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Schwab. Landwirt.

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Montag, dm 6. März

1911

das er als die schwerste Gefahr für das liberale Bürgertum bezeichnet.

Nach weiterer Debatte, an der Will (Z.), Giesberts (Z.), Keil (S.) und der württembergische Generalmajor Dorrer teilnahmen, schließt die Aussprache. Es folgt noch eine Reihe persönlicher Bemerkungen. Die Zentrumsreso­lutionen werden angenommen, die sozialdemokratischen ab­gelehnt, ferner wird eine Resolution des Zentrums, die einen Ausbau der Pensions-, Witwen- und Waisenkassen fordert, angenommen, ebenso eine Resolution der Budgetkommission, wonach bei Waffen- und Munitionslieferung die Privat- Industrie mehr als bisher berücksichtigt werden sollen.

Weiter entspinnt sich noch eine Debatte über die For­derung eines Truppenübungsplatzes für das 14. bad. Armee­korps, wobei der württembergische Generalmajor Dorrer Angriffe Keils (S.) zurückweist. Die Ausgaben werden dann bewilligt, ebenso die Einnahmen bis zu dem Titel Er­lös aus dem Verkauf des Tempelhofer Feldes.

Tages-NeuigLeiLen.

Aus Stadt und Land.

Nagold, den 6. März 1911.

* Vortrag. Der am Samstag nachmittag im Gast­höf zum Rößle auf Veranlassung des Bezirkslehreroereins von Herrn Professor Dr. Krohmer gegebene Vortrag: Eine Woche unter den Ansiedlern in Posen und Westpreußen fand bei den zahlreichen Zuhörern großes Interesse. Die Beschreibung der im vorigen Jahr veran­stalteten Ostmarkenfahrt von Reichs- und Landtagsabge­ordneten, die Beleuchtung der Fragen des Ostens, die Schilderung der kulturellen und sozialen Zustände jener Städte, Dörfer und Gegenden waren in hohem Matze dazu angetan, jedem Einsichtigen klarzulegen, daß die Bestrebungen der Negierung in Sachen der Ansiedlungsfrage volle Würdig­ung und Unterstützung verdienen. An Praktischem wurde vom Vortragenden angeführt, daß durch die Ansiedlungskommission im Zeitraum von 24 Jahren 400000 du 4000 gkm Land vom Großbesitz in Kleinbesitz verwandelt worden sind: es sollen 20 OM Bauern angesiedelt werden; bis jetzt sind deren 17 MO angesiedelt. Jeder Ansiedler erhalte 13 40 Morgen in Pacht, den Morgen zu 12Pachtgeld. Der Ansiedler erhalte im ersten Jahr Lebensmittel, Holz gratis, auch bekomme er Ziegel rc. zum Selbstkostenpreis. Redner gab zum Schluß seines zweistündigen lichtvollen Vortrags den Rat in bäuerlichen Kreisen dahin zu wirken, daß auch Württemberg einen Teil der Ansiedler stellen möge. Der Vorstand des Bezirkslehrervereins Herr Seminar­oberlehrer Mack dankte dem Redner^fllr seine lehrreichen Aus­führungen.

Calw. Ueber die seitherige Entwicklung des Elektri­zitätswerkes geben folgende Zahlen Aufschluß. An das Werk sind bis jetzt angeschlossen 55 Motore mit 145 Pfer­dekräften, 1450 Lampen, 8 Ventilatoren und 3 Bogenlam­pen. Konsumenten für Kraft und Licht sind es 168. Weitere 18 Anschlüsse sind in Arbeit und weitere stehen noch bevor.

r Stuttgart, 4. März. (Handschreiben des Königs.) Oberbürgermeister v. Gauß hat vom König aus Kap Martin folgendes Schreiben erhalten:Kap Martin, Hotel, den 1. März 1911. Mein lieber Oberbürgermeister v. Gauß! Es ist mir ein Herzensbedürfnis, meinem bereits telegraphisch abgestalteten Dank für den mir vom Gemeinderat und Bürgerausschuß meiner Haupt- und Residenzstadt Stuttgart übersandten treuen und innigen Glückwunsch auch noch einige schriftliche Worte aufrichtigen Dankes Nachfolgen zu lassen und zu versichern, daß mich dieser neue Beweis treuer und anhänglicher Gesinnung hier in der Fremde doppelt erfreut und beglückt hat. Ich kann nur bestätigen, daß der Zweck meines Aufenthalts im Süden in erfreulicher Weise erreicht zu sein scheint, sodaß ich hoffen darf, demnächst neu gestärkt in die Heimat zurückzukehren. Indem ich bitte, allen Betei­ligten meinen gnädigsten Dank und Gruß, sowie die Ver­sicherung meines unwandelbaren Wohlwollens zu übermitteln, bin ich, mein lieber Oberbürgermeister o. Gauß, Ihr gnädiger König Wilhelm."

p Stuttgart, 4. März. Das Justizministerium hat auf die Gesuche von Verurteilten wegen Vergehens gegen das Weingesetz, die Strafe der Einziehung der Weine zu erlassen und deren Verwendung im eigenen Haushalt zu gestatten, in einem Erlaß bekannt gegeben, daß eine Milde­rung der allerdings harten Maßregel der Einziehung der Weine im Wege der Gnade nicht erfolgen könne und der reichsgesetzlichen Bestimmung gemäß die Weine zum Verkauf gebracht werden müssen: dagegen hat sich das Ministerium Vorbehalten, von den einzelnen Erlösen den Verurteilten einen gewissen Teil im Gnadenwege zuzubilligen.

p Stuttgart, 3. März. Die Daimler-Motoren-Ge­sellschaft, Untertürkheim, teilt mit, daß eine direkte Beteilig­ung an irgendwelchen Rennen für das Jahr 1911 nicht beabsichtigt werde. Als Begründung wird angeführt:Der hohe Beschäftigungsgrad der Fabrik, sowie die Verfolgung von Spezial-Ausgaben von aktuellem Interesse machten es erforderlich, jede weitere Beeinträchtigung der laufenden Fabrikation, wie solche besonders durch Vorbereitung zu Rennen unvermeidlich ist, auszuschalten. Diesen Standpunkt könne man prinzipiell um so eher vertreten, als diejenigen Erfahrungen, welche Geschwindigkeitskonkurrenzen über kurze oder lange Strecken zu gewähren vermögen, gerade von der Daimler-Motoren-Gesellschaft bereits in ausgiebigster Weise gesammelt und in der konstruktiven Festlegung der jetzigen Typen verwandt worden seien." Behanntlich wurde in der Generalversammlung derChambre Syndikale des Konstrukteurs d' Automobiles" Paris, bereits am 1. Dez.

1910 mit allen gegen 5 Stimmen ebenfalls für das Jahr

1911 gegen die Beteiligung an Rennen jeder Art Stellung genommen.

Tailfingen OA Balingen, 2. März. Das Gericht von Balingen besichtigte gestern wiederholt die Brandstätte und ließ verschiedene photographische Aufnahmen machen. Die Ursache der Explosion konnte noch nicht festgestellt wer­den, zumal man sich auch noch nicht darüber klar ist, ob es sich um eine Gas- oder sonstige Explosion handelt. Die Aufräumungsarbeiten werden sehr behutsam ausgeführt, da

Amtliches.

Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für den Württ. Schwarzwaldkreis.

Gemäß Art. 25 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. März 1888 (Reg.Bl. S. 89) wird hiemit bekannt gemacht, daß der Umlagefuß für das Jahr 1910 aus

3 66 für 100 Steuerkapital

(wie im Vorjahr)

festgesetzt worden ist.

Reutlingen, den 4. März 1911.

Der Vorsitzende des Vorstands:

I. B. Regierungsrat Laust er er.

K. Hbercrrnt Hlcrgokd.

Bekanntmachung,

betr. die Feldbereinigung ans der Markung Wart.

Nachdem die Ausführungsarbeiten der Feldbereinigung auf der Markung Wart entsprechend gediehen sind, wird hiemit

Schlußtagfahrt

auf Donnerstag den 6. April ds. Js. vormittags

Uhr auf das Rathaus in Wart anberaumt.

Zu derselben werden die beteiligten Grundeigentümer bezw. deren Vertreter und sämtliche berechtigte Dritte mit dem Bemerken eingeladen, daß der Zuteilungsplan samt Tabellen und Akten auf dem Rathaus in Wart zur Ein­sichtnahme aufgelegt ist und daß etwaige Einwendungen in der Schlußtagfahrt vorzubringen, spätere Einwendungen gegen den Zuteilungsplan, sowie gegen die in Gemäßheit desselben erfolgte Ausführung der Feldbereinigung aber ausgeschlossen sind.

Den 3. März 1911. Kommerell.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 3. März.

Militär-Etat. Artillerie- und Waffenwesen. Freih. v. Ga mp (Rp.) wünscht, daß alle Resolutionen zurückge­zogen werden möchten, wogegen sich Becker-Köln (Z.) wendet. Nach einer kurzen Bemerkung Zubeils (S.) be­merkte Generalmajor Wandel: Die Regierung verhindere das Koalitionsrccht nicht, nur lasse man keine sozialdemo­kratischen und staatsfeindlichen Tendenzen auskommen. Wir nehmen die Wünsche der Arbeiterschaft durch die Arbeiter­ausschüsse gern entgegen und legen ihrer Tätigkeit kein Hindernis in den Weg. Sommer (f. Bp.) bringt Wünsche der Feuerwerks- und Zeugoffiziere vor, die mit dem Front­offizier gleich gestellt sein wollen.

Generalmajor Wandel betont, eine völlige Gleich­berechtigung könne aus dienstlichen Gründen nicht eintreten.

Hue (S.) empfiehlt eine Resolution seiner Partei über die Lieferungsbedingungen der Heeresverwaltung und die Mitwirkung der Arbeiterausschüsse in ihren Betrieben.

Mommsen (f. Dp.) polemisiert gegen das Zentrum,

Me Ferdinand i. Zar der Vulgaren wurde.

Ein Beitrag zu der Geschichte unserer Tage.

Von Paul Lindenberg.*)

Der Herbst des Jahres 1908 sollte der große Wende­punkt in Bulgariens geschichtlicher Entwicklung werden!

Verschiedene Ereignisse vereinten sich, um schneller, wie man im westlichen Europa angenommen, Bulgarien sein Ziel erreichen zu lassen. Der Sommer hatte die bekannten bedeutsamen potitischen Umwälzungen in der Türkei ge­bracht. Die Iungtürken hatten die Macht in Händen, tief einschneidende Reformen wurden für das Osmanische Reich geplant und ward mit ihrer Einführung begonnen. Die überraschenden Umwälzungen in Konstantinopel hatten eine wärmere Annäherung zwischen der Türkei und Bulgarien zustande gebracht, da Bulgarien freudig die Morgenröte einer einer neuen Zeit für das benachbarte türkische Volk be­grüßte. Um das Reformwerk nicht zu stören, hatten die bulgarischen Vereinigungen in Mazedonien ihre Tätigkeit eingestellt: Bulgaren und Türken verbrüderten sich mitein­ander, bulgarische Deputationen besuchten verschiedene der hervorragendsten türkischen Städte und erfreuten sich leb-

*) Mit freundlicher Erlaubnis entnchinen wir dieses Kapitel dem Vuchc: Ferdinand I., König der Bulgaren. Bon Paul Lindenberg, zum 50. Geburtstage des Königs, im Verlage von G. Bernstein in Berlin erschienen ist. (Preis: geheftet 3 Der Verfasser des lesenswerten und reich illustrierten Werkes hat, wie besonders dieses Kapitel beweist, aus bisher noch nicht benutzten wichtigen Quellen schöpfen dürfen. D. Red.

Hafter Sympathiekundgebungen seitens der muselmännischen Bevölkerung. Neunzig Notable Adrianopels begaben sich nach Sofia und wurden dort auf das herzlichste willkommen geheißen.

Da erfolgte plötzlich von offizieller türkischer Seite eine schwere Beleidigung des in Konstantinopel ansässigen bul­garischen diplomatischen Agenten Geschoss**), indem dieser von dem türkischen Minister der Auswärtigen Angelegen­heiten, Tewfik Pascha, bei den Einladungen zum üblichen Iahresdiner der Vertreter der auswärtigen Mächte bei der Hohen Pforte mit voller Absicht übergangen wurde. Als Vorwand diente,daß Bulgarien im Vasallcnverhältnis zur Türkei stände", eine Herausforderung die um so schärfer von bulgarischer Seite empfunden werden mußte, als dasVa­sallentum" nur noch auf dem Papier bestand. Schon 1881 hatte sich ein ähnlicher Konflikt ereignet, indem die Hohe Pforte den damaligen bulgarischen Agenten in Konstanti­nopel ersucht hatte, nicht mit ihr direkt zu verkehren, sondern mit einem besonderen Bureau für die sogen, privilegierten Provinzen, aber auf die energischen Vorstellungen der bul­garischen Regierung, daß Bulgarien ein autonomer Staat sei und nicht etwa eine Stellung wie Aegypten einnehme, eingelenkt und zugestanden hatte, daß der bulgarische Ver­treter direkt mit dem Auswärtigen Amt unterhandeln könne. Seitdem hatte sich Bulgarien als ein immer unabhängigeres Staatswesen entwickelt, hatte selbständig Verträge geschlossen und Kriege geführt, war bei dem Friedenskongreß im Haag 1907 in die Reihe der souveränen Staaten ausgenommen " **) Zurzeit bulgarischer Gesandter in Berlin.

worden, und nur noch der Tribut für Ostrumelien erinnerte an eine gewisse Abhängigkeit von der Türkei.

Die Zurücksetzung Geschoffs, eines um sein Land sehr verdienten Diplomaten, der oft genug seine Befähigung in der geschickten Lösung schwieriger politischer Ausgaben be­wies, hatte in ganz Bulgarien den peinlichsten Eindruck her­vorgerufen, der verstärkt wurde durch den aus den Linien der Orientbahn ausgebrochenen und sich auch auf die durch Bulgarien führende Strecke ausdehnenden Streik der Bahn- angestellten.

Die Zeit zum Handeln war gekommen!

In der Nacht vom 3. zum 4. Okt. war Fürst Ferdi­nand in Rustschuk angelangt, wo sich sämtliche Minister ein­gefunden hatten, um die Lage zu besprechen. In dem Mi­nisterrat folgte Fürst Ferdinand, um mit einem Schlage alle ausländischen Einmischungen und Weiterungen zu beseitigen, dem Wunsche seiner Minister, Bulgarien und das 1885 an- gcgliederte Rumelien zum unabhängigen Königreich zu er­klären.

Am folgenden Tage, den 5. Okt., traf zu früher Stunde Fürst Ferdinand mit sämtlichen Mitgliedern des Minister- rates in Tirnowa ein, wohin sich bereits von Sofia die Fürstin Eleonore begeben hatte. In aller Eile hatte sich die malerisch hoch oberhalb des Iantra gelegene uralte Zarenstadt festlich geschmückt, ein ruhmvoller Tag war für sie angebrochen, sollte sich doch neuer Glanz über sie ergießen, die einst mit der hohen Blüte des ehemals so mächtigen Bulgarenreiches eng verbunden gewesen als Residenz der bulgarischen Zaren. Der letzteren Burg lag außerhalb der