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85. Jahrgang.

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Schwab. Landwirt.

Dienstag, den 3. Januar

1911

K. Oberamt Nagold. Bekanntmachung

betreffend die Anmeldung der Militärpflichtigen zur Aufnahme in die Rekrntierungsftammrolle für 1S11

Aus Grund der deutschen Wehrordnung in der neuen Fassung vom 22. Juli 1901 (Reg.-Bl. 1901 S. 275 ff.) wird folgendes bekannt gemacht:

1. Die Militäpflicht beginnt mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, in welchem der Militärpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet und dauert solange, bis über die Dienstpflicht der Wehrpflichtigen endgültig entschie­den ist.

Nach Beginn der Militärpflicht (s. Abs. 1) haben die Wehrpflichtigen die Obliegenheit, sich M Aufnahme in die Rek rntiernngsflammrostk« anznmelden. (Meldepflicht.)

Diese Anmeldung muß in der Zeit vom 15. Jan. bis 1. Febr. erfolgen.

2. Die Anmeldung erfolgt bei der Nrtsbehörde desjenigen Ortes, an welchem der Militärpflichtige seinen dauernde» Aufenthalt hat.

Hat er keinen dauernden Aufenthalt, so meldet er sich bei der Ortsbehörde seines Wohnsitzes, d. h. des­jenigen Ortes, an welchem sein, oder sofern er noch nicht selbständig ist, seiner Eltern oder Vormünder ordentlicher Gerichtsstand sich befindet.

3. Wer innerhalb des Reichsgebietes weder einen dauern­den Aufenthaltsort noch einen Wohnsitz hat. meldet sich in seinem Geburtsort zur^Stammrolle, und wenn der Geburtsort im Auslande liegt in demjenigen Orte, in welchem die Eltern oder Familienhäupter ihren letzten Wohnsitz hatten.

4. Wenn die Anmeldung nicht am Gelmrtsorkl erfolgt, ifl rin vom L. Standesamt kostenfrei -zu erteilendes Sebnrtszeugnis tGelmrtsscheiu) vorzulegeu.

6. Sind Militärpflichtige von dem Ort, an welchem sie sich nach oben Ziff. 2 zur Stammrolle anzumelden haben, zeitig abwesend (auf der Reise begriffene Handlungs­gehilfen, auf See befindliche Seeleute rc.), so haben ihre Eltern, Normiindrr, Lehr-, Srot- oder Fabrikherrrn die Verpflichtung, fir zur Stammrolle anzumelden.

6. Die Anmeldung Zur Stammrolle ist in der vorstehend vorgeschriebenen Weise seitens der Militärpflichtigen so lange alljährlich zu wiederholen, bis eine endgültige Ent­scheidung über die Dienstpflicht durch die Ersatzbehörden erfolgt ist.

Bei Wiederholung der Anmeldung zur Stammroste ist der im ersten Militärpslichtjahr erhaltene kosnugs schein vorzulegeu. Außerdem sind etwa eingetretene Verände­rungen (in Betreff des Wohnsitzes, Gewerbes, Stan­des rc.) dabei anzuzeigen.

7. Eingewänderte (R.-M.-G. tz 11), welche in das militär­pflichtige Alter eingetreten sind, bei früheren Aus­hebungen Uebergangene, sind gleichfalls zur Anmeldung verpflichtet.

8. Bon der Wiederholung der Anmeldung zur Stamm­rolle sind nur diejenigen Militärpflichtigen befreit, welche für einen bestimmten Zeitraum von den Ersatzbehörden ausdrücklich hievon entbunden oder über das laufende Jahr hinaus zurückgestellt werden.

9. MilitSrpfiichtigr, welche «atz Anmeldung zur Stammrolle im Laufe eines ihrer Militärpflichtjahre ihren dauernden Aufenthalt oder Wohnsitz nach einem andern Aushebungs­oder Musterungsbezirk verlegen, haben dieses behufs der Berichtigung der Stammrolle sowohl beim Abgang der Behörde oder Person, welche sie in die Stammrolle ausgenommen hat, als auch nach der Ankunft an dem neuen Orte derjenigen, welche daselbst die neue Stamm­rolle führt, spätestens innerhalb dreier Tage zu melden.

10. Versäumung der Meldefristen (oben Ziff. 1, 6 u. 9) entbindet nicht von der Meldepflicht.

11. Wer die vorgeschriebenen Meldungen zur Stammrolle oder zur Berichtigung derselben unterläßt, ist mit Geldstrafe bis zu 30 ^ oder mit Hast bis zu 3 Tagen zu bestrafen. Ist diese Versäumnis durch Umstände herbeigeführt, deren Beseitigung nicht in dem Willen des Melde­pflichtigen lag, so tritt keine Strafe ein.

12. Die zum einjährig-freiwilligen Menst Serechtigteu, sofern sie nicht schon früher zum aktiven Dienst eingetreten sind, sowie diejenigen Militärpflichtigen, welche die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst bei der Prüfungskommission nachgesucht haben, haben sich beim Eintritt in das militärpflichtige Alter bei dem Zivil­vorsitzenden der Ersatzkommission ihres Gestellungsortes (oergl. Ilff. 3 und 3) schriftlich oder mündlich unter

Vorlegung ihres Berechtigungsscheines, sofern ihnen derselbe bereits behändigt ist, bezw. unter Vorlegung des Besähigungszeugnisses zum Ssesteuermann, zu melden und ihre Zurückstellung von der Aushebung zu beantragen. >

13. Sofern sich die Berechtigten im Besitze des Berechti­gungsscheines befinden, werden sie durch die Ersatz- Kommission bis zum 1. Okt. ihres vierten Militär­pflichtjahres, d. i. des Jahres, in welchem sie das 23. Lebensjahr vollenden zurückgestellt.

Die Ortsvorsteher werden beauftragt, dies in ihren Gemeinden durch Ausschellen und Anschlag der ihnen zu­gegangenen Plakate bekannt zu machen.

Den 2. Jan. 1911. Kommerell.

Die Gemeiudepflegen

werden behufs Aufstellung einer statistischen Uebersicht an­gewiesen, die im Steuerjahr 1910/11 bis jetzt (31. Dezbr.) erhobenen amtskörperschastlichen Wandergewerbe-Ausdehn- ungs-Abgaben nach Abzug der dem Rechner zukom­menden Einzugsgebühr von 5 Pfennig pro Mark unter Anschluß eines beurkundeten Verzeichnisses spätestens bis 10. d. Mts. an die Oberamtspslege abzuliefern: eoent. ist Fehlanzeige zu erstatten.

Den 2. Jan. 1911.

Kommerell.

Bekanntmachung, betr. die durchgreifenden Gebäudeeinfchätzunge».

Um die seither nicht bestehende Einheitlichkeit hinsicht­lich des Zeitpunkts, auf welchen die Ergebnisse einer durch­greifenden Gebäudeeinschätzung erstmals bei der Umlage der Brandversicherungsbeiträge berücksichtigt werden, herbeizu- sühren, hat der K. Verwaltungsrat -der Gebäudebrandver­sicherungsanstalt angeordnet, daß die Ergebnisse der bis znm 51. Dezbr. eines Jahres vollzogenen Schätz­ungen von dem nächsten 1. Januar an der Umlage zu Grunde zu legen sind, ohne Rücksicht darauf, ob die Schätzung der ganzen Gemeinde zum Ab­schluß gebracht ist oder nicht.

Die Herren Ortsvorsteher oder sonst zuständigen Gemeindebeamten, denen die Schätzerobmänner die Proto- kollreinschriften rechtzeitig übergeben werden, wollen dafür Sorge tragen, daß die Eröffnung an die Gebäudeeigentümer noch vor oder kurz nach dem 1. Januar erfolgt.

Nagold, den 2. Jan. 1911.

Kommerell.

An die Ortspolizeibehörden und die Landjägermannschaft.

Nach einer Mitteilung des Herzoglichen Landrats in Meiningen vom 27. Dezember v. Is. Nr. 32148 sind von diesem für das Jahr 1911 infolge falscher Angaben

1. dem Paul Günther aus Henneberg,

2. .. August Günther ..

3. Paul Stein Leimbach,

4. Albin Stein

5. der Emilie Stein

6. dem Emil Hofmann Bauerbach,

7. Johann Hofmann

. 8. Paul Gerhardt Schwickershausen,

9. Emil Gerhardt

10. Emil Schmidt Neuendorf

11. Paul Schmidt

12. der Paula Hartmann aus Walldorf,

13. dem August Hartmann

14. Emil Hartmann

unter den Nummern VI 1. VI 2. VI 3, VI 4, VI 5, VI 6. VI 7, VI 8, VI 9, VI 10, VI 11, VI 12, VI 13. VI 14, Wandergewerbescheine zum Handel mit Kurz-, Galanterie- und Stahlwaren, auch Weißwaren, ausgestellt worden.

Es ist zu vermuten, daß die Scheine an dritte Per­sonen (Ausländer, Zigeuner) verkauft worden sind und daß von ihnen in unbefugter Weise Gebrauch gemacht werden wird.

Die Ortspolizeibehörden und die Landjäger­mannschaft werden hievon mit dem Auftrag in Kenntnis gesetzt, die Scheine den unrechtmäßigen, auf falschen Namen reisenden Besitzern im Betretungsfall abzunehmen und dem Oberamte einzusenden.

Den 2. Januar 1911.

Mayer, Amtmann.

Deutsche Tippler im Welfchland.

Von Hanns Heinz Ewers.

irgendein kluger Mann, der zu gleicher Zeit ein Gi lehrtcr und ein Dichter fein müßte, sollte einmal ein Bw schreiben über das merkwürdige Phänomen in der deutsche Volksseele: die Sehnsucht nach dem Welschlande. Sen Arbeit würde ihm lange Jahre kosten, sie würde bei de Zündern und Teutonen beginnen müssen. Er müßte d Goten, ore Heruler, die Vandalen berücksichtigen, die Ri gier und die Langobarden, deren Einfälle unsere Schulwei- hett lange mcht völlig begründet. Er müßte die alten Wiki, glieder der Normannen studieren, die überströmen von Sehi sucht nach dem Südlande, und der Hohenstaufenkaiser g heimste Gedanken erforschen. Er müßte Friedrichs II. Plär erkennen, dem Sizilien ein zweites und lieberes Baterlaii w^de, er müßte hinabtauchen in die Seele Konradins vo ^.ckwaben, der auf der clol Hsroato für eine

narrischen Traum sein junges Haupt auf dem Block lies 2, so vieles müßte dieser kluge Mann ergründen! Wo Rubens zum Süden zog, und weshalb Ulrich von Huttei der doch gewiß fein Vaterland liebte wie kaum ein zweite dennoch me die geheimnisvolle Sehnsucht nach dem Welfck lande los wurde. Er müßte Windelmann auf seinen Reffe begleiten und Goethe: bei ihnen würde er gewiß manche guten Wink finden. Die römischen Nazarener Ooerbec und seine Freunde mußte er studieren, und Feuerbach un Scheffel und Bocklm und Nietzsche--und so viele noch

Aber neben den vielen Namen von ewigem Klang darf er eins nicht vergessen: den gemeinen Mann. Er wird herausfinden, daß im Grunde die gewaltige Liebe dieser Großen dasselbe ist wie die merkwürdige, unerklärliche Sehn­sucht unserer Handwerksburschen, von denen alljährlich Tausende über die Alpen ziehen, um das Land ihrer Träume kennen zu lernen.

Dann vielleicht wird dieser kluge Mann uns eine Er­klärung geben können für das geheimnisvolle Gefühl, das uns bei Mignons Lied erfaßt:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh'n?"

Er wird uns die seltsame Sehnsucht verstehen lehren, die wir Deutschen empfinden, wenn wir nur die eine Zeile lesen oder singen hören:

Dahin, dahin, möcht ich mit dir, du mein Geliebter, ziehn."

-Ich hatte aus der Schule einmal einen herz­lich schlechten Geographielehrer. Trocken und arm gab dieser alte Mann seinen Unterricht, immer nach Namen fragend und Zahlen, immer nach dem, was jeder seiner Schüler in der nächsten Woche wieder vergessen mußte. Und dann, eines Tages, kam Ftalien daran. Ich erinnere mich noch so gut: der Alte kroch in seinem abgeschabten Gehrock auf den Katheder und begann seinen Vortrag, während wir Iungens andere Bücher Herausnahmen, um uns für die nächste Lateinslunde vorzubereiten. Plötzlich wurde ich auf­merksam, der alte Lehrer hatte von dergoldenen Sonne des Südens" gesprochen und in seinem Tonfälle lag eine solche Fülle von Liebe und Wärme, daß ich glaubte, einen

ganz anderen Menschen vor mir zu haben. Ich hörte nun auf das, was er sagte: ein Hauch verträumter Phantasie und rührender Sehnsucht ging von seinem Munde aus, an dem meine Blicke hingen. Nach einer Viertelstunde etwa sah ich mich um, da bemerkte ich, daß fast alle meine Mit­schüler ebenso angespannt lauschten, wie ich selbst.

Jahre später traf ich als Student meinen alten Lehrer auf einem Rheindampfer. Ich begrüßte ihn und konnte mir nicht versagen, ihm zu erzählen, welchen Eindruck er damals auf mich und die ganze Klasse mit seinem Vor­trage über Italien gemacht habe. Und da erfuhr ich, daß der Alte nie in seinem Leben im Welschlande gewesen war! So tief ist eben die Sehnsucht nach dem sonnigen Süden in der deutschen Volksseele begründet, daß sie ganz allein imstande war, aus dem Munde dieses trockenen Pedanten urplötzlich eine farbenreiche, phantasievolle Schilderung her­vorzuzaubern.

Alljährlich folgen viele Tausende Deutsche dem Drange dieser Sehnsucht. Die Reisenden der besseren Klassen be­weisen im allgemeinen gar nichts für unsere Hypothese, denn einmal reisen sie auch in andere Länder, und dann finden wir auch die guten Klassen aller anderen Nationen überall in Italien herumreisen. Der Magnet der Renaissance, die Kunstsätze in den Museen, die Galerien usw. sind für sie mindestens so anziehend, wie die Schönheit des Landes selbst.

Die Handwerksburschen aber, die über die Alpen ziehen, sind alle Deutsche, nie finden wir einen Vertreter einer an­deren Nation unter ihnen. Sie sind lebendige Zeugen für