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Fernsprecher Nr. 29.

83. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilagen. Plauderstllbchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwab. Landwirt.

Der Wetterwart.

Aokitische Amschau.

p Das Bayernoolk hat große Festtage; am morgigen Sonntag vollendet Prinzregent Luitpold, der Senior der regierenden Fürsten Europas, sein 90. Lebensjahr. Seit 25 Jahren führt dieser greise Herrscher die Zügel der Re­gierung, und wenn es etwas war, was das Bayernoolk das über seinen König Otto hereingebrochene Unglück ver­gessen machen konnte, so war es das überaus hohe Maß von Liebe und Vertrauen, das Prinzrcgent Luitpold bei seinen Volksgenossen gewonnen hat, gewonnen durch die schönsten Mannes- und Herrschertugenden, die in dieser ehr­furchtgebietenden Gestalt vereinigt sind: Tatkraft und Ge­schick, eine feste Hand und ein sicherer Blick in der Lenk­ung des Staatsruders, Leutseligkeit und Menschenfreund­lichkeit, echte Volkstümlichkeit, die diesem unter den Pala­dinen des Deutschen Reiches hervorragenden Fürsten des ganzen deutschen Volkes warme Verehrung gesichert haben, das in die Glückwünsche des bayerischen Volkes freudigen und aufrichtigen Herzens einstimmt.

Das große politische Ereignis der Woche war unstreitig die Kulturdebatte im preußischen Abgeordnetenhaus, die Aussprache zwischen Regierung und Volksvertretern über die Politik der römischen Kurie und ihre Beziehungen zum Staate. Auf die hochinteressanten Ausführungen kann na­türlich an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, es gilt nur sie abzuwägen in ihrem praktischen Werte, in ihren Konsequenzen. Und da ist von größter Bedeutung die Ruhe und Sachlichkeit festzustellen, mit der die einschlägigen Fragen auf allen Seiten behandelt worden sind. Es hat sich dabei ergeben, daß Regierung und Abgeordnete sich ihrer vollen Deraniwortung bewußt waren, und deshalb darf von jder ganzen Debatte auch eine ganz andere Wirkung erwartet werden, als wenn aus ihr etwa hätte gefolgert werden kön­nen, daß auf irgend einer Seite Kulturkampfgclllste sich geltend machten. Aus dem Ganzen geht hervor, daß die Kurie zu der Uebcrzeugung kommen muß, daß deutsches Wesen und deutscher Volkscharakter anders geartet sind, anders eingeschätzt werden müssen, und daraus darf man wohl die Hoffnung schöpfen, daß so ernstlichen Unstimmig­keiten, wie sie in letzter Zeit zutage getreten sind, in guter und durchaus loyaler Weise vorgebeugt ist.

Die Reichstagsersatzstichwahl im Algäu (Immenstadt- Kempten) hat mit dem eiwarteten Siege des liberalen Kan­didaten geendet. Wie die Verhältnisse in diesem Wahlkreise lagen, haben wir schon das letztem«! dargelegt. Die Wahl hat aber außer der aktuellen Bedeutung, Uebergang eines zu 91 Prozent katholischen Wahlkreises an den Liberalis­mus, noch eine solche symptomatischer Art. Ihr Ausgang wird natürlich dazu ermutigen, auch in andere Kreise, in denen die Verhältnisse ähnlich liegen, Bresche zu legen und wir werden demzufolge einen Wahlkampf erleben, wie er in gleicher Heftigkeit lange nicht mehr dagewesen sein dürfte.

Zu Pessimismus, zu Schwarzmalerei liegt in der aus­wärtigen Politik gewiß keine besondere Ursache, aber wenn man sich die Berufung Delcasses in das neue fran­zösische Ministerium vor Augen hält, so darf man diese schon etwas aufmachen, denn sein Name allein bedeutet ein deutsch-feindliches Programm. Es wäre geradezu töricht zu glauben, daß dieser Mann seinen Sturz als Minister des Aeußern ob seiner blindwütigen deutsch-feindlichen Politik vergessen hätte; haben doch französische Blätter selbst, als seine Kandidatur für einen Posten im jetzigen Ministerium bekannt wurde, die Hoffnung ausgesprochen, er möchte,im Interesse des Weltfriedens in der Versenkung bleiben". Der

Samstag, dm 11. März

Respekt vor der deutschen Armee und die nicht gerade rosige Aussicht aus einen kriegslustigen und kriegstllchygen Bundes­genossen sichern uns gewiß vor irgend einer Üeberraschung und zwar je mehr wir selbst Ruhe und Besonnenheit wahren, aber die Augen gilt es offen zu halten, denn die in das Programm des neuen Ministeriums aufgenommene Erklär­ung, er werde die Streilkräfte Frankreichs zu Wasser und zu Lande zum Gegenstand seiner besonderen Fürsorge machen, zeigt uns deutlich genug, worin auch bei uns die beste Friedensgarantie liegt.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 9. März.

Post-Etat. Dr. v. Trzcinski (Pole): Wir be­dauern es, daß die Postbeamten in den Ostmarken die Sprache der breiten Masse nicht verstehen. Die polnischen Postbeamten sind auf den Aussterbe-Etat gesetzt worden.

Lattmann (w. Bg.) Die in der Kommission mit nur geringer Mehrheit beschlossenen Streichungen sollten wieder beseitigt werden. Der Redner polemisiert dann ein­gehend gegen die Ausführungen des Abg. Stresemann und erklärt, daß die Sozialdemokraten selbst wissen müßten, daß ihre Resolution undurchführbar ist.

Bruhn (Rfp.) vertritt vor leerem Hause die Wünsche der mittleren und unteren Beamten.

Zubeil (S.) bespricht die neue Dienstanweisung für die Unterbeamten. Die Hoffnungen der Unterbeamten sind in keiner Weise erfüllt dank der Sparsamkeitsaktion. Redner bringt dann Beschwerden von Unterbeamten vor.

Staatssekretär Krätke: Ich lege Verwahrung dagegen ein, daß die Unterbeamten den Vorredner als Vertreter ihrer Interessen gewählt haben. Ich lege auch Verwahrung ein gegen die maßlosen Uebertreibungen des Vorredners, der den Beamten auch Verbrechen zur Last gelegt hat.

Staatssekretär Wermuth: Ich bedaure, daß jetzt wieder an dem Besoldungsgesetz gerüttelt wird. Diese neuen Wünsche dienen weder den Interessen der Beamtenschaft noch den der übrigen Bevölkerung. Wenn wir wieder anfangen, die Besoldungsfrage aufzurollen, so wird wieder der Wett­eifer auf der ganzen Linie entfesselt werden. Vorläufig müssen wir aber noch Vergleiche anstellen und das Ergeb­nis des Februar abwarten. Aber selbst bei günstiger Ent­wickelung müßte sich das Volk bei weiterer Gehaltserhöh­ung auf neue Steuern gefaßt machen. (Hört, hört). Ich erkläre unumwunden, daß die verbündeten Regierungen für eine Aenderung des Besoldungsgesetzes sicherlich nicht zu haben sein werden.

Freiherr von Ga mp (Rp.) Die Besoldungsfrage muß doch endlich für eine Reihe von Jahren erledigt sein. Wir wollen an dem Besoldungs-Kompromiß nicht rütteln. Zu­nächst muß doch die schauerliche Mißwirtschaft vom Reiche beseitigt werden. Nicht die Sozialdemokraten nehmen sich der Unterbeamten an, sondern wir. Die Zulage der Post­beamten im Osten ist nur eine Entschädigung für Mehrar­beit, die ihnen aufgebürtet wird und keine politische Zulage. Redner tritt für Pensionskassen für die beim Post- und Telegraphenamte beschäftigten Beamten ein.

Dr. Struwe (f. Vp.) Im weiten Kreise der Unter­beamten herrscht ernste Not. Gerade die Unterbeamten sind bei der Besoldungsaufbesserung und beim Wohnungsgeld­zuschuß zumeist sehr schlecht weggekommen. Die Assistenten bleiben zeitlebens Assistenten. Man sollte doch Beförde- rungsstellen einrichten, vielleicht als Betriebssekretär.

Staatssekretär Krätke: Die Aeußerungen des Vor­redners erinnern mich lebhaft an gewisse Artikel in der Fach­presse, in denen dasselbe gesagt worden ist. Solche Reden müssen verhetzend wirken. (Beifall rechts.) Kann das Zu­friedenheit erwecken, wenn Sie fortwährend behaupten, der Staatssekretär tue nichts für seine Beamten. Zu viel Be­amte haben wir nicht. Der Verkehr geht über uns hinweg und zwingt uns, neue Kräfte anzustellen. Der Staats­sekretär wiederholt dann seine vorjährigen Erklärungen, daß sich das weibliche Personal für den Fernsprcchdienst beson­ders eigne.

Giesberts (Z.) beantragt eine Resolution zu Gunsten der älteren Post- und Oberpost-Assistcnten. Ferner soll jeder Unterbeamte, ausgenommen die Landbriefträger nach lOjähr. Dienstzeit etatsmäßig angestellt werden.

Eickhoff (f. Dp.) will in die etatsmäßige Anstellung nach lOjähriger Dienstzeit auch die Telegraphenarbeiter ein­beziehen.

Struve (f. Vp.). Gegen die Heftigkeit der Antwort des Staatssekretärs lege ich Verwahrung ein. Es ist die Sprache eines Mannes, der weiß, daß er Unrecht hat.

Beck-Heidelberg (n.). Im Zentrum regt sich ein wenig das Gewissen gegenüber den Oberpostassistenten.

1S11

Giesberts (Z.). Die Regierung ist an allem schuld, die die Finanzreform mit der Besoldungsreform verkuppelt hat.

Damit schließt die Aussprache. Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

Auf Antrag Bassermann ist namentliche Abstimmung über die Zulagen für die Oberpostassistenten._

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

r Stuttgart, 10. März. Der vor acht Tagen in Mühlheim gewählte Stadtschultheiß Jakob Leibinger ist heute nachmittag 4 Uhr im Marienhospital gestorben. Er ist ein gebürtiger Mühlheimer.

Stuttgart, 10. März. Die Stuttgarter Oberbürger­meisterwahl ist auf Freitag, den 12. Mai. anberaumt.

p Stuttgart, 10. März. Der Aufwand für den Neu­bau eines Landeshebammenschulgebäudes würde sich, wie der Minister m der heutigen Sitzung der Finanzkommis- sion der Abgeordnetenkammer mitteilte, auf 750800000 belaufen. Davon würde der Wert des alten Gebäudes im Falle seiner Veräußerung in Abzug kommen.

Eine Vorlage wegen gesetzlicher Maßregeln über den Besitz und Gebrauch von Schußwaffen wird, wie der Minister des Innern auf eine Anfrage in der Finanz- Kommission mitteilte, von der württembergischen Regiemng ausgearbeitet. Die weitere Behandlung ist aber zurückgestellt worden, weil der Gegenstand zur Zeit von den Reichsbe­hörden für eine reichsrechtliche Regelung in Aussicht ge­nommen sei.

r Reutlingen, 10. März. Eine hiesige Kellnerin öffnete sich die Pulsader der linken Hand. Da aber einige Personen von der Tat kurz darauf Kenntnis erhalten hatten, konnte ihr noch rechtzeitig ein Notoerband angelegt und sie am Leben erhalten werden.

Eine Erklärung der Natioualliberalen Partei.

p Die Wllrtt. Pr.-Korr. veröffentlicht folgende durch die Differenzen im 14. Reichstagswahlkreis veranlaßte E r- klärung des geschäftsführenden Ausschusses der National­liberalen (Deutschen) Partei Württembergs:Der geschäfts­führende Ausschuß der Nationalliberalen (Deutschen) Partei Württembergs fordert die Parteimitglieder auf, das mit der Fortschrittlichen Bolkspartei getroffene Wahlabkommen gewissenhaft einzuhalten und da, wo ihm zufolge volksparteiliche Kandidaten aufgestellt werden, sie aufs tat­kräftigste zu unterstützen. Je energischer dies geschieht, eine umso kräftigere Unterstützung unserer Kandidaten dürfen auch wir von volksparteilicher Seite erwarten. Die gemein­schaftlichen Aufgaben und Ziele des Liberalismus müssen jetzt in erste Linie gestellt werden. Es ist sehr zu bedauern, daß eine Einigung im 14. Wahlkreis bisher nicht erzielt werden konnte und daß Aeußerungen der volksparteilichen Presse im 14. Wahlkreis gefallen sind, welche Mißstim­mungen in der Nationalliberalen Partei des Landes aus- lösen mußten. Der geschäftsführende Ausschuß ist jedoch überzeugt, daß möglichst verhindert werden muß, daß die Kampfstimmung des Ulmer Wahlkreises auf die übrigen Wahlkreise übergreift und das Zusammenarbeiten beider Parteien erschwert."

Deutsches Reich.

Karlsruhe, 10. März. Da die Maul- und Klauen­seuche in Frankreich in einem für den inländischen Vieh­bestand bedrohlichen Umfang ausgebrochen ist, hat das Ministerium des Innern die im November 1910 zugelassene Einfuhr von Schlachtvieh dieser Herkunft mit Wirkung vom 12. März an bis auf weiteres verboten.

München, 9. März. Die offiziellen Feierlichkeiten aus Anlaß des 90. Geburtstages des Prmzregenten haben gestern abend mit einer Festoorstellung im festlich geschmückten Hoftheater begonnen. Als der Prinzregent mit der Prin­zessin Ludwig die große Hofloge betrat, wurden ihm vom Publikum begeisterte Kundgebungen dargebracht. Es wurde dann gegeben der 3. Akt der Meistersinger und nach einer Pause Susanna's Geheimnis.

München, 10. März. Die Landessammlung für ge­meinnützige wohltätige Zwecke zu Ehren des 90. Geburts­tages des Prinzregenten hat nach vorläufiger Schätzung zusammen 1^2 Millionen Mark ergeben.

Leipzig, 9. März. Von der beim Polizeiamt Leipzig bestehenden Abteilung zur Bekämpfung der Schmutz- und Schundliteratur ist der erste Band des neu herausgegebeuen WerkesDie Erinnerungen des Giacomo Casanova", über­setzt von Heinrich Conrad, Verlag von Georg Müller, München und Leipzig, nach § 184 Ziffer 1 des Strafgesetz­buches beschlagnahmt worden.