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Pascha in Berlin getroffen worden. In Konstantinopeler diplomatischen Kreisen werde der Besuch des deutschen Kaiserpaares in Konstanttnopel als ein Akt von hoher politischer Bedeutung aufgefaßt, was schon aus der Thal- suche hervorqehe, daß seitens der russischen Diplomatie in Konstantinopel die größten Anstrengungen unternommen wurden, um denselben zu vereiteln.
Frkf. I.
Berlin, 27. Sept. Nach einer hier eingelaufenen Depesche aus Sansibar wäre einDampfer des Reichskommiffars Wißmann von einem englischen Schiffe ungehalten und durchsucht worden. Es wird wohl bald darüber eine befriedigende Aufklärung erfolgen.
— Aus Sansibar wird unterm 26. September gemeldet: Reichskommissar Wißmann zerstörte bei einer zur Sicherung der Karawanenstraßen unternommenen Rekognoszierung, vier Tagereisen von Brga- moyo entfernt, zwei Lager aufständischer Araber und setzte dann seinen Maisch nach Mpwapwa fort. — Der Gesundheitszustand der Wißmann 'scheu Truppe hat sich übrigens in den Monaten Juli und August wesentlich gebessert und ist jetzt ein zufriedenstellender. Schwere Fiebererkranku gen find m genannten Monaten nur drei vorgekommen. Große Widerstandsfähigkeit haben neben den eingeborenen Askaris auch die Zulus bewiesen. Die weißen Mannschaften, deren Widerstandsfähigkeit sich für den Dienst in den Tropen nicht geeignet erwiesen hatte, sind zurückgeschrckt.
— Die Gesandtschaft des Sultans von Sansibar wird am Montag mittaa 12>/2 Uhr vom Kaffer Wilhelm empfangen werden. Sre überbringt dem Kaffer wie auch dem Fürsten Bismarck wertvolle Geschenke in Gold, Silber und Elfenbein. Gestern wurde die Gesandtschaft im Auswärtigen Amte empfangen; sie überreichte dem Grafen Herbert Bismarck Briefe de« Sultans an den Kaffer und an den Fürsten Bismarck. Die Audienz dauerte >/e Stunde.
Hamburg, 26. Sept. Von den Führern der Sozialdemokratie scheint die Pirole ausgegeben zu sein, die Arbeiter über die Forderung der nächsten Zukunft aufzuklären. Bei den verschiedenen hiesigen Fachvereinen haben in den letzten Versammlungen die Redner als die nächsten Forderungen, welche durch die Streiks erzwungen werden sollen, bezeichnet: Neben entsprechender Lohnerhöhung zunächst die achtstündige, dann die sieben- stündige Arbeitszeit. Hierdurch müssen naturgemäß die kleinen Meister und Arbeitgeber unter die „Rä'ur" kommen und zermalmt werden. Die Folge davon würde sein, daß die Leute sann mit der heutigen Gesellschaftsordnung nicht mehr zufrieden wären und das Heer der Sozialdemokratie vergrößerten. Die Streiks seien das beste Mittel der Propaganda für die Sozialdemokratie, daher mußten dieselben überall mit Energie durchgeführt werden. Die nächsten Reichstagswahlen „würden eine große sozialdemokratische Heerschau sein, welche die Welt in Staunen s-tzen werde."
Ausland.
— Die 7000 streikenoen Dockarbeiter in Rotterdamm sind mit ihren Arbeitgebern in Unterhandlung getreten. Die Londoner Dockarbeiter sandten 6000 Gulden zur Unterstützung ihrer Kollegen.
London, 29. Sept. Der Prinz von Wales ist mit seinen Söhnen gestern A'end nach Kopenhagen abgereist; später wird der Piinz von Wales sich mit seiner ganzen Familie von Kopenhagen zu den Hochzeitsfeierlichkeiten nach Athen begeben, von wo aus Prinz Albert Viktor die beabsichtigte Reise nach Indien antreten dürfte.
Madrid, 28. Sept. Prinz Heinrich von Preußen ist heute hier eingetroffen.
— Die „Times" meldet aus Konstantinopel: Ein kaiserliches Dekret setzt die Friedenspräsenzstärke der türkischen Armee von dem gegenwärtigen Bestände von 250,000 Mann auf 100,000 Mann herab, wodurch eine Ersparnis von zwei Millionen Pfund ermöglicht und das Gleichgewicht des Budgets hergestellt wird.
Tages-Weuigkeiten.
* Calw. 30. Sept. Die auf gestern nachmittag im Waldhorn an- beraumte W ä h l e r v e rs a m m lun g für die am 17. Oktober im Vll. württ. Wahlkreis stattfindende Reichstagswahl hatte sich sowohl von hier als besonders auch von auswärts eines recht zahlreichen Besuches zu erfreuen. Der Landtagsabgeordnete unseres Bezirks, Hc. Stadtschultheiß Haffner, begrüßte im Namen des Wrhlkomites die Wähler und gedachte sodann mit herzlichen Worten der 12jährigen, ersprießlichen Thätigkeit de« bisherigen, leider zu früh verstorbenen Reichstagsabgeordneten, des Hrn. Geh. Kommerzienrats Julius Staelin. Die Versammlung ehrte das Andenken des edlen Mannes durch einmütiges Erheben von den Sitzen. Für die nun notwendig gewordene Ersatzwahl hat sich auf Ansuchen eines vereinigten Komites der 4 Oberämter Calw, Nagold. Hrrrenberg und Neuenbürg Hc. Landgerichtsrat Frhr. v. Gültlingen in Stuttgart bereit erklärt, eine Kandidatur für den Reichstag anzunehmen, welche Nachricht bei allen nationalgesinnten Männern des Bezirks die beste Aufnahme fand. Von dem Vorsitzenden der Versammlung vorgestellt, entwickelte der Kandidat in halbstündiger, freier Rede die allgemeinen Grundsätze, die ihn im Falle seiner Erwählung in Berlin leiten würden. Ec stehe, sagte er, vor allem treu zu Kaiser und Reich und werde jederzeit für die Erhaltung des deutschen Reiches und der mit so schweren Opfern errungenen deutschen Einheit und Machtstellung mit aller Kraft ein« treten. Dabei sei er aber auch ein guter Württemberger und den Einzelstaaten aufs wärmste zugethan. Die besonderen Einrichtungen und Reservatrechte dieser Staaten feien zu schützen und zu erhalten. Zu der sozialen und volkswirtschaftlichen Politik der Reichsregierung habe er volles Vertrauen und er würde im Sinne der kaiserlichen Botschaft an dem Weiterbau dieser Gesetzgebung Mitwirken. Er sei ferner für Aufrechthaltung eines mäßigen Schutzzolles, welchen der Landmann und der Industrielle zur Förderung der Früchte seiner Arbeit bedarf. Nach einigen weiteren Ausführungen kam Redner auf die Vorlagen zu sprechen, die den Reichstag noch in seiner letzten Periode beschäftigen werden. Sicher sei zunächst nur, daß der Etat zur Beratung komme, Genaues über denselben sei nicht bekannt, er betone aber, daß er jeden Posten gründlich prüfen und nur die notwendigen Mittel bewilligen würde, er sei überhaupt für größte Sparsamkeit im Haushalt des Reichs. Wahrscheinlich werden auch die Getreidezölle zur Sprache kommen. Er würde für dieselben eintreten, da es einerseits verfrüht wäre, nach noch nicht 2jäh- riger Geltung derselben, sie schon wieder aufzuheben und da andererseits nach seiner Meinung die in einer Notlage sich befindende Landwirtschaft diese Zölle nicht entbehren könne. Ec sei weiter für eine Steuergesetzgebung, für eine Einkommenssteuer, die die Steuer da nehme, wo sie zu nehmen sei, nemlich bei denen, die aus Kapital große Renten beziehen. Den Armen und Witwen, die ihr kleines Kapital zum Lebensunterhalt brauchen, sei dasselbe nicht durch eine drückende Steuer zu schmälern. Für Beibehaltung der Notenbanken würde er ebenfalls eintreten und in der Alters-, Unfall- und Invalidenversicherung erblicke er für die arbeitenden Klaffen die größte Wohlthat. Es sei zu wünschen, daß bei diesen Gesetzen die Verwaltung möglichst vereinfacht werde. In der Erlassung neuer Gesetze sei weises Maß zu halten, denn die Gesetze haben sich so gehäuft, daß es dem Volk schwer falle, sich in dieselben einzuleben; er würde für Fortbestehen des Sozialistengesetzes stimmen, da die Sozialdemokratie durch ihre Ausnahmestellung im Staat auch ein Ausnahmegesetz verdient habe und überdies würde es schwer halten, dieses Gesetz in das allgemeine Recht überzuführen, ohne dadurch Unschuldige zu treffen. Zum Schluß der mit großem Beifall begleiteten Ausführungen kam der Redner noch auf seine persönlichen Verhältnisse zu sprechen und erklärte sich noch bereit, etwaige Anfragen sofort zu beantworten. Da solche nicht gestellt wurden, nahm Hr. Rektor vr. Weizsäcker das Wort, um das Programm und die Person des Kandidaten noch näher 'zu beleuchten und die Wähler aufzusordern, mit allen Mitteln und mit größter Energie sür die aufgestellte Kandidatur zu wirken. Er schloß seine packende Ansprache mit einem kräf-
etwas höher gestanden, seinen Arm zu reichen, doch zu seinem Schrecken bemerkte er, daß sie fort war. Ein heftiges Zittern befiel ihn vor Zorn.
Was konnte geschehen sein? Wie war es nur möglich, daß sie so plötzlich hatte verschwinden können? Vielleicht hatte sie bemerkt, was er ihr sagen wollte, und da sie nicht willens war, ihm anzugehören, hatte sie sich davongemacht. Oder sollte sie den Weg durch das plötzliche Verdunkeln des Mondes verfehlt haben und ins Wasser gestürzt sein?
Bei diesem Gedanken ergriff ihn die heftigste Aufregung und indem er sich ganz in der Nähe des Stromes hielt, ging er die Bucht entlang und rief laut: „Miß Doyne! — Kamilla! — Kamilla! — Miß Doyne!"
Und dann stand er still und lauschte auf eine Antwort. Doch nur das Echo seiner eigenen Stimme kam, wie seiner spottend, zurück. Enttäuscht, geärgert, ängst- licy, ging Josiah unter den Bäumen auf und nieder, die Hände in den Taschen, auf die übrige Gesellschaft wartend und nicht wissend, was er Sir Prendergast sagen sollte.
Die Thatsache war, daß Kamilla den kleinen Pfad entlang ging, während Josiah Hickman und seine Gäste nach den Booten sahen. Sie fühlte die Nähe der Katastrophe; sie fühlte, daß der Moment gekommen sei, der sie in Ketten schlagen mußte, in verhaßte Sklavenketten, denen sie dennoch nicht entgehen konnte. Plötzlich, mitten in ihren traurigen, sorgenvollen Gedanken tauchte ein dunkler Schatten vor ihr auf und versperrte ihr den Weg.
Kamilla taumelte zurück. Im nächsten Moment entrang sich ein Schrei ihren Lippen:
„Arthur — Mr. Charlton — Sie — Sie?"
Ehe Kamilla es sich versah, hatte der junge Künstler ihre Hand erfaßt und dieselbe stürmisch drückend, stieß er erregt, mit gedämpfter Stimme hervor:
„Ich muß Sie heute Nacht noch sprechen. Kommen Sie, — o, bitte, Kamilla! Mein Boot liegt dort an der Bucht. Kommen Sie nur für eine halbe Stunde mit mir! Ich bringe Sie hierher zurück oder nach dem Hötel, wie Sie wünschen! Kommen Sie, ich beschwöre Sie!"
Es war eine große Versuchung für sie. Morgen wahrscheinlich würde sie die Verlobte des Mannes sein, den sie so sehr haßte, wie sie ihn verachtete. Warum sollte sie sich den kleinen Aufschub versagen, ehe sie die schreckliche Zukunft begann? Morgen mußte sie auf die Liebesgespräche des ältlichen, derben Fabrikanten hören, dessen Gegenwart sie schaudernd machte. Sie sehnte sich danach, ein Wort der Zärtlichkeit zu hören, — wenn auch nur eins, — von den Lippen des Mannes, dem sie, wenn sie den Mut dazu gehabt, selbst ihre Liebe gestanden hätte. Das Geständnis dieser leidenschaftlichen Liebe war der stolzeste Gedanke ihres Herzens. O, wenn sie nur Beide nicht so arm gewesen wären, welch einen Himmel auf Erden hätte ihr Dasein ihnen geboten!
„Kommen Sie, Kamilla, kommen Sie!" drängte Arthur, indem er ihre Hände erfaßte und sie nach dem Wasser zog.
Sie zauderte, sie schüttelte den Kopf; er blieb stehen und sah ihr ins Gesicht; ihre Augen begegneten sich; willengebrochen gab sie nach und ging mit ihm. Einige Augenblicke später schwamm ein Boot ruhig den Strom entlang unter dem bergenden Schatten der Bäume, während die Mitte des Stromes in Helles Mondlicht getaucht war. Und ein Mann kniete zu den Füßen eines Weibes, hielt ihre Hand in der seinigen und flüsterte eine Fülle leidenschaftlicher Worte in ihr Ohr:
„Wollen Sie mein Weib sein, Kamilla? Sie wissen, daß ich Sie mehr als mein Leben, ja, mehr als meine Kunst liebe! Wollen Sie ganz mein eigen sein?"
Er hörte einen tiefen Seufzer und fühlte eine sanfte Hand auf seinem Haupte.
„Es kann nicht sein, Arthur," flüsterte die Stimme, deren Ton ihn so mächtig bezauberte. „Ich gestehe Ihnen, daß Sie mir weniger gleichgültig sind, als irgend
ein Mann, dem ich bis jetzt begegnet bin, und wären die Umstände günstiger-
doch nein, es ist unmöglich!"
„Warum unmöglich, va ich Sie liebe? Und — vergebm Sie mir, wenn ich zu kühn bin! — ein unerklärliches Etwas sagt mir, daß auch Sie mich lieben!"
(Fortsetzung folgt.)