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F.-cnsprecher Nr. 29.
85. Jahrgang.
Fernsprecher Nr. 29.
71
Samstag, den 25. März
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Beilagen : Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwab. Landwirt.
1911
Bekanntmachung,
für die
Mannschaften des Benrlanbtenstandes, welche vom Bezirkskommando Calw kontrolliert werden.
In den letzten Tagen des Monats März erhalten sämtliche in dem Oberamt Nagold wohnenden Mannschaften des Beurlaubtenstandes für das Mobilmachungsjahr 1911/12 ihre Mobilmachungsbestimmung in Form einer gelben Kriegsbeorderung oder weißen Paßnotiz.
Die Ausgabe erfolgt auf dem Ztadt- oder Zchnlthkißtnamt in der Zeit vom 27. bis 30. März 1911.
Jeder Mann ist verpflichtet, seine Kriegsbe- ordernng oder Paflnotiz abzuholen. Wer an der Abholung verhindert ist, kann dieselbe durch eine andere erwachsene Person abholcn lassen.
Der Militär- bezw. Ersatz-Reservepafl ist mitzubringen.
Nichtabholung der Kriegsbeordernng oder Paßnotiz wird mit Arrest bestraft.
Wer bis zum 31. März ds. Is. eins gelbe Kciegsbe- orderung oder weiße Paßnotiz nicht erhalten, hat hiervon dem Bezirkskommando schriftlich oder mündlich sofort Meldung zu erstatten unter Einreichung des Militär- bezw. Ersatz-Reservc-passes.
Der Verlust einer Kriegsbeorderung oder Pahnotiz ist dem Bezirkskommando umgehend zu melden.
Die für das Mobmach.Jahr 1911/12 ungültigen roten Kriegsbeorderungen pp, welche die Mannschaften in Händen haben, werden von den Mannschaften der Rcserve-kaudwehr
I. Aufgebots und Ersatz-Reserve aller Waffengattungen gelegentlich der Friitzjahrsksntrollversammiange« eingrsogeu.
Mannschaften der Landwehr II. Aufgebots aller Waffengattungen einschließlich derjenige« Mannschaften, welche im Jahr ISll dar 39 -edensjahr vallknde». habe« ihre nn-Migen Kriegs- brordernngen pp in der Zeit vom 1.—7. April 1911 entweder persönlich oder durch dir Post dem Sestrkskommando rilizusendcn.
Wenn die Uebersendung durch die Post erfolgt, so ist (um Strafporto zu verhüten) iin offener Sriefnmschlag mit demtzVermerk „Heeressache" oder „Militaria" zu verwenden. (Gleiches Verfahren wie bei sonstigen Meldungen.) Zum Beurlaubteustande im obigen Sinne gehören:
1. Sämtliche Mannschaften der Reserve, Marine-Reserve, Landwehr und Seewehr I. und II. Aufgebots, welche in den Jahren 1893—1910 beim Militär eingetreten sind mit Ausnahme derjenigen, welche bereits 39 Jahre alt sind oder im Jahr 1911 das 39. Jahr vollenden.
2. Sämtliche zur Disposition der Truppenteile bezw. der Srsatzdehvrden beurlaubten Maauschasien.
3. Die in de« Jahre» 1873—189V geborene« Ersatz-Reservisten, welche geübt habe«.
4. Die in den Jahren 1879—1890 geborenen Ersatz-Reservisten, welche nicht geübt haben.
Calw, den 16. März 1911^ Sgl. Kezirkskommaudo.
Die Ortsbehörden werden beauftragt, vorstehendes in den Gemeinden wiederholt auf ortsübliche Weise bekannt zu geben.
Nagold, den 17. März 1911.
K. Oberamt. Kommerell.
K. Hberarnt Ilagokd.
Viehmarktverbot.
Nach Mitteilung des K. Oberamls Herrenberg ist wegen der Gefahr der Verschleppung der Maul- und Klauenseuche in den Nachbarschaftsbezirken die Abhaltung der Rindviehmärkte
in Herrenberg, am 28. März und in Oberjettingen, am 4. April verboten worden.
Dies wird hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht.
Mayer, Amtmann.
Der Wetterwart.
Ikokilische Ilmschau.
p Wie der Einzug des Lenzes mutet es uns an, wenn wir Umschau halten, in unserem Schwabenlande und wahrnehmen, wie an den „Blumentagen" zu Ehren der bevorstehenden Silberhochzeit unseres Königspaares unter Hintansetzung des politischen Tagesstreits alles einträchtiglich zusammenwirkt, um in warmherziger Verehrung für das fürstliche Jubelpaar dem edlen Zwecke zu dienen, für den die Gaben bestimmt werden. Wir lassen sonst die „Genossen" ruhig ihres Weges ziehen und sie nach ihrer Fasson selig werden, aber wir würden es einer unverzeihlichen ängstlichen Scheu gleich erachten, wenn wir nicht auch an dieser Stelle
gebührend Notiz nehmen wollten von der Taktlosigkeit der Göppinger Radikalsozialisten, die es fertig brachten, gegen den allgemeinen Blumentag der dortigen Bürgerschaft eine auf rein parteipolitischen Tendenzen ausgebaute Gegenaktion durch den Verkauf der „Blume der Gleichheit" zu veranstalten. Das schöne Ergebnis des allgemeinen Blumentags zeigt, daß die bürgerlichen Kreise diese unfaire Outsider-Politik richtig verstanden und gewürdigt haben.
Die Stichwahl im ersten hessischen Reichstagswahlkreis, Gießen-Nidda hat mit dem Siege des Antisemiten geendet. Die Ueberraschung ist umso größer, als der Sozialdemokrat im 1. Wahlgang über 38 Stimmen Vorsprung hatte und die Linksliberalen doch die Parole zu seinen Gunsten ausgegeben hatten. Nach der Verteilung der Stimmen ist aber die Parole seitens der Freisinnigen nicht durchweg befolgt worden. Bon den Einzelwahlen wendet sich das Interesse jetzt mehr und mehr den Vorbereitungen zu den allgemeinen Wahlen zu. Den Auftakt dazu hat die Tagung der Zentralvorstände der Nationalliberalen Partei und der Fortschrittlichen Bolkspartei gegeben, als deren bedeutsamstes Moment, gleichsam wie ein Kommentar zu bereits gegebenen verschiedenen Mißtönen, hervorzuheben ist, daß aus beiden Seiten der Erwartung Ausdruck gegeben worden ist — besser würde man eigentlich sagen: gegeben werden mußte — daß bei der Aufstellung der Kandidaten und bei dem Eingehen taktischer Wahlabkommen die prinzipielle und besondere Seite des geschäftsführenden Ausschusses berücksichtigt werde.
An eine Erscheinung, die eigentlich mehr in das parteipolitische Innenleben fällt, aber in der Folge doch noch Allgemeinwirkungen zeitigen könnte, darf aus letzterem Grunde nicht vorübergegangen werden: an dem Zerwürfnis des bayrischen Zentrumssührers Dr. Heim mit der eigenen Reichstagsfraktion. Der als großzügiger Organisator der bayerischen Bauernvereine bekannte Abgeordnete liebte es von jeher, unbeschadet des treuen Festhaltens an dem Parteiprogramm und den Parteiprinzipien in einzelnen, namentlich wirtschaftlichen Fragen seine eigenen Wege zu gehen, so daß er schließlich von der Zentrumssraktion „geschnitten" und von den wichtigsten Kommissionen fern gehalten wurde. Da ließ er sich von den Polen seinen Sitz in der Kommission abtreten, um auf diese Weise mit seinen Ansichten zu Wort zu kommen. Und dafür wurde ihm und seiner ganzen Tätigkeit von der offiziellen Parteipresse in aller Oeffent- lichkeit das Urteil gelesen, derart, daß er sich zu einer Erklärung veranlaßt sah, dahingehend, er werde „die Konsequenzen ziehen", d. h. wohl nicht mehr kandidieren. Das bayerische Zentrum würde an ihm einen seiner tüchtigsten Männer und alten, erfahrenen Parlamentarier verlieren.
Vom Ausland gibt es in dieser Woche nicht viel Neues. Ministerkrisis in Italien, im allgemeinen nicht überraschend und diesmal nur deswegen bemerkenswert, weil sie gerade in die Tage der großen Iubiläumsfeierlichkeiten fällt. Der Grund war Uneinigkeit der Regierung und Kammer über die seit langen Jahren geforderte Wahlreform, welche u. a. die Einführung der Wahlpflicht enthielt. In den anderen „Aktualitäten" der Auslandpolitik ist gegenwärtig ziemlich Stillstand. Rußland und China sind noch nicht von dem Standpunkt abgekommen, daß jedes Recht haben will, der Zuschauer aber weiß, daß ersteresRecht bekommen wird infolge des „Nachdrucks", den es den diplomatischen Unterhandlungen in Form von Truppenschiebungen zu verleihen weiß, und die Mexikaner und Amerikaner schauen sich immer noch über die Grenze an, allerdings in so bedenklicher Nähe, daß sie bei aller „Friedensliebe" aus „Versehen" gar leicht die Nasen aufeinander stoßen können.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 23. März.
Die noch ausstehende namentliche Abstimmung zur Kali- Propaganda ergiebt die Ablehnung des Antrages der Volkspartei, der die Zuwendung von Propaganda-Beihilfen an politische Organisationen vergeben will, mit 197 gegen 130 Stimmen sowie des Antrages der Sozialdemokratie, der die Kali-Abgaben der Reichskasse für soziale Zwecke zuführen will, mit 237 gegen 88 Stimmen. In der Minderheit sind die Sozialdemokraten und die Bolkspartei. Zweite Lesung des Kolonial-Etats.
Erzberger (Z.): Der neue Staatssekretär vertritt seinen Etat zum erstenmale vor dem Reichstage. Mit der finanziellen Ausgestaltung des Etats können wir zufrieden sein. 75 Prozent der Ausgaben werden schon von den Schutzgebieten selbst getragen. Der Redner macht dann etatstcch- nische Ausführungen. Die letzten Unruhen in Ponape beweisen die Notwendigkeit der Entwaffnung der Eingeborenen. Die letzten Reste der Zwangsarbeit müssen beseitigt werden. Die staatlichen Behörden müssen mit den Missionaren Hand
in Hand gehen. Notwendig ist eine Landeskreditbank zunächst in Südwestafrika.
v. Dröscher'(k.) schließt sich den anerkennenden Worten des Vorredners für die Verwaltung an und fordert die Beseitigung von Härten bei der Nachverzollung sowie die Förderung kolonialer Erholungsstätten. Für gesetzgeberische Gewaltmaßnahmen gegen die Unternehmer in den Kolonien sei seine Partei nicht zu haben. Erfreulich sei die wachsende Bedeutung der kolonialen Landwirtschaft. Der deutsche Markt darf allerdings nicht mit Kolonialfleisch beschickt werden. (Hört, hört links). Redner tritt für die Errichtung eines Kredit-Instituts in Südwestafrika, für die Weiterführung der ostafrikanischen Zentralbahn bis Tanganjikasee und für die Forderung der Kilimandscharobahn bis zu den Morubergen ein.
Ledebour (S.) wendet sich gegen die beiden Vorredner, spricht dann über den Streit der Kaffernarbeiter mit der Firma Koppel und verlangt wie in den früheren Jahren, daß den Hereros genügend Land zur Verfügung gestellt werde, damit sie ihre Viehzucht wie vor dem Aufstande treiben können. Zum Schluß wirft der Redner auf einen Zuruf des Abg. Goller diesem Frivolität vor, was der Vizepräsident Schulz rügt.
Goller (f. Vg.) Wir stehen dem neuen Staatssekretär ebenso unvoreingenommen gegenüber wie seinem Vorgänger. Eine Verringerung der Schutztruppe ist möglich. Unsere Muster-Kolonie Togo enttäuscht leider. Sie ist seit Jahren im Rückgänge begriffen. Alle Wünsche auf Selbstverwaltung unterstützen wir aufs wärmste. Die Kredit-Anstalt ist dringend notwendig. Es ist kleinlich von unseren Agrariern, sich schon jetzt gegen die Einführung kolonialen Fleisches zu verwahren. Wir werden im Gegenteil seiner Zeit den Antrag stellen, gefrorenes Fleisch aus Südwest-Afrika ein- zusühren.
Paasjche (n.): Wir bringen dem Staatssekretär volles Vertrauen entgegen und hoffen, daß nicht etwa wieder ein bureaukratischer Geist in die Kolonialverwaltung einzieht. Redner erklärt es für unerhört, dem früheren Staatssekretär Dernburg vorzuwerfen, er habe die Verträge zu Spekulations-Interessen abgeschlossen.
Liebert (Rp.). Die Zentralbahn wird ein Weltrekord sein und den deutschen Namen bekannt machen in Ostafrika. Die Stadt Dar-es-Salaam wird ein Welthasen werden. Dann können wir Tarifpolitik treiben und die Steuerschraube anziehen. Wir sind ein kinderreiches Volk, wir wollen daher unsere Kolonie deutsch machen.
Nos Ke (S.): Wir fordern mit allem Nachdruck eine Verminderung der Schutztruppe. Durch phantastische Schilderungen von der in Aussicht stehenden Hebung neuer Schätze werden nur leichtgläubige Leute veranlaßt, ihr Geld in koloniale Gründungen zu stecken. Vor solchen schwindelhaften Schamlosigkeiten muß dringend gewarnt werden.
Staatssekretär von Lindequist. Eine Verminderung der Schutztruppe wird nach Beendigung der Zentralbahn 1912 erfolgen. Die wirtschaftliche Entwickelung wird durch die Hinaussendung landwirtschaftlicher Beamter gefördert werden. Wir sind in erster Linie bestrebt, dem Muttcr- lande durch die Lieferung von Rohprodukten entgegen zu kommen. Das gilt besonders für Baumwolle und Wollschafe. Der Bahndau ist notwendig, darf aber nicht überstürzt werden. Die Erreichung des Tanganjika-Sees ist wegen der ausländischen Konkurrenz erforderlich. Eine Vorlage kann erst nach Abschluß der Erhebungen kommen. Der Staatssekretär geht dann auf die einzelnen Reden der Abgeordneten ein und sagt überall Prüfung und möglichste Berücksichtigung zu.
Die allgemeine Aussprache schließt. Der Etat für das Reichskolonialamt wird erledigt.
Tages-Neuigkeiten.
AuS Stadt und Land.
Nagold, 25. März I9II.
* Turnprüfung. Gestern war Herr Professor Keßler aus Stuttgart hier um die Turnprüfung an dem in einigen Wochen zur Entlassung kommenden 1. Kurs der Seminaristen und die Besichtigung des Turnens der jüngeren Kurse vorzunehmen.
* Bom Tage. Unsere Wünsche für einen sonnigen warmen Frühlings- und Blumentag sollen allem Anschein nach für den 26. März nicht in Erfüllung gehen. Aber die Hoffnung auf ein volles Gelingen des Festtages wollen wir uns nicht nehmen lassen! wo das Feuer der freudigen Begeisterung die Herzen höher schlagen läßt, da können äußere Umstände keinen Einhalt tun. Um so größer aber wäre die Freude, wenn sich das Wetter bis morgen wiederaufhellen würde. Dies ist unser aller inniger Wunsch.