Erschein! täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1-10 mit Trägcr-

lohn 1.20 im Bezirks­

und 10 Xm.-Verkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsabonnements nach Verhältnis.

Amis- »ü AMM-KlÄ ftr de« NbkimIs-SkD NWlil.

Fernsprecher Nr. 29.

84. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

Anzeigen-Gebühr für die einspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal.

Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen. Plauderstübchen, Fllustr. Sonntagsblatt und

Echwäb. Landwirt.

M 254

Montag, den 31. Aktoöer

1910

Kgl. Oberamt Nagold. Bekanntmachung,

betr. Maßregeln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche.

Nachdem die Maul- und Klauenseuche in Nord­deutschland, Baden und Bayern zum Ausbruch ge­kommen ist und sich weiter verbreitet, ist Anlaß gegeben, die Ortspolizeibehörden und die Viehbesitzer auf nachstehende MaßnahmenWnzuweisen.

Die schnelle und sichere Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche ist nur möglich, wenn jeder Ausbruch der Seuche oder Verdacht eines solchen der Ortspolizei­behörde sofort nach dem Auftreten der ersten Krankheits­erscheinungen ohne jeden Verzug angezeigt wird.

Die Viehbesitzer und Vorsteher der Wirtschaft, zu welcher die Tiere gehören, sind zu dieser Anzeige ver­pflichtet und werden hiedurch auf diese Verpflichtung mit dem Anfügen hingewiesen, daß die Unterlassung der Anzeige nicht nur den Entzug der Entschädigung für die der Seuche zum Opfer gefallenen Tiere, sondern auch Bestra­fung zur Folge hat. Dabei wird noch hervorgehoben, daß nach dem Urteil des Reichsgerichts vom 27. April 1904 eine wissentliche Verletzung der Auzeigepflicht nach A »28 R.-Str.-G.-B. d. h. mit Gefängnis und nicht bloß mit Geldstrafe zu bestrafen ist.

tz 328 R.-Str.-G.-B. lautet folgendermaßen: Wer die Absperrungs- oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhr­verbote, welche von der zuständigen Behörde zur Ver­hütung des Einführens oder Berbreitens von Viehseuchen angeordnet worden sind, wissentlich verletzt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft.

Ist infolge dieser Verletzung Vieh voo der Seuche ergriffen worden, so tritt Gefängnisstrafe von einem Mo­nat bis zu zwei Jahren ein.

Besonders wird bemerkt, daß alle Rindvieh- und Zchweinc-Transporte, welche von Händlern und Land­wirten aus verseuchten oder von der Seuche bedrohten Be­zirken eingeführt werden, aus die Dauer von 14 Tagen, gerechnet von dem Tage des Abgangs aus der verseuchten Gegend, nnter polizeiliche Beobachtung gestellt werden.

Die Ortspolizcibehörden wollen Vorstehendes ortsüblich bekannt machen. Im übrigen werden sie auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom S. Oktober 1tt08, Nr. 17 282, Min.-Amtsblatt S. 27» sf. zur genauen Beachtung hingewiesen.

Nagold, den 29. Okt. 1910._ Mayer, Reg.-Ass.

Der Gcmeindemt Stuttgart hat dem Kathrincuhospitalverwalter D. Gnutzte (gebürtig aus Walddorf) die AmtsbezeichnungStädti­scher Rechnungsrat" verliehen.

Politische Uebersicht.

Die Reichsfinanzreform von 1NSS findet in

der demnächst erscheinenden zweiten Auflage eines Bandes von Ad. Wagners Steuergeschichte eine sehr harte wissen­schaftliche Beurteilung. So sagt der konservative

Gelehrte z. B. über die Ablehnung der Erbschaftssteuer: Die Phrasen vom Widerspruch der Erbschaftsbesteuerung der Kinder und Gatten mit demdeutschen Familiensinn", demdeutschen Gemüt", die agitatorische Bezeichnung einer solchen Steuer alsWitwen und Waisenbesteuerung" was in ihren Wirkungen jede Einkommens- und Vermögens­steuer und mehr oder weniger überhaupt jede Steuer eben­so ist, weil sie das ohne sie sich bildende Pcivatvermögen gleichfalls regelmäßig vermindern wird, also zu einem klei­neren Nachlaß führt, solche Phrasen, von denen die letzte ein ganz sozialdemokratisches Gepräge trägt, leider gleichwohl aber von der agrarischen und hochkonservativen Presse zur Agitation gegen die Erbschaftssteuer 1909 benutzt wurde, und solche Hinweise auf das angeblich Gefährliche, eine solche Steuer der Gesetzgebung eines Parlaments, das auf dem allgemeinen Wahlrecht beruht, zu unterstellen als ob, wenn die Sozialdemokratie einmal die Uebermacht er­reichte, sie nicht auch ohne Anknüpfung an eine solche be­stehende maßvolle Erbschaftssteuer eine solche Steuer neu und mit ganz anderen Sätzen einführen könnte schließlich doch praktisch zumeist die politische Parteikonstellation haben den ganzen großgedachten Plan der Reform der Erbschafts­steuer und des Erbrechts leider zum Scheitern gebracht." Dieses freimütige Bekenntnis ist derKreuzzeitung" sehr unbequem. In einer Polemik gegen Wagner hält sie ihm einen Ausspruch W. Roschers entgegen, wonach in jugend­lichen Gemeinwesen in der Regel eine übermäßige Besteuer­ung der ärmeren Klassen vorherrsche, in verfallenden man aber die Reichen plündere; eine recht gerechte Verteilung der Staatslasten sei ein Zeichen blühender Staaten. Hierauf erwidert Adolf Wagner in derTäglichen Rundschau" : Letzterem Satze stimme ich vollständig bei und daß die Politik der Konservativen in Bekämpfung der Steuer­vorlage der verbündeten Regierungen, vor allem in der Ablehnung der Erbschaftssteuerresorm und der Re­form des Erbrechts selbst, gegen diesen Satz stark ver­stoßen hat, ist mein in dem Buch gemachter und wohlbe­gründeter Vorwurf." Wagner schließt seine Erwiderung mit den Worten:Hoffentlich wird später bei sicherlich unver­meidlichen weiteren Steuerreformen in Reich, Staat und Gemeinden eine so klassengoistische Steuerpolitik, wie sie 1909 sich vielfach geltend gemachthat, nicht wieder hervortreten."

Die Reichstagskommission für die Reichsver­sicherungsordnung beendete die erste Lesung. Nach Verein­barung mit den Vertretern der verbündeten Regierungen und der Kommission wird die zweite Lesung am 10. Nov. begonnen.

Die spanischen Verhandlungen mit dem marok­kanischen Gesandten El Mokri sind beendigt, ausgenommen die Frage der Entschädigungen, die El Mokri zu vermin­dern sucht. Die Blätter bringen heftige Artikel über die französische Preßkampagne, durch die El Mokri zum Wider­stand in der Frage der Entschuldigung ermutigt wird.

In der Türkei ruft es große Genugtuung her­vor, daß nach einer Depesche des türkischen Gesandten in Brüssel Kaiser Wilhelm diesen durch ein halbstündiges Ge­spräch auszeichnete, in dessen Verlauf der Kaiser lebhaft seine

Sympathie für die Türkei und deren große Fortschritte auf

allen Gebieten kundgab.

Die persische Regierung hat wieder aufhetzende

Briefe des abgesetzten Schahs Mohamed Ali an Turkmenen aufgefangen. Die Regierung beabsichtigt ernstlich, die Zahl­ung des Gehalts an den Exschah zu sistieren, wozu sie nach der Abdankungsurkunde berechtigt ist.

Reichstagswahlaussichten.

r Ueber die liberale Verständigung in Württemberg und die Reichstagswahlaussichten schreibt die Süddeutsche Reichskorresp.: Wie der Vorsitzende der Nationalliberalen Partei, Landtagsabg. Kübel, in Geislingen mitteilte, sind zwischen Nationalliberaler Partei und Fortschritt!. Volks- partei Verhandlungen über ein Zusammengehen im ersten Wahlgang der kommenden Reichstagswahlen eingeleitet. Ueber das Ergebnis der Verhandlungen hat noch nichts verlautet, doch kann eben diese Stille als ein Zeichen des erfolgreichen Foxtschreitens der Verhandlungen gedeutet wer­den. Es ist übrigens anzunehmen, daß der Zwang der Verhältnisse beide Parteien stark genug beeinflussen wird, um über die vorhandenen Schwierigkeiten hinwegzukommen. Diese Schwierigkeiten liegen, wie leicht ersichtlich, darin, daß die zunächst naheliegende gegenseitige Anerkennung des Besitzstandes nebst Verteilung der übrigen Wahlkreise eine etwas ungleicheVerteilung der Güter" bedeuten würde, da die Nationalliberalen nur ein Mandat besitzen und auch dieses recht gefährdet die Fortschrittliche Volks­partei aber 7 Mandate. Bei der Betrachtung der Wahl­aussichten wird man wohl drei Gruppen bilden müssen. Konservative und Zentrum als erste, Nationalliberale und Volkspartei als zweite und Sozialdemokratie als dritte Gruppe. Würde man annehmen, daß jede der beiden ersten Gruppen sofort im ersten Wahlgang Zusammengehen würde, und legt man den Berechnungen die Ergebnisse der Proporz­wahlen 1907 zu Grunde, so würde sich folgendes Bild ergeben: Im ersten Wahlgang wurden entschieden die Wahlen in den Wahlkreisen 12 (Crailsheim), 13 (Aalen), 15 (Mün- singen), 16 (Biberach) und 17 (Ravensburg), sämtlich zu­gunsten der ersten Gruppe (Konservative-Zentrum), sowie in Kreis 6 (Reutlingen) zugunsten der zweiten Gruppe der Liberalen. In sämtl. übrigen Wahlkreisen käme die 2. Gruppe der Liberalen in die Stichwahl und zwar in den Kreisen 1 (Stuttgart), 2 (Cannstatt), 5 (Eßlingen) mit der Sozial­demokratie, in den Kreisen 3 (Heilbronn), 4 (Böblingen), 7 (Calw), 8 (Freudenstadt), 9 (Balingen), 10 (Göppingen), 11 (Hall) und 14 (Ulm) mit den Konservativen und dem Zentrum. Nach weiteren Ausführungen über die Chancen der Sozialdemokratie schließt die Korrespondenz ihre offen­bar ad usum der Volkspartei geschriebenen Ausführungen wie folgt: Einigen sich Nationalliberale und Volkspartei nicht, so fallen sie in verschiedenen Wahlkreisen aus den Stichwahlen aus, so im 5., 10., und 14., wahrscheinlich auch im 3., 4., 8 und 9. Mit anderen Worten, die beiden Parteien riskieren den sofortigen Verlust von sieben Wahl­kreisen, wenn der Streit über das eine oder das andere Mandat sie nicht zur Verständigung kommen läßt.

Die Goldinsel.

72 von Clark Russell. -(Fortsetzung.)

Als Fräulein Temple erschien, lag in ihrem Blick eine gewisse Unsicherheit, doch gab sich das bald, als ich ihr von dem auffallenden Verhalten der Matrosen erzählte und dann wieder von Rio zu sprechen begann.

Das Frühstück führte uns mit dem Kapitän zusammen, Er sah ungewöhnlich bleich und matt aus, so, als ob er eine recht schlechte Nacht gehabt hätte. Er auch wenig, trank sehr hastig und strich sich oft mit der Hand über die Stirn, als wollte er damit einen Schmerz vertreiben.

Sie fühlen sich heute nicht ganz wohl? erkundigte ich mich teilnehmend.

Ja. Der Kopf ist mir so wüst, seufzte er. Ich finde jetzt immer so wenig Schlaf.

Vielleicht ändert sich das nach der Ankunft in Rio, bemerkte Fräulein Temple. Waren Sie schon einmal dort?

Nein, Madam.

Ich hoffe, es werden dort Passagierschiffe nach Eng­land liegen, unter denen ich wählen kann.

Er sah erst sie, dann mich und darauf wieder sie an und fragte endlich: So wollen Sie sich also doch von Herrn Dugdale trennen und allein reisen?

Sie blickte mich ratsuchend an.

Wissen Sie, Kapitän, erlöste ich sie, das ist eine Frage, die ich besser beantworten kann. Mit aller schuldiger Ehr­erbietung vor Fräulein Temple glaube ich, daß die An­

wesenheit einer Dame bei einem Geschäft, wie wir es Vor­haben, uns doch hinderlich sein könnte.

Ja, aber sie kennt mein Geheimnis! stieß er hitzig hervor.

Ihr Geheimnis.ist, das kann ich Sie versichern, bei dem Fräulein ebensogut aufgehoben wie bei mir, suchte ich ihn zu beruhigen.

Daran habe ich bis jetzt auch nicht gezweifelt, weil ich sie beide für untrennbar hielt, nun ich aber erkenne, daß ich mich darin getäuscht habe, möchte ich doch wissen, in wel­chem Verhältnis Sie eigentlich zueinander stehen.

Dem Mädchen stieq dunkle Röte ins Gesicht; sie schlug die Augen nieder.

Fragen Sie mich das ein andermal, lachte ich.

Er sah uns wieder abwechselnd an, wie wenn er über­legte, was er aus uns machen sollte, wurde aber an der Fortsetzung des Gesprächs durch den Eintritt Wilkins unter­brochen, der mit einem Tablett verschiedener Geschirrstücke erschien, die er an ihren Platz stellte.

Während der Junge das tat, beobachtete ich heimlich sein ausdruckloses Kalbsgesicht, ich hätte jedoch ebensogut auf seinen Fußsohlen suchen können, was in seinem Kopf vorging.

Nachdem er uns wieder verlassen hatte, erhob sich Brame und sagte:

Ich habe die Bescheinigung bezüglich Ihres Anteiles angefertigt. Sie werden wohl inzwischen ebenfalls das Schriftstück aufgesetzt haben, das Sie für mich zur Abschrift vorbereiten wollten. Wenn es Ihnen recht ist, bringen wir die Sache jetzt in meiner Kajüte zum Abschluß.

Jawohl, stimmte ich bei. Sie werden aber erlauben, daß Fräulein Temple uns begleitet, da wir eines Dritten zur Bestätigung unserer Unterschrift bedürfen.

Er machte eine Verbeugung, und wir traten in seine Kajüte.

Hier entnahm er der Tischschußlade ein Papier und sagte: Bitte, lesen Sie.

Schön, erwiderte ich, dann will ich es vorlesen, da Fräulein Temple den Inhalt doch auch kennen muß. Ich las:

Bark Lady Blanche. Auf See, den . . ten.

Ich, John Brame, Kapitän der Lady Blanche, bin übereingekommen, mit Herrn Dugdale, Esquire, in Anbe­tracht, daß er mir als erster Maat dient, er mit mir eine Reise unternehmen wird, nach einer unbekannten Insel, welche im südlichen Stillen Ozean, Breite 33 Grad 6' S., Länge 120 Grad 3' W., direkt südwestlich von der Oster­insel gelegen ist. Ich sage, daß ich in Anbetracht seiner Hilfe, mir das Schiff nach jener Insel zu steuern, und hinter­her von da nach Port Louis auf der Insel Mauritius, ich, der besagte John Brame, hier durch diese Bescheinigung dem besagten Dugdale, Esquire, zusichere und geben werde das richtige Drittel des Goldes, das auf der obengenannten Insel vergraben liegt, und dessen Wert in spanischem Gelds, nach ungefährer Berechnung, etwas mehr als zweimalhundert- tausend Pfund englisch beträgt.

Zum Zeugnis dessen meine Unterschrift nebst Siegel.

(Forts, folgt.)