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Fernsprecher Nr. 29.

85. Jahrgang.

F nnsprecher Nr. 29.

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Schmäb. Landwirt.

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Donnerstag, den 30. April

1911

K. HbevarnL Wcrgold.

An sämtliche Ortsschulbehörden.

Gemäß Erlaß des K. Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens vom 1. Mai 1905 hat jährlich eine statistische Aufnahme sämtlicher Kinder stattzufinden, welche, obgleich im schulpflichtigen Alter stehend, durch ein körperliches oder geistiges Gebrechen dauernd verhindert sind, am Unterricht der öffentl. Schulen sich zu beteiligen.

In diese Statistik sind aufzunehmen:

a) die blinden,

b) die schwach- und blödsinnigen,

e) die epileptischen,

ä) sonstige durch körperliches Leiden dauernd vom Schul­unterricht ferngehaltene Kinder.

Nicht sind aufzunehmen die taubstummen Kinder, über welche eine Statistik schon angeordnet ist (Reg.Bl. 1902 S. 153) und die nicht schwachsinnigen, sondern schwach begabten Kinder, welche die Volksschule besuchen.

Die statistische Aufnahme erfolgt mittels eines Frage­bogens, der im Bedarfsfall vom Oberamt bezogen werden kann.

Für jede Gemeinde ist der Fragebogen von dem Orts­vorsteher und dem Ortsschulaufscher in dreifacher Ausfertig­ung anzulegen und bis spätestens IS. Mai in doppelter Ausfertigung dem gemeinsch. Oberamt in Schulsachen vor­zulegen. Das dritte Exemplar des Fragebogens ist von dem Ortsschulaufseher aufzubewahren.

Nagold,

Altensteig, 20. April 1911.

Freudenstadt,

K. gem. Oberamt in Schulsachen.

Kommerell. Schott. Kappler.

Politische Ueberficht.

Für den Reichstag hatten sich in der laufen­den Legislaturperiode bis jetzt 44 Ersatzwahlen notwendig gemacht. In ihnen verloren die Konservativen drei Mandate an den Liberalismus, die Antisemiten zwei Mandate an die Sozialdemokraten, eins an die Nationalliberalen, das Zen­trum eins an die Nationalliberalen, die Nationalliberalen fünf an die Sozialdemokraten, eins an das Zentrum, die Freisinnigen zwei an die Sozialdemokraten. Die Sozial­demokraten gewannen neun, die Nationalliberalen drei, der Freisinn zwei Mandate.

Das bayrische Justizministerium hat im Ein­vernehmen mit dem Kultusministerium zur Strafverfolgung jugendlicher Beschuldigter eine Bekanntmachung erlassen, wonach die Schulbehörde in Kenntnis gesetzt werden soll, falls, Schüler eine strafbare Handlung begangen haben. Im Strafverfahren gegen Studierende der Hochschulen ist die

Hochschulleitung zu benachrichtigen. Die Mitteilungen können unterbleiben, wenn es sich um geringfügige Uebertretungen handelt, die für die Schuldisziplin keine Bedeutung haben. Der Staatsanwalt soll den Schulvorstand um ein Gutachten über die Persönlichkeit des Beschuldigten und um die Be­kanntgabe von Umständen ersuchen, die für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschuldigten, für die Art und Höhe der Strafe oder für die Bewilligung einer Bewährungsfrist von Bedeutung sein können.

Der Verband der Freunde evangelischer Frei­heit in Rheinland und Westfalen erklärt zum Fall Iatho, daß er das sogenannte Spruchkollegium energisch bekämpfen werde, da es als ein kirchenpolitisches Parteigericht dem Wesen des deutschen Protestantismus widerspreche. Bereits 35 000 deutsche Protestanten hätten sich gegen diesen Spruch erklärt. Wie in Köln verlautet, sind vier Mitglieder des Spruchkollegiums entschieden für Pfarrer Iatho. Wenn noch ein weiteres Mitglied für Iatho eintreten sollte, so wäre eine Verurteilung unmöglich.

Im preußischen Ministerium des Innern hat

eine eingehende Besprechung des Entwurfs eines neuen preußischen Gesetzes zur Kodifikation und Abänderung des gesamten Lotterierechts stattgesunden, an der mehrere Lotterie­kollekteure usw. teilnahmen. Man war einstimmig der An­sicht, daß der dem Landtag vorgelegte Gesetzentwurf in dieser Form unmöglich Gesetz werden könne, da er von weitest- tragendcn Folgen für den reellen Losehandel, den gewerb­lichen Mittelstand, die Druckereien, die Presse, die Kunst usw. sei. Es wird von den Beteiligten eine Denkschrift ausgearbeitet, die das ganze Material enthalten soll, ein­schließlich der Berbesserungsvorschläge, und man erwartet, daß die Härten und nachteiligen Folgeerscheinungen des Gesetzes so beseitigt werden.

Eine chinesische 2M> Million Mark-Anleihe zur Reform der Währung ist jetzt mit Banken von Amerika, Deutschland, Frankreich und England zum Abschluß ge­langt. Von der Anleihe soll auch ein Teil für die Ent­wicklung der Industrie in der Mandschurei verwendet wer­den. Als Garantie dienen Einnahmen der Provinzen. Ein Versuch der chinesischen Behörden, die Angelegenheit der Ermordung eines Japaners durch chinesische Polizei durch Verhandlungen an Ort und Stelle beizulegen, ist mißlungen. Der japanische Konsul ließ sich hierauf nicht ein und hat die Angelegenheit der japanischen Regierung direkt zur Entscheidung übergeben.

Auf Mozambique sind Unruhen ausgebrochen. England entsandte von der Kapkolonie aus einen Kreuzer nach der Delagoa-Bai.

Zu den Unruhen in Mozambique wird ge­meldet, daß es sich um Gegensätze zwischen Monarchisten und Republikanern handelt.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, 20. April 1911.

* Vom Rathaus. Der Vorsitzende berichtet über den von einer Kommission am 18. ds. Mts. vorgenommenen Augenschein wegen einer Ausfahrt im Iselshauser Tal und deren Herstellung. Nach den mit den beteiligten Grundbe­sitzern gepflogenen Verhandlungen soll ein öffentlicher Weg mit Unterhaltungspflicht der Stadtgemeinde Nagold gegen Entschädigung für Grund und Boden von 80 den gm angelegt werden; mit der Anfertigung des Situationsplanes und einem Kostenooranschlag wird Stadtgeometer Kapp beauf­tragt. Die Bereinigten Deckensabriken Calw haben einen Kostenbeitrag von 200 .A zugesagt. Nach Genehmigung von Zeichnung und Voranschlag seitens der Beteiligten und Hinterlegung der Kosten soll zur Ausführung geschritten werden. Vergeben wird die Lieferung eines Straßen­sprengwagens mit 1500 l Gehalt an die Firma Weigandt und Klein in Feuerbach, doch wird der Wagen vorerst zur Probe in Benützung genommen, um über die definitive An­schaffung beschließen zu können. Verlesen wird ein Ver­trag mit der Kgl. Straßenbau-Inspektion betr. versuchsweiser Benützung im Bedarfsfälle einer Kotabzugs- und einer Kehrmaschine, aus ein Jahr vom 1. Mai 1911 bis 1. Mai 1912. Mitgeteilt wird, daß für Benützung der städt. Eisbahn im Winter 1910/1911 182.10 ^ eingenommen wurden, wovon noch verschiedene Ausgaben abgehen, ferner daß aus Pferchen für Talherde von 16 Nächten 33.50 ^ für Bergherde von 8 Nächten 6 ^ erlöst wurden. Da­mit ist die öffentliche Sitzung geschlossen.

o Die Friihjahrsversammlnng des Bienen­züchtervereins Nagold am Ostermontag im Löwen war zahlreich besucht. Herr Oberlehrer Herter aus Hohenheim hielt einen Vortrag überdas Schwärmen. Schwarmbehand­lung, Verwertung und Bildung von Kunstschwärmen". Dieser lehrreiche und interessante Bortrag wurde mit größtem Beifall ausgenommen. Da der Vortrag viel Zeit in Anspruch nahm, konnte bloß noch Herr Klaiß seinen Kassenbericht vortragen, während die Wahlen aus die nächste Versamm­lung verlegt wurden. König Lenz hat nun endlich seinen Einzug gehalten und führt die Natur dem Blühen entgegen, daher soll der Imker seine Völker in der Frühjahrsentwick­lung, in jeder Weise unterstützen. Diese dürfen jetzt aus keinch Fall Not leiden, denn nur bei reichlich besetztem Tisch gehen die Völker kräftig an das Brutgeschäft. Das zum Bereiten von Brutfutter so nötige Wasser gewährt die Tränke an geschütztem Ort in der Nähe des Standes. Mit der Brutnesterweiterung sei man ja recht vorsichtig, denn Eile hat schon öfter große Nachteile gebracht. Die Spekulativ- sütterung dürste jetzt mit der Stachelbeerblllte einsetzen. Da

Das Erwachen der Natur.*)

Lange, allzulange hat er regiert der strenge Winter­könig, das Füllhorn mit den Zukunftsverheißungen hat er geschlossen gehalten, aber der Griff wird schwächer und schwächer, und zwischen den gelockerten Fingern entschlüpfen die munteren, lachenden Frühlingsgenien. Sie fliegen über Wald und Heideland, über Wiese und Feld, sie hauchen warmen Odem ins Erdreich hinein, und den Pflanzen und Pflänzlein und dem kleinen, in seinen Schlupfwinkeln schlummernden und träumenden Getier rufen sie ein fröh­lichesWach auf!" zu

Können die Perlen im Diadem einer Königin an Lieb­lichkeit sich messen mit den aufbrechenden Blütenknospen der Weiden? Palmen nennt sie der Kindermund, und Kinder­hände binden die ersten Sträuße des neuen Jahres aus den samtweichen grauen Kätzchen.

Sorglose, leichtherzige Kindheit, alles, was die erwachende Natur hervorgezaubert, belegst du spielend mit Zoll und Steuer.

Vom Teiche her, an dessen Ufern die festlich geschmückten Weiden ihren Spiegelbildern zunicken, kommt eine Früh­lingsstimme: das Quaken der Frösche,

Merkwürdig, wie alljährlich die Frösche so urplötzlich das Wasser beleben! Gestern war weit und breit von ihnen nichts zu sehen und zu hören, heute aber ertönt, kaum hat die ausgehende Sonne die Flut geküßt, ringsum lautes,

*> Abdruck mit Erlaubnis der Verlagsbuchhandlung von Moritz Schauenburg in Lahr (Baden) aus Theinert, Hinaus! Bunte Bilder für Freunde der freien Natur, Preis in vornehmem Leinwandeinband Mk. 1.80. Zu beziehen durch die G. W. Zaiscr'sche Buchhandlung Nagold.

lustiges Gequak. Die seichteren Stellen sind übertupft mit grünen und braunen Köpfen; doch mache nur die geringste Bewegung, und sofort ist jeder Kops verschwunden.

Nach einer Weile läßt sich dann wieder von einem ver­steckten Winkel her, versuchsweise und öfter abbrechend, ein Solist vemehmen:Koax-Koax-Breckerreckerrex " Es ist nicht leicht, den Tonkünstler zu erspähen; er hält sich unter Wasser, steckt nur Nase und Augen ein ganz klein wenig heraus, dem Beobachter Flußpserdbilder afrikanischer Reise- und Iagdschilderungen in den Sinn bringend. Rührst du dich nicht, dann faßt der Bursche Vertrauen, zeigt den ganzen Kopf und umgibt sich beim jedesmaligen Aufblühen der sanqesreichen Kehle mit weiter und weiter über die Spiegelfläche fortlaufenden Wellenringeln. Einer nach dem andern der Kameraden taucht auf, und das Konzert kommt wieder in besten Gang.

Ich glaube, die Frösche lieben Musik und haben Ver­ständnis dafür. Wenn du an den ersten Tagen nach ihrem ersten Erscheinen ruhig am Ufer absitzest und leise eine Weise vor dich hinpfeifst, wirst du nicht lange zu warten brauchen, bis alle Köpfe im Wasser sich dir zuwenden in Anerkenn­ung des der springbeinigen Gesellschaft gebotenen Genusses.

Doch die Freude am Gesänge dauert nur kurze Zeit, sie wird in den Hintergrund gedrängt durch die Heirats- und Laichgeschäfte.

Dem jungen Nachwuchs, den possierlichen Kaulquappen, bietet das Leben mehr Dornen als Rosen; gar manchem Leckermaul gelüstet's nach solch fetten, leicht zu erhaschenden Bissen. Als eifrigster und gefräßigster Verfolger erweist sich der Dytikus, der große Wasserkäfer, der wie der Wolf in die Schafherde sich aus das in dichten Massen versammelte Zu­kunftsgeschlecht der Frösche stürzt und einem nach dem andern der kleinen rundlichen Gesellen das Blut aussaugt.

Im Forste jenseit des Teiches machen die Krähen einen Heidenlärm. Sie bessern die alten Nester aus und bauen neue. Emsig wird gerbeitet, aber eifriger noch geschwatzt.

Ueppig wuchert, im Teichboden wurzelnd, eine algen­artige Pflanze und überzieht mit ihren Ausläufem die ins Wasser reichenden, grotesk geformten und verschnörkelten Füße der Weiden. Liebhaber dieses Gewächses sind die kleinen schwarzen Taucher, die, aus dem Süden zurückge­kehrt, die alten Nistplätze ausgesucht haben. Sie verwenden das Kraut beim Bau der Heimstätten, und auch bei der Verprooiantierungsfrage kommt's in Betracht. Die Vögel mögen schon ein paar Tage ihr Wesen auf dem Teiche ge­trieben haben, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sehr scheu sind sie und nur mit großer Vorsicht zu beschlei­chen. Verbirg dich hinter einem Busch und lasse zwischen dessen Zweigen durch den Blick über diejWassersläche schweifen. Nichts bewegt sich dort; auf einmal aber erscheint, wie hin- gezauberl, einer der Taucher. Er hat im Schlammgrunde des Teiches Kerbtieren nachgespürt.

Trotz rauher Winde, Nachzügler der abrückenden Wintertruppen strecken mit jedem neuen Tage neue Blüm- lein neugierig ihre weißen, gelben und blauen Köpfchen der Sonne entgegen und empfangen Besuche von Bienen und von Hummelköniginnen, die an geschützten Orten die böse Jahreszeit glücklich durchwintert haben, jetzt aber an die Gründung von Kolonien denken müssen. Da und dort fliegen schon Zitronen- und Aurorasalter, von unseren heim­ischen Tagschmetterlingen die ersten, die im Frühling die Puppenhülle sprengen.

Die Blattknospen schwellen und platzen auf; Bäume und Sträucher hüllen sich in zartgrüne Gewänder. Dem Kuckucksruf im Buchenhain antwortet aus der Taxushecke am Wege das Flöten der Amsel. Hoch oben in den Lüften