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Fernsprecher Nr. 29.

88. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilagen. Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

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Amtliches.

K. ev. Bezirksschulamt Altensteig-Dorf.

Den Herren Lehrern der obersten Klassen geht in den nächsten Tagen eine entsprechende AnzahlRatgeber zur Berufswahl" zur Austeilung an die Heuer zur Schulent­lassung kommenden Knaben zu.

Altensteig-Dorf, 1. März 1911. Schott.

Wer zahlt die Zuwachssteuer?

Der Träger der Steuerpflicht ist der Veräußerer nach dem Wortlaut des Gesetzesentwurfes, der sagt: Die Ent­richtung der Zuwachssteuer liegt demjenigen ob, dem das Eigentum oder die Berechtigung vor dem die Steuerpflicht begründenden Rechtsvorgange zustand. Daß der Veräußerer dis Zuwachssteuer zu zahlen hat und nicht der Erwerber, liegt im Wesen des Grundstücksumsatzcs. Die Steuer soll bei der Verwirklichung des Gewinns erhoben werden. Das Entgelt für die Wertsteigerung, der Gewinn, oder im Sinne des Gesetzgebers, der unverdiente Wertzuwachs, fließt dem Eigentümer des Grundstücks im Veräußerungspreise, im Erlös, im Kausschilling zu. Sind mehrere Veräußerer, mehrere Eigentümer vorhanden, so haften dieselben als Ge­samtschuldner. Hier greift das Bürgerliche Gesetzbuch mit 8 421 ein, wonach, wenn mehrere eine Leistung schulden in der Weise, daß jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist, der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann, und bis zur Bewirkung der ganzen Leistung sämtliche Schuldner verpflichtet bleiben. Eine Ab­wälzung der Zuwachssteuer vom Verkäufer auf den Käufer, vom Veräußerer aus den Erwerber, vom Vorbesitzer auf den Nachbesitzcr gibt es nicht. Nur für den Fall, daß der Veräußerer die Steuer nicht leisten kann, daß die Beitreib­ung erfolglos ist, haftet der Erwerber für die Steuer bis zum Betrage von zwei Prozent des Veräußerungspreises. Haftbar dem Fiskus gegenüber, zahluugspslichtig ist also in erster Linie der Veräußerer, eine Haftpflicht des Erwerbers tritt erst subsidiär ein und nicht einmal ganz, sondern nur bis zum Betrag von zwei vom Hundert des Veräußerungs- Preises. Diese Besteuerung findet keine Anwendung bei Zwangsversteigerung. Der Staat wird also in allen Fällen zuerst seinen Angriff auf den Vorbesitzer, den Veräußerer, machen. Der Entwurf hat eine Haftung des Erwerbers überhaupt nicht gekannt. Die Kommissionsberatung hat diesen Punkt hereingebracht und damit einen der Leitsätze beim Aufbau des Gesetzes, daß der Veräußerer der Steuer­träger ist, durchlöchert. Es wurde in der Sitzung geltend gemacht, der Erwerber sei ja in der günstigen Lage, zu ent­scheiden, ob er diese Haftung übernehmen wolle dadurch, daß ec dem Veräußerer vertraglich Sicherstellung der Steuer anbedinge. Die Kommissionsberatung schloß diesen Gedanken verfolgend auch in Absatz 3 des tz 29 an: Die Haftung fällt fort, sobald der Veräußerer einen entsprechenden Betrag gezahlt oder sichergestellt hat. Die Haftung des

Der Einzug der deutschen Truppen in Paris.

Am 1. März 1871 haben die deutschen Truppen ihren Einzug in Paris gehalten, und nichts vermag heute den Eindruck dieses großen Ereignisses lebendiger zu vergegen­wärtigen, als die zeitgenössischen Berichte. Wir geben heute die interessante Darstellung wieder, welche die National- Zeitung vor 40 Fahren von dem Einmarsch unserer Truppen in die französische Hauptstadt veröffentlicht hat. Der Bericht ist aus Paris, den 2. März 1871 datiert: '

lieber den gestern erfdlgten Einmarsch der Deutschen erfährt man noch folgendes: Obgleich nur 30000 Mann in Paris einrücken sollten, so waren doch 100000 Mann für den Fall in Bereitschaft gesetzt, daß Paris irgend einen Widerstand wagte. 70 000 Mann lagerten unter den Mauern von Paris, während die übrigen 30000 Mann ihren Ein­zug hieltciu Die Kanonen der Forts waren zugleich auf Billette, Bekev lle und die übrigen Faubourgs gerichtet. Nach den Bedingungen der Konvention sollten die Deutschen um 10 Uhr morgens einrücken. Später kam man überein, das; die ersten Truppen um 7 Uhr morgens in die Stadt einziehen sollten um für die anderen Quartiere zu machen. Die Zusammenkunft, in welcher dies beschlossen wurde, fand in euiem der Pavillons der neuen Porzellanfabrik von Sevrcs statt. Die Maires der zu besetzenden Arrondisse­ments wohnten mit dem französischen Generalstab derselben an. Die deutsche Behörde war vom General Kamecke, Ober- kcmmandanten der Okkupation, dem Grafen General v.

Donnerstag» dm 2. März

Erwerbers ist aber nicht bloß bezüglich der Höhe der Steuer beschränkt, sondern auch bezüglich der Umsatzgeschäfte. Nur bei Veräußerungen, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen, hastet der Erwerber. Der Entwurf wollte die Auslassungsmöglichkeit erschweren dadurch, daß die Auf­lassung von dem .Grundbuchamt erst hätte angenommen weeden dürfen, wenn eine Bescheinigung der Steuerbehörde Vorgelegen hätte, daß die Steuer nicht geschuldet oder für dieselbe Sicherheit geleistet sei. Die Höhe der Kaution hätte die Steuerbehörde in eigener Kompetenz nach freiem Ermessen bestimmt. Dieser Passus wurde jedoch durch die Kommissionsberatung ganz ausgemerzt. Auch war die Möglichkeit einer Abwälzung der Steuer offen gelassen durch den Satz: der Erwerber ist berechtigt, die Sicherheit zu leisten. Auch dieser Passus wurde in der Kommission fallen gelassen. Der Träger der Steuerpflicht ist und bleibt der Veräußerer, eventuell mit subsidiärer Haftung des Käufers.

Politische Uebersicht.

Der russische Minister für Volksarrfklärnug

hat die von zwölf Professoren der Universität Moskau ein­gereichten Abschiedsgesuche genehmigt. Auf Anordnung des Ministers sind an der Universität St. Petersburg 67, in Moskau 75 und an den Universitäten Charkow, Nowo- rossisk, Kiew und Warschau 148 Studierende relegiert worden.

Der serbische Kriegsminister hat sich um sein Amt geredet. Während der Annexionskrisis hatte die Kriegs­verwaltung 15 Gebirgsbatterien zu beschaffen. Unter den eingelausenen Offerten ausländischer Firmen befanden sich solche von der Firma Krupp und von Erhardt. Kriegs­minister Oberst Gojkowitsch übertrug die Lieferung der Firma Krupp, obwohl die Firma Erhardt angeblich eine bedeutend günstigere Offerte eingereicht hatte. In parla­mentarischen Kreisen wurde aus diesem Anlaß eine heftige Kampagne gegen den Kricgsminister eröffnet, zumal er seine Entscheidung getroffen hatte, ohne die parlamentarische Kon­trollkommission zu verständigen. Um sich gegen diese An­griffe zu verteidigen, stellte er die Behauptung auf, daß bei der Vergebung der Batterien an die Firma Krupp auch der Umstand eine Rolle gespielt habe, daß der deutsche Ge­sandte Herr von Reichenau, dessen Bruder bei der Fabrik Erhardt beteiligt sei, sich lebhaft für die Begebung der Lieferung interessiert habe. Der serbische Kriegsminister ließ also durchblicken, daß er darum die Firma Krupp gewählt habe, weil der deutsche Gesandte aus persönlichen Motiven die Firma Erhardt protegiert habe. Die Folge dieser un- bedachtsamen Aeußerung war eine Intervention der deut­schen Regierung, die eine öffentliche Entschuldigung forderte. Kricgsminister Gojkowitsch versuchte eine solche Entschul­digung, die indessen von der deutschen Vertretung als un­genügend bezeichnet wurde. Der serbischen Regierung wurde nun ein Ultimatum überreicht, das unter Androhung der Abberufung des deutschen Gesandten den Rücktritt des Kriegsministers fordert. Man erwartet, daß das gesamte Kabinett Pasitsch zurücktrcten wird, um sich ohne den Kriegs­minister von neuem zu konstituieren.

Waldersee und einem Adjutanten des Kronprinzen-Feld- marschall vertreten. Als bei der Diskussion die Einquar­tierungsfrage zur Sprache kam, gab Graf Waldersee, der der bekanntlich lange Zeit in Paris war, zum Erstaunen der Franzosen ganz enorme Lokalkenntnisse kund. An der Spitze der einziehenden Truppen marschierten die Bayern. Ihr Musikkorps spielte:Was ist des Deutschen Vater­land?" Nach den Bayern kamen zwei Ulanen- und drei Artillerie-Regimenter. Ihnen schlossen sich die Preußen an, deren Musikbanden dieWacht am Rhein" undIch bin ein Preuße" spielten. Das 8. preuß. Dragoner-Regiment schloß den Marsch. Nach dem Defilee zogen die Truppen in die ihnen bestimmten Quartiere ab. Die Menge, die nach und nach sehr groß geworden war und unter der man eine Menge Pariser mit ihren Familien bemerkte, verhielt sich während des Einmarsches des Hauptkorps ruhig. Die Bayern lagerten auf den, Eintrachtsplatze. In der Mitte der elysäischen Felder, an dem sogen. Rond Point, sowie am Are de Triomphe wurden Kanonen aufgestellt, die alle Alleen, die zu diesen beiden Punkten hinführen, beherrschen.

Der Brüsseler Independance, welche bekanntlich von Parteinahme für die deutsche Sache sehr weit entfernt ist, wird vom 1. März abends berichtet:Ich habe 30000 Mann Preußen und Bayern vor dem Arc de Triomphe vorbeimarschieren sehen. Nachdem einige Vortruppen schon am Morgen eingerückt waren, kamen um 2 Uhr die Spitzen des Gros, die Musik voraus, die Fahnen entfaltet, an der Porte Neuilly an. Ich war betroffen von dem festen Schritt, der superben Haltung dieser prächtigen Armee. Alle in voller

1911

Der Sturz des Kabinetts Briand hat den

Generalgouverneur von Algerien, Ionnart, dermaßen gekränkt, daß auch er telegraphisch seinen Rücktritt anzeigte. Er hatte den Posten seit elf Jahren inne. Der Schritt Ionnarts ist eine politische Demonstration, die bei den Ministelstürzern einen sehr peinlichen Eindruck hervorrief.

Nach Meldungen ans Marokko ist ein fran­zösischer Handelsmann, der im Rifgebiet Schürfungen oor- nahm, auf Befehl der spanischen Militärbehörden verhaftet worden. Die französische Regierung hat an die spanische Regierung das Ersuchen gerichtet, den Franzosen sreizulassen.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 28. Febr.

Militär-Etat. Beim Kastenwesen und den Inten­danturen bemängelt Kunert (Soz.) das bisherige System des Offiziers-Ersatzes und das Zulagewesen im Heere sei eine regelrechte Vetternwirtschaft groß gezogen. Der Adel sei die Hauptsache. Die Gnadenzulagen sollten überhaupt gestrichen werden. Redner spricht gegen die geheimen Fonds und behauptet, verschiedene sächsische Fonds seien ungesetzlich.

Sächs. Generalmajor v. Salza weist die Beschuldig­ungen gegen die sächsische Militär-Verwaltung als nicht stichhaltig zurück.

Erzberger (Z.) Herr Kunert hat von Betrug, Unter­schlagung, Verfassungsbruch, Verletzung des Budgetrechts des Reichstags gesprochen. Nichts ist von dem erwiesen. Er soll uns mit solchen haltlosen Beschuldigungen ver­schonen.

Kunert (S.) Bei der Kassen-Berwaltung herrscht jede Willkür.

Werner (Rp.) bemängelt die häufige Versetzung der Intendanturbeamten.

Generalleutnant Wachs und Kriegsminister v. Hee­ringen erwidern, daß, soweit Versetzungen erfolgen, es im Interesse des Dienstes oder auf Wunsch der betreffenden Beamten geschehe.

Roth (w. Vg.) wendet sich gegen die Kommandierung der Soldaten zum Abendmahl, die mit der Lehre der evan­gelischen Kirche im Widerspruch stehe und religiöses Gefühl häufig verletze.

Generalmajor o. Bacmeister bestreitet, daß Komman­dierungen Vorkommen.

Voigt-Hall (w. V.) bittet, die Mannschaften am Sonntag weniger dienstlich zu beschäftigen.

Hengstbach (S.) klagt über den schlechten Zustand mancher Militärgefängnisse.

Noske (S.) wünscht Auskunft über die Militär- Attaches bei den auswärtigen Botschaftern.

Kriegsminister v. Heerin gen: Die Sache gehört zum Etat des Auswärtigen Amtes.

Sommer ff. Vp.) bringt Wünsche der Veterinär- Offiziere zur Sprache. An der Spitze des Veterinär-Korps sollte nicht ein Offizier sondern ein Fachmann stehen. Redner spricht weiter über die Konkurrenz der Militär-Büchsenmacher.

Generalmajor Wandel: Zu berechtigten Klagen der

Gesundheit, die Pferde mit einbegriffen, defilierten bei dem prachtvollsten Sonnenschein. Welch ein Kontrast mit dieser armen Pariser Armee! Bei Beginn des Einzuges der Feinde bildeten einige lärmende Gruppen von Gamins einen seltsamen Gegensatz zu der Stille der großen Stadt. Als die Preußen mehrere tausend Mann stark waren, rührte sich niemand mehr. Eine! halbe Stunde nach dem Einzuge promenierten die Deutschen, ihre Pfeifen rauchend, in den elysäischen Feldern und auf den Kais an der Seine. Gegen das Auftreten der Deutschen läßt sich nicht das Geringste sagen. Ihre Disziplin steht für alles ein. Das Auftreten der Pariser bezeugt, daß sie Herz und tiefen Kummer haben."

Der Anblick, welchen Paris am 2. März gewährte, war ungefähr der nämliche wie am Tage vorher. Aus allen Plätzen und in vielen Straßen war Nationalgarde ausge­stellt; Patrouillen durchstreiften ohne Aufhören alle Straßen. Bemerkt zu werden verdient, daß alle Gesandtschaften und Konsulate, sowie die Fremden von Auszeichnung, welche die besetzten Stadtviertel bewohnen, ihre Nationalfahnen aufge­zogen hatten. Unter den beflaggten befand sich auch das Palais der Königin Christine von Spanien, welches in den elysäischen Feldern liegt. Was die Losung betreffs des Schließens der Läden anbelangt, so befolgten die Pariser dieselbe so ziemlich vollständig. Geöffnet waren nur die Bäckerläden, die Apotheken, einige Weinhändler (dies ge­schah für den Dienst der Nationalgarde) und dann die Du- valschen Bouillon-Anstalten. Am 1. sowie am 2. abends fand in den elysäischen Feldern großer Zapfenstreich und