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Fernsprecher Nr. 29.

85. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

/N 42

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* Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

1SU

K. HbevcrrnL Wagokd. Bekanntmachung,

betr. den Ansbrnch der Maul- und Klauenseuche in Gültlingen.

In den Gehöften des Metzgers Georg Mohr II, des Waldmeisters Müller und der Witwe des Friedrich Müller in Gültlingen ist die Manl- und Klauen­seuche ausgebrochen. Auf Grund der HZ 18 ff. des Reichs­viehseuchengesetzes vom R.G.Bl. v. 1894, S.

410, ZK 59 ff. der Bundesratsinstruktion hiezu vom 27. Juni 1895 R.G.Bl. S. 358 und des Ministerialerlasses v. 9. 2kl. 1908, A.Bl. S. 273, wird bis aus weiteres folgen­des angeordnet.

I. Ueber die Gemcindemarkung Gültlingen samt Hof Haselstall wird die Sperre verhängt. Dies hat fol­gende Bedeutung:

1. Sämtliche Wiederkäuer und Schweine der verseuchten Gehöfte werden unter Stallsperre ge­stellt, sämtliche Wiederkäuer und Schweine der nicht verseuchten Gehöfte werden in der Form der Stall­sperre abgesondert d. h. eine Entfernung der Tiere ans den verseuchten wie aus den nicht verseuchten Gehöften in Gültlingen ist nur nach vorgängiger Einholung der Erlaubnis der Ortspolizeibehörde daselbst zum Zweck sofortiger innerhalb der Ge­meinde unter polizeilicher Aussicht vorzunehmender Schlachtung gestattet.

Vor der Uederführung der Tiere nach der Schlachtstätte ist anläßlich der Vornahme der Lebendschau durch den Fleischschauer oder, falls der Oberamtstierarzi da ist, durch diesen, sestzustellen, ob der-betr. Bestand noch seuchenfrei ist. Aus verseuchten Gehüsten dürfen die Tiere nur zu Wagen oder auf Wegen überführt werden, die auch sonst von Wie­derkäuern mid Schweinen aus anderen Gehöften nicht be­treten werden.

2. Die verseuchten Gehöfte sind gegen den Verkehr mit Tieren und solchen Gegenständen, welche Träger des Ansteckungsstssses sein können abznspcrren d. h. es dürfen weder Tiere irgendwelcher Art noch Fahrzeuge, landwirtschaftliche Gebrauchsgegenstände und dgl. in diese Gehöfte hinein- oder aus ihnen herausgebracht werden.

3. Dis Wart und Pflege der Tiere der verseuchten Ställe ist vom Besitzer bestimmten Personen zu über­tragen. Anher dem Tierarzt dürfen nur diese die Ställe betreten. Beim Verlassen der Ställe haben alle Personen ihre Hände mit einer desinfizierenden Flüssigkeit zu reinigen; auch hat das Pflegepersonal bei Ausübung seiner Pslegetätigkeit besondere Ueberkleider zu tragen, welche im Stalle zurllckzulassen sind. Die Schuhe sind zu wechseln. Nach Abheilung der Seuche werden diese Gegenstände des­infiziert.

4. Stallgänge und Dnnglegen sind täglich mit dicker Kalkmilch (1 : 2), die Jauchenbehälter mit unverdünntem frisch gelöschtem Kalk, die Plätze vor den Stalllürcn und den Gchöstssingängen sowie die gepflasterten Wege an den Ställen und auf dem Hof mehrmals täglich durch Uebergießen mit dünner Kalkmilch (1 : 20) zu desinfizieren.

5. Die Abgabe roher Milch aus den verseuchten Gehöften ist verboten.

6. Das Geflügel ist in der ganzen Markung Gült­lingen so cinzusperren, daß es das Gehöft nicht verlassen kann. Die Hunde sind festzulegen, die Katzen einzu­sperren.

7. Durch die Markung Gültlingen darf Klanen- vieh auch nicht aus deu zum Beobachlungsgebiet (oergl. unten II.) gehörigen Orten dnrchgetrieben werden. Dem Treiben steht das Fahren angespannten Wiederkäuern gleich.

II. Um das Sperrgebiet (Markung Gültlingen) wird ein Beobachtnngsgebiet gebildet, in welches dis Gemein­den Holzbronn OA. Calw und Wildberg embezogen werden. Hier gilt:

1. Das Dnrchtreiben von Wiederkäuern und Schweinen durch das Beobachtungsgebiet ist untersagt. Dem Treiben ist das Fahren mit angespannten Wieder­käuern gleichgestellt.

2. Die Ausfuhr von Wiederkäuern u. Schweinen ist nur mit Genehmigung des Oberamts und zum Zwecke sofortiger Äbschlachtnng gestattet. Die K. Bahn­station Wildberg ist ersucht worden, nur gegen Vorzeigen des Erlaubnisscheins die Verladung zu gestatten, aleichailtia, woher die Tiere kommen.

3. aus den im Sperr- und Beobachtungsgebiet liegen­den Sammelmolkereien darf Milch nur dann abgegeben

werden, wenn sie vorher abgekocht wird und die zum Trans­port der Milch benützten Kannen, Fässer usw. vor ihrer Entfernung aus der Molkerei innen und außen mit heißer Sodalauge gründlich gereinigt werden.

III. Im Umkreis von >2 kn» um Gültlingen,

worunter außer den unter II genannten die folgenden Ge­meinden fallen:

1. vom Oberamt Nagold: Nagold, Ebershardt, Ebhausen, Effringen, Emmingen, Gaugenwald, Mindersbach, Pfrondorf, Rohrdorf, Rotfelden, Schönbronn, Sulz, Wald- dors, Wart, Wenden.

2. vom Oberamt Böblingen: Aidlingen, Dätzingen, Deufringen, Döffingen, Ehningen, Schashausen.

3. vom Oberamt Calw: Calw, Altbulach, Altburg, Althengstett, Alzenberg, Breitenberg, Dachtel, Deckenpfronn, Emberg, Ernstmühl, Gechingen, Hirsau, Holzbronn, Liebels- berg, Martinsmoos, Neuhengstett, Neubulach, Oberhaugstett, Oberkollwangen, Ottenbronn, Ostelsheim, Röteubach, Schmich, Sommenhardt, Stammheim. Teinach, Zavelsteiu.

4. vom Obcramt Herrenberg: Herrenderg, Aff­stätt,sGärtringen, Gültstein, Haslach, Kuppingen, Nebringen, Nufringen, Oberjesingen, Oberjcttmgen, Oeschelbronn, Rohrau, Unterjettingen

gelten, die Inkraftsetzung durch die beteiligten Oberämter für ihre Bezirke vorausgesetzt, folgende Anordnungen:

1. Der Handel im Umherzichen mit Wieder­käuern und Schweinen ist bis zu dem Tage, jan welchem die Seuche amtlich für erloschen erklärt wird, untersagt. Unter das Verbot fällt auch das Aussuchen von Bestellungen seitens der Händler, ohne Mitsührung von Tieren außerhalb ihres Niederlassungsorts.

Zuwiderhandlungen werden gemäß tz 148 Ziff. 7 n R.G.B. und 8 328 Rstgb. d. h. mit Gefängnis bis zu 2 Iahreu bestraft. '

2. Die Abhaltung von Pferde , Rindvieh- ««^ Schweinemärkten ist verboten.

Durch Vorstehendes werden die Anordnungen im Erlaß vom 11. Febr. 1911, Ges. Nr. 36 nicht berührt.

Die Ortspolizeibehörden motten diese Vorschriften ortsüblich bekanntmachen, auch einen Abdruck, der ihnen noch zugehen wird, am Rathause anschlageil. Die Tier­besitzer sind wiederholt auf ihre Anzeigepflicht hinzuweisen. Vollzuasbericht ist umgehend zu erstatten.

Nagold, 18. Febr. 1911.

Amtmann Mayer.

HerOWtU des AsLMs an her ReichsbanS.

Berlin, 18. Febr. Die deutsche Reichsbank hat den Diskont von 4^2 auf 4 Prozent und den Lombardzinssuß von 5^2 Prozent auf 5 Prozent herabgesetzt.

In der heutigen Sitzung des Zentcalausschusses der Reichsbank führte Präsident Havcnstein aus, daß die Bedenken, die am 6. d. Mts. gegen eine wesentliche Herab­minderung des Diskonts geäußert hatte, geschwunden seien. Die Verhältnisse hätten sich günstig gestaltet. Die Rück­flüsse seien normal gewesen. Auch die fremden Gelder, die eine niedrigere Höhe als im Vorjahre aufgewiesen haben, zeigten einen normalen Stand. Der Metall­bestand sei reichlicher geworden, auch der G 0 l d- bestand habe mehr als..im Vorjahre zuwen 0 mmen. Die steuerfreie Notenreseroe fei um 96 Millionen höher als 1910 und die Anforderungen der Reichsbank seit Ultimo seien wesentlich geringer gewesen als im Vorjahre, speziell in Berlin. Die Verhältnisse im internationalen Geldmarkt hätten sich normal gestaltet. Der Prioatdiskont habe sich hier und im Auslande ermäßigt und die Devisenkurse neigten nach unten. Unter diesen Verhältnissen lag für die Reichs­bank keine Veranlassung vor, mit der Ermäßigung des Diskonts um V-Z/o zu zögern.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 17. Febr.

Etat für Kiautschou. Nacken (Z.):j Das Schutzgebiet hat eine erfreuliche Entwickelung genommen. Die Kolonie kann, abgesehen vom Militär, beinahe ihre ständigen Ausgaben selbst aufbringen. Sie ist daher reif für eine ausgedehnte Selbstverwaltung. Erfreulich ist die Einführung von kaufmännischer Buchführung beim Werft- belrieb in Tsingtau. Redner tritt dann für ein Kolonial- recht ein, fragt an. ob für das Schutzgebiet eine Pestgefahr besteht und spricht die Ermattung aus, daß so kleinliche Streitereien, wie sie bei der deutsch-chinesischen Hochschule in Tsingtau vorgekommen sind, in Zukunft unmöglich sein werden.

Eickhoff (fr. Vp,): Auch wir freuen uns der günstigen Entwickelung. Die Reichsmittel sind gut angewendet wor­den. Die Bevölkerung ist jetzt für die Selbstverwaltung reis. Die kleinen Mißhelligkeiten an der Hochschule in Tsingtau sind Kinderkrankheiten. Redner empfiehlt einen Lehrstuhl für Kolomal-Wissenschaften.

Staatssekretär Tirpitz dankt für die anerkennenden Worte. Der Höhepunkt sei allerdings in Kiautschaus Ent­wickelung noch nicht erreicht. Für die Errichtung von Kolonial-Lehrstühlen werden wir auch weiterhin eintreten. Das Schutzgebiet ist pestfrei. Alle Maßnahmen sind ge­troffen, die möglich sind. Es ist Alles getan worden, was in unserer Macht steht, um das Vordringen der Pest zu verhindern. Wir haben Quarantäne-Lazarette eingerichtet und eine Absperrung durchgeführt. '

Freiherr von Richthofen (k.) : Wir hoffen, daß es gelingen wird, die Pest von unserem Schutzgebiete fern zu halten. Kosten dürfen nicht gescheut werden. Ueber die Ent­wickelung Kiautschous sind auch wir hoch erfreut.

Nos Ke (S.): Man will aus Kiau Tschau eine Musterwaren-Ausstcllung machen, um den Chinesen zum Bezug deutscher Produkte anzuregen. Dieses Land ist aber ein ganz unsicherer Besitz. Wir lehnen den Etat ab.

Dr. Gehrke (n.): Diese Stellungnahme der Sozial­demokraten wundert uns nicht. Sie haben nie etwas für die Kolonien übrig gehabt. Am meisten stöhnt man in Kiau Tschou über die empfindliche Rechnungslegung. Der Gedanke der Selbstverwaltung ist überhaupt entstanden aus der Furcht vor neuen Steuern. Marine-Intendanturrat Stemming antwortet auf eine Anfrage über die Beamten- bezüge. Die Kolomalzulagen sind herabgesetzt worden. Die neue Urlaubsordnung ist aber für die Beamten günstiger geworden.

Ledebour (S.): Das Reich hat an Kiau Tschou gar kein Interesse. Von dem Hafen von Tsingtau haben nur die Chinesen einen Vorteil. Die deutsche Einfuhr geht ständig zurück. Wir sollten versuchen, Kiau Tschou sobald wie möglich los zu werden.

Erzberger (Z.): Auch der Sozialdemokrat Eduard Bernstein hat die Besetzung Kiautschous als einen geschick­ten Schachzug des Fürsten Bülow bezeichnet. (Bebel ruft: Aber wir nicht). Gewiß, Sie nicht. Es ist aber ein mehr als eigenartiges Verlangen, daß wir Kiautschou aufgeben sollen, nachdem wir soviel Geld hineingesteckt haben.

Staatssekretär 0 . Tirpitz : Von einer Selbstverwaltung Tsingtaus kann vox der Hand nicht die Rede sein. Die Bevölkerung selber will sie nicht.

Dr. Arendt (Rp.): Glücklicherweise steht die Sozial­demokratie mit ihrer Auffassung völlig allein. In Kiau­tschou ist Großes geleistet morden.

Dr. Gerke (n.): Wir haben mit der Erwerbung Kiau- tschous das Recht gewonnen, jetzt auch ein Wort in Ost­asien mitreden zu können.

Ledebour (S.): Gewiß ist von den Deutschen Tüch­tiges geleistet worden. Trotzdem müssen wir die deutsche Flagge in Kiautschou nicderholen, sonst würden wir mit Gewalt vertrieben.

Rede des Reichstagsabg Pros. Wetzel-Wngen im Reichstag.

Bei Beratung des Gerichtsoerfassungsgesetzes stand am 10. ds. Mts. auch die Frage der Be­rufung als Schöffen und Geschworene zur De­batte. Die Kommission bestimmte, daß Volks­schullehrer nur zum Amt eines Schöffen bei Jugendgerichten berufen werden können. Einem Antrag der Konservativen, der Wirtsch. Bereini­gung und der Nationalliberalen zufolge wurde dieser Satz gestrichen und die Zulassung der Lehrer als Schöffen und Geschworene über­haupt beschlossen. Herr Wetze! führte in der Debatte im wesentlichen folgendes aus:

Meine Herren, im Namen meiner politischen Freunde bitte ich Sie, in tz 1184 den Abs. 3 der Kommissions be- schlüsse zu streichen, den Absatz, der bestimmt, daß die Volksschullehrer nur als Schöffen, und zwar nur bei den Jugendgerichten, zu berufen seien. Fn erster Lesung hatte ja die Iustizkommission bereits den Beschluß gefaßt, daß die Volksschullehrer in gleicher Weise zu dem Amte eines Schöffen und eines Geschworenen grundsätzlich sollen bcige- zogen lverdcn können. Nur durch einen Zufall bezw. durch den Umfall der Polen und eines Mitglieds vom Zentrum kam dieser Beschluß wieder zu Fall mit geringer Majorität, und die Regierungsvorlage wurde damit wiederhergestellt. Hiernach sollen also die Lehrer der Volksschule auch künftig, wenn auch nur mit einer geringen Einschränkung,