Erscheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

Preis vierteljährlich hier 1.10 mit Träger­lohn 1.20°^, im Bezirks­und 10 Xm.-Verkehr 1.25 im übrigen Württemberg 1.35 Monatsabonuements nach Verhältnis.

Amts- mil AllM-KlÄ ftl de« Odklmts-KD 7..--".

Fernsprecher Nr. 29.

84. Jahrgang.

Fernsprecher Nr. 29.

Anzeigeu-Gebühr für die einspalt. Zeile aus gewöhnlicher Schrift oder deren Raum bei einmal. Einrückung 10 A bei mehrmaliger entsprechend Rabatt.

Beilagen: Plauderstllbchen, Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

Mittwoch, den IS. Hktoöer

238

Erlaß des Borstands der Versicherungsanstalt Württemberg an die Ortsbehörden für die Ärbciterversichcrnng,

betreffend die Aufrechnung der Quittungskarten der zum

Militärdienst einberufenen Versicherten. Nr 2925.

Die Zeit der Rekruteneinstellung rückt heran. Schon wiederholt ist es vorgekommen, daß Quittungskarten der zum Militärdienst einberufenen Versicherten während der zwei- oder dreijährigen Dienstzeit in Verlust geraten sind.

Zur Verhütung eines solchen Verlustes erscheint es da­her geboten, die Quittungskarten der Einberufenen, auch wenn sie mit Marken nur teilweise gefüllt sind, aufzurechnen und hierher einzusenden.

Die Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung werden angewiesen, die in Betracht kommenden Versicherten hierüber zu belehren und sie aufzufordern, nach Beendigung ihrer oersicherungspflichtigen Tätigkeit und vor ihrem Eintritt zum Militär ihre Quittungskarten zur Aufrechnung vorzulegen.

Nach beendigter Militärdienstzeit ist besonders darauf zu achten, daß diese in der neu auszustellenden Quittungs­karte zur Aufrechnung kommt.

Stuttgart, den 21. September 1910.

Der Vorstand der Versicherungsanstalt Württemberg:

Hilbert.

Kgk. Hbevarnt WcrFokd.

Die Ortsschulräte und die Gemeinderäte des Bezirks

werden dringend gebeten, im Interesse der Förderung der Fortbildung und des Wissens ihrer Gemeindeangehörigen insbesondere auf dem Gebiete der Landwirtschaft auch in diesem Winter wieder landwirtschaftliche Abend- vcrsammlnngen Erwachsener, sog. Leseabende in ihren Gemeinden zu veranstalten, in welchen an der Hand guter Bücher und Schriften, z. D.des Sandmanns Winter­abende" u. s. f., geeignete Vorträge über wichtige Gegen­stände auf den Gebieten der Viehzucht, des Ackerbaus, der Düngerlehre, des Obstbaus, des Versicherungswesens u. s. s. von den Herren Geistlichen, Ortsvorstchern und Lehrern gehalten werden.

Die Erfahrung in den letzten Fahren hat gezeigt, daß dieselben vielleicht zweckmäßiger in geeigneten Wirtschaften abgehalten werden und daß die Teilnehmer auch durch bildende unterhaltende Stoffe an die zweckdienlichen Veran­staltungen gefesselt werden müssen.

Bemerkt wird weiter, daß die K. Zentralstelle für die Landwirtschaft Beiträge zu den Abendversammlnngerr bis zu 1 Mk. für den Abend gibt und auf Ansuchen wert­volle Schriften, insbes. landwirtschaftlichen Inhalts unent­geltlich verwilligt.

In der Sache wird auch die in Nr. 35 und 36 der Blätter für das Armenwesen vom Jahr 1905 erschienenen

Ausführungen überAnleitung zur Veranstaltung von Volks­abenden in kleinen Gemeinden" sowie auch auf die frühere Aufforgerung über die Ergänzung der Ortslesebibliotheken durch Bestellung von Büchern vergl. das jeder Gemeinde zugestellte Bücherverzeichnis in Erinnerung gebracht.

Die Herren Ortsvorsteher wollen über die Veran­staltung von Leseabenden binnen 14 Tagen anher Bericht erstatten.

Den 11. Okt. 1910. Ko innrere ll.

Politische Uebersicht.

Staatssekretär von Kiderlen-Wächter ist am

Sonntag abend aus Rumänien in Wien eingetroffen. Am Montag wurde er in halbstündiger besonderer Audienz vom Kaiser Franz Josef empfangen. Darauf stattete er dem Grafen Aehrenthal einen längeren Besuch ab.

Mit der Fleischnot soll sich nach einem Ber­liner Telegramm derMünch. Neuest. Nachr.", auch der Bundesrat in seiner letzten Sitzung beschäftigt haben. Er habe angeblich den Reichskanzler ersucht, der am 13. Okt. stattfindendeu Sitzung des Bundesrats positive Vorschläge zur Milderung der vorhandenen Fleischnot vorzulegen.

Die Sozialdemokratie hat begonnen, die Moa­biter Vorgänge agitatorisch äuszuschlachten. Am Sonntag haben in Berlin und dessen Vororten eine ganze Anzahl Massenversammlungen stattgefunden, in denen die bekann­testen sozialistischen Führer die Kravalle in ihrer Weise dar­stellten. Der Besuch dieser Versammlungen soll jedoch ein verhältnismäßig sehr schwacher gewesen sein.

Der russische Unterrichtsminiftcr Schwarz ist zurückgetreten. Er wird durch den Direktor des Moskauer Lyzeums, Kasso, einen der ersten Russisikations-Professoren Dorpats, ersetzt. Infolge von Ausschreitungen, die sich russische Grenzkosaken in letzter Zeit wiederholt an reichs- deutschen und österreichischen Staatsbürgern zuschulden kom­men ließen, erfolgten nunmehr von russischer amtlicher Seite genaue Verhaltungsvorschriften an die Grenzbeamten, die die Sicherheit der Fremden gewährleisten sollen.

Da der finnische Landtag die Beratnng der Gesetzesvorlagen über die Gleichberechtigung aller russischen Untertanen in Finnland und über die Ablösung der Wehr­pflicht der Finnländer durch Zahlung einer Summe an die Staatskasse abgelehnt hat, hat der Zar Befehl gegeben, auf Grund des am 30. Juli 1910 erlassenen Gesetzes für Finn­land diese Vorlagen bei der Rcichsduma einzubringen. Der finnische Landtag ist aufgelöst worden. Die Neuwahlen sind auf den 2. Januar 1911 neuen Stils, der Zusammen­tritt des neuen Landtages auf den 1. Februar angesetzt.

Der spanische Ministerpräsident Canalcjas hat in den letzten Tagen im Senat und in der Deputierlen­kammer über den Konflikt mit dem Vatikan gesprochen.

Die Goldmsel.

59 von Clark Russell. (Fortsetzung.)

Nun, ich weiß nicht, erwiderte ich achselzuckend; es wäre auf den Fall angekommcu. Ein richtiger Seemann wie Sie und Herr Lush bin ich doch nicht.

DieserHerr Lush", wie Sie ihn nennen, ist kein Herr; er ist ein Schwein auf zwei Beineu, rief er erbost. Lassen Sie ihn auf allen Bieren laufen, so gibt es keine alte Sau unter einem Langboot, die nicht in ihm eins ihrer verlorenen Kinder erkennen würde. Solche Manieren! Sie Hütten ihn essen sehen sollen, Madam. Und dann seine Sprache! Es war mit ihm nicht auszuhalten; schon bald nach Chickens' Tod, jagte ich ihn von meinem Tisch, obwohl ich Freude an Gesellschaft habe. Hierbei machte er gegen uns beide eine verbindliche Kopfverbeugung.

Na, von einem simpeln Zimmermann können Sie doch nicht die Manieren eines Hofmanns erwarten, sagte ich, glücklich, daß er meine Qualifikation zum Seemann ver­gessen zu haben schien. Aber ich irrte, denn scheinbar in tiefe Gedanken versunken, ruhte plötzlich wieder sein starrer Blick auf mir, und dann begann er von neuem:

Ich halte Sie natürlich nicht für einen Seemann ersten Ranges. Dazu sind Sie zu lange aus der Uebung, aber es wird Ihnen bald alles wieder einfallen.

Herr Dugdale war nur zwei Jahre zur See, erinnerte Fräulein Temple; in so kurzer Zeit kann er unmöglich viel gelernt haben.

Glauben Sie das nicht, Madam. Ich hatte in einem Jahr schon so viel gelernt, daß ich auf jedem beliebigen Fahrzeug als Vollmatrose hätte dienen können. Was meinen

Sie denn nicht mehr zu wissen? wandte er sich freundlich zu mir.

Ach viel, viel, Herr Kapitän, antwortete ich lächelnd, obwohl ich zwischen diesem Fragen und den Blicken Fräu­lein Tcmples wie auf Nadeln saß.

Sie könnten doch ein Schiff wenden?

Zur Not wohl. Doch könnte es mir leicht passieren, cs dabei zum Kentern zu bringen.

Er wiegte den Kopf. Na, fuhr er fort, jedenfalls aber vermögeu Sie die nötigen Befehle zum Segelkürzen zu geben und verstehen auch einen Stern zu messen, wie Sie mir sagten.

So? Tat ich das?

Allerdings taten Sie das, schrie er.

Ich erinnere mich dessen nicht, bemerkte Fräulein Temple. Na, lachte er. Die Dame fürchtet, daß Sie zu viel wissen. Ich beabsichtige keine Beleidigung, aber ein Sprichwort im Vordcrkastell sagt: Alle männlichen Affen würden reden, wenn ihre Liebsten ihnen nicht rieten, das Maul zu halten, damit sie nicht eins darauf Kriegen.

Er lachte aus vollem Herzen, während Fräulein Temple, wie zu Stein verwandelt, ihm einen vernichtenden Blick zu­sandte.

Ja, manche Matrosensprüche sind wirklich köstlich, fuhr er fort. Doch um bei der Sache zu bleibeu da Sie einen Stern messen können, werden Sie auch verstehen, die Mittagshöhe festzustellen und daraus die geographische Breite zu bestimmen.

Einige Versuche würden mich wohl wieder dahinter kommen lassen.

Gut, dann bin ich auch sicher, daß Sie aus den Mond­distanzen die geographische Länge zu finden wissen werden.

Aber ich bitte Sie, was bezwecken all diese Fragen?

1910

Im Senat erklärte Canalejas, daß die bisherige Haltung der Regierung durchaus gesetzlich gewesen sei. Er tadelte dann die Haltung des Episkopats und der reaktionären Elemente, die für seine Person beleidigend sei. Er werde gegen die Beleidiger vorgehen. Er lasse sich von niemand einschllchtern, sondern werde die Verwirklichung seines Pro­gramms eifrig betreiben und besonders das dem Senat vorliegende Cadenasgesetz aufrecht erhalten. Der Minister­präsident bestritt, daß im Kabinett, dessen Mitglieder alle eng verbunden und entschlossen seien, zu siegen oder zu sterben, auch mir die geringste Uneinigkeit bestehe. In der Kammer sagte Canalejas, es gäbe auf der Rechten und auf der Linken Elemente, die in einer Art vorgingen, die man als Aufreizung zum Bürgerkrieg bezeichnen müsse. Die Haltung der Klerikalen sei aufrührerisch und ungesetzlich. Canalejas setzte daun auseinander, daß die Nachgiebigkeit der öffentlichen Gewalten in Spanien gegenüber der Kirche zu einer Aufsaugung des Staates durch die Kirche geführt habe; der Klerikalismus habe die bürgerlichen Freiheiten und die Gewissensfreiheit zerstört. Die Regierung beab­sichtige keineswegs die Beziehungen zu Rom abzubrecheu, sie wolle diese vielmehr enger gestalten. Außer dem Cadenas- Gesetzantrag werde die Regierung binnen kurzem eine Ge­setzesoorlage einbringen zur Regelung der rechtlichen Lage der religiösen Genossenschaften. Eine von dem früheren liberalen Minister Gasset beantragte Tagesordnung, die der Regierung das Vertrauen ausspricht, wurde mit 147 Stim­men der Liberalen angenommen; die anderen Parteien ent­hielten sich der Abstimmung.

Die türkischen Behörden beschlagnahmten in Tripolis auf dem italienischen DampferRoma" eine Menge Waffen und Munition. Aus Anlaß des Beiramfestes hat der Sultan etwa 70 wegen der Gemetzel in Adana Verurteilte begnadigt. Generaloberst Freiherr von der Goltz wird nach Beendigung der großen Manöver bei Adrianopel mit einer Anzahl türkischer Offiziere des General­stabs eine Reise unternehmen zur Erinnerung an die ersten türkischen Kaisermanöver, bei denen seit fast 200 Jahren wieder einmal die Armee einen Sultan an ihrer Spitze sehen wird. Die Staatsmllnze prägt für 10000 Pfund Münzen, die den Münzstempel Adrianopel tragen. Serbien und montenegrinische Banden fielen in die Türkei ein und haben Morde und Brandstiftungen begangen. Die Montenegriner wurden schließlich durch die Bevölkerung und Militärabteil­ungen, die einige Tote hatten, zurückgejagt. Der Vorfall wurde der Gesandtschaft in Eettinje gemeldet. Gegen die Serben sind Truppen unterwegs.

Nach Meldungen aus Hongkong haben die dortigen britischen Mcmnebehörden in Besorgnis vor dem Ausbruch einer sremdenfeindlichen Bewegung in Kanton vertrauliche Erkundigungen eingezogen, um rechtzeitig Maß­nahmen zum Schutz der britischen Untertanen ergreifen zu können.

Er sah mich fest an und nickte mehrmals stumm mit dem Kopse, ehe er langsam erwiderte:

Sagten Sie mir nicht, bevor ich Sie an Bord nahm, Sie verstünden die Navigation?

Allerdings. Ich erinnere mich, so etwas gesagt zu haben.

Nun, und warum wollen Sie mich jetzt glauben machen, daß Sie nichts davon verstehen?

Das tue ich gar nicht, entgegnete ich gereizt. Ich meine aber, nachdem Sie mich so viel gefragt haben, darf ich nun auch die Frage stellen, weshalb Sie mich derart examinieren?

Das werden Sie bald erfahren, darüber werde ich sehr bald mit Ihnen sprechen, murmelte er, düster vor sich hin­blickend und geheimnisvoll dazu nickend.

Kapitän Brainc, brach jetzt Fräulein Temple, ihre Ver­achtung vergessend, in zitternder Erregung los, Sie haben uns aus einer furchtbaren Lage befreit und mir versprochen, uns bei erster Gelegenheit auf ein heimwärts segelndes Schiff zu bringen, falls wir nicht bald die Gräfin Ida treffen. Daran bitte ich zu denken.

Habe ich denn mein Versprechen gebrochen? entgegnete er, sich ihr langsam mit großen Augen zuwendend.

Ich kann nur widerholen, daß jede Summe Geldes, die Sie dafür verlangen-

Bitte Madam, wehrte er in keineswegs unhöflichem Ton ab, ich bat Sie schon einmal, diesen Punkt nicht weiter zu berühren; ich weiß alles, was Sie und Herr Dugdale mir gesagt haben. Um so erstaunter bin ich jetzt, daß dieser auf einmal seine nautischen Kenntnisse ableugnen will, welche zu besitzen er erst heute morgen erklärt hat. Ich hoffe, Herr Dugdale, setzte er mit einem finsteren, fast drohenden Blick hinzu, Sie haben mich nicht getäuscht.

(Fortsetzung folgt.)