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Stuttgart, 10. Okt. Zirkus Cooke. Heute beginnt man die städtische Reithalle in der Forststroße jür den Zirkus umzubauen. Im ganzen wird der Zirkus 1600 Plätze fasten. Zu den Spezialitäten, welche der Zirkus vorführen wird, gehört u. a. ein Löwenbändiger, welcher mit 8 Löwen „arbeitet". Wie uns übrigens mitgeteilt wird, soll die Oberschul, behörde wegen des Turnunterrichts gegen die Benutzung der Reithalle als Zirkus Einsprache erhoben haben. Am 13. d. Mts. beginnen die Vorstellungen.
Stuttgart, 10. Okt. Gestern mittag ist von Eßlingen die tele- phonische Anzeige hier eingelaufen, daß in einem dortigen Hotel einem Gast 1 Ledertasche mit 3000 Francs in Panama-Aktien aus dem Gastzimmer über die Mittagszeit, während der Gast beim Esten war, gestohlen worden seien. Der Dieb wurde annähernd in der Person eines fremden Mannes, welcher zuvor dort gebettelt hat, beschrieben. Ein anderer Gast, welcher den Ver« dächtigen in Eßlingen gesehen hat und kannte, fuhr mit dem Bahnzug hierher und traf mit dem Verdächtigen in demselben Zug zusammen. Auf dem Bahn- Hof hier hat derselbe der Polizei hievon Mitteilung gemacht, worauf dessen Festnahme erfolgte. Der Dieb war noch im Besitz sämtlicher gestohlenen Aktien. Derselbe ist wegen Diebstahls schon öfters bestraft und war am 2. d. Mts. aus dem Zuchthaus in Bruchsal, woselbst er wegen Diebstahl eine Strafe von 14 Monaten verbüßt hat, entlasten worden.
Berlin, 6. Okt. Eine Ruchlosigkeit sondergleichen muß es genannt werden, welche in den letztvergangenen Tagen an den Schwänen wiederholt verübt worden ist, die auf den Wasserarmen unserer Stadt gehalten werden. Während diese schönen stolzen Tiere in der That ein Schmuck derselben bilden, an denen sich Herz und Auge aller gesitteten Menschen er- freut, haben es rohe Gesillen fertig gebracht, diesen unschuldigen Tieren — man begreift nicht, aus welchem Grunde — nachzustellen und sie zum Teil ums Leven zu bringen. So fand man in der vorigen Woche wiederholt morgens junge und alte Schwäne tot im Wasser, die ruchlose Menschen ver- giftet hatten. Vermutlich geschah dies in der Weise, daß man den Schwänen Brot oder Semme l zuaeworfen hatte, welche giftige Substanzen enthielten.
Obst- und Weirrpreife.
Stuttgart, 9. Oktober. Mostobstmarkt auf dem Güterbahnhof. 7 30, 7 40 bis 7 -4L 80 H pr. Ztr.
Obertürkheim, 9 Okt. Hessisches Mostobst auf dem Güterbahnhof; Preis 7 ^ 20, 7 30 und 7 40 pr. Ztr.; rascher Verkauf.
Vaihingen a. E., 9. Okt. Gestern und heute verschiedene Käufe zu 145—160 pr. 3 KI. — Enzweihingen, 9. Okt. Preise bewegen sich von 136—150 ^ pro 3 KI. Verkauf langsam, Vorrat 600 KI. — Mühlhausen a. E, 8. Okt. Einige Käufe zu 180—185 pro 3 KI. — Hohenhaslach, 8. Okt. Verkauf gestern und heute ziemlich lebhaft zum Preis von 160-170 -4L pro 3 KI. — Steruenfels, 9. Okt. Käufe zu 162, 173 und 175 -4L pro 3 KI, Käufer erwünscht, Qual, recht gut. — Asperg, 9. Okt. Lese im Gang, 1 Kauf Mittelgewächs 153-4L pro 3 KI, ziemlich verstellt, Käufer erwünscht. — Marbach a. N>, 9. Okt. Lese begonnen. Quantität schlägt etwas zurück, bis jetzt 1 Kauf zu 128 Käufer bis Ende der Woche erwünscht. — Beil st ein, 8. Okt. Einige Käufe zu 150 Die Gesellschaft beginnt morgen mit Lese des Frühgewächses. — Laussen a. N., 9 Okt. Bei flauem Verkauf 160, 165, 168 und 170 pro 3 KI. Noch ziemlich Vorrat. Käufer erwünscht, — Bönnigheim. 9. Okt. Preis 133—148 ^ für gem. Gewächs, 140 —ISO für schwarzes. —Heilbronn, 9. Okt. Rot Gewächs 60—65 weiß 50—53 pro 1 KI. — Wein sberg, 8. Okt. Rot Gewächs 190, 185, 180, 175, 170 -4L pro 3 KI. Gemisch (Schiller) 160, 155 pro 3 KI. Weiß 165, 160, 150, 146, 140, 135, 134 -FL pro 3 KI. In Rot- und Weißwein noch schöner Vorrat. Die Weingärtnergesellschaft wrrd in nächster Woche ihre Versteigerung halten und besondere Ausschreiben erlassen.
Für Landwirte.
Es ist erfreulich, wie nach und nach unsere Landwirte zu der nüchternen Einsicht kommen, daß Feldbau allein nicht mehr zureicht, um aus ihm die für die täglichen Bedürfnisse erforderlichen Mittel zu erschwingen, zumal der stetig zunehmenden Einfuhr ausländischer Bodenerzeugnisse auch durch die höchsten Zölle kein „Halt!" mehr geboten werden kann. Und wenn dementsprechend unsere Bauern mehr aus Viehzucht und Milchwirtschaft ihr Hauptaugenmerk richten, so verdient dies gewiß olle Anerkennung, obgleich in der Behandlung der Milch noch viel gesündigt wird; wenn sie in irdenen Gesoffen einfach ausgestellt, der saure gezogene'Rahm nachher abgenommen, tage- oft wochenlang gesammelt und dann erst zu Butter verarbeitet wird. Daß sich hiebei kein gutes Produkt erzielen läßt, ab und zu durch das lange Herumstellen wohl auch die Reinlichkeit manches zu wünschen übrig lassen map, ist wohl unbestrittene Thatsache und eben so sicher ist, daß ein derartiges Verfahren nicht rentabel werden kann. Ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn die Viehbesitzer zusammenstehen und — wie dies schon in vielen Orten geschehen — Genossenschaftsmolkereien gründen, in welche sie ihre Milch, soweit solche in der Familie nicht verbraucht wird, verbringen, um hierSüß- butter zu bereiten, welche heutzutage ein sehr gesuchter Handelsartikel ist und täglich mehr Nachfrage nach solcher besteht.
Die entfettete Milch (Magermilch) erhält jeder Genossenschafter wieder zurück.
Zur Gewinnung der Süßbutter bestehen sehr vorzügliche Maschinen, sog. „Temperirbuttermaschinen" , die der Firma Ferd. Kothe und Cie., Molkereimaschinenfabrik Braunschweig patentiert sind und für welche Gebrüder Holder, mech. Werkstätte Urach, die alleinige Vertretung für Württemberg haben. Wie wir von unterrichteter Seite erfahren, besitzen diese Maschinen, die sich je nach den Größen sowohl für Hand- als auch Göpel- oder andern Krastbetrieb eignen, folgende wesentlichen Vorzüge:
1) Die Gewinnung der Butter erfolgt direkt aus der Milch in einer einzigen Maschine (bei andern Verfahren muß aus der Milch erst in einer Maschine der Rahm abgesondert und dieser sodann in einer zweiten Maschine in Butter verwandelt werden). Es leuchtet ein, daß hiebei an Anlagekapital, Arbeitszeit und Mühe bedeutend gespart wird;
2) die in der Temperierbuttermaschine gewonnene Butter ist von vorzüglichem Geschmack und hält sich wesentlich länger als andere Süßbutter, was wohl auf das bei dieser Methode angewandte natürliche Verfahren zurückzuführen ist, und den Wert der Butter bedeutend erhöht;
3) ist der Körper ganz aus Eisen und im Innern emailliert, es können daher die Wände derselben keine Buttersäure ansaugen und muß somit Säure- und Sporenbildung total ausgeschlossen und die Reinigung der Maschine sehr leicht zu bewerkstelligen sein;
4) die abgesonderte Magermilch ist gut, schmackhaft und genießbar, im übrigen eignet sich solche vorzüglich auch zur Kälber- und Schweinemast. Die Ausbeute ist die denkbar größte und soll laut uns vorliegenden Mitteilungen bis 13 H pr. Liter betragen.
Wenn unsre Landwirte hiegegen Rechnung stellen, wird ihnen bald klar werden, welch große Summen sie jährlich durch Einhalten der althergebrachten unrationellen Milchwirtschaft, bei der sie aus dem Liter Milch höchstens 4 bis 5 ^ ziehen, verschleudern trotz des Aufwandes vieler Mühe und werden sie umgekehrt zu der Einsicht kommen, daß in der Milch bei richtiger Verwertung eine reiche Einnahmequelle für sie verborgen liegt.
K Calw, 10. Oktober.
Neichstagswahl.
Ein Wahlkomite des VII. Wahlkreises empfiehlt den Wählern den Rechtsanwalt Schickler in Stuttgart als Reichstagsabgeordneten. In demselben Blatte, wo der Candidat der reichstreuen Parteien in schlau gestellten Worten und Sätzen in jeder möglichen Weise angegriffen und verdächtigt wird und die Männer, welche ihn aufgestellt, als Männer des Rückschritts beschimpft werden, wird, ehe noch gegen den Candidaten Schickler ein Wort gesprochen ist, den Anhängern Gültlingens in die Schuhe geschoben, daß sie den Gegenkandidaten Schickler während des Wahlkampfes anfeinden und verunglimpfen, Druck und Einschüchterung ausüben werden. Das ist die Manier, mit welcher gewisse schlaue Advokaten ihren Prozeß betreiben, indem sie dem Gegner, ehe er gesprochen hat, das Wort verdrehen und verdächtigen und ihm die Verteidigung abschneiden! Wir fordern Freund nnd Feind auf, diese Art des Kampfes zu prüfen, sicher wird das Urteil des Volkes eine solche nicht als biedermännisch bezeichnen. In ächt demagogischen Redensarten wird die Reichsregierung und der seitherige Reichstag verdächtigt, die Anschuldigungen schlau gemischt und zu einer gegen Herrn v. Gültlingen gerichteten Spitze geformt, obwohl derselbe noch niemals Reichstagsabgeordneter war. Da das Schickler'sche Konnte dem Herrn v. Gültlingen nicht abstreiten konnte, daß er in 21jähriger landständischer Thätigkeit gewissenhaft, unabhängig und charakterfest die Rechte des Volkes vertreten hat, so ließ es ihm das Zeugnis, daß er hie und da eine vernünftige Meinung ausgesprochen, wenn diejenige der Regierung gar zu unvernünftig gewesen sei. Zum Vorwurf will ihm gemacht werden, daß er für verschiedene volksparteiliche Forderungen nicht eingetreten sei und daß er bei einigen Abstimmungen gefehlt habe. Von gar manchen Abgeordneten der Beobachterpartei hat man schon sagen hören, daß sie vor der Abstimmung „unritterlich" davon gelaufen seien; wenn Gültlingen vor der Abstimmung über die Beamtengehalte sich entfernt hat, weil er selbst Beamter ist, so ist dies für Jedermann nur ein wiederholter Beweis seines ehrenhaften Charakters und verdient keinen Tadel. Der einzige Vorwurf, dem das Schickler'sche Wahlkomite eine greifbare Gestalt geben konnte, besteht darin, daß Gültlingen für Abschaffung der Wahlkouverte gestimmt habe. Wähler, welchen dieser Wahlvexierapparat, der den Landleuten und Arbeitern eine Plage war, in Erinnerung ist, werden ihm dies nicht als Verbrechen aufrechnen, auch eine Anzahl von Abgeordneten der demokratischen Partei hat dieses Schwäbische Unikum zu Grabe tragen helfen.
Eine kurze Spanne Zeit trennt uns noch von dem Tage, wo die hochernste Frage zu entscheiden ist, wer unfern Wahlkreis im Reichstag vertreten soll. Bei vielen der Wählern, die bis jetzt treu zu Kaiser und Reich stunden, wird der Versuch gemacht werden, sie zu jener Partei hinüber zu ziehen, die bis jetzt glücklicherweise im Reichstag nur durch einen einzigen Mann vertreten ist und welche das feste Gefüge des deutschen Reichs und viele seiner wohlbewährten Einrichtungen in Frage stellen will. Viele Advokaten von Stuttgart werden den Wahlkreis bereisen, um in schönklingenden Reden und Versprechungen den Advokaten Schickler anzupreisen. Die Advokaten Konrad und Friedrich Haußmann, Payer und andere werden ihre bekannten Reden halten, die ihrem Ehrgeiz und ihrer Praxis dienlich sind.
Wir wissen von dem Advokaten Schickler nichts, als daß er jung und der ständige Vertreter und Verteidiger der Sozialdemokratie ist. Das mag ihm auf jener Seite zu Stimmen verhelfen, die aus Liebäugelei mit den Sozialdemokraten den Bauern den Korn- und Holzzoll und den Gewerbetreibenden den Jndustriezoll nicht gönnt, der die Früchte ihrer Arbeit schützt. Zu der Fürsorge für die Arbeiter hat sich diese Partei bekanntlich bis jetzt stets ablehnend verhalten. Wir haben allen Grund, an einem Manne festzuhalten, der, wenn auch nicht mehr sehr jung, aber reich an Erfahrungen ist, der in21jähriger Thätigkeit als Volksvertreter bewiesen hat, daß er die Bedürfnisse des Volkes kennt, daß er für dieselben stets unabhängig und charakterfest eintritt. Gültlingen ist von Männern aus allen Ständen des Wahlkreises empfohlen, Schickler bis jetzt nur von Advokaten, es wird sich im gegenwärtigen Wahl-