiten im Rathaus- bezw. Sitzungssaals des Rathauses. Die Offerte sind zunächst darauf zu prüfen ob die im Vor­anschlag vorgesehenen Beträge zureichen, falls dies zutrifft ist der Saal nach dem Vorschlag und Offert des Maler­meisters Hespeler durch diesen herzurichten, während die übrigen Anstricharbeiten dem Malermeister Wilh. Walz über­tragen werden.

* Beerdigung. Gestern wurde wieder einer unserer Veteranen aus den Kriegen 1866 und 1870/71, Maurer­meister Gottlieb Hertkorn, der nach längerem Kranksein im Alter von 68 Jahren gestorben ist, begraben. Seinem Sarge ging die Stadtkapelle voraus; außer den Anver­wandten und Bekannten marschierten im Leichenzuge der hiesige und auswärtige Kriegervereine. Am Grabe wurde eine Ehrensalve abgegeben. So sind in diesem Frühjahr schon drei Veteranen zum großen Appell abgerusen worden.

r Die deutschen Fischereivereine und ihre Unter­stützung aus öffentlichen Kaffen. Aus öffentlichen Mitteln für Hebung der Fischzucht läßt sich u. a. auch ein Schluß ziehen auf die Willigkeit der Regierungen, auf das Verständnis der leitenden Organe gegenüber diesem Neben­zweig der Landwirtschaft. Bayern leistet hierin am meisten. Aus Staatsmitteln erhält der bayrische!Landesfischereiverein 40 000 ^ während der preußische Fiskus, trotz der zahl­reichen Fischereioereine nur 45 335 ^ zuschießt. Das König­reich Sachsen gibt 3200 ^ Staatsbeitrag. Badens staat­liche Fischereibeförderungsmittel bettagen 3550 -H, Hessen zahlt 1600 Unterstützungsgelder, Mecklenburg 6000 Elsaß 2000 ^ und Hamburg 2000 Dagegen haben das Königreich Württemberg für Fischereizwecke nur 1500 Mark, Braunschweig und Lothringen gar nur 100 ^ übrig. Aus sonstigen öffentlichen Kassen beziehen die Kreisfischerei­vereine in Bayern noch 19085^. Hilfsgelder, die preußi­schen Fischereivereine, meist nach Provinzen organisiert, 46650 der elsässische Fischereioerein erhält 400 ^ von Unterelsaß, der lothringische 200 und der sächsische noch 450 ^ Subsidien. Der Württembergische Landesfischerei­verein wäre nach allem stiefmütterlich behandelt. Der Etat hat zwar den jährlichen Staatsbeittag von 1200 ^ auf 1500 ^ erhöht, eine besondere Tat aber ist das gerade nicht. Doch kommt der Landesfischereiverein in normalen Jahrgängen mit seinen Mitteln, worunter ein Beitrag vom Deutschen Fischereiverein mit 2200 ^ heroorzuheben ist, durch und hat es im Jahre 1910 fertig gebracht, das Defizit von 1909 mit über 700 ^ wegzuschaffen.

Die Erkrankung des Thronfolgers. Herzog Albrecht oonsWürltemberg ist bekanntlich schon seit längerer Zeit erkrankt und mußte sich aus diesem Grunde auch von den Feierlichkeiten aus Anlaß der silbernen Hochzett des Königspaares fernhalten. Das Unwohlsein scheint von ziem­lich hartnäckiger Natur zu sein; denn der Herzog muß auch heute noch das Zimmer hüten, wenn es ihm auch seit kurzem gestattet ist, das Bett zu verlassen. Ueber die Art der Er­krankung gehen allerlei Gerüchte. Wie wir erfahren, handelt es sich um eine kräftige Erkältung, die mit einer jetzt be­hobenen Venenentzündung verbunden mar. Die Nachrichten über eine Nikotinvergiftung werden von eingeweihter Seite als unzutreffend bezeichnet.

r Evangel. Pfarrverein. In einer Eingabe, die der Evangelische Pfarrverein in der Frage der Neuordnung der Bezüge der evangelischen Geistlichen an die Stände richtete, wird um einige kleinere, aber doch für den Psarrstand und die Kirche wichtigen Aenderungen der Besoldungsordnung gebeten. Unter anderem ersucht die Eingabe um Ausstat­tung der Stadtdekanatsstelle in Stuttgart mit Oberratsgehalt und der zwölf gehobenen Dekanatsstetten mit Ratsgehait, in erster Linie der Städte, in denen die Generalsuperinten­denzen aufgehoben werden, ferner um Erhebung weiterer 30 Pfarrstellen in Dekanatspfarreien, wonach endlich eben- sooiele Pfarrstellen aus der 2. in die 3. Grundgehaltsklasse nachrücken würden. Wie die Eingabe weiter ausführt, würde die Erfüllung dieser Bitte 28100 erfordern. Davon kämen aber für zwei aufzuhebende Generalsuperinlendenzen zusammen 13 400 ^ in Abzug, sodaß nur noch 14 700^6 erforderlich wären. Wenn der Erhöhung der Pauschalsumme um diesen Betrag jedoch unüberwindliche Hindernisse ent­gegenstehen, so ersucht die Eingabe, diese Abänderung trotz­dem gutzuheißen, damit sie wenn möglich mit kirchlichen Mitteln durchgesührt werden kann.

r Stuttgart, 25. April. Die Stuttgarter Theater- Ausstellung ist, wie schon kurz berichtet, heute mittag in Anwesenheit des Königspaares, der Herzoginnen Philipp und Robert, sowie der Herzoge Robert und Ulrich und Wilhelm von Urach eröffnet worden. Anwesend waren ferner außer den zahlreichen Bühnenangehörigen, an ihrer Spitze Generalintentand Baron von Puttitz, Kultministcr von Fleischhauer, Hofkammerpräsident Staatsrat von Scharpff, Bürgermeister Dr. Rettich und Andere. Da sich nur eine verschwinden kleine Anzahl von Württembergern die aus­gezeichnete Abteilung des Kgl. Hoftheaters auf der im ver­gangenen Winter in Berlin stattgefundenen Deutschen Thea­terausstellung ansehen konnte, hat man die erweiterte württembergische Abteilung jetzt in den Räumen des Königs­baues dem württembergischen Publikum zugänglich gemacht. Manche Anstalten und Privatleute, die ihre Schätze nicht den Gefahren einer Versendung nach Berlin aussetzen wollten haben sie für den näherlicgenden Zweck bereitwillig zur Verfügung gestellt. Neben den beiden Abteilungen, welche die Geschichte unseres Hostheaters bis zur jüngsten Gegen­wart in Handschriften, Drucken, Bildern, Modellen, Reliqucn aller Art veranschaulichen, wird durch weitere Darbietungen dem Publikum Einblick in den praktischen Theaterbettieb