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fern zu Halten und auch solche, welche selbst nicht so viel haben, um sich satt zu essen, sehen neidisch auf ihre Kollegen; niedrige Leidenschaften (!) und engherzige Ansichten wären in dem weitverzweigten Schuhmachergewerbe zwar bedeutend, sagte Gerber Gumbinger. doch nicht unüberwindlich. Zum Schlüsse machte der Vortragende die Versammelten noch über die Art der Ledergerbung bekannt und schloß damit seinen lehrreichen Vortrag. Einige Anfragen von Seiten des Hrn. Sattler wurden glänzend vomReferenten" klargelegt und waren sämtliche Anwesenden mit dem Vortrage des Hrn. Gumbinger einverstanden.

Stuttgart, 4. Okt. Gestern nachmittag 5 Uhr wurde Luise Dirner aus Waldsee, die bei dem Eisenbahnunglück vom Dienstag den Tod gefunden hat, auf dem Pragfciedhof beerdigt, wozu sich eins große Trauerversammlung einfand. Louise Dirner war die 17jährige Tochter eines vor drei Jahren gestorbenen Schlossermeisters in Waldsee p» der be­klagenswerten Witwe bleiben noch zwei jüngere Kinder. Mit den Stuttgartern Anverwandten des Mädchens haben sich Präsident v. Hofacker und Ministerial­rat v. Balz zu der Trauerfeier eingefunden. Vikar Käsberger bet St. Eber­hard hielt die ergreifende Grabrede. Heute nachmittag findet die Beerdig­ung der Vorsteherin der Haushaltungsschule zu Herrenberg, Katharina Streik, auf dem Pragfrredhof statt. Ueber die Beerdigung des Apo­thekers Pongratz ist noch keine Bestimmung getroffen, da seine Heimat und seine Angehörigen noch nicht ermittelt sind; man weiß nur, daß der Verunglückte aus Wolfach kani und eine neue Stellung in Fürth antreten wollte. Gestern starb der beim Unfall Verletzte Ulrich Trautwein aus Hall.

Cannstatt, 5. Okt. Ein 18jähriges Dienstmädchen stieg vergangene Nacht 1 Uhr aus dem Schnellzug hier aus, bevor derselbe still stanv, kam dabei zu Fall und brachte ihren linken Fuß unter das Wagenrad, welches ihr den Schuh zerriß und glücklicherweise den Fuß nur ganz unbedeutend verletzte. Vorgestern vormittag kam der Ankuppler Köhler auf dem hiesigen Bahnhof zwischen die Puffer zweier Wagen und erlitt hiebei derartige inner­liche Verletzungen, daß er nachmittags an denselben im Bezirkskrankenhauss gestorben ist.

Ludwigsburg, 5. Okt. Eine Mädchenkapelle, bestehend aus zehn 1415jährige Mädchen, welche konzertierend, halb Europa durch­reist, ist immerhm eine solch eigentümliche Erscheinung, daß man, zumal wenn auch noch die Leistungen derselben gerühmt werden, mit dem Besuch ihres Konzertes nicht lange säumt. So war auch die Aufführung, welche dieselbe gestern abend veranstaltete, sehr zahlreich von Mitgliedern aller Stände be­sucht. Natürlich darf man die jugendlichen Konzertgebennnen nicht mit künstlerischem Maßstab messen. Aber einige Leistungen streiften doch wirklich ans Künstlerische, so besonders in derFaust-Fantasie", Violinsolo von Alard, welches von der Leiterin der ganzen Aufführung, Lucie Rauscher, mit großer Gewandtheit vorgetragen wurde, und in dem anmutigen Violinsolo Souvenir de Savoyade" von Rösner, gespielt von Therese Clupsa.

Tübingen, 2. Okt. (Schwurgericht.) Strafsache gegen die Sonnen­wirtswitwe Marie Hartmann, geb. Holzäpfel von Oberhaugstett OA. Calw, wegen Fälschung einer öffentlichen Urkunde in gewinnsüchtiger Absicht. Dis Angeklagte ist am 9. April d. I. mit einer Rückfahrkarte von Teinach nach Stuttgart (mit zweitägiger Gültigkeit) gefahren und wollte diese Karte, auf welcher das Dalum ausratiert worden war, am 11. April -morgens noch zur Rückfahrt nach Teinach benützen, da sie auf den letzten Zug am 10. April zu spät gekommen war. Dem Kondukteur Maier, welcher die Fahr­karte kontrollierte, gab sie auf Befragen an, daß sie die Fahrkarte am 10. April gelöst habe, diese Angabe hielt sie auch vor dem Zugmeister und vor dem Eifenbahmxpedienten Pfister in Calw aufrecht, bis auf Pfisters Anfrage von Teinach die Antwort kam, daß die Karte bereits am 9. April gelöst worden sei. In der Hauptverhandlung machte die Angeklagte geltend, daß sie die Karte nicht verfälscht habe, solche sei in ihrem Geldtäschchen beim

schattigen Garten nach dem Bett wandelten, welche Mühe er sich gab, seine mit dem Mondlicht zunehmende Unruhe zu verbergen, und wie innerlich dankbar er war für den langen, ruhigen Schlummer der Sterbenden.

Endlich hörte man die Uhr der Marlow-Kirche neun schlagen. Arthur richtete seine Augen nach dem Beit und sagte leise zu Linda:

Ich muß Sie jetzt für eine Zeit lang verlassen, doch sollten Sie mich nötig haben, so finden Sie mich im Atelier oder im Garten!"

Dank, tausend Dank für alle Güte, die Sie meiner Mutter und mir erweisen!" sprach Linda, indem sie ihre Hand ausstreckte.

Während sie so mit dem Rücken gegen das Mondlicht stand, hob sich ihr wohlgeformter kleiner Kopf, ihre zarte, anmutige Gestalt aufs vorteilhafteste hervor, so daß Arthur aufs äußerste überrascht war von des Mädchens großer, wenn auch noch unentwickelter Schönheit.

Sie bemerkte es und kam in Verlegenheit. Sie senkte die Augen, in ihrem kleinen, thörichten Herzen ging eine süße Hoffnung auf. Im nächsten Augenblick war er verschwunden.

Einmal außerhalb des Krankenzimmers, wurden seine Bewegungen bald wie­der lebhafter. Unten im Salon schrieb er eiligst ein kleines Billet, eilte nach der Küche, wo Joah Backham, der Bootsmann, seinen gewöhnlichen Sitz am Herde einnahm.

In wenigen flüchtigen Worten erklärte er demselben seine Wünsche. Dieser verließ seine Lieblipgsecke und seine Pfeife, bestieg Arthur's Gondel und fuhr nach Henlep. Arthur trat hinaus in die kühle, schweigende Nacht, umkost von den bal­samischen Düsten der Magnolien. Sehnsüchtig streckte er seine Arme nach dem Hellen Himmel aus. Wer erinnert sich nicht einer solchen Stunde, in der unsere Seele in heftiger Erregung, voll eines zu erwartenden Glückes, den Himmel umarmen und die Sphären die Seligkeit unseres Herzens in Tönen wiederklingen lassen möchte? Eine solche war Arthur's Empfindung, während er in dieser Stunde den kleinen, in tiefen Schatten gehüllten Garten entlang ging. Er schritt im Traume dahin. Er wunderte sich, wie er früher glücklich hatte sein können, ehe er diese einzige, wahre Freude empfand, dieses Durchschauern jedes Schlages seines Herzens.

Geld dadrinnen gewesen, sei dort schmutzig geworden und sei sie, um dis Karte sauber zu machen, einigemale an ihrer Schürze hinunter gefahren. Erster Staatsanwalt Degen hielt blos eins Beschädigung der Karte als vor­liegend und bat um Bejahung de? dritten auf versuchten Betrug lautenden Frage. Die Geschworenen gaben ihr Verdikt in diesem Sinne ab, worauf die Angeklagte zu 25 Geldstrafe verurteilt wurde.

Heilbronn, 3. Oktober. (L e d e r m a r k t.) Die Zufuhren unseres in der Regel schwächer befahrenen Oktober-Marktes wurden durch die gleich­zeitige Abhaltung einer anderen Ledermesse, wohin viele Produzenten aus dem Oberland abgelenkt wurden, etwas beeinträchtigt. Wildoberleder war sehr angeboten, und verkehrte teilweise zu weichenden Preisen. Für Schmalleder in leichterer Ware zeigte sich Kauflust, schwere Sorten waren nur mühsam anzubringen. Sohlleder unverändert. Kalbleder hat sich bei mäßigem Angebot im Preise etwas erholt. In Zeugleder waren die Umsätze belanglos; auch Schafleder, wovon wenig Vorrat, mußte im Preise etwas nachgeben. Der nächste Ledermarkt findet Diens­tag den 3. Dezember d. I. hier statt.

Ellwangen, 1. Okt. Die Nr. 2469, welche in der hiesigen land­wirtschaftlichen Lotterie den 1. Preis ein hübsches 2'/gjährigeü Pferd gewonnen hat, ist mit Arrest belegt. Der Besitzer dieses Loses war ein Stadttaglöhner. Er präsentierte das Los auch der Lotteriekommission, aber zu Unrechter Zeit, an welcher Gewinne nicht ausgefolgt wurden und wurde er beschieden, zu rechter Zeit zu kommen. Indessen begab sich aber der Glück­liche mit Kameraden zu einem Freudentrunk und seitdem fehlt ihm sowohl das Los zum ersten Gewinn, wie noch ein zweites, auf welches ein Pferde­teppich als Gewinn 'fiel.

Tettnang, 30. Sept. Die zwei jungen Pferde eines Hopfenfuhr­werks wurden bei der Lochbrücks dadurch scheu, daß zwei Radfahrer im schnellsten Lauf von hinten an dem Fuhrwerk vorbeifuhren. Von den auf dem Wagen sitzenden Personen wurden zwei heruntergeschleudert und das ganze Gefährt stürzte beinahe in die Schüssen; die beiden Herabgefallenen sind zum Glück leicht davongekommen. Einer der Radfahrer wurde samt seiner Maschine in den Straßengraben geschleudert.

Waldsee, 30. Sept. Heute wurden die durch den landwirtschaft­lichen Bezirksoerein in Oldenburg aufgekauften 20 Stück Stutenfohlen, da­runter ein 2>/zjähriges, fünfzehn Il/^jährige und vier '/ejährige, versteigert. Die Tiere, welche allgemein gut gefielen und für unsere Verhältnisse paffen, wurden mit einem nicht unbedeutenden Mehrerlös, welcher den Käufern wieder gutgeschrieben wurde, verkauft. Die Preise bewegten sich, abzüglich der Rückvergütung, für l'/?- und Vas L'/Ahrige Fohlen zwischen 500 und 1070 für die jüngeren zwischen 340 und 360 Der Mehrerlös be­trug 4020 ^ 29,7 Proz.

Friedrichshafen, 2. Okt. Heute nachmittag sind im Hafen von Bregenz beim Beladen der zwei hiesigen Trajektkähne zwei mit Obst beladene Wagen infolge Bruchs der Kuppelung in den See gestürzt. Ein dritter Wagen blieb auf halbem Wegs zur Tiefe am Trajekt noch hängen.

Der Taucher Roth von Lindau ertrank gestern beim Versuch, die in den See gestürzten Trajekte freizumachen.

Berlin, 4. Okt. Anläßlich der Beratungen der Preisrichter für das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms l. veranstaltete der Künstlerverein ge­meinschaftlich mit dem Architektenverein gestern eine Abendzufammenkunit im Architektenbause, an welcher die Minister v. Bötticher und v. Goß- l e r, der Präsident v. Levetzow und andere Persönlichkeiten teilnahmen. Während der Tafel brachte der Staatsminister von Bötticher einen Toast auf die Kunst aus, in welchem er hervorhob, die deutsche Kunst brauche sich nicht zu schämen, mit irgend einer Nation in Wettstreit zu treten.

New-Dork, 5. Okt. Meldungen aus Veracruz zufolge wurde die Insel Carmen im Golf von Mexiko durch einen furchtbaren Cyclon heim-

Er trat in fein Atelier. Durch die offene Thür drang das weiße Licht des Mondes und überflutete den Raum, in welchem er für Geld und Ruhm arbeitete.

Es war phantastisch ausgestattet, wie eine Scene aus Tausend-und-eine Nacht.

Geräuschlos stellte er die große Staffelei, die in der Mitte des Zimmers stand, bei Sette und setzte eine Vase voll süß duftender Blumen vom Fenster auf den Tisch. Dann warf er noch einen Blick auf Alles, ging wieder hinaus und schloß die Thür hinter sich.

Alles lag in Schweigen gehüllt. Er setzte sich auf eine Bank unter den Schatten schwer herabhängender Zweige. Er faltete seine Arme, lehnte sich zurück und wartete. Dann ging er wieder den Pfad, der nach dem Flusse führte, auf und ab, aber noch immer sah er Nichts von dem zurückkehrenden Boot.

Die Waldungen der gegenüberliegenden Bucht spiegelten sich in den durch­sichtigen Fluten. Am Himmel glitzerten die Sterne und der Mond spiegelte sein eigenes Gesicht im Wasser. Der Duft der Blumen mischte sich mit dem Plätschern der Wellen und dem Flüstern der Zweige.

Die Zeü ging dahin und noch immer war er allein. Warten! Welche un­erträgliche Aufgabe! Da horch! Er blieb stehen. Der Ton herannahender Ruderschläge traf sein Ohr. Er blieb stehen. Er eilte nach dem Thor und sah ein Boot auf der anderen Sette anlegen. Mehr als eine Stunde war vergangen.

Mit feierlicher Pünktlichkett schlug es zehn Uhr von der Pfarrkirche und noch immer kam sie nicht.

Wäre es möglich, daß sie nicht kommen wollte? Nein, Nein! Sie hatte eS ja versprochen! Es konnte nicht sein! Das Mondlicht begann zu schwinden, die Schatten der Nacht wurden größer und schwärzer. Plötzlich endlich! Er hörte deutlich ganz in der Nähe Ruderschläge. Eben hörten dieselben au^. Im nächsten Moment taumelt er fast zurück.

(Fortsetzung folgt.)