des Stempels vorhandenen Zustandes unvermeidlich wäre, reils mit Rücksicht auf den Verkehrszuwachs, teils im Hinblick auf die dann wieder wegsallendeu kleinen Betriebserleichterungen und Zeitersparnisse. Die vielfach hervorgehobenen Befürchtungen, daß die Briefträger mangels einer Kontrolle durch den Ankunftsstempel sich leicht Verschleppungen zu schulden kommen lassen werden, habe sich nicht bestätigt. Die Reichspostverwaltung werde, um dem Publikum eine Kontrolle der rechtzeitigen Bestellung zu erleichtern, anordnen, daß durch die Zeitungen und in sonst geeigneter Weise zur öffentlichen Kenntnis gebracht wird, zu welchen Bestellgängen die mit den einzelnen Postzügen beförderten Briessendungen planmäßig gelangen müssen. — Nach dieser Antwort des Reichspostamtes sind auch die Aussichten auf eine Wiedereinführung des Ankunftsstempels bei unserer württembergischen Postverwaltung äußerst gering. Umsomehr darf die Hoffnung ausgesprochen werden, daß unsere Verwaltung gleich der des Reichspostamtes die letzt erwähnte Bekanntgabe durch die Zeitungen auch ihrerseits durchführen wird, um dem vielfach noch vorhandenen Mißtrauen des Publikums bezüglich der rechtzeitigen Bestellung der Briefe wirksam zu begegnen.
* Eine humane Entscheidung. Das Reichsinvalidenversicherungsamt in Berlin hat nunmehr entschieden, daß einem Rentenbewerber, dem die Rente rechtskräftig entzogen worden ist, in einem neuen, auf seinen Antrag eingeleiteten Verfahren die Rente in unmittelbarem Anschluß an die frühere Bezugszeit wieder zugesprochen werden kann, ohne daß es des Nachweises einer Verschlimmerung im Zustande des Bewerbers bedarf. Jedoch findet in einem solchen Falle eine Anrechnung der Zeit des früheren Rentenbezuges nicht statt.
0 Rohrdorf, 20. Nov. An den Folgen einer Blutvergiftung ist gestern der 18jähr. Sohn des Gemeinderats 2. Bühler gestorben. Der frühe Tod des stillen und fleißigen jungen Mannes wird allgemein bedauert. Den schwer geprüften Eltern wendet sich allseitige Teilnahme zu.
Horb, 19. Nvo. Gestern abend fand im Gasthof zum „Schwarzen Adler" hier eine Versammlung des Verbandes der Leichen schauer Württembergs statt, welche einen regen Verlauf nahm. Leichenschauer Maichel-Ober- marchtal referierte über die gegenwärtige Lage des Leichenschaueroereins und über die Ziele und Bestrebungen des Verbands. Die Anwesenden schlossen sich ohne Ausnahme dem Verband an. Die Diskussion war sehr lebhaft.
Stuttgart, 19. Nov. Der Beobachter veröffentlicht heute einen zweiten Brief des bllndlerischen Reichstagsabgeordneten Vogt, den dieser am gleichen Tage, an dem er dasselbe Schreiben an den sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten richtete, an ein Mitglied der Volkspartei gesandt hat. In diesem Brief hat der Abgeordnete Vogt gleichfalls die Volkspartei um Hilfe in seinem Wahlkreis ersucht.
Stuttgart, 16. Nov. Vereinigung von evangelischen Religionslehrern an den höheren Schulen. Unter Leitung von Stadtpsarrer Fauser-Ravensburg hat sich heute bei zahlreicher Beteiligung aus dem ganzen Lande nach eingehender Beratung der Satzungen die Gründung der Bereinigung vollzogen. Sämtliche Anwesende sind ihr alsbald beigetreten. Vorausgegangen waren Referate von Prof. Dr. Fauser und Prof. Lic. Dr. Holzinger-Stutt- gart. Zum Vorsitzenden wurde, dem Antrag des Versammlungsleitenden entsprechend, ein Religionslehrer im Hauptamt berufen, in der Person des Professors Lic. Dr. Holzinger. Außerdem wurden in den Vorstand gewählt: Stadtpfarrer Fauser-Ravensburg, Professor Lic. Dr. Faut-Stuttgart, Dekan Dr. Köstlin-Backnang, Stadtpfarrer Dr. Stockmayer- Stuttgart. — Zweck der Vereinigung ist Förderung des evang. Religionsunterrichts an den höheren Schulen durch Behandlung und Vertretung beruflicher und rechtlicher Angelegenheiten des Dienstes. Das Recht, Mitglied zu werden, beschränkt sich nicht auf die theologisch gebildeten Religions-
Aus meinem A sdpred rer eben 1870—71.
Von ch Hsinrich Köstlin.
Fortsetzung.
Am 29. Januar zogen wir in Nogent ein. Es ist ein eigentümliches Gefühl, in eine Stadt eiuzuziehen, vor der man so lange gelegen ist. Unter den Klängen des Pariser Einzugsmarsches von 1814 zogen wir ein. Beim Einzug standeu die Einwohner auf den Gassen und sahen uns an, als wären wir Wundertiere. Unsere Soldaten suchten durch stramme Haltung zu imponieren. Es gelang auch vortrefflich. Den Bewohnern war der Hunger auf das Gesicht geschrieben. Sie waren im Grunde vergnügt, denn sie hatten von ihren Landsleuten viel leiden müssen und waren der Belagerung herzlich müde. Ein greiser Veteran von 1814, die Helena-Medaille auf der Brust, kam auf Freund Det- tinger zu, reichte ihm die Hand und sagte, nun sehe er doch auch einmal wieder Soldaten. Die Häuser waren im höchsten Grade ruiniert und verunreinigt. Einl pestartiger Geruch erfüllte alle Räume; mein Quartier war so unreinlich, daß ich mir ein abgelegenes Garteuhäuschen suchte und die nötigen Möbel znsammentrug und somit im Reinen und Trockenen war. Wenn die Franzosen so mit deni Eigentum ihrer Landsleute umgehen, wie hätten sie's bei uns gemacht!
Als wir die Befestigungen sahen, dankten wir Moltke für seine Vorsicht. Ein Erstürmen dieser Positionen hätte entsetzlich Blut gekostet, oder wäre geradezu unmöglich gewesen. Dem Städtchen sieht man das Bombardement nicht so sehr an; nur die Batterien sind zerstört, die Häuser ge-
lehrer, sondern steht ganz ebenso auch den übrigen, akademisch oder nicht akademisch vorgebildeten Lehrern zu, sofern sie mit evang. Religionsunterricht an einer höheren Schule betraut sind.
Lind die Sitzungen des Ortsschulrats öffentlich ? Auf diese an ihn gerichtete Anfrage hat der geschäfts- führeude Ausschuß des Württ. Volksschulvereins eine sichere Antwort nicht geben können. Er meint, daß wenn die Gemeindeordnung auch auf den Ortsschulrat angewendet wird, die Sitzungen dieser Behörde öffentlich sind. Jedenfalls könne, wenn die Sitzungen als nichtöffentliche angesehen werden wollen, nicht verboten sein, daß die Lehrermitglieder den Kollegen Bericht erstatten über die allgemeinen Schulfragen, bei denen das persönliche Interesse des Einzelnen in Frage kommt. Es heißt dann weiter, es werde gut sein, wenn die Lehrer des Ortsschulrats aus Aufstellung einer Geschäftsordnung dringen, in welcher auch z. B. genau festgelegt werden muß, daß ein Lehrer nur dann nicht an der Beschlußfassung teilnehmen darf, wenn es sich um sein spezielles persönliches Interesse handelt, daß aber bei allgemeinen Besoldungsfragen, bei der Mietzinsentschädigung für die Gesamtheit der Lehrer, bei der Frage der Pflichtstunden für alle Lehrer usw. den Lehrermitgliedern hie Abstimmung nicht verwehrt werden kann.
Zur Fleischteuernng. Der „Staats-Anz." schreibt: Nach übereinstimmenden Nachrichten von den Land-Vieh- märkten und vom Stuttgarter Schlachthof sind die Schweine- prcise jetzt in entschiedenem und ständigem Rückgang begriffen. Dagegen haben die Metzger bis jetzt noch nicht Veranlassung genommen, bei Festsetzung der Fleischpreise der veränderten Sachlage Rechnung zu tragen. Demjenigen Teil der Presse, der seine Leser immer noch über die Fleischnot und ihre Folgen unterhält, dürste zu empfehlen sein, nunmehr auch über die sinkenden Schweinepreise zu berichten und so, statt auch für die anhaltend hohen Schweinesleischpreise den Anschein einer Berechtigung kzu schaffen, eher Einfluß zu nehmen auf eine den sinkenden Marktpreisen entsprechende Herabsetzung der Verkaufspreise.
p Stuttgart, 19. Nov. Die sozialdemokratische Schwäbische Tagwacht hatte kürzlich au die konservative Deutsche Reichspost die Anfrage gerichtet, wie es zu beurteilen sei, wenn ein bllndlerischer Reichstagsabgeordneter der Sozialdemokratie ein Landtagsmandat zu sichern verspricht, falls diese ihm sein Mandat rette. Daraufhin wurde in den grünen Heften des Bundes der Landwirte geantwortet, daß an einer solchen Anfrage kein wahres Wort sei. Nunmehr veröffentlichte die Tagwacht einen Brief des Reichs- uud Laudtagsabgeordneten Bogt-Gochsen, in welchem eine solche Anfrage tatsächlich enthalten ist und der „Beobachter" veröffentlicht heute einen zweiten Brief desselben Abgeordneten, in dem dieser die gleiche Anfrage am selben Tage an ein Mitglied der Volkspartei gerichtet hat. Mail darf gespannt sein, welche Aufklärung nunmehr von konservativer Seite erfolgen wird.
r Zuffenhausen, 19. Nov. (Ein interessanter Rechtsfall). Als die Rekruten diesen Herbst sich in ihren Garnisonen einzufinden hatten, warf hier ein Rekrut seine Reisetasche zu einer Ladentür hinaus und traf ein Kind derart ins Gesicht, daß ihm sofort ein Auge auslies. Das Kind befindet sich seither in einer Stuttgarter Augenklinik. Da der vermögenslose Schütze zu dem Kostenaufwand und dem späteren Fortkommen des Kindes nicht herangezogen werden kann, ist Klage gegen den Militärfiskus anhängig gemacht worden.
r Besigheim, 19. Nov. In der Konkurssache des ehemaligen Schultheißen Benz von Löchgau findet jetzt eine Abschlagsverteilung statt. Die nicht bevorrechtigten Konkursforderungen betragen rund 206750 .H, während die verfügbare Masse einen Wert von ca 46 000 hat.
Heilbronu, 19. Nov. Die Fleischerinnung Heilbronns hat an die Regierung das Ersuchen gerichtet, einen Teil der nach Württemberg gestatteten Einfuhr von französischem Vieh auch dem Heilbronner Schlachthaus zukommen zu lassen. Der Gemeinderat hat diese Eingabe einstimmig unterstützt.
schont. Doch zeigen die Kellereinrichtungen mit ihrem zusammengeschleppten Mobiliar, daß eine große Panik unter den Franzosen geherrscht haben muß.
Nogent, 31. Januar. Heute war es ein herrlicher, sonniger Frühlingstag, d. h. ein schöner Wintertag, der den nahenden Frühling schon ahnen läßt. In Gärten und Anlagen ist viel Grün, den ganzen Winter über, — das macht gleich die Gegend frisch, sobald die Sonne warm scheint. „Lieblicher Frühling, du nahst ... ", das war das erste Gefühl, das mich beherrschte, als ich heute, im Dincenner Gehölz spazieren ritt. Wir dürfen ja wieder von der Zukunft träumen, von Lebens- und Liebesglück, Frühlings- ahnung, stumme Liebe erfüllt mich heute. Wie ritt es sich so schön in dem leuchtenden Sonnenschein! Ein Bild ging mit mir. Das soll mir die trüben, düsteren Schatten der letzten bangen Zeit verscheuchen . . . . :
Ich Hab' so viel gesehen Auf meiner Wanderschaft Sah brechen und vergehen,
Die allertrotzigste Kraft.
Da ist mir nur geblieben,
Ein einziges Vertrau'n:
Auf treues, deutsches Lieben,
Da will ich freudig bau'».
Wie golden, ach wie golden liegt die Welt da, voll Sonnenschein des Friedens und der Liebe!
Anfang Februar. '.Es ritt sich lustig herum, im Wald von Vincennes. Das Schloß leuchtete im Sonnenschein.
i- Bon der Iller, 19. Nov. Kaum sind acht Tage vorüber, seitdem der Illerkorrektionsarbeiter Füll von Feilheim verunglückte, und schon wieder durcheilt eine ähnliche Trauerkunde die Gegend. Vorarbeiter Liedermann von Pleß war mit einigen Arbeitern mit Faschinenführen beschäftigt. Fast an derselben Stelle, an der Füll in die Wellen stürzte, geriet der Kahn wieder in die Illerströmung, sank und zog Liedermann in die Tiefe. Noch bevor es möglich war, dem Verunglückten Hilfe zu bringen, war er in den trüben, reißenden Fluten spurlos verschwunden. Die Leiche ist noch nicht geborgen. Liedermann hinterläßt eine Witwe mit acht Kindern.
Deutsches Reich.
Berlin, 19. Nov. Nach offizieller Information hat der Vatikan bisher preußische Priester und Professoren von der Ablegung des Modernisten-Eides nicht entbunden. Bisher ist nur ein Aufschub erreicht worden, da die Verhandlungen zwischen Berlin und Rom sortdauern.
r Pforzheim, 19. Nov. (Zur Arbeiterbewegung in der Goldindustrie.) In der Kettenindustrie sind etwa 2000 Arbeiter ausgeschieden worden. Im Lause der nächsten Woche werden noch ungefähr 6000 Nachfolgen. Die Stimmung für den Streik ist sehr verschieden. Einesteils hört man, daß organisierte Arbeitswillige bei ihren Fabriken um Weiterbeschäftigung nachsuchen, andernteils hört man auch wieder, daß namentlich bei den Arbeitern auf dem Lande durchaus große Lust zum Streik vorhanden sei. Aus Arbeiterkreisen wird heute in den Zeitungen die Einberufung einer Massenversammlung vorgeschlagen, um darüber abzustimmen, ob die Forderungen des Metallarbeiterverbandes ermäßigt werden. Von Ausschreitungen wesentlicher Art ist nichts zu berichten.
Donaueschingen, 19. Nov. Der Kaiser hat dem „Donaueschinger Tageblatt" zufolge vor seiner Abreise die Summe von 20000 ^ als Beihilfe zum Neubau einer protestantischen Kirche in Donaueschingen gestiftet; der Fürst zu Fürstenberg hat für den gleichen Zweck 10000 . gespendet.
Ans Lothringen, 19. Nov. In dem Städtchen Pfalzburg ereignete sich dieser Tage der seltsame Fall, daß eine Frau, die für tot gehalten worden und bereits aufgebahrt war, plötzlich wieder lebendig wurde. Diesem Wiedererwachen folgte aber schon nach einigen Stunden das definitive Einschlafen zur ewigen Ruhe.
Leipzig, 18. Nov. Der Raubmörder Karl Koppius wurde heute früh im Hofe des Landgerichtsgefängnis hingerichtet.
Lübeck, 19. Nov. Der begüterten Rentuerin Fräulein Iensen überreichte in ihrer Wohnung der zwanzigjährige Kaufmann Hartmann aus Schwerin einen Erpresserbrief, in dem er unter Androhung der Ermordung 8000 Mark forderte. Als sie sich weigerte, das Geld zu geben, erschoß sie der Eindringling. Er ist verhaftet.
Ausland.
Rom, 19. Nov. Die Meldung des „Messagero", wonach die Stellung des Kardinal-Staatssekretärs Merry del Val erschüttert sei, wird im Vatikan mit dem Bemerken dementiert, daß Merry del Val an seinem Namenstage vom Papste reich beschenkt und seines unerschütterlichen Vertrauens versichert worden wäre.
Mailand, 19. Nov. Im Wasserkraftwerk Masino (bei Sondrio) der „Societa Idroelettrica" platzte ein großes Druckrohr; durch das freigewordene Wasser wurden zwei Häuser weggerissen und drei Menschen getötet; das Kraft- Haus selbst ist unversehrt geblieben.
Paris, 19. Nov. Die Senatsgruppe für Industrie und Handel hat unter dem Vorsitz des ehemaligen Ministers Ceytral eine Versammlung abgehalten, in der nach längerer Erörterung einstimmig ein Beschlußantrag zugunsten einer im Jahre 1920 in Paris zu veranstaltenden Weltausstellung gefaßt wurde. Der Ausschuß der Gruppe wurde beauftragt, die Resolution der Regierung bekannt zu geben.
Ich fühle mich in das vorige Jahr zurückversetzt. Damals spazierte ich auf der andern Seite von Paris im schönen Boulogner Park, unter den stolzen Reitern und prunkenden Karossen. Als ich am See hielt, — o, da übermannte mich die Erinnerung und das Gefühl der großen, schönen Gegenwart; ich dachte zurück, wie ich voriges Jahr am Palmsonntag ain See stand. Damals war cs so feierlich und still. Nur ein schwarzer Schwan steuerte majestätisch über die stille Fläche. Heute war eine ganz eigentümliche Gesellschaft längs der Demarkationslinie aufgestellt: statt amerikanischer Dandys und englischer Barone sind es deutsche Offiziere, die dahergaloppieren. Ueberall Soldaten und Franzosen, die sich gegenseitig mit Neugierde austaunten, zumal die bayerischen Posten waren seitens der Franzosen Gegenstand der lebhaftesten Bewunderung: „Ov smt v riditdlomsin ä s nomines! Ulcouto/! ()us «lir il?
i> pur «! Da umstanden sie z. B. einen bayerischen Infanteristen, der — ein vierschrötiger Bursch, — gleichmütig dreinsah ; als er meinte, nun könnten sie ihn genug angesehen haben, sagte er: „Jetzt mochens, daß 's waiter kommen!" Aber seine Sprache entlockte den Parisern neue Bewunderung. Sie kamen näher und trotz aller Warnungen meines Bayern immer näher, bis sie ihn rings umgaben; da stellte er sein Gewehr auf den Boden, stemmte sich mit beiden Händen auf und schlug mit den Füßen aus. Die bayerischen Schuhnägel taten so gute Wirkung, daß die Franzosen init Rusen des Entsetzens
auseinanderstoben. Es war eine köstliche Szene.
(Forts, folgt.)