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Fernsprecher Nr. 29. 88. Jahrgang. _ Fernsprecher Nr. 29.
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Mittwoch, den 4. Januar
Anzeigen-Gebiihr für die einspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 A bei'imchr iligcr entsprechend Rabatt.
Beilagen. Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und
Schwab. Landwirt.
1911
Bekanntmachung der Verwaltungskommission der Körrig - Karl - Jnb ilänms - Stiftung, betreffend die Bewerbung um Zuwendungen aus dieser Stiftung.
Aus den verfügbaren Mitteln der König-Karl-Iub^ läums-Stiftung können auf den 25. Juni 1911 gemäß § 1 Ziff. 1 0 und e, 2, 3, 5 und 6 des Stiftungsstatuts Zuwendungen der nachbezeichneten Art gewährt werden:
1. Beiträge zur gemeinschaftlichen Beschaffung landwirtschaftlicher Maschinen; - ^ ,
2. Zuwendungen an besonders belastete Orts-Viehver- sicheruiigsvereine;
3. Beiträge zur Unterstützung bestehender oder zur Einführung neuer Hausindustriezweige in annen Gemeinden des Landes;
4. Reisestipendien an besonders befähigte junge Leute des kaufmännischen und des technischen Berufs zum Zweck ihrer weiteren Ausbildung oder zur Pflege und Erweiterung der wllrltembergischen Handelsbeziehungen an Mittelpunkten der Industrie oder in den für die heimische Glltererzeugung in Betracht kommenden Ausfuhrgebieten;
3. Beiträge zur Unterstützung von Einrichtungen zur Förderung des Kleingewerbes, insbesondere zur Beschaffung von Triebkräften und Maschinen;
6. Verleihung der Medaille der König-Karl-Iubiläums- Stiftung für tüchtige (männliche und weibliche) Arbeiter und Bedienstete (abgesehen von weiblichen Dienstboten), welche in einem und demselben Geschäfte oder
Betriebe langjährige, treue «Ijid ersprießliche Dienste geleistet haben.
Gesuche um Zuwendungen der in den Ziff. 1—3, 5 und 6 genannten Art sind durch Vermittlung der K. Stadtdirektion Stuttgart, beziehungsweise der K. Oberämter em.mre'. chp n.- Ge juche LM R eisestipendien (Ziff. 4) können unmittelbar bei der Verwimllntzslrdmmiffion oer^ryiung (K. Ministerium des Innern in Stuttgart) angebracht werden.
Wer ein Verleihungsgesuch einreichen will, hat sich zuvor über die Grundsätze, welche bei der Verwilligung beobachtet werden, sowie über die für den Inhalt lind die Einreichung der Gesuche getroffenen näheren Bestimmungen durch Erkundigung bei dem zuständigen Oberamt, in Stuttgart bei der K. Stadtdirektion, oder durch Erkundigung bei dem Stadtschultheißenamt oder Schultheißenamt seines Aufenthaltorts zu unterrichten.
Diese Behörden werden gebeten, Personen, welche Gesuche an die König-Karl-Iubiläums-Stiftung richten wollen, an der Hand der „Grundsätze für die Gewährung von Beiträgen und für die Verleihung der Medaille," wie sie im Amtsblatt des K. Ministeriums des Innern, Jahrgang 1906 Seite 378 ff. veröffentlicht sind, zu beraten, die Ergänzung unvollständiger Gesuche zu veranlassen, die Einreichung aussichtsloser Gesuche tunlichst hintanzuhalten und den bezeichnten Grundsätzen offenkundig nicht entsprechende Gesuche zur Vermeidung unnötigen Zeit- und Kostenaufwands unter Hinweis aus den obwaltenden Mangel an die Bewerber zurückzugeben.
Sämtliche Berleihungsgesuche, auch soweit sie bei der K. Stadtdirektion und den K. Oberämtern anzubringen sind, müssen bei der Verwaltungskommission der König- Karl-Iubiläums-Stiftung (K. Ministerium des Innern) spätestens am IS. Februar ISI1 einkommen.
Stuttgart, 30. Dezember 1910.
Der Vorsitzende der Berwaltungskommission der König-Karl-Iubiläums-Stiftung Staatsminister des Innern:
__ Pischek. _
Die Ortspolizeibehörden >
wollen die Fleischbeschauer zur Vorlage ihrer Beschaubücher an die Kgl. Oberamtstierarztstelle auf längstens 12. Januar 1S11 veranlassen.
Die Vorlage hat als portopflichtige Dienstsache zu erfolgen. Nagold, 3. Januar 1911.
Mayer, Amtm.
Politische Uebersicht.
In Rumänien ist die Verfügung, daß die Verzollung von Postpaketen nur noch auf Grund der Originalfakturen und der Zolldeklarationen vorgenommen werden soll, wieder zurückgezogen worden.
Die portugiesische Regierung lässt durch verschiedene ihrer Organe ausführliche Meldungen über die Lage im Land verbreiten, um die Haltlosigkeit der beunruhigenden Gerüchte.der letzten Tage darzutun. Es seien zwar Ausstände vorgekommen, sie seien aber sämtlich beigelegt und vereinzelt geblieben. Die Finanzlage bessere sich täglich. Die Disziplin in Heer und Marine sei tadellos. Die Ordnung sei überall wiederhergestellt und nach zweimonatigem Bestehen der Republik seien die Verhältnisse mehr konsolidiert, als es nach diesem kurzen Zeitraum hätte stir m'LHüch-'AchuHen werden können. Die religiösen. Leidenschaften seien gänzlich zur Ruhe gekommen, nachdem die Kongregationen, die die wahre Quelle der Agitation bildeten, aufgelöst worden seien. Alle Vorbereitungen würden getroffen, damit die Wahlen, die Anfang April stattfinden, sich unter Wahrung der größten Unabhängigkeit vollziehen. Ganz so friedlich, wie es hier dargestellt wird, scheint die Stimmung aber doch nicht zu sein. Denn der portugiesische Geschäftsträger in Paris wahr ehrlich genug, zu bekennen, daß die portugiesische Regierung zweifellos mancherlei Schwierigkeiten gegenüberstehe. Die republikanische Partei sei entzweit und auch im Volk herrsche eine gewisse Unzufriedenheit. Aber all das gebe zu irgendwelchen Befürchtungen keinerlei Anlaß.
Das spanische Kabinett hat mit Rücksicht
darauf, daß der erste Teil seines Programms verwirklicht ist, dem König den Rücktritt angeboten. Der König sprach indessen Canalejas aufs neue sein Vertrauen aus, gab ihm Vollmacht, in der Zusammensetzung des Kabinetts die von ihm für erforderlich erachtete Veränderung vorzunehmen und billigte die Richtlinien der von Canalejas vorgeschlagenen Politik.
Der spanische Ministerpräsident Canalejas hat
einige Veränderungen seines Kabinetts vorgenommen. Drei Portefeuilles wurden neu besetzt. Das neue Ministerium ist nun eine vollständige Vertretung der liberalen Parteien.
Die türkische Regierung befürchtet, daß die jüngst in Kanea gegründete Kasse für nationale Bedürfnisse in ein der griechischen Propaganda und Rüstungszwecken gewidmetes Unternehmen verwandelt werden könnte, und hat deshalb die Mächte um ihre Intervention bei der kretischen Regierung ersucht. — Vier Bulgaren schlichen sich an das türkische Wachhaus von Osmanie heran und erschossen den Wachposten. Als die übrigen Soldaten herbeieilten, ergriffen die Bulgaren die Flucht, wobei zwei von ihnen getötet wurden. Die Bürgermeister, Ulcmas und Notabeln der türkischen Bevölkerung von Kotschana und Tkwisch richteten an die Kammer ein Telegramm, worin sie angesichts der Zunahme des bulgarischen Bandenunwesens um die Wiederanwendung des Bandengesetzes und Einführung der Kriegsgerichte bitten.
Nach Meldungen aus Tongking ist der französische Missionar Megot in Tsingji in der tongkinesischen Landschaft Sip-song-chau-thai am 20. Dezember ermordet worden.
Ueber das Fehlschlagen der jungtürkischen Politik in Albanien
schreibt Dr. Albrecht Wirth im Münchener „März".
Völlig gescheitert ist der Versuch, moralisch auf die trotzigen Gebirgssöhne zu wirken. Viele Hunderte haben der türkischen Freiheit und Ordnung die Flucht nach Montenegro vorgezogen. Unter den Flüchtlingen waren Mohammedaner, die lieber mit den serbischen Christen, als mit ihren Glaubensgenossen in der Türkei sein wollten. Es waren ferner darunter römische Katholiken, die ehedem einen griechischen Katholiken heftiger haßten, als einen Jünger des Propheten. Dies also war der Sieg des neuen Regimes, der Erfolg der konstantinopler und salonikier Versöhnungspolitik. Durch das Zerstören so vieler Kulas aber und durch das Aufhängen so mancher hochangesehener Bairaktars ist eine Drachensaat des Hasses in Albanien gesät worden, die für die Osmanen noch böse Früchte tragen wird. DieSKip- nia ist der klassische Boden der Blutrache. Selbst die langmütigen undversöhnlichen Puren haben 60 Jahre lang grimmig gemurmelt „ons zal Slakters Snek (das Blutgericht von 1817) noit vergete!" Glaubt man, daß die Skipetaren, deren um und auf die Blutrache ist, dergestalt, daß auf sie in manchen Gauen ein Drittel aller Todesfälle zurückzuführen ist, die zahllosen Kriegsgerichte und die Hängewut von 1910 so bald vergessen werden? Ich glaube es nicht.
Die Türken haben freilich auch Gutes gestiftet. Sie haben einige neue Schulen eröffnet, und sie haben vor allem Handel und Wandel gesichert. In der Luria war es dahin gekommen, daß sämtliche Männer des Gaues „im Blute" waren, und nur während zweier Monate, während der Erntezeit, da Urfehde angesagt war, ihre Kula verließen.
Deutsche Tippler im Welschland.
Von Hanns Heinz Ewers.
(Schluß.)
Neulich traf ich oberhalb von Sorrent einige diese Burschen, die mich nach dem Wege zu dem alten Kloste „II Deserto" fragten. Ich ries ihnen zu: „Kunde?"
Cm etwas zweifelhaftes Zögern, dann antwortete mi einer lachend:
„Kenn Kunde!"
Ich mußte mich einige Zeit mit ihnen unterhalten, bi Kunst" wurden, dann gaben sie niir bereitwillig Aus
>iNci, wie lange seid ihr denn schon auf der Walze?'
Der eine war erst seit 5 Monaten von München fort ver zweite ein Bremer, wanderte seit vierzehn Monaten ^ schon über zwei Jahre lang sich j> nach dem^Rhein wieder auf der Rückreis
„Ihr seid natürlich alle drei Ofensetzer?" fragte ich.
- sie merkten, wie gut ich Bescheii
wußte, die Handwerksburschen geben nämlich, wenn sie vor Behörden oder Privaten nach ihrem Gewerbe gefragt wer .^l'^.Mend eine Arbeit an, die ganz sicher ir Italien nicht benötigt wird, und der schöne Stand eine- Ofensetzers ^freut sich daher ganz besonderer Vorliebe.
öln lch lUlch ein 8lünee5l1i!vLe!' lachte der Münchener. Wir setzten uns hin; ich Meine
Korbflasche Roten im Rucksack und einen Laib Brot, und die drei ließen sich nicht lange nötigen. Ich erzählte ihnen, daß ich einen dreitägigen Marsch vor hätte, auf den Monte Sant' Angelo, dann hinunter ans Meer, bis nach Salerno und Pästum. Ich fragte sie, ob sie mit mir kommen wollten: sie sagten zu, und ich hatte für ein paar Tage Fahrtgenossen, an die ich stets mit Liebe zurllckdenken werde. — Es war eine Freude, zu sehen, wie unendlich viel besser diese armen Teufel das Land der Wunder und Träume kennen gelernt hatten, als so viele Reisende, die mit vollem Beutel und ziemlich leerem Kopfe dem Bädeker nachlaufen. Die vielen großen Eindrücke, die die drei gesammelt, sind bleibende, sie werden sie ihr ganzes Leben hindurch begleiten. Wie der Rheinländer, der schon Sizilien durchwandert hatte, die Ruinen von Syrakus, den Dom in Palermo, seinen Aufstieg auf den Aetna, das Amphitheater in Taormina beschrieb, das war so lebhaft, so plastisch, daß man meinte, alles mit Händen greifen zu können. Und die Augen des jungen Müncheners leuchteten, als ihm der vom Niederrhein auf die Schulter klopfte:
„Ja, Iüngke, du hast noch viel vor dich. Sperr nur die Augen auf!"
-Kein Italiener hätte es gelitten, daß ich meinen
Rucksack selber trug, die Deutschen dachten nicht einmal daran, ihn mir abzunehmen. Aber als wir zur Mittagszeit in Santa Agata ankamen, und ich sie einlud, mit mir im Wirtshause zu speisen, da lehnten sie ab. Ich sollte nur ruhig essen, sie würden inzwischen herumgehen und sehen, ob sie irgendwo ein wenig Früchte und Käse bekämen.
Offenbar waren sie im Zweifel, ob mein Beutel genügend gefüllt wäre, und wollten mir. keinesfalls zur Last fallen. Und erst, als ich sie durch Vorzeigen einiger Papierscheine überzeugte, daß ich wirklich mir die Gastfreundschaft leisten könnte, nahmen sie an und waren die drei Tage meine überaus bescheidenen Gäste.
Der Rheinländer, der einen Teil des Weges schon einmal gewalzt war, zeigt mir an verschiedenen Häusern merkwürdige kleine Zeichen, die mit Rötel hingemalt waren, manchmal sechs bis acht an einem Hause : Kreuze, Herzen, Hacken, Sicheln, Kreise, Halbmonde.
„Dat da Hann ich hingemölt!" sagte er stolz. „Heut brauche mer de Kram ja nich, aber sons sind se sehr jut!" Und er erklärte mir diese merkwürdige Zeichensprache. Wie der Kellner unbemerkt auf den Koffer des wegsahrenden Reisenden ein Kreidekreuz oder einen Kreidekranz malt, um ihn seinem Kollegen im nächsten Orte — je nach dem erhaltenen Trinkgeld — zu guter oder schlechter Behandlung zu empfehlen, so malen die Tippler mit Rötel ein kleines Zeichen an die Häuser, wo sie vorgesprochen und gefochten haben. „Gibt was!" bedeutet ein Herz, während ein Kreuz „Nichts zu machen!" bedeutet. Eine Sichel zeigt an, daß die Frau etwas gibt, wenn der Mann nicht zu Hause ist, eine Hacke, daß hier zwar nichts gegeben wird, daß man aber für irgend welche Feld- oder Hausarbeit immer einige Tage Kost und Unterkommen findet. Ein Säbel besagt, daß der Hausinhaber auf alle Tippler schlecht zu sprechen ist und gleich den Gendarm ruft; ein Napf, daß man meist etwas übriggebliebenes Essen erhält. Der Kreis heißt: