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Beilagen. Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1911
Kgl. Oberamt Nagold.
Allerhöchster Anordnung gemäß soll die Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Königs am Samstag den 23. Februar d. Js. in der herkömmlichen Weise begangen werden und insbesondere der übliche Kirchgang wie bisher stattsinden.
Die K. Pfarr- und Schultheißenämter wollen hienach das Weitere veranlassen.
Den 21. Februar 1911. Kommerell.
An die Ortsbehörden.
2n höherem Aufträge sind auch für das Jahr 1810 über die Verhältnisse des Güterhandels und die vorgekommenen Güterzertrümmerungen im Oberamtsbezirk Nagold Erhebungen anzustellen.
Es wolle daher bis 1« März 1SL1 portopflichtig berichtet werden:
1. Ob in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1910 in der Gemeindemarkung gewerbsmäßige Güterhändler oder Bermittlunqsaqenten tätig waren, zutreffenden Falls
wer es war und wo sie ihren Wohnsitz haben;
2. ob in der genannten Zeit Fälle von Güterzer- trttmmerungen vorgekommen sind, wer bis zur Zerstückelung der Anwesen Eigentümer und wer der Zertrümmerer war, sowie ob derselbe gewerbsmäßiger Gllterhändler ist.
Zu Ziffer 2 wird bemerkt, daß als Güterzertrümme- rungen nur solche Fälle in Betracht kommen, in welchen ein bisher wirtschaftlich zusammengehöriges landwirtschaftliches Besitztum auf dem Wege der Veräußerung in zwei oder mehr Teile mit der Wirkung zerschlagen wurde, daß das Anwesen als solches nicht mehr foribesteht oder aber durch Abtrennung von Grundstücken so wesentlich verkleinert worden ist, daß sich hieraus nachteilige Folgen für den Fortbestand und die gedeihliche Fortführung der betreffenden Wirtschaft ergeben.
Anzugeben sind nur diejenigen Gllterzertrümmerungen, welche im Jahre 1910 vollständig durchgeführt worden sind. Fehlanzeige nicht erforderlich.
Den 21. Febr. 1911. Kommerell.
Bekanntmachung, betr. die Maul- und Klauenseuche.
In Langenbrand, OA. Neuenbürg, ist die Maulund Klauenseuche ausgebrochen.
Da Händler dieser Gemeinde häufig in den Gemeinden des Hinteren Waldes Viehhandel treiben, werden die in Betracht kommenden Ortsbehörden, für deren Gemeinden Hausierverbot für den Viehhandel nicht besteht, angewiesen, die Einwohnerschaft aufzufordern, mit den Händlern keinen Verkehr zu pflegen und sie insbesondere nicht die Ställe betreten zu lassen.
Wo Hausierverbot besteht, ist dieses strengstens zu überwachen.
Nagold, 22. Febr. 1911. Amtmann Mayer.
Politische Uebersichl.
Im Bundesrat ist ein Notgesetz zum Patentgesetz eingebracht worden. Da die Neuregelung des Ausführungszwanges von den Interessenten als sehr bedeutend empfunden wird, legt die Reichsregierung großen Wert daraus, daß die Vorlage noch in dieser Session verabschiedet wird.
Im englischen Unterhaus wurde Premierminister Asquith von den Mitgliedern der Regierungspartei und den Nationalisten mit enthusiastischem Beifall empfangen, als er sich erhob, um das Vetogesetz einzubringen. Das Gesetz ist genau dasselbe wie die in der letzten Session ein- gebrachte Vorlage. Asquith zog die Behauptung ins Lächerliche, daß die Regierung daraus ausgehe, eine despotische Einzelkammer zu errichten. Er betonte die Dringlichkeit der Vetovorlage, damit nicht alle fortschrittliche Gesetzgebung ins Stocken gerate während der langen mühseligen Arbeiten, um die Zweite Kammer aus eine volkstümliche Basis zu stellen.
Die Türkei hat sich nun endlich mit Bulgarien
über ein Handelsoertragsprovisorium geeinigt. Es ist am Sonntag in Konstantinopel unterzeichnet worden. In der Frage der Schiffahrt hat Bulgarien die Meistbegünstigung durchgesetzt. — Aus dem Pemen kommen fortgesetzt Meldungen, daß die Truppen mit Erfolg gegen die aufständischen Araber operieren. — Ein englischer Dampfer hat in Saloniki 450 für Tripolis bestimmte arabische Truppen ausgeschifft, die unterwegs gemeutert und die sie begleitende türkische Eskorte getötet hatten. — In Konstantinopel haben vorbereitende Besprechungen mit England über die mit der Bahnstrecke Bagdad-Bassorah zusammenhängenden offenen Fragen begonnen.
Das amerikanische Repräsentantenhaus hielt
eine 28 Stunden lange Sitzung ab. Einige 50 Republikaner trieben Obstruktion, um neue Hindernisse gegen den Gegenseitigkeitsvertrag mit Kanada zu schaffen. Inzwischen läßt Taft erklären, falls der Senat nicht abstimme, werde er eine Extra-Session einberufen.
Staatslotterie.
!- Die Süddeutsche Reichskorrespondenz schreibt zur wllrttembergischen Lotteriefrage: Wie bekannt, schlägt die württembergische Staatsregierung zur Deckung des durch die Gehaltserhöhung der Beamten notwendig werdenden Aufwands die Einführung einer Staatslotterie vor. Es war nicht zu erwarten, daß dieser Gedanke, der etwa vor Jahresfrist zuerst in die öffentliche Diskussion geworfen worden ist, eine begeisterte Ausnahme finden werde; aber die anfänglich mit wenigen Ausnahmen völlig ablehnende Haltung der Oeffent- lichkeit hat sich doch unter dem Druck der Tatsachen so gewandelt, daß man zwar auch heute noch diesem Plane kühl bis an's Herz hinan gegenübersteht, aber andererseits doch den Gründen, die für seine Durchführung sprechen, mehr Gewicht beilegt, als vorher. Das einzige Bedenken das gegen die Einführung der Staatslotterie oorgebracht werden kann, erweist sich zudem bei genauerer Untersuchung
als unbegründet. Man vergißt bei den mehr oder weniger tiefen moralischen Einwendungen unter -anderem das, daß dieselben konsequenterweise zur gewaltsamen Unterdrückung jeder Lotterie führen müssen. Auf diesen Standpunkt hat man sich aber in Württemberg nie gestellt. Vielmehr konzessioniert die württembergische Regierung von jeher jedes Jahr eine Reihe von Lotterien und kein württembergisches Gesetz verbietet das Spielen in fremden Lotterien. Die Einführung einer Staatslotterie schafft also vom moral- politischen'Standpunkt aus durchaus nichts neues; sie erzeugt und vermehrt nicht den Spielbetrieb und verändert auch nicht seine moralische Beurteilung. Das einzig Neue, was sie bringt, besteht darin, daß sie Gelder des Landes, die bisher fremden Kassen zugeslossen sind, nun in die eigene Kasse leitet. Das ist aber keine unmoralische, fondem eine moralische Handlung. Die Moral schreibt eben für einen Staat andere Gesetze vor, als für das Individuum. Wenn dieses einen Teil seiner Einnahmen für Lotteriezwecke verwendet, so hängt die moralische Bewertung von den Umständen des Cinzelfalls ab; der Staat aber kann es niemals dulden, daß die für Lotterien ausgegebenen Gelder seiner Bürger fremden Kassen zufließen ; sofern sich zur Verhinderung dieses Abflusses andere Wege nicht eröffnen, muß er sie eben in die eigene Kasse leiten, um sie auf diese Weise den Zwecken der Gesamtheit dienstbar zu machen. Die staatliche Politik darf eben die Richtschnur ihres Handelns lediglich der allgemeinen Natur der Menschen entnehmen. Vom Einzelmenschen verlangt die Moral, daß er seine angeborenen Schwächen mehr und mehr bezwinge und vom Staat fordert sie, daß er in dieser Richtung durch Unterricht und dergleichen fördernd eingreife bis zu dem einem Gemeinwesen möglichen Grade. Nun lehrt aber die Erfahrung der Jahrhunderte, daß wohl vorübergehend, wie z. B. in glorreichen Kriegen die edleren Seiten der menschlichen Natur so vorherrschten, daß sie das öffentliche Leben fast ausschließlich bestimmten, daß aber sehr bald wieder die ewigen menschlichen Schwächen ihren Anteil an der Gestaltung des öffentlichen Lebens forderten. Eine Staatenpolitik, die diese psychologischen Gesetze des Menschenlebens nicht beachtet, die ihre Leitsätze nicht der Erfahrung entnimmt, sondern einer goldenen Welt des Scheins und der Hoffnung, handelt, von einem höheren Gesichtspunkt aus betrachtet, nicht mehr moralisch, weil sie etwas erstrebt, was die Erfahrung von Jahrhunderten als unmöglich erkennen läßt, und weil sie darüber versäumt, der Gesamtheit Nutzen zuzuführen. Das sollte man auch in dieser Frage nicht unbeachtet lassen.
Zur Privatbeamtenversicherung.
Berlin, 21. Februar. Die Streitigkeiten unter den Privatangestellten, die in den Versammlungen des Berliner Privatbeamtentages gestern einen häßlichen Höhepunkt erreichten, sind für das Zustandekommen der Privatbeamtenoersicherung eine ernste Gefahr. Die zahlreichen Gegner dieser Versicherung, die bereits gegen den Regierungsentwurf Sturm laufen, werden mit Recht die Uneinigkeit im Lager der Interessenten ausbeuten, um die geplante Versicherung zu Fall zu bringen. Auch auf die politischen Parteien, die
Unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten.
„Drei Geschichten," sagte ein alter Offizier in einer Gesellschaft. „sind von der Art, daß ich ihnen zwar selbst vollkommenen Glauben beimesse, gleichwohl aber Gefahr liefe, für einen Windbeutel gehalten zu werden, wenn ich sie erzählen wollte. Denn die Leute fordern als erste Bedingung, von der Wahrheit, daß sie wahrscheinlich sei; und doch ist die Wahrscheinlichkeit, wie die Erfahrung lehrt, nicht immer auf Seiten der Wahrheit."
„Erzählen Sie," riefen einige Mitglieder, „erzählen Sie!" — denn man kannte den Offizier als einen heitern und schätzenswürdigen Mann, der sich der Lüge niemals schuldig machte.
Der Offizier sagte lachend, er wolle der Gesellschaft den Gefallen tun; erklärte aber noch einmal im voraus, daß er auf den Glauben derselben, in diesem besonderen Fall, keinen Anspruch mache.
Die Gesellschaft sagte ihm denselben im voraus zu; sie forderte ihn nur auf zu reden und horchte.
„Aus einem Marsch 1792 in der Rheinkampagne", begann der Offizier, „bemerkte ich, nach einem Gefecht, das wir mit dem Feinde gehabt hatten, einen Soldaten, der stramm, mit Gewehr und Gepäck, in Reih und Glied ging, obschon er einen Schuß mitten durch die Brust hatte; wenigstens sah man das Loch vorn im Riemen der Patronentasche, wo die Kugel eingeschlagen hatte, und hinten ein anderes im Rock, wo sie wieder herausgegangen war. Die Offiziere, die
ihren Augen bei diesem seltsamen Anblick nicht trauten, forderten ihn zu wiederholten Malen aus, hinter die Front zu treten und sich verbinden zu lassen; aber der Mensch versicherte, daß er gar keine Schmerzen habe, und bat, ihn, um dieses Prellschusses willen, wie er es nannte, nicht von dem Regiment zu entfernen. Abends, da wir ins Lager gerückt waren, untersuchte der herbeigerufene Chirurgus seine Wunde und fand, daß die Kugel vom Brusiknochen, den sie nicht Kraft genug gehabt zu durchschlagen, zurückgeprallt, zwischen der Rippe und der Haut, welche auf elastische Weise nachgegeben, um den ganzen Leib herumgeglitscht und hinten, da sie sich am Ende des ^Rückgrats gestoßen, zu ihrer ersten senkrechten Richtung zurückgekchrt und aus der Haut wieder hervorgebrochen war. Auch zog diese kleine Fleischwunde dem Kranken nichts als ein Wundfieber zu, und wenige Tage verflossen, so stand er 'wieder in Reih und Glied."
„Wie?" fragten einige Mitglieder der Gesellschaft betroffen und glaubten, sie hätten nicht recht gehört.
„Die Kugel? Um den ganzen Leib herum? Im
Kreise?"-Die Gesellschaft hatte Mühe, ein Gelächter
zu unterdrücken.
„Das war die erste Geschichte", sagte der Offizier, indem er eine Prise Tabak nahm, und schwieg.
„Beim Himmel!" platzte ein Landedelmann los: „Da haben Sie recht; diese Geschichte ist von der Art, daß man sie nicht glaubt!"
„Elf Jahre darauf," sprach der Offizier, „im Jahre 1803, befand ich mich mit einem Freunde in dem Flecken Königstein in Sachsen, in dessen Nähe, wie bekannt, etwa
auf eine halbe Stunde, am Rande des äußerst steilen, vielleicht dreihundert Fuß hohen Elbufers, ein beträchtlicher Steinbruch ist. Die Arbeiter pflegen, bei großen Blöcken, wenn sie mit Werkzeugen nicht mehr hinzukommen können, feste Körper, besonders Pfeifenstiele, in den Riß zu werfen, und überlassen der keilförmig wirkenden Gewalt dieser kleinen Körper das Geschäft, den Block völlig von dem Felsen abzulösen. Es traf sich, daß eben um diese Zeit ein ungeheurer, mehrere tausend Kubikfuß messender Block zum Fall auf die Fläche des Elbusers in den Steinbruch bereit war; und da dieser Augenblick wegen des sonderbar im Gebirge widerhallenden Donners und mancher andern, aus der Erschütterung des Erdreichs heroorgehenden Erscheinungen, die man nicht berechnen kann, merkwürdig ist, so begaben, unter vielen andern Einwohnem der Stadt, auch wir uns, mein Freund und ich, täglich abends nach dem Steinbruch hinaus, um den Moment, da der Block fallen würde, zu erhaschen. Der Block fiel aber in der Mittagsstunde, da wir eben, im Gasthof zu Königstein, an der Tafel saßen; und erst um 5 Uhr gegen Abend hatten wir Zeit, hinauszuspazieren und uns nach den Umständen, unter denen er gefallen war, zu erkundigen. Was aber war die Wirkung dieses seines Falles gewesen? Zuvörderst muß man wissen, daß zwischen der Felswand des Steinbruchs und dem Bette der Elbe noch ein beträchtlicher etwa 50 Fuß in der Breite haltender Erdstrich befindlich war; dergestalt, daß der Block (welches hier wichtig ist) nicht unmittelbar ins Wasser der Elbe, son- dein auf die sandige Fläche dieses Erdstrichs gefallen war. Ein Elbkahn, meine Herren, das war die Wirkung dieses