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84. Jahrgang.
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Schwab. Landwirt.
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Menslag, dm 1. HlovemSer
1S10
Politische Uebersicht.
p Der Vorsitzende des Landesverbands der Württem- bergischen Jungliberalen, Rechtsanwalt Dr. Wölz. äußerte sich in einem Bortrag in Rottweil über politische Unzufriedenheit zu den Aufgaben des Liberalismus, welche auf eine Cirngnng der linksliberalen Parteien für die Wahlen hindrängen, etwa wie folgt: Die jetzige Lage verlangt, daß man nicht bald nach rechts, bald nach links laviert, bald sich über die Uebergriffe der Autoritätsparteien entrüstend gegen sie alle Kräfte einschließlich der Sozialdemokratie aufs Kampffeld ruft, bald aus Angst vor der Sozialdemokratie zur Sammlungsparole greift, vielmehr muß man, und das verlangen insbesondere wir Iungliberale, durch positive Opposition gegenüber dem schwarz-blauen Block auf Besserung unserer innerpolitischen Verhältnisse im Sinne einer modernen gleichberechtigten Mitwirkung des deutschen Bürger- und Bauerntums ohne Unterschied der Konfession lediglich mit Rücksicht auf seine ausschlaggebende national- wirtschaftliche Bedeutung drängen. Eine solche muß durchgeführt werden in der auswärtigen Vertretung, denn wir sind eine Weltwirtschaftsmacht. Sie muß durchgeführt werden, in den Verfassungen in Preußen für die Abgeordnetenkammer und für das Herrenhaus und ebenso in anderen norddeutschen Staaten, vor allem aber in der preußischen Verwaltung, endlich in der künftigen Gestaltung der Reichsfinanzen. Das ist die Grundaufgabe heutiger liberaler bürgerlicher Politik. Die Sozialdemokratie steht diesen Gedanken abweichend gegenüber; für das heutige Werte schaffende Bürger- und Bauerntum hat sie kein Verständnis, im Gegenteil, sie ist sein erbitterter wirtschaftlicher Gegner, sie steht, obwohl sie einen der wichtigsten Produktionssaktoren, die Arbeiterschaft zu einem großen Teil vertritt, der ungeheuren Bedeutung der Fragen unserer Weltwirtschaftspolitik verständnislos ablehnend gegenüber. Die Aufgabe ist nur zu lösen, beim engsten Zusammenschluß der beiden liberalen Parteien; ihn haben wir Iungliberale von jeher erstrebt und nur ihn zu fördern glaube ich, wenn ich freundnachbarlich unter Wahrung meines nationalliberalen Standpunkts Bedenken dagegen erhebe, daß in allzu scharfer, nur kritisierender Opposition die Grenzen nach links verdunkelt werden. Für eine positive Wahlparole der gesamten liberalen Opposition sind unseres Erachtens auch die linksstehenden bürgerlichen Wähler zu haben; daher der gewaltige Erfolg Naumanns mit seiner „Demokratie und Kaisertum" und „Neudeutsche Wirtschaftspolitik"; sie boten beide Anregungen zu positiven politischen Neuerungen auf moderner Grundlage. Dies haben viele nationalliberale Kreise bei der letzten Rede über den Kaiser schmerzlich vermißt und vielfach sind Bedenken laut geworden, die der liberalen Wahleinigung gefährlich werden konnten. Unter warmer Anerkennung von Naumanns Einfluß auf die ganze moderne liberale Entwicklung habe ich in der vom Beobachter so scharf angegriffenen Stuttgarter Rede darauf hingewiesen, daß Naumanns Auftreten in der Kaiserrede aus den geschilderten Gründen die Einigung der Liberalen wohl nicht erleichtert habe. Ich nehme an, daß wenn man auf der anderen Seite die Motive und den Zusammenhang kennt, man die Gründe mindestens wird zu würdigen wissen. Zugegeben
Die Goldinsel.
73 von Clark Russell. (Fortsetzung.)
Es kostete mich eine furchtbare Ueberwindung, beim Lesen dieser lächerlichen Stilübung meinen Ernst zu bewahren und meine Mienen zu beherrschen. Ich durfte nicht einmal wagen, meiner Gefährtin einen verstohlenen Blick zuzuwerfen, denn die Augen des Schriftstellers hafteten fortwährend durchbohrend auf mir.
Ausgezeichnet! Nichts könnte mich mehr befriedigen, rief ich. Wenn Sie jetzt unterschreiben wollen, und Fräulein Temple die Güte gehabt hat, die Richtigkeit Ihrer Unterschrift zu bestätigen, ist dieser Punkt erledigt.
Er setzte sich sogleich und unterschrieb mit den großen Buchstaben eines Klippschülers seinen vollen Namen mit allem Zubehör. Währenddessen suchten meine Blicke vergeblich einen Ausdruck der Belustigung aus dem Gesicht des Mädchens. Sie war blaß und erregt und zitterte mit der Hand, als sie die ihr von Braine überreichte Feder ergriff, um seine Unterschrift zu bescheinigen.
Jetzt kam ich mit meinem Schriftstück an die Reihe, das die Erklärung enthielt, daß ich mich nur gezwungen an dem Unternehmen des Kapitäns beteiligte. Ks war ganz kurz gefaßt, er aber studierte es lange, ehe er sich entschloß, es abzuschreiben und seinen Namen darunterzusetzen.
werden mag, daß, weil der „Schwäbische Merkur" in seinem Bericht jiiber diese Versammlung die damals im Mittelpunkt des Interesses stehende Frage der Gegnerschaft zum Großblock besonders heroorgehoben hat, Veranlassnng zu einer mißverständlichen Auffassung gegeben war. Gewahrt muß jedoch werden für jeden Angehörigen der beiden Parteien das Recht, daß er im Interesse des gemeinsamen Vorgehens die Bitte ausspricht, es möge in gewissen Punkten Rücksicht auf weit verbreitete Stimmungen in der anderen Partei genommen werden. Namens der Iungliberalen ist zu erklären, daß sie aufs wärmste den Versuch ihrer Partei begrüßt haben, das Zusammengehen mit der Fortschritt!. Volkspartei bei den Wahlen herbeizuführen. Sache der lokalen Organisationen und aller Angehörigen der Parteien ist es, daß, wo es von ihnen gefordert wird, Opfer im Interesse der allgemein notwendigen Verständigung zu bringen und wo die eigene Partei in einem Bezirk die Wahlaufgabe zugeteilt erhält, mit der größten Energie und in freundnachbarlichem Einverständnis mit der anderen Partei die Wahlen durchzuführen.
Der bayrische Landwirtschaftsrat hat sich mit der Frage der Fleischversorgung befaßt und sich mit einer vorübergehenden kontingentierten Fleischeinfuhr zur Linderung der Fleischnot einverstanden erklärt. Er ist dagegen für eine Erleichterung der Einfuhr von Nutz- und Schlachtvieh nicht zu haben, ferner verlangt er eine Erhöhung des Alters für Schlachtkälber, die Errichtung von Schweinemastgenossen- schaften, wie in der Provinz Hannover, mit einmaligen Staatszuschüssen und Frachtermäßigung für den Bezug der Futtermittel, ferner die genossenschaftliche Biehverwertung mit weitestgehender Staatsunterstützung und Verbot des Platzhandels mit Vieh.
Im spanischen Senat erklärte Ministerpräsident
Canalejas, er werde vor Jahresende dem Parlament einen Abänderungsentwurf zum Vereinsgesetz vorlegen. Vorher aber müsse das Religionsgeseß angenommen werden. Für die spanische Kirche habe die kritische Stunde geschlagen, und der Augenblick sei gekommen, das klerikale Problem zu lösen. Wenn die liberale Partei das Problem jetzt nicht löse, werde sie cs niemals lösen. Die Ablehnung des Religionsgesetzes werde nicht auf ihn.allein zurückfallen, der in diesem Fall zurücktreten würde, sondern auf die liberale Partei und in letzter Linie aus das Vaterland. (Langanhalt. Beifall). — Der Bischof von Madrid erklärte, er werde in allem, was die Wohlfahrt des Vaterlandes angehe, immer auf seiten Canalejas' stehen. Canalejas erwiderte, er stelle diese Erklärung mit Vergnügen fest und betone die Reinheit der Absichten der Regierung in der religiösen Frage. — Die Kammer hat mit großer Mehrheit das Gesetz betr. Abschaffung des religiösen Eides angenommen.
In Griechenland ist die Opposition wegen der
Auflösung der Nationalversammlung zur Obstruktion übergegangen. Wie die Partei Theotokis haben auch die Parteien Rhallis und Mawromichalis beschlossen, sich an den Wahlen zur neuen Nationalversammlung nicht zu beteiligen. In den entsprechenden Parteibeschlüssen bezeichnet man das Vorgehen der Krone und der Regierung Veniselos als verfassungswidrig und alle künftigen Beschlüsse der neuen Nationalversammlung als null und nichtig. Die öffentliche
So, sagte ich, nachdem dies geschehen, nun ist alles geordnet; jetzt können Sie Ihr Ruder auf Rio stellen.
Damit bot ich Fräulein Temple meinen Arm, um sie hinauszuführen, er jedoch rief:
Bitte nicht so eilig. Wir wurden vorhin unterbrochen. Sie sind mir noch die Erklärung schuldig, welches Verhältnis zwischen der jungen Dame und Ihnen besteht. Ich frage nicht aus Neugier, aber sie kennt mein Geheimnis, da darf ich das verlangen.
Nun, wenn Sie es durchaus wissen wallen — wir waren Mitpassagiere, gab ich mit einem Seitenblick auf das Mädchen zur Antwort, in dessen Antlitz sich Pein und Entrüstung malten.
Darin liegt nichts Bindendes, entgegnete er überrascht. Ich hielt Sie für Verlobte, die nur auf eine Gelegenheit warteten, sich zu heiraten. Wie hätte ich etwas anderes an- nehmen sollen?
Glauben Sie das auch weiter, rief ich lustig und lachte, indem ich ihre Hand faßte: Wir sind Verlobte, und wenn sich die Gelegenheit findet — ich legte auf das „wenn" einen nur für sie verständlichen Ton — werden wir heiraten, und Sie werden hoffentlich auf unserer Hochzeit tanzen und an dem auserlesenen Hochzeitsmahl teilnehmen, zu dessen Herrichtung ich mich freuen werde, meinen Anteil an dem Schatze zu verwenden.
Fräulein Temple lachte hysterisch.
Meinung nimmt den Beschluß der oppositionellen Parteiführer, sich an dem Wahlkampf nicht zu beteiligen, ruhig aus. — Griechisch-französische Verhandlungen über die Entsendung einer französischen Militärmission nach Griechenland sind zum Abschluß gelangt. Die durchweg aus höheren Offizieren bestehende Mission, an deren Spitze ein General stehen soll, soll bereits im Lauf des Dezember in Athen eintreffen. Allen diesen Offizieren soll durch ein besonderes Gesetz die griechische Nationalität verliehen werden, damit sie erforderlichenfalls ein tatsächliches Kommando übernehmen können.
Die vereinigten Staaten von Amerika haben
wegen der auf Kuba herrschenden Gärung 700 Mann nach Pinar del Rio gesandt. _
Liberale Verständigung.
Eine Korrespondenz, die in der Regel gut unterrichtet ist, verbreitet die Nachricht:
Bei den Verhandlungen, die zwischen den beiden liberalen Parteien Württembergs, der nationalliberalen Partei und der Fortschrittlichen Bolkspartei, über ein gemeinsames Vorgehen bei den nächsten Wahlen gepflogen werden, ist, wie man hört, in den Hauptfragen eine Uebereinstimmung erzielt worden. Das Zustandekommen der Wahlbündnisse hängt jetzt davon ab, ob auch die örtlichen Organisationen die Abmachungen der Führer gutheißen werden. Nach der allgemeinen Stimmung und den bei den letzten Reichstagswahlen gemachten Erfahrungen ist hieran kaum zu zweifeln, wenn auch
da und dort einige Widerstände zu überwinden sein werden. * *
*
p Wie die Württ. Presse-Korrespondenz Mitteilen kann, ist die Nachricht eines Stuttgarter Korrespondenzbureaus, wonach bei den Verhandlungen zwischen der Nationalliberalen Partei und der Fortschrittlichen Bolkspartei wegen eines gemeinsamen Vorgehens bei den nächsten Reichstagswahlen in den Hauptfragen bereits eine Uebereinstimmung erzielt worden sein soll, zum mindesten verfrüht. Die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien haben bis jetzt ein positives Ergebnis noch nicht gehabt. Von einer befriedigenden Lösung der Frage der Verteilung der Mandate wird es in der Hauptsache abhängen, ob ein gemeinsames Vorgehen zu ermöglichen ist.
Tages-Neuigkeiten.
Aus Stadt und Land.
Nagold, den 1. November 1910.
* Bauernregeln im November. Biel und langer Schnee gibt viel Frucht und Klee. — Der Andreas-Schnee bleibt 100 Tage liegen und erstickt das Getreide. — Am 23. St. (Klemens) uns den Winter bringt, St. Petri Stuhl dein Frühling winkt, den Sommer bringt uns St. Urban, der Herbst fängt um Bartholomäi an. — Aller-Heiligen bringt Sommer für alte Weiber, der ist des Sommers letzter Vertreiber. — Aller-Heiligen trägt eigen den Winter zu allen Zweigen. — Sankt Martin setzt sich ' on mit Dank am warmen Ofen auf den Bank. — Sank, .-cactin weiß
Sie hätten mir gleich sagen müssen, daß zwischen Ihnen noch kein näheres Verhältnis besteht, sagte er vorwurfsvoll und mit einem strengen Blick, setzte aber gleich freundlicher hinzu. Verliebte tun freilich zuerst immer heimlich. Ich danke Ihnen, mein Fräulein, für Ihren liebenswürdigen Besuch.
Die letzten Worte begleitete er mit einer verabschiedenden Verbeugung, und so verließen wir ihn.
Der weiß Bescheid, scherzte ich draußen. Am Ende ist er doch nicht so verrückt, wie er aussieht.
Sie wandte ihr erhitztes Gesicht e.was hochmütig ab, ich dachte jedoch: Tut nichts. Das war etwas, was nach- klingen und dir zu denken geben wird, mein widerspenstiges Trotzköpfchen.
Wir begaben uns wieder nach oben und setzten uns unter das Zeltdach. Hier lenkte ich ihre Aufmerksamkeit auf Lush, der aus der Wetterseite auf- und abschreitend uns häufig eigentümlich prüfend anblickte.
Ich hoffe, der Kerl durchkreuzt nicht unser Rioprogramm, flüsterte ich. Ich wüßte zwar nicht, wie er das machen sollte, aber ich habe ein instinktives Gefühl, daß er uns noch einmal in irgend einer Weise in den Weg tritt.
Ja, mir ist er ebenfalls unheimlich. Uebrigens beobachten uns auch die Leute neugieriger wie sonst.
Kein Wunder. Es ist so, wie ich Ihnen schon sagte; der Horcher hat alles berichtet, und nun, wo die Kerle end-