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85. Jahrgang.
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Donnerstag, dm 9. März
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PrinzregenL Luitpold von Bayern.
Zu seinem 90. Geburtstage.
Ein hohes, seltenes Fest, den 90. Geburtstag seines ehrwürdigen Regenten, wird Bayern am 12. März dieses Jahres begehen. Allenthalben rüstet sich das Volk, diesen Tag würdig zu feiern, dem greisen Herrscher warm zu huldigen. Ist schon alljährlich der 12. März im ganzen Bayernland als weihevoller Festtag begangen worden, nicht aus althergebrachter Gewohnheit, sondern aus aufrichtiger Verehrung für die hehre Gestalt des Prinzen Luitpold, „des Königreichs Bayern Verweser," so bietet dessen diesjähriges Wiegenfest einen ganz besonderen Anlaß zu freudigen und begeisterten Kundgebungen. Es handelt sich um einen Tag, wie er in der mehr als 700jährigen Geschichte des Herrscherhauses Wittelsbach noch niemals gefeiert wurde und wie er selten einem Staatsoberhaupts beschieden ist. Seiner Majestät dem ersten Deutschen Kaiser aus dem Fürstengeschlecht der Hohenzollern, Wilhelm dem Siegreichen, hatte des Allmächtigen Güte die gleiche Gnade gewährt; am 22. März 1887 konnte Allerhöchst derselbe die gleiche Feier begehen, die nun dem Regenten Bayerns bevorsteht.
^ ^ In staunenswerter Frische, nicht gebeugt durch die Fülle der Jahre und im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte vollendet Prinz Luitpold das neunte Jahrzehnt seines ebenso erfolgreichen wie arbeitsvollcn Lebens. „Pflege der Jugend schafft rüstiges Alter" war sein Wahlspruch, der sich glänzend an ihm bewährt hat. Von Kind auf ein Freund der freien Natur und der erfrischenden Bergluft, die ihm das schneebedeckte Alpenland seiner Heimat bietet, ist er zwar ein Greis an Jahren geworden, aber an Körper, Geist und Herz ein Jüngling geblieben. Mit Leib und Seele Soldat, wie sein königlicher Vater Ludwig I. von dem damals vierzehnjährigen Knaben schon im Jahre 1835 schrieb, dazu ein eifriger Weidmann, der an Behendigkeit und Ausdauer alle seine Begleiter überflügelte, hat er es ermöglicht, sich den verjüngenden und erhaltenden Einfluß einer andauerndem Stählung des Körpers in vollstem Maße zunutze zu machen. Hierdurch wurde er befähigt, seit 25 Jahren bis zum heutigen Tage die schweren Pflichten des Herrscheramts unausgesetzt in vorbildlicher Weise zu erfüllen, nachdem das Geschick ihn in einem Alter — 65 Jahre — an die Spitze der. Regierung gerufen hatte, in welchem sonst das Lebenswerk des Menschen als abgeschlossen gilt und das Bedürfnis nach Ruhe sich einzustellen pflegt. Alle seine Kräfte stellte er in den Dienst seines Volkes, für dessen Glück und Gedeihen er die segensreichste Tätigkeit entfaltete.
Das bayrische Volk blickt daher mit den Gefühlen innigster Liebe und herzlicher Dankbarkeit zu seinem Regenten empor. Er hat sich stets ktz gleicher Weise bewährt als der erste Soldat seines Heeres wie als umsichtiger Leiter der Staatsgeschäfte, als Wohltäter der Armen und Bedrängten, als Hort der Religion und guten Sitte, als Förderer alles künstlerischen und wissenschaftlichen Strebens. 'Sein einfaches, schlichtes, gegen jedermann wohlwollendes Wesen erschloß ihm den Weg zu den Herzen aller Bayern. Dabei hielt er stets fest zu Kaiser und Reich. Der Reichsgedanke, die Ueberzeugung, daß ein guter Bayer selbstverständlich ein guter Deutscher sein müsse, ist durch sein leuchtendes Beispiel, durch die innige persönliche Freundschaft, die ihn mit Kaiser Wilhelm I. verband und auch mit unserm jetzigen Kaiser verbindet, innerhalb der blauweißen Grenzpsähle volkstümlich und das Gemeingut aller geworden. Deshalb richten sich auch nicht nur in den Gauen des Bayernlandes, sondern im ganzen Deutschen Reiche die Blicke auf den greisen Fürsten, dessen Ehrentag dadurch zu einem nationalen Festtage des gesamten deutschen Volkes emporgehoben wird.
Der Bayrische Veteranen- und Kricgerbund hat die Ehre, den Prinzregenten Luitpold seinen Protektor, seinen Beschützer und Förderer, nennen zu dürfen. Ihm, dem tapfere» Soldaten, dem weisen Staatslenker, dem edel» Manne gilt zu seinem 90. Geburtstage unser ehrerbietigster, herzlichster Glückwunsch.
Politische Ueberficht.
In England meldet sich — freilich etwas spät
— eine Stimme, die der gehässigen englischen Auffassung von der Begegnung Kaiser Wilhelms II. und des Zaren in Potsdam entgegentritt. Die „Westminster-Gazette" schreibt: Der außergewöhnliche Gang der Diplomatie, der zu diesem Ergebnis geführt hat, ist vielleicht von Unbequemlichkeiten und Ueberraschungen für andere Regierungen begleitet gewesen, aber wir können das Ergebnis selber nicht für ein schlechtes halten. Wir Engländer können Rußland unmöglich grollen darum, daß es mit seinem mächtigen Nachbar
in guten Beziehungen zu leben wünscht und können nur bedauern, daß die Verhältnisse die Herstellung dauernder ähnlicher Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland verhinnern. Wir haben ferner nicht das geringste Interesse an einer Isolierung Deutschlands, und es ist eine Unzuträglichkeit für ganz Europa, England eingeschlossen, daß Deutschland sich in dieser Beziehung mit oder ohne Grund beschwert fühlt. Wir hoffen, daß die Verhältnisse, die jetzt geschaffen werden, nicht nur für Rußland und Deutschland, sondern auch für ihre beiderseitigen Freunde und Nachbarn eine Rückversicherung bedeuten werden.
Die portugiesische Regierung hat für Oporto Truppen aufgebotcn, um die von dem dortigen Bischof angeordnete Verlesung des Hirtenbriefes durch die Pfarrer zu verhindern. An verschiedenen Orten ist es zu Kundgebungen gekommen, weitere zahlreiche Pfarrer sind verhaftet worden.
In Portugal gibt man nun doch zu, daß eine
monarchische Verschwörung besteht. Ihr Herd ist die brasilianische Hauptstadt. In Lissabon wurden Verzweigungen entdeckt. Die Regierung ordnete darum an, daß die Namen sämtlicher Reisenden, die aus Brasilien oder aus dem nördlichen Europa kommen, der Polizei übermittelt werden. — Ein Ministerrat hat beschlossen, die Einkünfte des Bischofs von Oporto zu sperren und ihn auszusordern, das Bistum zu verlassen, weil er trotz des Verbotes der Regierung den Priestern befohlen habe, den Hirtenbrief zu verlesen.
Nach Meldungen aus Marokko sollen die Heerschaaren des Sultans in dem Ausstand um Fez bereits einige Niederlagen erlitten haben. Viele Mannschaften seien getötet und verwundet worden, auch hätten sie ihre Artillerie verloren.
Der amerikanische Kongreß hat die Vorlage
für Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an die erste deutsche Ansiedelung in Germantown angenommen und ist dann geschlossen worden. Die außerordentliche Session des Kongresses zur Beratung des Handelsabkommens mit Kanada ist aus den 4. April einberufen worden.
Die Schiffahrtsabgaben.
Berlin, 8. März. In der Kommission des Reichstages zur Vorberatung des Gesetzentwurfs betr. die Schif- sahrtsabgaben erklärte Minister Breitenbach, die Vorlage werde fallen mit Annahme des Antrages Iunck, der besagt: „Besahrungsabqaben werden nur erhoben von solchen Schiffen, die von den Werken Vorteil haben, und nur für diejenige Strecke, auf der ein solcher Vorteil eintritt." Der Minister verwies auf seine Verantwortung als Verkehrsminister, die es ihm angesichts des gesteigerten Verkehrs zur Pflicht mache, eine den Verkehrszuwachs berücksichtigende Vorlage zu machen.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 7. März.
Vizepräsident Dr. Spahn stellt fest, daß der Abg. Hue in der letzten Sitzung während der Rede des Abg. Behrens Zwischenrufe wie „Verlogen und Unverschämtheit" gemacht hat, die, wenn der Präsident sie gehört hätte, dem Zwischenrufer einen Ordnungsruf eingebracht hätte. — Militär-Etat. Verkauf des Tempelhofer Feldes. EineResolution der Budget-Kommission ersucht den Reichskanzler, dahin zu wirken, daß der Kaufpreis für das Tempelhofer Feld durch die Art der Bebauung des Tempelhofer Feldes dem Reiche nicht verkürzt werde. Eine Resolution der fortschrittlichen Volkspartei ersucht den Reichskanzler, im Interesse einer großzügigen, den Forderungen des öffentlichen Wohles, entsprechenden Bebauung und etwaige Bestrebungen auf Herbeiführung einer Verständigung zwischen den Beteiligten und der Stadt Berlin unter der Voraussetzung zu unterstützen, daß der Kaufpreis für das Tempelhofer Feld dem Reich nicht gekürzt wird.
Dove (f. VpO verweist auf das Gutachten des Prof. Laband, der dem Reichstage das letzte Genehmigungsrecht zuspricht.
Dr. Wiemer (fr. Vp.) Die Resolution der Budget- Kommission stößt offene Türen ein. Leider erklärte der Kriegsminister, die Hauptsache ist, daß ich mein Geld herausbekomme. Das Allgemeinwohl wird hiebei nicht gewahrt. Der Reichstag empfiehlt den Iarsen'schen Bebauungsplan, bei dem Seiten- und Hinterhäuser fortfallen. Auch jetzt noch ist eine Verständigung über den Bebauungsplan möglich.
Erzberger (Z.) Die Sache wird wohl kaum mit einem Siege Berlins enden. Der Reichstag hat kein Einspruchsrecht und praktisch wäre es auch ganz undurchführbar. Die Militärverwaltung hat ganz im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt. Das Geld ist die Hauptsache. Die Ent
lastung der Steuerzahler des Reiches ist das öffentliche Interesse. Jetzt ist eine Eingemeindung des Tempelhofer Feldes in Berlin nicht mehr möglich, der Vertrag ist abgeschlossen und rechtskräftig. Gegen den Versuch einer Verständigung über den Bebauungsplan haben wir nichts, aber damit hat der Kriegsminister nichts zu tun. Die Hauptsache ist, daß das Feld vernünftig bebaut wird.
^Freiherr v. Richthofen (k.) Berlin scheint den richtigen Zeitpunkt für die Eingemeindung versäumt zu haben. Wir haben nicht den Eindruck, daß die Militärverwaltung in illoyaler oder rechtswidriger Weise oorgegangen ist. Sie hat die fiskalischen Interesse in anerkennenswerter Weise gewahrt.
Fischer (S.) Der gesunde Menschenverstand müßte doch verlangen, daß man, wenn man die Einnahmen oder Ausgaben bewilligen soll, die Verträge prüfen darf. Was geschieht mit dem Vertrag, wenn wir die Einnahmen nicht acceptieren. Der Redner bespricht die Verhandlungen eingehend vom Berliner Standpunkte aus.
Kriegsminister von Heeringen gibt in Erwiderung der Ausführungen des Berliner Abgeordneten eine ebenso eingehende Darstellung der Verhandlungen. Irgendwelche Einwirkung ist aus dem Kriegsministerium nicht erfolgt. Es hat rein sachlich die Interessen des Reiches gewahrt ohne Ansehen des Käufers. Tempelhos ist vom 1. April ab rechtlicher Besitzer der rechtlichen Hälfte. Soll eine andere Vereinbarung getroffen werden, sso (ist das Sache Tempelhofs. Mein Verhalten ist loyal und legal. Wir sind nicht feindlich gegen Berlin gesinnt. Wir haben wahre Engelsgeduld gezeigt. Ich hätte gern mit Berlin abgeschlossen, wäre nur irgendwie Möglichkeit dazu vorhanden gewesen.
Weber (n.) Durchaus geklärt ist die staatsrechtliche Frage noch nicht, denn es liegt eine Lücke in der Gesetzgebung vor. Wir halten den Tempelhofer Vertrag für rechtlich gültig. Wir hätten gern die Interessen Berlins unterstützt, hätten wir die Möglichkeit dazu gehabt. Wir wünschen aber, daß beim Bauplan der Volksgesundheit mehr Rücksicht getragen wird durch freie Plätze und Straßen. Wir haben den lebhaften Wunsch, daß der Kriegsminister trotz seiner ablehnenden Erklärung sich doch der Mühe unterzieht und an Verständigungsverhandlungen teilnimmt.
Schatzfekretär Wehrmuth: Die Beweglichkeit der Verwaltung würde gehemmt werden, wenn solche Verkäufe von der Zustimmung des Reichstages und Bundesrates abhängig wären. Auch bei dem Verkauf von Festungsgelände hat der Reichstag nie Einwendungen gemacht.
Dr. Arendt (Rp.): Der Verkauf des Tempelhoser Feldes ist zweifellos rechtskräftig. Wir wissen uns frei von Animosität gegen Berlin.
Ledebour (S.). Der Kriegsminister hat die Stadt Berlin gehörig über die Ohren gehauen, er ist gerissener als die Berliner Stadtverwaltung.
Kriegsminister v. Heeringen: Gegen derartige Unterstellungen verwahre ich meine Verwaltung auf das aller entschiedenste. Jetzt, wo die Karten offen auf dem Tisch liegen, erkenne auch ich an, daß Berlin nicht anders konnte wegen der Eingemeindungen. Das hätte es aber früher erklären müssen.
Dr. Wiemer (fr. Vp.) wendet sich gegen Dr. Arendt und Erzberger und sagt weiter: Ich nehme Akt von der Erklärung des Kriegsministers, daß er sich etwaigen neuen Derständigungsverhandlungen wohlwollend gegenüberstellen wird.
Die Resolution der Budgetkommission wird angenommen, die der fortschrittlichen Bolkspartei abgelehnt. Der Militär-Etat wird erledigt, ebenso der Etat des Reichsmilitärgerichts, ferner in 3. Lesung die Heeresvorlage.
Württembergischer Landtag.
p Stuttgart, 8. März. Die Erste Kammer hielt heute eine Sitzung ab. Der Präsident, Fürst o. Hoheu- lohe-Bartenstein, widmete den verstorbenen Mitgliedern, Geheimräten v. Schall und v. Heß warme Nachrufe. Auf Antrag der Legitimationskommission wurden Prinz Max zu Hohenlohe-Oehringen, Erbprinz v. Bentheim-Steinfurt und Erbgraf Quadt zum Eintritt in das Haus für legitimiert erklärt. Das neuernannte lebenslängliche Mitglied Ober- landesgerichtspräsident v. Cronmüller, und der neue Vertreter der Landwirtschaft, Oekonomierat Ruoff, wurden eingeführt und beeidigt. Der Gesetzentwurf, betreffs Maßnahmen aus Anlaß des Brandunglücks von Böhmenkirch, wurde einstimmig genehmigt und auch der Entwurf, betreffend die Aushebung des Geheimen Rats, wurde nach einer Rede des Ministerpräsidenten Dr. v. Weizsäcker einstimmig angenommen. — Die nächste Sitzung wird voraussichtlich erst Anfang Juni stattfinden.