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Fenrsprecher Nr. 29.

84. Jahrgang.

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Schwab. Landwirt.

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Ireitag, den 2. FezemSer

1910

Deutscher Reichstag.

Berlin. 30. Nov.

Ein 'Antrag auf Strafverfolgung des Abg. Pachnicke seitens des Anwalts in Füssen im Allgäu wird abgelehnt.

Das Reichsbanknoten-Schutzgesetz wird in dritter Lesung verabschiedet. Gesetz gegen die Mißstände des Heilwesens.

Staatssekretär Delbrück: Die Mißstände, die sich aus der Ausübung der ärztlichen Praxis durch nicht approbierte Personen ergeben haben, machen ein Einschreiten im Wege -der Gesetzgebung notwendig. Es handelt sich hier um die -in die Seuchengesetzgebung fallenden Krankheiten und die Geschlechtskrankheiten. Was die Frage der Geheimmittel anlangt, so ist daraus bedacht genommen worden, die Aus­wüchse der öffentlichen Reklame zu beschränken und gewisse Heilmittel, Instrumente und Apparate zu untersagen. Ueber die Untersagung entscheide im geordneten Verfahren eine aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen zu­sammengesetzte Kommission, die dem kaiserlichen Gesund­heitsamt unterstellt wird. Die Regierung glaube mit diesen Bestimmungen auszureicheu, um Auswüchse zu beseitigen, ohne übermäßig in den Gewerbebetrieb einzugreifen, gegen den Einwendungen nicht zu erheben sind.

Dr. Faßbender (Ztr.) betont, der vorliegende Ent­wurf finde selbst in Aerztekreisen nicht allgemeine Zustim­mung, denn er schasst die Kategorie der nicht approbierten Aerzte, die den approbierten gleichgestellt werden. Redner beantragt Verweisung an eine 28gliedrige Kommission.

Dr. Henning (k.) begrüßt es, daß endlich auf reichsgesetzlichem Wege einheitlich gegen die bestehenden Mißstände vorgegangen wird.

Zietsch (S.) tritt für die Bekämpfung des wirklichen Schwindels im Geheimmittelwesen ein. Die Vorlage gehe aber darüber hinaus und schädige Handel und Industrie.

Müller-Meiningen (fr. Vp.) stimmt dem Grund­gedanken, dem Kampf gegen den Schwindel, ebenfalls zu, bemängelt aber die zu weit bemessenen Befugnisse des Bundesrats, die wesentlich beschränkt werden müßten.

Ministerialdirektor Ionquieres gibt noch eine Er­läuterung der Vorlage. Es handle sich um ein Gesetz zum Schutze der Volksgesundheit und richte sich nicht gegen den Stand der Naturheilkundigen. Wir hoffen, daß der Reichs­tag trotz der starken Ueberlastung die Vorlage noch in dieser Session wird verabschieden können.

Arming (n.) vertritt den Standpunkt der Aerzte und hält eine Kommission von 21 Mitgliedern für ausreichend.

Nach kurzen Bemerkungen der Abg. Höffel (Rp.) und Lattmann (w. Bg.) vertagt sich das Haus.

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

Nagold, den 2. Dezember 1910.

* Vom Rathaus. Verlesen wird ein im Vcrbands- organ der württ. Landarbeiter erschienener und von der Schwäb. Tagwacht" aufgegriffener Artikel, welcher sich mit den erst vor kurzem von den bürgerl. Kollegien Nagolds neugeregelten bezw. erhöhten Taglöhnen der hiesigen Wald­arbeiter beschäftigt. Es wird dort angeführt, daß in anderen Städten wie'Böblingen, Eßlingen 3^ und darüber Tage­lohn bezahlt würden. In der Diskussion wird konstatiert, daß die neuen Tagelöhne nach gewissenhafter Einschätzung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Arbeiter durch deren Vor­gesetzte im Stadtbauamt und in der städtischen Forstoer- waltung und nach Berücksichtigung der örtlichen Wohnungs- nerhältnisse und der sonstigen Lebenshaltung festgesetzt wor­den waren und zwar ohne Zutun der Bitte der Arbeiter sondern lediglich von der Verwaltung aus. Ein Vergleich mit Eßlingen oder Böblingen lasse sich ohne nähere Erheb­ungen aller in Betracht kommenden Verhältnisse nicht an- stellen, nur soviel stehe für Nagold fest, daß gerade die im ^old bchyäftigten Taglohnsarbeiter hierj nirgends mehr als bei der Stadt verdienen würden, ja manche sind dabei altere arbeitsschwache Männer, Rentner rc. die den verwilligten Lohn nicht verdienen und eben gehalten werden, damit sie einen Verdienst haben. Es ist seitens der Bwrstverwaltung den Taglöhnern schon vielfach angeboten worden Akkordsarbetten zu übernehmen, bei welcher die tüchtigen Arbeiter 3 ^ und mehr verdienen, allein sie haben Dies immer abgelehnt, aus dem einfachen Grund, weil sie dabei nicht einmal auf die Höhe der Taglohnsfätze kommen wurden. Der Gemeinderat wünscht, daß die Forstverwalt- ung den in Betracht kommenden Taglöhnern 14 Mann nochmals Gelegenheit zu Akkordarbeit gibt, bei welcher sich darin, zeigen wird, was sie wirklich verdienen, im übrigen .soll es. bei den bestehenden Sätzen belassen werden, denn

für die Gemeindeverwaltung sind nicht nur einseitige Inte­ressen, sondern auch die der Gesamtheit namentlich der Steuerzahler zu berücksichtigen, den letzteren kann durchaus nicht zugemutet werden, daß sie zusehen wie die städtischen Einrichtungen für Zwecke einer Versorgungsanstalt mißbraucht werden sollen. Der Gemeinderat ist weiter der Ansicht, daß die in Betracht kommenden Taglöhner selbst mit ihren Löhnen zufrieden sind und die Artikel nur Hetzarbeiten ge­wisser Macher sind die Unzufriedenheit stiften wollen; aus diesen Gründen fällt es ihm auch nicht bei, sich durch Presserzeugnisse, wie dasjenige des Verbandsorgans der württembergischen Landarbeiter imponieren zu lassen.

Verlesen wird das Gutachten des Sachverständigen des K. Bauamts für das öffentliche Wasseroersorgungswesen über eine Untersuchung der Quellsassung des Iakobsbrun- nens, wornach eine konstatierte Schlammansammlung in der Quellstube vom Erdreich herstamme und unbedenklich sei; der Sachverständige empfiehlt die beiden Iakobsquellen neu zu fassen und womöglich zu vereinigen; die alten Quelladern müssen vollständig aufgedeckt, mittelst einer Steinpackung neu gefaßt werden und durch einen gut eingebrachten Letten­schlag gegen jegliche Tagwasserzuslüsse geschützt werden, ferner wird eine tiefgründigere Fassung empfohlen, wobei es sich als nicht unmöglich Herausstellen könnte, daß sich die Wasser­lieferung der Quellen steigern ließe. Das Gutachten er­wähnt weiter die neue Quelle am Genesungsheim Waldeck, welche schon bekannt war und bezeichnet diese Quelle als sehr wertvoll zur Wasserversorgung der hochgelegenen Bau­quartiere beim Bahnhof; ferner konstatiert das Gutachten, daß sich die ganze Anlage der Wasserversorgung in gutem Stande befinde. Genehmigt wird in widerruflicher Weise die Herstellung einer Abwasserdohle von den zwei Neubauten des Ziegeleibesitzers Rauser auf der Insel über städtisches Eigentum. Verlesen wird der Akkordsvertrag über die Stellung zweier Dampfstraßenwalzen für die Straße nach Haiterbach durch die beteiligten Gemeinden Nagold, Isels- hausen, Oberschwandorf, Haiterbach. Mitgeteilt wird, daß die Einkaufskommission für Aufkauf von Simmentaler- farren vom Uebererlös der Stadtgemeinde Nagold 11,3 "/<, ersetzt habe, so daß der gekaufte Farren statt 830 ^ nur noch auf 740 ^ Kosten zu stehen komme. Verlesen wird eine Eingabe der Mutterschweinbesitzer mit dem Ersuchen um Anschaffung eines neuen Ebers. Beschlossen wird zuerst das Gutachten des Oberamtstierarztes einzuholen. Wegen einer Veleidigung des Stadtpslegers Lenz durch Fr. Lutz, Schreiner in Ausübung seines Amts bei der Versteigemng des städtischen Obstes hat sich der Gemeinderat dem Straf­antrag des Stadtpflegers als dessen Dienstbehörde ange­schlossen. Beklagter hat vor K. Amtsgericht Abbitte geleistet und zahlt die Kosten. Stadtpfleger Lenz hat darauf die Anklage im Einverständnis des Gemeinderats zurückgezogen.

Bekanntgegeben wird die Ouartierverglltungsliste und be­schlossen die Stadtpflege zu beauftragen die Quartierver­gütungen an die Quartierträger auszubezahlen bezw. mit denselben auf ihre Schuldigkeiten an die Stadtpflcge zu verrechnen. Nach der Liste ist zu bezahlen Scroisoergütung 1413.52 für Quartieroerpflegung 5158.70 Zuschuß der Amtskorporation 1112.55 desgl. der Gemeinde 1095.75 zusammen 8780.52-ck. Für die an die einzelnen Truppenteile von der Stadtverwaltung abgegebenen Futter­mittel mit 5704,05 ü - Haber, 2207,500 k r Heu und 1631,750 K-5 Stroh wurden vergütet 1174.10 -H. Der Vorsitzende teilt mit, daß er eine unvermutete Revision sämtlicher Kassen und Rechnungsführungen des Stadtpflegers vorgenommen habe. Die Kaffen und die Geschäftsführung befinden sich in Ordnung.

: Gedenkfeier. Der Feiertag Andreas war für die Veteranen wieder ein schöner Ehrentag. Nicht um ihre Ehre zu suchen, sondern dieselbe dem zu geben, dem sie ge­bührt. beteiligten sie sich am Gottesdienst in der Stadtkirche. Es war ein herzbeweglicher Anblick, als die 19 Veteranen, meist graubärtige Männer, stramm und aufrecht mit ihrer Fahne einhermarschierten: herzbeweglich war auch die Pre­digt von Herrn Stadtpfarrer Merz, die, an mehrere Schrift­worte anknüpfend, der in Frankreichs Erde ruhenden Brüder gedachte und die Ueberlebenden zum Dank gegen Gott und zu fernerem opferfreudigen Leben im Dienste des Vater­landes aufforderte. Der Einladung zur Abendoersamm­lung im Gasth. z.Krone" wurde zahlreich Folge geleistet; zur Freude der alten Krieger hatten sich auch die Herren Seminarrektor Dieterle, Dekan Pfleiderer und Oberamtmann Kommerell eingefunden. Der Hauptredner des Abends, Herr Oberpräzeptor Haller, entrollte an der Hand einer für diesen Abend entworfenen instruktiven Karte ein Bild von dem Angriff der Franzosen auf Dillrers und zwar in solch anschaulicher Weise, daß sich der Zuhörer ganz in jenes Terrain versetzt glaubte. Seine Ausführungen sind

einem Werke des französischen Generals Ducrot entnommen. Verschiedene Ansprachen würzten des weiteren den Abend, gemeinsam mit Klavierbegleitung gesungene Lieder brachten Leben in die ansehnliche Versammlung, so daß Vorstand Ber siecher zum Schluß seiner vollen Befriedigung Aus­druck geben konnte.

r Stuttgart, 1 . Dez. (Hostheater.) In der Weih­nachtszeit finden auch in dieser Spielzeit wieder eine Anzahl von Vorstellungen zu ermäßigten Preisen und bei frühzeitigem Beginn Aufführung statt. Es wir gegeben: Neu einstudiert: Schneewittchen und die 7 Zwerge, fernerHänsel und Gretel" von Humperdink undMax und Moritz" und diePuppen­fee". Die Vorstellungen fallen in die Zeit vom 10. bis 22. Dezember die genauen Daten sind aus den Plakaten an den Anschlagsäulen und aus den Theaterzetteln zu ersehen. Der Vorverkauf für alle Vorstellungen beginnt bereits am Freitag, den 2. Dezember.

Stuttgart, 1. Dez. Ein Korr.-Bur. schreibt: Die erlaubte Einfuhr von französischem Vieh und die Hinweise in der Presse, daß in verschiedenen Landesteilen die Schweine­preise zurückgegangen sind, haben zur Folge gehabt, daß in der von heute an geltenden Fleischpreisnotierung der Stutt­garter Fleischerinnung ein kleiner Preisabschlag bei fast allen Fleischsorten, mit Ausnahme von Hammel- und Schaf- sleisch eingetreten ist. Der Preis von Ochsenfleisch ist von 90 auf 88, von Rindfleisch I. Qualität von 90 auf 85, von Rindfleisch II. Qualität von 85 auf 80, von Kuhfleisch von 65 auf 55, von Kalbfleisch I. Qualität von 95 auf 90, von Kalbfleisch II. Qualität von 90 auf 85, von Schweine­fleisch von 90 auf 85 und von unabgedecktem Schweine­fleisch von 85 auf 80 ^ per Pfund zurllckgegangen. Hammel- und Schafsleisch kostet wie bisher 75 bezw. 65 per Pfund. Also ein kleiner, allerdings recht bescheidener Anfang ist gemacht; hoffentlich machen die Metzger bald weitere Konzessionen.

Stuttgart, 30. Nos. Der Verein württ. höherer Verwaltungsbeamten, der gegen 230 Mitglieder zählt, tagte am Sonntag nachmittag im Saal der Bauhütte. Aus der Fülle der Verhandlungsgegenstände erscheint die Stellung des Vereins zu der vielerörterten Aemteroerein- fachung bemerkenswert. Der Verein steht auf dem Stand­punkt, daß er (unter Voranstellung des Allgemeininteresses die Forderungen nach Vereinfachung der Staatsverwaltung, soweit sie berechtigt sind, unterstützen wird. Weiter strebt der Verein an, daß ihm Gelegenheit zur Aeußerung über Gesetzesvorlagen und sonstigen Maßnahmen allgemeiner Art, die erheblichere dienstliche und berufliche Interessen seiner Mitglieder berühren, gewährt wird. Ueber ein Haupt­anliegen des Vereins, die Weiterbildung des höheren Ver- waltungsbeamten, sprach alsdann in fesselnder Weise Polizeiamtmann Hirzel-Reutlingen; an der Hand der von dem Vortragenden aufgestellteu Leitsätze wird diese Frage weiter verfolgt werden. Zum Schluß hielt Reg.-Rat Häffner eine den schwierigen Stoff sachkundig bemustern­den Bortrag über Aufgaben und Stellung der staatlichen Verwaltungsbehörden in der neuen Bauordnung. Vei der Wahl des Vorstands wurden wiederum Regierungsrat Häffner zum Vorsitzenden, Regierungsrat Lautenschlager zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Zum Fall Vogt. Spät, sehr spät ergreift nun auch der Abg. Vogt selbst das Wort zu einerErklärung" bezüglich der Briefe, die er am 14. Dezember 1906 an den sozialdemokratischen Abgeordneten Hildenbrand und, wie jetzt durch Herrn Vogt selbst bekannt wird, an den früheren demokratischen Abgeordneten Schmidt-Maulbronn (Chef­redakteur des Beobachter) gerichtet hat. Der Kernpunkt dieser Erklärung liegt darin, daß bei den letzten Landtags­wahlen dem Kandidaten Vogt zwischen der ersten und der zweiten Wahl von verschiedenen Seiten, sowohl aus den Reihen des Bauernbundes, als auch von Mitgliedern der demokratischen Partei des Bezirks Neckarsulm nahe gelegt worden sei, doch eine Annäherung der beiden Parteien an­zubahnen und auch Fühlung mit der Sozialdemokratie zu nehmen. Er habe dies ganz von sich aus getan, ohne Ver­bindung mit der Parteileitung, wie er überhaupt im Wahl- Kampf so gut wie ganz auf sich allein angewiesen gewesen sei. Solche Abmachungen im Wahlkampfe seien auch schon zwischen anderen Parteien, sogar von Parteileitung zu Parteileitung, getroffen worden, ohne daß viel Aufhebens gemacht worden wäre. Der Grund zur Mißachtung des Briefgeheimnisses ihm (Vogt) gegenüber liege bei den beiden Parteien in dem vorliegenden Falle wohl darin, daß er (Bogt)in den letzten Jahren" zu der Erkenntnis gekommen sei, daß eine gesunde Entwicklung unseres Volkes mehr und mehr durch das Festhalten an konservativen Anschauungen bedingt sei.