Erscheint täglich mit Ausnahme der Sann- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1.10 mit Träger­lohn 1.20 im Bezirks­

und 10 Lw.-Berkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsabonnements nach Verhältnis.

Fernsprecher Nr. 29. 85. Fahrgang. Fernsprecher Nr. 29.

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Anzeigen-Gebühr sllr die cinspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen: Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Echwäb. Landwirt.

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Samstag, dm 1. April

1911

Bestellungen auf den Gesellschafter

für das zweite Quartal

werden bei allen Postanstalten und Landpostboten sowie in der Expedition angenommen.

Bekanntmachung betr. das Ergebnis des Blumentags.

Es sind in den Gemeinden des Oberamtsbezirks fol­gende Reineinnahmen erzielt worden:

Nagold . . ^ 1987.65

Altensteig Stadt 625.20

Altensteig Dorf 25.

Beihingen. . 27.

Berneck . . 70.

Beuren . . 15.80

Bösingen . . 38.40

Ebershardt . 44.

Ebhausen!. . 160.01

Effringen. . 76.

Egenhausen . 80

Emmingen . 63.35

Enztal . . 73.20

mit Enzklösterle

Ettmannsweiler 23.55

Fünfbronn . 34.20

Garrweiler . 17.20

Gaugenwald. l 8.50

Gültlingen . 84.

Haiterbach . 191.

mit Altnuifra

Zusammen -I- 4

Jselshausen .

71.50

Mindersbach.

25.50

Oberschwandorf

39.50

Obertalheim

38.20

Pfrondorf .

34.70

Rohrdorf. .

84.31

Rotfelden. .

42.10

Schietingen .

f,

44.65

Schönbronn .

48.40

Simmersfeld

46.60

Spiclberg

58.10

Sulz . . .

137.-

Ueberberg

44.50

Unterschwandorf

8.40

Untertalheim.

58.-

Walddorf

76.17

mit Monhardt

Wart . . .

59.10

Wenden . .

22.30

Wildberg. .

188.10

Mk. IS Pfg.

Nagold, den 3l. März 1911.

Oberamtmann Kommerell.

Seine Königliche Majestät haben vermöge allerhöchster Entschließ­ung vom 29. März dem Oberarzt vr. Fritz im Infanterie-Regiment Alt-Württemberg Nr 121 die Karl-Olga-Medaille in Silber zu ver­leihen geruht.

Gerade gewachsene Menschen.

Kiu Wort zur Konfirmation.

Die krumme Esche werde ich nicht vergessen, die ich als zehnjähriger törichter Bursche verdorben hatte. Damals war sie ein schlankes Bäumchen, das gerade zum Himmel empor­strebte; und sie stand so geschützt hinter der Scheune am Teich, hatte guten Boden und hatte Raum, sich zu ent­wickeln. In gedankenlosem Uebermut gab ich ihr einen Schlag, daß sie jn der Mitte einknickte. Abends beim Beten, erinnerte ich mich meiner ruchlosen Tat und ich schämte mich ihrer. Am nächsten Tage schlich ich mich hin, um sie wie­der gerade zu richten; aber der Bruch war nicht mehr zu heilen. Zwanzig Jahre später kam ich einmal wieder in meine Heimat und frischte alle Kindheitserinnerungen auf. Da stand hinter der Scheune am Teich ein großer, greulich krummer Baum. Das hatte ich verschuldet, daß statt eines gerade gewachsenen, zum Himmel emporstrebenden Baumes dieser Krüppel dort wuchs.

Die jungen Menschenkinder, die in diesen Wochen in unseren Kirchen zum Konficmationsaltar treten, sind in der Mehrheit gesunde junge Eschen, die gerade zum Himmel emporstreben, die für alles Gute empfänglich sind und unter guter Leitung gern gute Borsätze fassen, Gott und Menschen haben Wohlgefallen an ihnen. Kein ernsterer Wunsch in den Herzen der Eltern, als der, daß sie gerade gewachsene Menschen werden; dazu hat der Konficmandenunterricht Anleitung und Hilfe geben wollen. Nichts leichter, als sie durch Gedankenlosigkeit oder durch Verführungskünste zu geistigen und moralischen Krüppeln zu machen. Darum ist die Warnung an alle, sowohl an Eltern als an Freunde als an Arbeitsgenossen, wohl am Platz: Hütet euch vor gedankenlosem Uebermut, vor zweideutigen Reden, vor jeder Störung ihres gesunden Wachstums. Denke jeder an seine Verantwortlichkeit der Jugend gegenüber.

Die jungen Menschen sind ja noch nicht fertig und noch nicht fest in ihren Ueberzeugungen, in ihrer Lebensrichtung. Die Jahre, in denen sie sich für ein gutes, arbeitsfreudiges, gottgefälliges Leben oder für Egoismus und Genußsucht und Glaubenslosigkeit entscheiden werden, kommen ja jetzt erst. Kann man ihnen denn bessere Ziele fürs Leben geben, als das Christentum es tut, das ihr Gewissen an Gott und an Wahrheit und Reinheit binden, das sie zu evangelischer Freiheit und gehorsamer, opferwilliger Arbeit erziehen will? Kann man ihnen stärkere Kräfte bieten, als das Christen­tum es tut, das ihnen Gottvertrauen und den festen Glauben an den Führer der Menschheit Jesus Christus in die Seelen zu pflanzen sucht? Laßt sie werden, wozu Gott die Anlagen gegeben hat: gerade gewachsene Menschen!

Der Wetterwart.

Sotttische Amschau.

p Die infolge der geplanten Herbstsession des Reichs­tags in sichere Aussicht zu nehmende Hinausrllckung der Neuwahlen bis Ende Januar 1912 hat die Agitationsflut nicht unmerklich abgedämpft und wird im allgemeinen dazu beitragen, das parteipolitische Leben vor einer gewissen Ueber- hastung zurückzuhalten, die schon da und dort ganz unver­kennbar zutage getreten war.

Auch das politische Leben in Württemberg wird daraus Nutzen ziehen, denn unsere Landboten haben noch ein reichliches Pensum aufzuarbeiten, wobei die Entziehung der tüchtigsten Kräfte für die Agitation sicher mehr denn einmal nachteilig empfunden worden wäre. Schon ein kleiner täglicher Ueberblick über die Beratungen des Finanzaus­schusses der Zweiten Kammer, der in dieser Woche den Kult­etat in Behandlung genommen hat, gibt genügenden Aus­weis, wie nötig es ist, daß sich die Tätigkeit der Par­lamentarier in der Hauptsache auf die eigene Landespolitik konzentrieren kann.

Und so erwünscht vielleicht nach der einen oder andern Seite j^oder dem einen oder andern Teil ein baldiger Schluß des Rcichsparlaments erscheinen mag, bei Be­urteilung des Ganzen muß mit in Rechnung gezogen werden, daß so manches wichtige gesetzgeberische Werk, auf das schon viel Mühe und Zeit verwendet worden ist, auf eine späte und ungewisse Zukunft hinausgeschoben werden müßte.

Große politische Ereignisse hat uns die abgelaufene Woche sonst nicht gebracht, wenn man nicht den russisch­chinesischenFriedensschluß" der unter besonderen Gesichts­punkten zu beurteilen ist. hierunter rubrizieren will.

Einen freundlichen Schimmer haben die italienischen Iubilöumsfeierlichkeiten auch zn uns heriiberaeworsen durch die herzliche Art des Austausches freundschaftlicher Gesinnung zwischen den Herrscherhäusern Italiens, Deutsch­lands und Oesterreichs einerseits und den berufenen staat­lichen Organen andererseits. Eine überschwengliche Einschätz­ung des Dreibundsoerhältnisses erschien uns noch nie ange­bracht, aber man darf sicher erwarten, daß das italienische Volk in seiner Festesfreude für die warmherzige Anteilnahme besonders Deutschlands empfänglich sein und daraus ein Gewinn auch für die Zukunst resultieren wird.

Daß in dem Konflikt zwischen Rußland und China das letztere nachgegeben hat, wird niemand weiter verwun­dern; darauf war ja die ganze Situtation von Anfang an zugeschnitten. Es wird aber auch niemand so naiv sein, an denFriedensschluß" als einen dauernden zu glauben. Ein langfristiger Waffenstillstand, weiter nichts, denn der klägliche Ausgang der Affäre für China wird diesem wenig­stens deutlich genug vor Augen geführt haben, daß es schon eine gute Stunde früher ausstehen muß. wenn es seine Interessen richtig wahren will. Daß ihm diese Einsicht kommt, damit wird auch Rußland rechnen und man darf in sichere Aussicht nehmen, daß es seinen handelspolitischen Vorteilen, die es jetzt herausschlagen wird, gleich auch den nötigen Rückhalt in Form von militärischen Positionen geben wird.

In Marokko wechseln Ruhe und Kriegsgetümmel in buntem Durcheinander ab und den europäischen Mächten bleibt neben der Rolle des Zuschauers für i abseh­bare Zeit nichts übrig, als die okkuppierten Landstreifen durch genügende Truppenstärke intakt zu halten, solange es geht.

Mexiko und die Vereinigten Staaten scheinen auf dem Punkte gegenseitigen Abwartens angelangt zu sein; wenigstens hört man nichts mehr, als daß die mexikanischen Rebellen und die Regierung sich um die eigenen Verhält­nisse streiten, und nach deren Gestaltung wird sich das weitere Verhalten der Bereinigten Staaten wohl richten.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 30. März.

Die Besoldungs-Novelle wird in 3. Lesung verabschiedet. Etat des Reichskanzlers.

Spahn (Z.) beleuchtet die auswärtige Politik und be­tont die guten Beziehungen Deutschlands zu den anderen Staaten, besonders zu den Dreibundmächten. Redner be­spricht dann das Verhältnis Deutschlands zu England, Rußland und Frankreich, die holländische Frage und die Bagdadbahn-Angelegenheit. Er wünscht den weiteren Ab­schluß von Schiedsgerichtsverträgen. Der Abrüstungsfrage stehe seine Partei nicht ablehnend gegenüber.

Graf Kanitz (k.) gibt der freudigen Teilnahme Deutsch­

lands an der Jubelfeier Italiens Ansdruck und geht aus die Erklärungen des Reichskanzlers über die Potsdamer Abmachungen ein, die ein bedeutsames Ereignis gewesen seien. Redner verbreitet sich dann über Marokko, das Sorgenkind europäischer Politik, bedauert das Eintreten junger Leute in die Fremdenlegion und erörtert sodann die Annäherungsbestrebungen zwischen England und Amerika, die er auffallend bezeichnet. Amerika gegenüber seien wir im Nachteil bei der Zollfeststellung.

Scheidemann (S.) erklärt sich gegen die Rüstungen und jeden Krieg. Die internationale Sozialdemokratie arbeite am meisten gegen den Krieg.

Bassermann (n.): Dem erkrankten Herrn v. Hjert- ling, der sonst hier zur auswärtigen Politik das Wort er­griff, unsere herzlichsten Grüße. (Lebhafte Zustimmung). Der Dreibund ist eine Garantie für den europäischen Frieden. Die Beziehungen zu Oesterreich, die in den Tagen der Balkankriese ihre Probe bestanden haben, haben sich wieder dokumentiert. Dem Königreich Italien hat Parlament, Regierung und Monarch die herzlichsten Glückwünsche ent­boten. Die Wirkung der Potsdamer Entrevue ist durchaus erfreulich. Wir sehen eine entschiedene und ruhige Entwickel­ung unserer deutschen und auswärtigen Politik, für die wir dem leitenden Staatsmann Anerkennung aussprechen. (Bei­fall.) Die Phase Delcasse, die Phase Einkreisungspolitik ist abgeschlossen. Wir freuen uns des großen Kulturwerkes^der Bagdadbahn. Der Resolution über das Seebeuterecht stim­men wir zu. Gegen die Resolution für die Einschränkung der Rüstungen haben wir erhebliche Bedenken. Gegenüber dem Anwachsen der englischen Flotte sind wir verpflichtet, unsere Flottenmacht auf entsprechender Höhe zu halten. Aus die friedliche Stimmung in Frankreich können wir uns nicht verlassen. Der Schmerz über Elsaß-Lothringen ist noch nicht verschwunden. Unser starkes Heer ist notwendig. Aus die Erhaltung der Unabhängigkeit Marokkos legen wir großen Wert. Der Schiedsgerichts-Resolution stimmen wir zu, nur darf sie sich nicht auf vitale Interessen der Nation beziehen. Nun zur inneren Politik! Wir legen Wert darauf, daß die Reichsversicherungsordnung noch in dieser Tagung erledigt wird, auch die Versicherung der Privatbeamten und die Heimarbeitsnooelle. Dringend wünschen wir das Zustande­kommen der elsaß-lothringischen Versassung. Gewiß muß Preußens Einfluß maßgebend bleiben, aber der liegt in der geschichtlichen Tradition. Wir haben die Finanzreform ab­gelehnt, weil sie antisozial und antinational war. (Lebh. Beifall links, Unruhe rechts.) Das beste Stück, die Erb­schaftssteuer, haben Sie herausgebracht. (Unruhe rechts.) Wundern Sie sich nicht über die Erregung im Volke. Wir sind durchaus landwirtschaftlich und mittelstandsfreundlich, aber gegen den Zolltarif stimmten Leute wie Dr. Hahn, Dr. Oertel und o. Oldenburg. (Lebhafte hört, hört). Das sind die Koryphäen des Bundes der Landwirte. Wir müssen dafür sorgen, daß in den nächsten Reichstag nicht Leute kommen, die die Handelsverträge erschweren und uns zur Zollkrise führen würden.

Vizepräsident Spahn: Der Reichskanzler hat mit dem Bauernbund nichts zu tun. (Heiterkeit.)

Bassermann (n.) schließend: Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß ein starker Förderalismus für Deutschland notwendig ist.

Wtemer (fr. Bp.): Wir wünschen im Gegensatz zum Grafen Kanitz nicht, daß unsere konstitutionellen Verhältnisse in Beziehungen gebracht werden zu denen im Auslande aber auch wir hoffen, daß aus Grund des Potsdamer Ab­kommens und weiterer Abkommen unsere Beziehungen zu Rußland möglichst freundschaftlich gestaltet werden. Wir hätten uns gefreut, wenn der Kaiser persönlich die Wünsche des deutschen Volkes in Rom überbracht hätte. (Beifall links). Unsere Stellung zur Abrüstungsfrage ist klar. Wir erwarten jetzt Taten von unserem Kanzler. Die ganze Lage ist verworren wegen der mangelhaften Aktionsfähigkeit der jetzigen Mehrheit, die keine Stütze für die Regierung ist. Eine Herbst-Session soll stattfinden! Wann sollen denn da die Neuwahlen sein? (Zuruf im Zentrum: Gar nicht!) Das könnte Ihnen so passen. Ianuarwahlen halten ivir nicht für günstig. Die Erledigung der Versicherungsordnung wünschen auch wir, ebenso des Heimarbeitsgesetzes und auch die Arbeitskammern. Bei der Heydebrand'schen Attacke handelt es sich um eine wohl überlegte Aktton gegen Herrn v. Bethmann. Die Konservativen sind ein Hemmschuh für jeden politischen Fortschritt. Von einem Bund auf Leben und Tod mit den Sozialdemokraten ist keine Rede. Uns trennen Weltanschauungen, das wird auch bei den Wahlen zum Ausdruck kommen. Wir gehen unseren Weg weiter und hoffen, mit der nationalliberalen Partei eine Front zu bilden. (Aha rechts, lebhafter Beifall links).