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und 10 Lm.-Verkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 -6, Monatsabonnements nach Verhältnis.

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Montag, den 13. Keöruar

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86. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Anzeigen-Gcbühr für die einspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen. Plauderstübchen, Fllustr. Sonntagsblatt und

Schwab. Landwitt.

1911

Kgl. Oberamt Nagold. Bekanntmachung,

betr. den Ansbruch der Maul- und Klauenseuche im Oberamt Calw.

Die Maul- und Klauenseuche ist in Neu-Bulach, OA. Calw ausgebrochen.

Gemäß dem Ministerialerlaß vom 9. Oktober 1908, Min.-Amtsbl. S. 273 wird folgendes angeordnet:

1. In dem Umkreis von IS Iri» des genannten Seuchenortes, in welchen im Oberamtsbezirk Nagold die Gemeinden:

Nagold, Altenfteig, Altensteig-Dorf, Berneck, Ebershardt, Ebhausen-Wöllhausen, Effringen, Egenhausen, Emmingen, Ettmannsweiler, (Haugenwald, Gültlingen, Mindersbach, Pfron­dorf, Rohrdorf, Rotfelden, Schönbronn, Sulz, Ueberberg, Walddorf, Wart, Wenden und Wildberg fällen, ist der Handel im Umherziehen mit Wiederkäuern und Schweinen bis zu dem Tage, an welchem die Seuche amtlich für erloschen erklärt wird, untersagt. Unter das Verbot fällt auch das Aussuchen von Bestellungen seitens der Händler ohne Mitführuug von Tieren außer­halb ihres Niederlafsungsortes. Zuwiderhandlungen werden nach Z 148 Ziffer 7 a R.G.O. d. h: mit Geldstrafe von 150 ^ eo. Haft bis zu 4 Wochen und § 328 R.St.G.B. d. h. mit Gefängnis bis zu einem ev. 2 Jahren bestraft.

2. Im gleichen Umkreis ist die Abhaltung von Pferde- Rindvieh- und Schweinemärkten bis auf Weiteres verboten. In nächster Zeit werden im Bezirk von dieser Maßregel betroffen: der Markt in Altensteig am IS. Februar und derjenige in Nagold am 2. März ISIL (Vgl. auch Bekanntmachung im Gesellschafter Nr. 35 betr. den Markt in Altensteig.)

Die Ortspolizeibehörden wollen Vorstehendes in den Gemeinden alsbald ortsüblich bekannt und den an­sässigen Händlern noch besondere Eröffnung machen, auch möglichst die in der Regel in der Gemeinde tätigen aus­wärtigen Viehhändler auf das Verbot Hinweisen.

Die Tierbesitzer sind in gleicher Weise auf ihre Pflicht, im Seucheverdachtsfall alsbald Anzeige beim Ortsvorsteher zu erstatten, mit dem Anfügen hinzuweisen, daß wissentliche Verletzung der Anzeigepslicht mit Gefängnis bestraft wird.

Im übrigen müssen sich die Ortspolizeibehörden mit den Bestimmungen des eingangs genannten Ministerialerlasses den einschlägigen Vorschriften des Reichsoiehseuchengesetzes

vom R-G.Bl. 1894 S. 410, und der Bundes­

ratsinstruktion vom 27. Juni 1895, R.G.Bl. S. 358, eingehend bekannt machen, damit nichts in der Bekämpfung der Seuche versäumt wird.

Ueber den Vollzug ist hieher kurz zu berichten. Nagold, 11. Februar 1911..

Amtmann Mayer.

EinkommensteuerstaListik für 1909.

Nach den Württ. Jahrbüchern für Statistik und Landes­kunde Jahrgang 1910 Heft 2 wurden aus 1. April 1909 der Einkommensteuerveranlagung unterstellt: Einzelpersonen 681790. Personenvereinigungen und Stiftungen 4192, zusammen 685 982 Steuersubjekte, gegenüber dem Vorjahr mit 674167 Veranlagten 11815 d. i. 1,8 "/g mehr. Von der gesamten Bevölkerung waren im Jahr 1909 rund M/g (im Vorjahr 29"/g) zur Einkommensteuer veranlagt. Das zur Steuer beigezogene Reineinkommen betrug 1 181087 015 gegenüber dem Vorjahr mit 1 167 791 398 ^8 ein Mehr von 13 286617 ^ d. i. 1,lo/§. Der Gesamtbetrag der staatlichen Einheitssätze betrug 19003541.85 ^ gegen 19000 673,45^ von 1908 d. i. 0,3"/g weniger. Für 1908 betrug die Steuer 100°/g des Einheitssatzes, 1909 dagegen 1050/g. Hiernach ergab sich im Jahr 1909 ein Anfall von Staatssteuer von zusammen 19 954438,11 ^ d. i. 944 764,66 Mark mehr. Ueberhaupt ist ein erfreuliches Wachsen der Einkommen im Land zu konstatieren. Die Einkommensteuer betrug 1905 16445 988.35 ^, 1906 17178 888,15 ^, 1907 17817595,85^: 1908 19009673,45^ und 1909

19 954438,11 Im letzten Jahr trägt allerdings der Aufschlag von 5°/<, zur Erhöhung wesentlich bei. Infolge der Begünstigungen der. 20 und 21 sind wegen ver­minderter Leistungsfähigkeit gänzlich freigelassen worden. 18 921 d. i. 2,78°/y der Gesamtzahl der Veranlagten, so daß die Zahl der Besteuerten 1909 betrug 662 869 d. i. 12 646 mehr als 1908. Ermäßigung auf Grund der Art.

20 und 21 fand statt in 319029 Fällen d. i. in 5 878 mehr

gegenüber dem Vorjahr. Von dem Einkommen der Einzel­personen wurden aus Grund der Art. 20 und 21 freigelassen 7 501 709 ^ und ermäßigt 62 070 350d. i. 6,15"/o des geschätzten Reineinkommens aller Einzelpersonen.

Die Wirkung der Einkommensteuerveranlagung im Jahr 1909 für den Oberamtsbezirk N a g 0 l d gestaltete sich also:

Die Zahl der Steuerdistrikte beträgt 38 mit 26125 Einwohnern (Volkszählung von 1905), der Hauptein­kommensnachweisungen 8 861, der Teileinkommensnachweis­ungen 3877, der Steuererklärungen 460, der beanstandeten 82, wovon 77 mit Erfolg, der Beschwerden 80, wovon zurllckgenommen 20, durch die Einschätzungskommissionen erledigt 53, dem Steuerkollegium vorgelegt wurden 7. Besteuert wurden physische Personen 5928, juristische Per­sonen 52, zusammen 5980 Steuerpflichtige. Auf Grund der Art. 20 und 21 wurden ganz frei gelassen 292, somit der Einschätzung unterstellt 6272. Das steuerbare Einkommen der physischen Personen betrug 8126 734 der juristischen 450634 zusammen 8577 368 -E, woraus der Einheits­satz 97 332,30-^ und die Staatssteuer 102 198,90^ betrug.

Politische Uebersicht.

Eine Kundgebung für den Kölner Pfarrer Jatho

haben jetzt auch die Frauen erlassen. In einer stark be­suchten Versammlung ist einstimmig eine Resolution gefaßt morden, in der es heißt, daß die evangelischen Frauen in Köln mit besorgtem Herzen den Oberkirchenrat bitten, zu berücksichtigen, welch unersetzlichen Verlust die Kölner evan­gelische Gemeinde und besonders die Frauen durch eine Entfernung Iathos aus seiner segensreichen Wirksamkeit erleiden würden. Diese Kundgebung ist zur Unterzeichnung öffentlich aufgelegt worden.

Die russische Duma hat im Anschluß an eine

Interpellation über die im vorigen Jahr erfolgte Havarie des LinienschiffsSlawa" eine Üebergangsformel angenom­men, in der darauf hingewiesen wird, daß der traurige Fall mit derSlawa" leider nicht allein stehe. Es sei das Re­sultat nicht nur der Unachtsamkeit und Nachlässigkeit ein­zelner Amtspersonen, sondern des ganzes Dienstes und des Systems im Marineministerium, wo eine falsche Organisa­tion und Mangel an erfahrenen und gut geschulten Spezia­listen herrsche.

Im englischen Unterhaus zeigte sich schon

wieder einmal große Neugier wegen des deutschen Flotten- programms. Der erste Lord der Admiralität Mac Kenna erklärte: Es ist nicht anzunehmen, daß irgendeines der vier deutschen Schiffe des Bauprogramms 1909/10 im laufenden Jahr vollendet sein wird. Ich erwarte nicht, daß 21 Dread­noughts im Kalenderjahr 1913 von den Werften abgeliefert sein werden. Weiter fragte man den Staatssekretär des Auswärtigen, ob er sich in irgendeiner Weise zu der in der Sitzung des deutschen Reichstags vom 10. Dezember 1910 von dem deutschen Reichskanzler gehaltenen Rede äußern wolle, in der dieser die Ansicht ausgedrückt habe, daß eine offene und vertrauensvolle Aussprache das beste Mittel sei, um das Mißtrauen zwischen beiden Ländern wegen des gegenseitigen Kräfteverhältnisses zu Wasser und zu Land zu beseitigen. Ferner fragte man, ob neuerdings irgendeine Aussprache stattgefunden habe und ob die sich auf jdiesen Gegenstand beziehenden Akten veröffentlicht werden würden. Parlaments-Untersekretär Mac Kinnon Wood antwortete, die unverbindlichen Pourparlers, von denen der deutsche Reichskanzler gesprochen habe, dauerten fort. Die englische Regierung hoffe ernstlich, daß sie dazu beitragen werden, die Wahrung und Stärkung der freundlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu fördern. Die Akten zu ver­öffentlichen, läge nicht im öffentlichen Interesse.

Nach Meldungen aus Marokko ist der Be­fehlshaber der französischen Besatzungstruppen, General Moynier, aus Casablanca nach Paris abgereist, um mit der Regierung die Maßnahmen zu besprechen, die sich in­folge der Uebercumpelung der Kolonne Nancy im Schauja- gebiet als notwendig herausgestellt haben.

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat eine Vorlage angenommmen, in der für die Errichtung eines Denkmals zur Erinnerung an die erste deutsche Ansiedlung in Germantown 30000 Dollar bewilligt werden. Der Senat hat die im Heeresetat für den Ankauf von Aero- planen geforderte Summe von 250 000 Dollar auf 125000 Dollar herabgesetzt. _-

Neuorganisation des strategischen Aufklärungs- dienstcs der Kavallerie.

Bei der preußischen Heeresverwaltung geht man mit der Absicht um, den strategischen Aufklärungsdienst in den Kavalleriedivisionen einer Reform zu unterziehen. Die

Untersuchungen der Ausklärungsmaßnahmen einer Kavallerie- dioision in den letzten Herbstmanöoern haben ergeben, daß die Anordnungen bezüglich der Arbeitseinteilung unter den einzelnen Abteilungen nicht frei von Schematismus waren. Ganz besonders soll diesem Uebelstande durch die Neu­organisation abgeholsen und dem Eskadrons- und Patrouillen­führer eine möglichst freie Arbeitsentsaltung gewährleistet werden. Dem Patrouillenführer soll es überlassen bleiben, in kritischen Lagen nach bestem Wissen die Situation zu behaupten. Die wesentlichsten Punkte des neuen Systems, an die sich die Arbeit der einzelnen anlehnen kann, sind folgende: Eine gegen früher beschränkte Tiefengliederung des Aufklärungsnetzes; der Abstand von der Fernpatrouille zu den Ausklärungseskadronen muß auf 10 bis 20 Kilo­meter bemessen sein: der Abstand von den Aufklärungs­eskadronen bis zur Division muß 20 bis 30 Kilometer betragen. Die Breitengliederung darf 60 Kilometer nicht überschreiten. Das Charakteristikum dieser Organisation besteht darin, daß das ganze System in bestimmten Augen­blicken in einen Zustand des Stillstandes zu bringen ist.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 10. Febr.

Ueber die Zulassung von Laien zu den Strafkammem wird abgestimmt. Die Kommission schlägt für die erste In­stanz 3 Schöffen und 2 Richter und für die zweite Instanz 3 Richter ohne Schöffen vor. Der Antrag der Sozialdemo­kraten, der für beide Instanzen einen Richter und vier Schöffen fordert, wird abgelehnt. Die Abstimmung über die Anträge Müller-Meiningen und Gröber, die auch für die 2. Instanz 3 Schöffen und 2 Richter fordern, ist namentlich. Der Antrag wird mit 175 gegen 142 Stimmen bei 3 Ent­haltungen angenommen. Geschlossen stimmen dafür die fort- schrittl. Volkspartei, die Sozialdemokraten und die Polen. Zentrum, Nationalliberale und wirtschaftliche Vereinigung sind gespalten.

Stücklen (S.) begründet zu Z 80 über die Zuständig­keit der Schwurgerichte einen Antrag, wonach auch die Preß- vergehen vor die Schwurgerichte verwiesen werden sollen. In Bayern habe sich diese Maßnahme durchaus bewährt. Wenn die Zahl der Verurteilungen wegen Beleidigung durch die Presse dadurch etwas eingeschränkt werden sollten, so würde das nichts schaden.!

Dr. Müller-Meiningen (s. Bp^) beantragt ebenfalls Verweisung der Preßsachen vor die Schwurgerichte. Aus­genommen sollen nur Nachdrucksachen und Privatbeleidig­ungen sein. Die Vertreter der Presse haben mehr Vertrauen zum Volksgericht als zu den gelehrten Richtern. Bor allem muß der § 193 über die Wahrung berechtigter Interessen endlich modernisiert werden.

Meyer-Kaufbeuren (Z.): Die eigentlichen Preßpro- zesse kommen in Süddeutschland nur selten vor das Schwur­gericht, denn die politischen Prozesse werden auf dem Wege der Prioatklage ausgetragen. Vor den Schwurgerichten werden nur religiöse Delikte, Majestätsbeleidigungen und Sittlichkeits-Delikte verhandelt. Dabei haben sich die Schwurgerichte durchaus nicht bewährt. Im Interesse der Schwurgerichte bitte ich um Ablehnung der Anträge.

Marcour (Z.): Als norddeutscher Ioumalist und Verleger bin ich ebenfalls gegen diesen Antrag. Der Laie bleibt auch Parteimann, selbst wenn er auf der Geschworenen- Bank sitzt.

Die Anträge werden abgelehnt. Ein Antrag der So­zialdemokraten, wonach die drei richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts ständig angestellte Richter sein müssen, wird angenommen.

Im § 99 wird die Berufung in Strafsachen auch gegen Urteile der Strafkammern eingeführt. Nach Regierungs­und Kommissionsvorlage wurde hier das Laien-Element ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten und die fortschrittliche Volkspartei beantragen auch hier die Zuziehung von Schöffen: die Freisinnigen 3 Schöffen neben 2 Richtern, die Sozial­demokraten 5 Schöffen neben 2 Richtern. Außerhalb der Hauptverhandlung sollen nach dem Anträge der Freisinnigen 5 Richter ohne Schöffen tätig sein. Nach dem Kommissions­beschluß findet die Berufung bei den Landgerichten statt.

Dr. Müller-Meiningen beantragt, sie bei den Ober­landesgerichten stattfinden zu lassen, oder es wenigstens der Landes-Iustizverwaltung anheimzugeben.

Nach kurzer Aussprache wird der freisinnige Antrag über die Besetzung der Bemfungs-Senate in namentlicher Abstimmung mit 166 gegen 122 Stimmen bei 5 Enthal­tungen angenommen. Das Laienelement ist also bei der Berufung gegen Strafkammerurteile eingeführt. W

Der Antrag, die Berufung bei den Oberlandesgerichten statt bei den Landgerichten stattfinden zu lassen, wird abge-