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E

Fnnsprecher Nr. 29.

85. Jahrgang. Fernsprecher Nr. 29.

Irettag, dm 31. März

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Beilagen. Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwül». Landwirt.

1911

Amtliches.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die

Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung von Unterrichtsknrsen über Bienenzucht.

Im kommenden Frühjahr bezw. Sommer sollen an der landwirtschaftlichen Anstalt in Hohenheim und an der K. .Weinbauschule in Weinsberg sechstägige Unterrichtskurse abgehalten werden, in welchen den Teilnehmern eine theoretisch-praktische Anleitung zum Betrieb der Bienenzucht gegeben werden wird.

Der Unterricht in diesen Kursen ist unentgeltlich; da­gegen haben die Teilnehmer, welche das sechzehnte Lebens­jahr zurückgelegt haben müssen, für Wohnung und Kost während der Dauer der Kurse selbst zu sorgen.

Der Beginn des Kurses in Hohenheim ist auf Montag den 5. Juni ds. Is., der Beginn des Kurses in Weinsberg

auf Montag den 19. Juni ds. Is. festgesetzt. Da jedoch nur eine beschränkte Zahl von Teil­nehmern gleichzeitig ausgenommen werden kann, so wird sich Vorbehalten, im Bedarfsfall noch weitere Kurse zu ver­anstalten und die Angemeldeten einem dieser Kurse, deren Beginn

in Hohenheim

am Montag den 3. Juli ds. Is., in Weinsberg ebenfalls

auf Montag den 3. Juli ds. Is. festgesetzt werden würde, zuzuweisen.

Anmeldungen zu den Kursen, in welchen insbesondere anzugeben ist, wie lange der Angemeldete Bienenzucht be­treibt und wie viele Völker er besitzt, wollen vor dem 1. Juni ds. Is. an die Leiter der Kurse, Oberlehrer Herter in Hohenheim, bezw. Oberlehrer Burkhardt in Weinsberg, eingereicht werden.

Diejenigen Angemeldeten, welche nicht" mittels beson­deren Schreibens aus einen späteren Kurs verwiesen werden, wollen sich am 5. Juni ds. Is., vormittags 8 Uhr, im Hör­saal der Ackerbauschule in Hohenheim bezw. am 19. Juni ds. Is., vormittags 8 V 2 Uhr, im Lehrsaal der Weinbau- schule in Weinsberg einfinden.

Stuttgart, den 21 . März 1911. Sting.

Politische Uebersicht.

Im Handelsministerium zu Berlin traten am

Dienstag, wie alljährlich, die preußischen Regierungs- und Gewerberäte zu einer dreitägigen Verhandlung über dienst­liche Angelegenheiten zusammen.

In der französischen Depntiertenkammer hat Minister Dumont Verbesserungen des Telephondienstes und

die baldige Einführung des Postscheckverkehrs zugesagt. Demonstrierende Winzer zerbrachen gestern in Bar-sur-Aube in der Unterpräfektur einige Fensterscheiben, rissen dann von der Tür der Präfektur die Trikolore herab und ersetzten sie durch eine rote Fahne. Sie erzwangen die Zurückziehung der Truppen, die wegen des Aufruhrs entsandt waren. Der Prozeß gegen den Camelot du Roy Lacour, der wegen tätlicher Beleidung Briands verurteilt worden war und Revision eingelegt hatte, stand am Dienstag von neuem an. Während der Vernehmung nannte ein Zeuge den ehemali­gen Ministerpräsidenten einen Abenteurer. Als der Vor­sitzende Einspruch erhob, begannen die anwesenden Camelots heftigen Lärm zu machen. Dreizehn von ihnen wurden verhaftet und sofort zu Strafen von 115 Monaten Ge­fängnis verurteilt. Lacour erhielt 3 Jahre Gefängnis.

Der Entwurf des englisch-amerikanischen Schiedsgerichtsvertrages macht solche Fortschritte, der Präsi­dent Taft hofft, ihn dem Senat bei seiner herannahenden außerordentlichen Tagung vorlegen zu können. Die Ver­fasser wollen ihn zu einem Muster für zukünftige Verträge machen, und es soll tatsächlich in jedem Streitfall eine schieds­gerichtliche Lösung erfolgen.

Der spanische Senat hat dem Gesetz über die

Einführung der Militärpflicht die Zustimmung erteilt.

In der spanischen Deputiertenkammer begauir eine neue Ferrer-Debatte. Der Deputierte Soriano (Repu­blikaner) erklärte, die Debatte werde nicht nur von dem ganzen Land, sondern auch von Europa mit Spannung erwartet und bezwecke eine Revision des Prozesses zu er­langen, denn Ferrer sei das unschuldige Opfer eines furcht­baren Justizirrtums gewesen. Soriano wies darauf hin, daß das Kriegsgericht das 1200 Seiten umfassende Akten­stück Ferrer in vier Stunden durchgeprüft habe und daß der Verteidiger Ferrers für das Studium der Akten nicht mehr Zeit gehabt habe als das Gericht. Dieses habe, zudeni die Zulassung zahlreicher Entlastungszeugen abge­lehnt. Redner sprach seine feste Ueberzeugung von der Unschuld Ferrers aus und suchte hierfür in ausführlichen Darlegungen Beweise zu erbringen.

Nach Meldungen aus Marokko haben die Beraber wieder eine Niederlage erlitten. Wie aus Mekinez berichtet wird, ist dort die Lage noch immer unruhig. Die Araber der Stadt haben den vom Wachsen ernannten Kaid abgesetzt. Ein Heereshause von 600 Mann lagert unter den Mauern von Rabat seit einem Monat, weil er seit drei Wochen keinen Sold erhalten hat und die Waffen und Pferde verkaufen mußte, um sich das Leben zu fristen. Auch die Beni Mter sind noch immer unruhig. Nachdem sie die Freilassung ihrer Gefangenen erwirkt, sich Munition verschafft und Verstärkungen erhalten haben, verweigern sie ihre Unter­werfung und erklären, den Kampf wieder aufnehmen zu wollen.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 29. März.

Die Vorlage über die Tagegelder, die Fuhrzeugkosten und Umzugskosten der Kolonialbeamten geht an die Budget- Kommission. Die kleine Novelle zum Besoldungsgesetz wird in 1 . und 2 . Lesung angenommen.

Es folgt der Etcht der Reichseisenbahnen.

Stolle (S.) fordert eine Revision der Berkehrsordnung.

Pichler (Z.) spricht gegen die gewünschte Vereinheit­lichung des Betriebes der deutschen Bahnen sowie Herab­setzung des Gütertarifs. Notwendig sei der Ausbau der Stationen zur Erhöhung der Betriebssicherheit.

Carsten (s. Bp.) fordert einheitliche Regelung der Dienstzeit und Ruhepausen für das Personal.

Schwabach (n.) hält an der Forderung einer finan­ziellen Gemeinschaft der deutschen Eisenbahnen fest.

Präsident des Reichseisenbahnamts Wackerzapp. Die Eisenbahnverwaltungen sind dauernd bestrebt, die Nioeau- Uebergänge zu beseitigen. Löhne und Arbeitszeit werden beständig besser gestaltet. Im Allgemeinen kann das Per­sonal zufrieden sein. Es ist unrichtig, daß es am Schluß der Dienstzeit ermüdet sei. Trotz der Betrieberweiterungen stieg die Verkehrssicherheit ständig, lieber die Frage der Sachschädigungen schweben Verhandlungen. Redner führt Unfallziffern an, um darzutun, daß die Unfälle nicht aus die Uebermüdung der Beamten zurückzufllhren sind. Die Versuche mit den selbständigen Kuppelungen werden von den einzelnen Verwaltungen fortgesetzt. Sie versprechen Erfolg.

Nach weiterer unerheblicher Debatte wird ein Schluß­antrag angenommen. Der Etat des Reichseisenbahnamtes wird erledigt, ebenso der der Reichsdruckerei.

Es folgt der Etat des Reichstages.

Psr-jsser (Z.) bringt die Behandlung zur Sprache, die den Reichstagsabg. gelegentlich auf der Eisenbahn wider­fährt. Bei starker Besetzung der 1 . Klasse seien sie ersucht worden, einstweilen in der zweiten Klasse Platz zu nehmen.

Dr. Wagner (k.) befürwortet einen Antrag auf Aus­merzung der Fremdwörter aus der Geschäftsordnung des Reichstages.

Nach längerer wenig belangloser Debatte, in welcher u. a. auch die überlangen Sitzungen beklagt wurden, erklärte der Präsident Graf Schwerin, daß er alle Anregungen sorgfältig prüfen werde. Der Etat des Reichstags wird erledigt, der Antrag Wagner über Fremdwörter wird an­genommen. Der Etat für den allgemeinen Rechnungshof wird ohne Erörterung erledigt, ebenso der Etat für den allgemeinen Pensionsfonds. Das Haus vertagte sich. Bon einer Abendsitzung wird abgesehen.

Die gelbe Gefahr

macht M. v. Brandt (18751893 Kaiser!. Gesandter in China) im April-Heft derDeutschen Revue" Deutsche Berlagsanstalt zum Gegenstand eingehender Betrachtung; er schildert die Zustände, wie sie heute in Ostasien, China und Hinterindien bestehen, um zu zeigen, eine wie große Menge Brennstoff dort angesammelt ist und wie leicht sich aus demselben ein Brand entwickeln dürfte, der einen Erd­teil und damit die Erde selbst in Flammen setzen könnte. In einem kürzlich erschienenen Werke,Die japanische Ko­lonialpolitik", hat der Verfasser, Dr. Fritz Werthheimer, für den Grundzug derselben den sehr bezeichnenden und richtigen AusdruckMachthunger" geprägt; wenden wir für die rus­sische Politik in Asien, wie sie die Veranlassung zu dem Kriege mit Japan wurde und wie sie trotz der erlittenen Enttäuschungen wohl noch besteht, den ebenso richtigen Aus­druckLandhunger" und für die der Amerikaner in und am Stillen Ozean denEinflußhunger" an. so haben wir in diesen drei Worten die Geschichte der Politik dieser drei Mächte während der letzten dreißig und vierzig Jahre. Die unendlichen Landerwerbungen Rußlands in Zentral- und Ostasien sind bekannt; welchen Wert die Bereinigten Staaten auf ihre Einflußsphären legen, nicht weniger, und an dem Machthunger der Japaner wird niemand zweifeln, der ihrer geschichtlichen Entwicklung auch nur mit einiger Aufmerk­samkeit gefolgt ist. Daß diese drei Systeme der Ausbreit­ung, wie man sie wohl bezeichnen darf, im Laufe kurzer oder längerer Zeit zu Zusammenstößen führen müssen, ist wohl unzweifelhaft; zwischen Rußland und Japan ist diese Eventualität schon einmal eingetreten : zwischen Japan und Amerika liegt sie in der Luft, und es ist wohl nicht unwahr­scheinlich, daß ein Eingriff in den Besitzstand Chinas, der

die amerikanischen Handels- und sonstigen Interessen dort bedrohte, zu einem Zusammenstoß zwischen Japan und den Vereinigten Staaten führen könnte.

Auch innere Unruhen in China, die zu einem Zerfall des Reiches führten und es ist schwer abzusehen, wie ein Zusammenbruch der mandschurischen Dynastie andere Folgen zeitigen könnte dürfte zu einem Eingreifen der Ver­einigten Staaten die Veranlassung geben. In erster Linie freilich nur zur Aufrechterhaltung der chinesischen Integrität und Unabhängigkeit, aber wenn cs auch leicht ist, für den Anfang eines solchen Unternehmens ein klares und festes Programni auszustellen, so ist seine Durchführung doch immer um so schwerer, als sie von hundert Zufälligkeiten und nicht am wenigsten von den Maßnahmen anderer, dritter Mächte beeinflußt wird und abhängt. Wenn so die innere Lage Chinas bei der Entwicklung der Dinge in Ostasien eine große, um nicht zu sagen, die größte Rolle spielt, so muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß in dem großen Reiche bis jetzt nichts vorhanden ist, was auf eine be­friedigende Lösung der in ihm unzweifelhaft vorhandenen Krisis durch eigne, innere Mittel mit auch nur einiger Sicher­heit schließen lassen könnte. Eine von inneren Intrigen und Zwistigkeiten zerrissene und geschwächte Regierung, ein viel­leicht williges, aber zum größten Teil absolut unfähiges Be­amtentum, dem, wenn nicht das Verständnis für die Be­dürfnisse der Zeit, so doch die erforderlichen Kenntnisse und die Entschlußfähigkeit für die Befriedigung derselben ab­gehen, und eine kochende und siedende Masse halb- oder viertelgebildeter junger Leute, die glauben, mit unverstandenen, weil unverdauten westlichen Ideen ein System aufrichten zu können, dessen nationale Basis, die Ethik des Konfuzianis­mus, sie selbst zerstören, um sie durch ein Gemisch konsti­tutioneller, anarchister und monistischer Phrasen zu ersetzen das sind nicht die Gmndlagen, auf und mit denen etwas

Brauchbares und Dauerndes geschaffen werden kann. Was China fehlt, ist ein Man n, der Mann, der weiß, was sein Vaterland braucht, und den Willen und die Kraft hat, sein Wissen in die Tat zu übersetzen. Verwestlichung (das eng­lische Westernization), konstitutionelle Regierung und Oeffent- lichkeit sind schöne Dinge, aber wie der Wüstensand nur durch Wasser, nicht durch Lehrbücher und die aus ihnen ge­schöpften Theorien fruchtbar gemacht werden kann, hat es ganz den Anschein, als ob es zur Befruchtung des chine­sischen Chaos des Saftes bedürfen würde, den Mephisto­pheles als einen ganz besonderen bezeichnet.

Japan, das durch die Vorgänge in China unzweifel­haft am nächsten und tiefsten berührt wird, hat es nicht an Versicherungen fehlen lassen, daß cs in seiner auf dieses Land bezüglichen Politik nur auf die Integrität und Unab­hängigkeit desselben bedacht sei. Aber diplomatische Er­klärungen sind sprichwörtlich dehnbar und auslegungsfähig, und die Politik Japans Korea gegenüber und in der Frage der Räumung der Mandschurei hat uns daran gewöhnt, der­artige Erklärungen von seiner Seite nicht mit einem Korn, sondern mit einem Scheffel Salz zu nehmen. Jedenfalls hat es kein Recht, sich darüber zu beschweren, wenn man seinen Staatsmännern nur wenig von dem glaubt, was sie sagen. Auch sie wurden in der Vergangenheit öfter ge­schoben, und es liegt kein Grund vor, warum sich in der Zukunft nicht Aehnliches ereignen sollte.

Wenn so die Zustände in Ostasien, bei denen der Land­hunger und das Revanchebedürfnis Rußlands nicht außer Augen gelassen werden dürfen, durchaus geeignet erscheinen, Komplikationen im größeren Stile hervorzurusen, wird das von der Unruhe in Indien in erster Linie nicht zu erwarten sein. Es ist das eine Frage, die direkt nur England angcht. Bon den lachenden Erben einer etwa in Stücke gehenden Oberherrschaft Englands könnte höchstens einer, Rußland,