Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn« und Festtage.

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Fernsprecher Nr. 29.

84. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

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Beilagen. Plauderstübchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

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Bekanntmachungen der Kgl. Zentralstelle. Abhaltung eines genossenschaftlichen Unterrichts­kurses für Werkgenossenschasten.

Unter der Voraussetzung genügender Beteiligung ist für Januar 1911 die Abhaltung eines Unterrichtskurses für Werkgenossenschaften beabsichtigt. In demselben sollen einzelne Handwerker behufs künftiger Errichtung neuer Genossen­schaften mit den für deren Gründung, Einrichtung und Ge­schäftsführung erforderlichen Kenntnissen ausgerüstet, gleich­zeitig aber auch Geschäftsführern, Vorstands- und Aussichts­ratsmitgliedern bestehender Genossenschaften Gelegenheit zur Erweiterung ihrer Kenntnisse in Beziehung auf die Ein­richtung und Verwaltung ihrer Genossenschaften gegeben werden.

Der Kurs, welcher in Stuttgart abgehalten werden und voraussichtlich 6 Tage dauern wird, soll am Montag, den 9. Januar beginnen.

Der Unterricht wird in einen theoretischen Teil (Wirt­schaftliche Bedeutung der Erwerbs- und Wirtschastsgenossen- schaften für das Handwerk und Anleitung zur Errichtung und Einrichtung von Genossenschaften insbesondere von Werkgenossenschaften) und einen praktischen Teil (Buch- und Rechnungsführung und Geschäftspraxis der Werkgenossen­schaften) zerfallen. Eine Belehrung über Kraft- und Ar­beitsmaschinen samt den hierzu gehörigen Werkzeugen, Ap­paraten, Schutzvorrichtungen usw. mit besonderer Berück­sichtigung der Verhältnisse in Genossenschaftsbetrieben, sowie eine praktische Anleitung zur Behandlung und Instandhalt­ung jener Maschinen für Ungeübte soll sich anschließen.

Den Aufwand für die Lehrerbelohnungen, Lehrmittel, Heizung, Peleuchtung und Reinigung des Unterrichtsraumes und für sonstige mit der Deranstatung des Kurses verbun­dene Nebenauslagen wird ebenso wie den Ersatz, der den auswärtigen Kursteilnehmern bei einmaliger Hin- und Rück­fahrt erwachsenden Fahrtkosten die Zentralstelle für Gewerbe und Handel aus ihren Mitteln bestreiten.

Außerdem werden in der Regel den am Kurs teil­nehmenden, außerhalb Stuttgarts wohnenden Handwerkern, ohne daß hierzu der Nachweis einer besonderen Bedürftig­keit erforderlich wäre, aus Mitteln der Handwerkskammern und Gemeinden Geldentschädigungen für Zeitversäumnis während der Kursdauer und für erhöhten Lebensaufwand während der Abwesenheit von ihrem Wohnort in der Höhe von täglich 78 gewährt.

An dem Kurs können außer selbständigen Handwerkern und Geschäftsführern, Vorstands- und Aussichtsratsmitgliedern von bestehenden Werkgenossenschaften, auch Sekretäre von Handwerkskammern und Gemeinde-- und Staatsbeamte teil­nehmen.

Anmeldungen für den Kurs sind spätestens bist. Dez. d. I. beim Sekretariat der Zentralstelle für Gewerbe und Handel einzureichen, wobei anzugeben ist, ob der Ange- meldetc selbständiger Handwerker ist, welches Gewerbe er betreibt, ob er einer am Ort bestehenden Fachvereinigung seines Gewerbes angehört und ob er früher schon Unterricht in der gewerblichen Buchführung genossen hat.

Stuttgart, den 1. November 1910. Mosthaf.

Die Goldinfel.

76 von Clark Russell. (Fortsetzung.)

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Einen Augenblick stand ich starr, mit dem Ohr an der Tür lauschend, ob nicht irgend ein Ton, ein Röcheln oder Seufzen zu hören wäre. Doch nichts von alledem. Die Tür zu sprengen, gelang mir nicht. Ich wollte Hilfe holen. Im Begriff dies zu tun, traf mein Auge Fräulein Temple, die, vollständig angekleidet, mit der Laterne in der Hand erschien.

Um Gottes willen, was ist geschehen? fragte sie mit entsetztem Blick.

Das weiß ich augenblicklich selbst noch nicht, erwiderte ich erregt. Ich fürchte aber, der Kapitän hat sich erschossen. Bitte, bleiben Sie jetzt hier. Ich muß wieder hinauf. Oben ist niemand, der die nötigen Befehle geben kann.

Sie sah mich angstvoll an und wollte wohl noch etwas sagen, doch ich sprang schon die Treppe hinauf. An ihrem Ausgang stieß ich auf Wilkins.

Ruse Lush, befahl ich ihm hastig. Er soll schnell kommen, ich fürchte, es ist ein Unglück passiert. Auch die Freiwache soll zum Segelbergen herauf.

Der Junge rannte davon.

Nicht bloß ein einzelner Windstoß hatte die Bark so stark übergelegt; der Wind nahm anhaltend zu. Ohne auf die Freiwache zu warten, eilte ich nach dem Besanmast, löste das Stagsegel und ließ es niedergleiten. Kaum hatte

Montag, den 7. Wovemöer

Politische Ueberficht.

Der Verein deutscher Zündholzfabrikanten

richtete an den Reichstag eine Eingabe, in der er die Be­steuerung der Ersatzmittel für Streichhölzer fordert. Andern­falls könne sich die Zündholzindustrie nicht erholen, dem Reich aber entgehe eine bedeutende Einnahme an Steuern. Noch merklicher werfen die Petenten mit der Wurst nach der Speckseite in dem folgenden Satz:Die Reichsregierung wird sich hoffentlich von den täglich mehr und mehr über­handnehmenden Ersatzmitteln auf die Dauer kein Schnipp­chen schlagen und sich durch dieselben nicht um einen großen Teil der Zündwarensteuer bringen lassen".

Kurz vor dem Zusammentritt des Reichstags wird, wie dieNordd. Allg. Ztg." mitteilt, der Ausschuß des Bundesrats für die auswärtigen Angelegenheiten bei dem Reichskanzler versammelt werden.

Eine Mohammedanerversammlung in London beschloß einen scharfen Protest gegen die Aktion Englands in Persien. England wird weiter aufgefordert, seinen Ein­fluß geltend zu machen, um die Zurückziehung der russischen Truppen aus Persien zu erreichen. Die Redner klagten England und Rußland in heftigen Worten an. Der Name des deutschen Kaisers wurde mit lautem Beifall begrüßt.

Der neuen englischen Flottenpanik arbeitet auch der Zivillord der Admiralität nach besten Kräften ent­gegen. Er hielt in Wareham eine Rede, in der er auf die Haltlosigkeit der Alarmnachrichten über die deutsche Flotte hinwies. Er verwarf es in nachdrücklicher Weise, Schiffe zu bauen, bevor sie nötig seien, und erklärte, der Zweimächte­standard werde auch einschließlich Amerikas ausrechterhalten.

Der neue griechische Minister des Aeuftern und bisherige Gesandte in Konstantinopel, Gryparis, erklärte, in den letzten Audienzen beim Sultan und beim Thron­folger sei er mit liebenswürdiger Aufmerksamkeit behandelt worden und aus seinen Unterredungen mit hervorragenden Persönlichkeiten der Regiemng habe er die Ueberzeugung gewonnen, daß Griechenlands Beziehungen mit der Türkei zur Besserung neigen. Alle, mit denen er sich unterhalten habe, versprachen, daß die Ausweisungen von Griechen auf­hören sollen. Das Nachlassen des Boykotts lasse hoffen, daß die Versprechungen gehalten werden.

Die türkisch-deutschen Anleiheverhandlungen haben rasch zu einer Verständigung geführt. Als Basis ist eine Kombination von kurzfristigem Vorschuß mit Anleihe festgestellt worden. Der Abgeordnete Hussein Dschahid drückt imTanin" seine große Befriedigung über den Gang der Anlciheverhandlungen aus. Die deutsche Gruppe habe im voraus von allen nicht zur Anleihe gehörigen Nebenbeding­ungen abgesehen und auf Grund eines reinen Finanzgeschäftes auf der Basis eines der erstklassigsten Pfänder, das die Türkei dafür zur Verfügung stelle, verhandelt.

In Honduras ist infolge der Revolte des Generals Valadares das Kriegsrecht erklärt worden. Der Hafen Amapala (auf der Insel Tigre) ist geschlossen und auf der Insel der Belagerungszustand erklärt morden.

ich das getan, als der Zimmermann, gefolgt von der Frei­wache, erschien,

Was für 'n Unglück soll geschehen sein? fragte er in seiner groben Art.

Hastig teilte ich ihm alles mit und schloß mit den Worten: Es kann gar nicht anders sein, der Kapitän muß Selbstmord begangen haben.

Einen Augenblick starrte er mich sprachlos an, dann brummte er etwas von Tür aufbrechen und gleich hinunter­gehen, ich hielt ihn jedoch davon ab, mit dem Hinweis, daß vor allen Dingen das Schiff erst erleichtert werden müsse.

Er nickte zustimmend und stieg sogleich auf das Kam- panjedeck, während ich im Forteilen ihm zurief: Ich werde Sie in der Kajüte erwarten.

Dort empfing mich meine so plötzlich wieder aus allen Himmeln geworfene Gefährtin mit weit geöffneten schreckens­starren Augen.

Ist das Schiff in Gefahr? rief sie verzweiflungsvoll unter dem Donner der beim Einholen schlagenden Segel, dem Gebrüll von Lush, dem Gepolter der Taue und den gegenseitigen rauhen Zurufen der Leute.

Bewahre, nein, erwiderte ich in beruhigendem Ton. Die Brise hat bedeutend aufgefrischt, es werden deshalb nur Segel gekürzt.

Ach Gott, was habe ich ausgestanden, während Sie fort waren. Ich dachte, das Schiff fiele um. Daß doch immer neues Unglück über uns kommt! Glauben Sie wirklich, daß der Kapitän sich erschossen hat?

Man kann nichts anderes annehmen, wenn man den

1S1«

Tages-Neuigkeiten.

Aus Stadt und Land.

p Neuenbürg, 5. Nov. In dem Dorfe Neusatz ist das Wohn- und Oekonomiegebäude des Zimmermeisters Karl Müller durch Feuer zerstört worden. Brandstiftung wird vermutet. Bei dem herrschenden Sturm griffen die Flammen so rasch um sich, daß nur wenig Fahmis gerettet werden konnte.

Die Gegensätze in der württembergischen Industrie.

Hierzu schreibt uns der Verband Württ. Industrieller:

Die Darstellung des Industrie-Kartells enthält die für den Eingeweihten kaum faßliche Behauptung, durch die un­erfüllbaren Forderungen des Verbandes sei das Scheitern der Verhandlungen zwischen den beiderseitigen Organisatio­nen herbeigeführt worden. Demgegenüber mögen folgende Tatsachen sestgestellt werden. Der Verband wurde seinerzeit ausdrücklich zu dem Zweck gegründet: eine einheitliche Ver­tretung der ganzen württ. Industrie zu schaffen. Aus dieser Absicht heraus wurde damals dem jetzigen Vorsitzen­den des Kartells die Vorstandschaft im Verband angeboten. Sie wurde abgelehnt, dagegen wurde einige Monate später unter Assistenz des sattsam bekannten Generalsekretärs des Zentralverbandes Deutscher Industrieller von einer Anzahl württ. Industriellen eine Gegenorganisation gegen den Verband, eben das Kartell geschaffen, welche die württ. Mitglieder des Vereins Süddeutscher Baummollindustrieller, den Verband Metallindustrieller in Württemberg und den Verein der Pianofortefabrikanten umfassen sollte, aber wie das Kartell jetzt sagt, beileibe keine Sondergründung sondern nur eine notwendige Ergänzung des Verbandes sein sollte. Der in Aussicht genommene »Beitritt des Vereins der Pianofortesabrikanten erfolgte nicht, dieser ist, wie das Kartell sagt,abgefallen" und der Verband der Metall- Industriellen ist in richtiger Einsicht der Sachlage mittler­weile wieder ausgetreten, so daß das Kartell nach seiner eigenen Angabe nur noch auseinem großen Teil der württ. Textilindustrie und einer Anzahl hervorragender Firmen an­derer Branchen" besteht. Groß kann diese Anzahl nicht sein, denn nach seiner eigenen Angabe beschäftigt das Kartell ca 20000 Arbeiter, wovon nach der vorliegenden Statistik auf die neun Unterzeichneten Vorstandsmitglieder allein schon 15000 entfallen.

Vor einiger Zeit wurden wieder Verhandlungen über eine Verschmelzung beider Organisationen eingeleitet, wobei der Verband sich bereit erklärte, den Mitgliedern des Kar­tells eine ihrer Zahl und Bedeutung entsprechende Vertre­tung in der Leitung einzuräumen. Vor dem Zusammentritt der beiderseitigen Vertreter sandte aber das Kartell an den Verband eine gedruckte sehr umfangreiche Instruktion für seine Delegierten und verlangte von dem 40 mal mehr Mitglieder zählenden Verband nichts weniger als: er solle sich vollständig auflösen und auf Grund der von dem Kartell ausgearbeiteten Satzungen neu konstituieren, welche u. a. ein alles beherrschendes Direktorium an der Spitze

Schuß, die Totenstille in der Kajüte des Kapitäns und die verschlossene Tür in Zusammenhang bringt. Wir werden ja bald darüber Gewißheit erhalten, sobald Lush kommt. Er will die Tür aufbrechen; so lange müssen wir uns ge­dulden. Einstweilen will ich die Lampe anzünden, denn das Stümpfchen in der Laterne geht zu Ende.

Sobald ich das getan hatte, ging ich noch einmal an die verschlossene Tür, rief den Kapitän beim Namen, horchte und pochte, aber, wie ich mir gedacht hatte, erfolglos.

Gott, o Gott! jammerte das Mädchen wieder, wie soll das werden? Was wird nun noch kommen?

Zunächst Rio, antwortete ich mit erzwungener Sorg­losigkeit. Ein wahres Glück bei allem Unglück, daß ich so viel von der Navigation verstehe, um das Schiff dahin bringen zu können. Es ist ja gewiß sehr traurig, wenn sich der arme Mensch, der Kapitän im Wahnsinn erschossen hat, für uns jedoch würde das nicht sehr beklagenswert sein, da man bei ihm keine Stunde vor irgend welchen neuen Einfällen sicher sein konnte.

Sie sprechen das so leicht hin, bedenken aber nicht, daß wir uns nun vollständig in der Gewalt von Sträflingen, Meuterern und wer weiß was für Bösewichtern befinden.

Ach, glauben sie doch so etwas nicht. Diese Schilder­ung seiner Leute war doch auch nichts weiter als eine Aus­geburt des Wahnsinns.

Wir wollen es hoffen; jedenfalls aber sind es, mit Lush an der Spitze, rohe Menschen, die jetzt auf dem Schiff allein werden herrschen wollen und es hinführen werden, wohin es ihnen beliebt.