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und lO Lm.-Berkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 »Ä, Monatsabonnemcnts nach Verhältnis.

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Fernsprecher Nr. 28.

83. Jahrgang.

Montag, dm 3. April

Kgl. Oberamt Nagold.

An die Schultheitzenämter,

betreffend die Kosten des Schneebahnens.

Soweit im letztvergangenen Winter durch das Schnee­bahnen auf den Staatsstraßen oder auf den Nachbarschafts­straßen mit Postwagenverkehr Kosten entstanden sind und hiezu um einen Staatsbeitrag nachgesucht werden will, sind die vorgeschriebenen Übersichten unter Beachtung der Be­stimmungen des Erlasses der K. Ministerialabteilung für den Straßen- und Wasserbau vom 4. Mai 1901 (Amtsbl. S. 141) längstens bis I. Mai d. I. hieher vorzulegen.

Formulare für die Uebersichten können vom Oberamt bezogen werden.

Angefügt wird, daß bei Bespannungen mit Ochsen die im Regierungsblatt von 1901 S. 60 verzeichneten Vor­spannvergütungssätze in Spalte 3 des Formulars aus zwei Drittel zu ermäßigen sind.

Wenn eine Uebersicht seitens der einzelnen Gemeinden bis zu oben genanntem Termin nicht einkommt, wird an­genommen, daß Kosten der vorbezeichneten Art nicht erwachsen sind.

Den 1. April 1911. Kommerell.

Bei der Staatsprüfung im Bauingenieurfach ist u. a. Kandidaten für befähigt erklärt worden: Rudolf Daser von Nagold.

Für die ordentlichen Sitzungen des II. Vierteljahrs 1911 bei dem Schwurgericht in Tübingen wurde der Landgerichtsdirektor Dr. Kapff zum Vorsitzenden ernannt. Die ordentlichen Sitzungen daselbst werden am Montag den 24. April d. I., vormittags 9 Uhr, eröffnet.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 30. März.

Der Kanzler über Abrüstung und Schiedsgericht.

Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg: Ich werde mich daraus beschränken, kurze Ausführungen zu der Ab­rüstungsfrage und der Frage der Schiedsgerichte zu machen. Der sozialdemokratische Antrag verlangt Schritte zu inter­nationalen Vereinbarungen und die Einschränkung der Rüst­ungen. Diese Frage ist in Parlamenten und auf Kongressen der letzten Zeit unausgesetzt ventiliert worden. Es ist bis jetzt noch kein Vorschlag gefunden worden, der ernsthaft diskutabel wäre. Die Zeit, wo die Kriege durch die Kabi­nette gemacht wurden, ist vorbei. Die Stimmungen, die zum Kriege führen, liegen heute in den Gegensätzen der Volks- interesfen. Wenn die Großmächte ein Abkommen über die Abrüstung treffen wollen, so müßten sie erst unter einander sich einigen und gewissermaßen eine Rangordnung der Mächte aufstellen. Ein solches Formular kann ich nicht entwerfen. England will seine Flotte in überlegenem Zu­stande erhalten. Das ist sein gutes Recht, das ich ihm nicht bestreite. Auf der andern Seite kann uns aber auch nicht zugemutet werden, unser Heer zu verringern. Jeder Ver­such internationaler Vereinbarungen müßte an der Frage der Kontrolle scheitern, die nur zu Mißtrauen und Reibe­reien führen würde. Solange Menschen Menschen und Staaten Staaten sind, ist dieses Projekt undurchführbar. Der englische Minister des Auswärtigen hat dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß durch einen Nachrichten-Austausch über den Flottenbau zwischen England und Deutschland das gegensenige Mißtrauen beseitigt werden könnte. Diesem Gedanken können wir beitreten. Daher haben wir uns bereit erklärt, uns über diesen Punkt zu verständigen. In der letzten Zeit ist auch vielfach über die Frage der Schieds­gerichte mit Ehrenklauseln verhandelt worden, insbesondere zwischen England und Amerika. Solchen Schiedsgerichten steht Deutschland nicht ablehnend gegenüber. Aber die Be­seitigung der Ehrenklausel würde den Frieden auch nicht sichern. Entwickeln sich zwischen zwei Nationen tiefgehende Gegensätze dann zerreißt jeder Schiedsvertrag und der Schwache wird immer eine Beute des Stärkeren bleiben. Wir Deutsche in unserer exponierten Lage sind darauf ange­wiesen, der rauhen Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen. Nur dann können wir den Frieden und unsere Existenz erhalten. (Beifall).

Staatssekretär Kiderlen-Wächter antwortet auf eine Anfrage über Portugal, bei dem internationalen Gedanken- Austausch sei beschlossen worden, daß die formelle Anerken­nung der Regierung stattfinden solle, wenn sie vom eigenen Parlament anerkannt worden ist. Das ist bisher noch nicht erfolgt. In Bezug auf die gleichfalls zur Sprache gebrachte Verletzung des Eigentums eines Deutschen in Oporto liege eine Rechtsverletzung vor. Bisher sind alle Vorstellungen vergeblich gewesen. Wir erwägen die Maßnahmen, unserem

Untertanen zu seinem Rechte zu verhelfen. Wir werden die Rechte des Mannes wahren.

v. Morawski (Pole) führt Beschwerde über angebliche Verletzungen des Postgeheimnisses polnischen Vereinen gegenüber.

Eickhoff (fr. Vp.) spricht für Schiedsgerichtsverträge.

Berlin, 31. März.

Etat des Reichskanzlers.

Dr. Frank-Mannheim (S.) kritisiert die Haltung des Reichskanzlers in der Abrüstungsfrage und behandelt dann in längeren Ausführungen die innere Politik, dabei betonend, daß seine Partei mit der Fortschrittspartei kein Bündnis auf Leben und Tod geschlossen, aber sie wolle mit ihr mit allem Ernst die Reaktion bekämpfen.

Graf Westarp (k.) sucht die Haltung seiner Partei in der Reichsfinanzreform an Hand vieler Einzelheiten zu recht­fertigen und bestreitet in seinen 'weiteren Erörterungen den von liberaler Seite erhobenen Vorwurf eines Vorstoßes gegen den Reichskanzler in der elsaß-lohringischen Verfas­sungsfrage. Redner polemisiert weiter gegen Sozialdemo­kraten, kommt aus die nächsten Wahlen zu sprechen und schließt, seine Partei sei zum Kampfe gezwungen worden und sie Kämpfe mit der Siegeszuversicht, die ihr von einem guten Gewissen und dem Pflichtgefühl gegeben wird.

Während dieser Rede ging es recht stürmisch im Hause zu, da die Freunde diesem demonstrativen Beifall bezeugen, wogegen die Linke lebhaft protestiert. (Der Reichskanzler erscheint im Saale).

Fürst Hatzfeld (Rp.) erklärt sich einig mit dem Reichs­kanzler in der Abrüstungssrage und spricht sein volles Vertrauen zur Leitung unserer auswärtigen Politik aus. Redner rechnet es für seine Partei als Vorzug an, bei dem Zustandekommen der Finanzresorm mitgewirkt zu haben, beklagt aber den Ausschluß der Liberalen an der Mitarbeit.

Fuhrmann (n.) bezeichnet den Erfolg der Finanzresorm als nicht segensreich und betont, daß jgerade der Mittelstand Not leide. Redner geht dann auf Einzelheiten der Finanzreform ein und wendet sich weiter gegen die Rechte und betont, daß seine Partei weiter bemüht bleiben werde positive Arbeit zu leisten.

ficke (k.) geht ausführlich auf die Finanzreform ein und sucht die Notwendigkeit der neuen Lasten nachzu­weisen. Redner wendet sich gegen die Nationalliberalen, beklagt deren enges Bündnis mit der Volkspartei und empfiehlt den Nationalliberalen von den Linksparteien ab­zurücken, damit sie das Mißtrauen beseitige.

Haußmann (f. Vp.) Diese heftigen Auseinander­setzungen zwischen Nationalliberalen und Konservativen sind die stärkste Charakterisierung der gegenwärtigen Lage. Wir gehen in den Kampf mit festen Entschlüssen und festem Mut. Bei dem jetzigen System der schwankenden Mehrheit läßt jeder Reichskanzler dem andern ein Trümmerfeld zu­rück. Sie werden Ihre Niederlage erleiden. Die liberalen Forderungen werden durchgesetzt werden, trotz aller Ihrer Hemmnisse. (Lebhafter Beifall links.)

Bon der Rechten und aus dem Zentrum wird ein Schlußantrag eingebracht und gegen die Linke angenommen. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Fran ck-Mannheim (S.), Gröber (Z.), Stresemann (n.). Rösicke (k.) und Ledebour (S.), der vom Vizepräsident Dr. Schulz zur Ordnung gerufen wird, weil er den Reichskanzler für unfähig erklärt, sein Amt zu führen, wird das Gehalt des Reichskanzlers bewilligt. Dagegen stimmen die Sozial­demokraten und die Polen. Angenommen werden die Resolutionen des Zentrums über die jährliche Vorlegung der Entschließungen des Bundesrats auf Reichstags-Beschlüsse.

Angenommen wird ferner die Resolution der Wirtschaft!. Bereinigung über die Tarifverträge (die weitergehende der Sozialdemokraten wird abgelehnt) des Abg. v. Treuenfels betr. Errichtung eines Kolonial-Kriegerdenkmals in Berlin, der Polen über die Regelung des Aufenthalts von Aus­ländern, die beiden freisinnigen Resolutionen über Schieds- oerträge und Abrüstung. (Eingehen auf Vorschläge anderer Staaten). Die weitergehende der Sozialdemokraten wird abgelehnt.

Es folgt der Etat des Auswärtigen Amtes.

Dr. Pfeiffer (Z.) weist auf die bedrohten deutschen Handels-Interessen mit Finnland hin und führt Beschwerde über den deutschen Konsul in Alaska, der die Interessen eines Nürnberger Kaufmanns dort nicht genügend vertreten hat.

Staatssekr. Kiderlen-Wächter erwidert, daß ihm von dem Fall in Alaska nichts bekannt fei. Rußland hat schon jetzt die Möglichkeit, Finnland einzuverleiben. Es gelten in Finnland noch immer die alten Zölle, die allerdings in einigen Punkten erhöht sind. Wir haben uns gegen Ueber- raschungen gesichert.

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Fernsprecher Nr. 29.

Beilagen. Plauderstübchen,

* Illustr. Sonntagsblatt und

Schwöb. Landwitt.

1911

David (S.) Das Verbrechen, das an dem finnischen Volke begannen werde sollte, fordert den Protest der gesam­ten zivilisierten Welt heraus. Leider machen Sympathien sehr wenig Eindruck aus die maßgebenden Männer in Peters­burg. Hoffentlich ist der Moment nicht mehr fern, wo dieses Schatten-Regime an seinen eigenen Folgen zusammenbricht. Der Redner bringt zwei Fälle zur Sprache, in denen durch­reisende Oesterreicher an der holländischen Grenze schlecht behandelt worden sein sollen. Wenn der Staatssekretär ein Mann wäre, so würde er in diese, Deutschlands Ansehen schwer schädigende Polizeiwirtschaft wie ein Donnerwetter hineinfahren.

Staatssekretär Kiderlen-Wächter: Es handelt sich in diesem Falle um die den Einzelstaaten zustehende Fremden- Polizei, die das Reich nichts angehe.

Görcke (n.) rühmt die Tätigkeit der deutschen Konsuln im Auslande und betont die Wichtigkeit der deutschen Schu­len im Auslande, besonders in China. Redner begründet den von ihm in Gemeinschaft mit dem Abg. Richthofen und Liebert eingebrachten Antrag, der den Fonds zur Förderung der deutschen Schulen und Unterrichtszwecke im Ausland von zur Zeit 900000 ^ auf eine Million erhöhen will. Weiter betont der Redner die Dringlichkeit eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse.

Staatssekretär Kiderlen-Wächter: Das Gesetz ist von uns aus vollständig sertiggestellt. Mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses ist daraus verzichtet worden, es noch dem Hause oorzulegen. Die noch nicht erledigten Reklamationen stammen sämtlich aus dem südafrikanischen Kriege. Sie sind von der englischen Regierung abgelehnt worden.

Kämpf (fr. Vp.) erneuert die vorjährigen Klagen über die Behandlung deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens jn Rußland in Bezug auf die Aufenthalts-Beschränkungen und Paßvorschriften.

Frank-Ratibor (Z.): Auch den katholischen Geist­lichen werden in Rußland Paß-Schwierigkeiten gemacht.

Staatssekretär Kiderlen-Wächter: Es ist nicht richtig, daß wir den Paßinhabern zwangsweise den Iudenstempel aufdrücken.

Kohl (Z.) bringt sanitäre Beschwerden in bezug auf die Lehrerschaft bei den Auslandsschulen vor.

Staatssekretär Kiderlen-Wächter: Da können wir nichts tun, denn diese Schulen stellen ihre Lehrkräfte selber an.

Der Etat des Auswärtigen Amtes wird erledigt. Ein Antrag auf Vertagung wird angenommen.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold. 3. April 1911. '

Turnverein. (Mitgeteilt). Am Samstag abend be­schloß der Verein in einer gut besuchten Monatsversammlung die alljährlich während der Winterzeit etwas schlummernde Turnarbeit wieder mit allen Kräften aufzunehmen und posi­tive Maßregeln zu ergreifen, um die Turnerei in unserer Stadt in noch ausgedehnterer Weise als bisher zu betreiben. So will man sich mit Beginn dieser Woche jeden Dienstag ausschließlich den Zöglingen widmen, die Mitglieder allein werden Donnerstags, Mitglieder und Zöglinge zusammen Samstags und Mitglieder allein jeden Sonntag morgen vor dem Gottesdienst üben. Mit Freuden ist die Gründung einer Altherrenriege zu begrüßen, die jeden Donnerstag ge­meinsam mit den jüngeren Mitgliedern turnen wird und unfern Zöglingen mit gutem Beispiel vorangehen soll. Den Anlaß zur,Gründung einer besonderenßRiege für die älteren Mitglieder gab das bekundete Interesse weiterer Kreise an unserer Turnsache und wir dürfen vielleicht hoffen, daß sich dieser Riege, die Herr Bildhauer Schnepf leiten wird, ins­besondere auch Männer aus besseren jStänden anschließen werden, um in gemeinsamer Arbeit dem edlen Zweck zu huldigen. Wir möchten daher alle diejenigen Herren, welche Interesse und Freude am Turnen haben, einladen, sich am nächsten Donnerstag abend in der Turnhalle einzufinden. Die Versammlung beschloß, auch sonst noch geeignete Schritte zur Förderung der Turnerei zu tun. Gut Heil! Siehe auch im Anzeigenteil.

Die Aufbesserung der Geistlichen, p Stuttgart, 31. März. Den Ständen ist ein Nach­trag zum Entwurf des Hauptfinanzetats für 1911/12, ent­haltend die infolge der Neuordnung der Bezüge der Geist­lichen sich ergebenden Aenderungen, zugegangen. Entsprechend der Regelung, welche mit der Einführung des Dienstalters- oorrllckungssystems für die Geistlichen im Hauptfinanzetat 1899/1900 verabschiedet worden ist. sind für die Ausbesse­rung der Geistlichen in dem Nachtrag zum Kapitel 49 Titel